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[Seite der Druckausgabe: 21 / Fortsetzung]


3. Vorschläge zur Reform der Wohneigentumsförderung in der Diskussion

3.1. Reformvorschläge auf Bundesebene

3.1.1. Die Position der Bundesregierung

Für eine verbesserte Förderung des Wohneigentums sind aus der Sicht der Bundesregierung folgende Leitlinien maßgeblich:

  • Das Gewicht der Wohneigentumsfördemng muß angehoben werden. Denn das Wohneigentum hat vom Wohnungsbauboom der letzten Jahre nur unterdurchschnittlich profitiert.

  • Eine bessere Abstimmung zwischen steuerlicher Wohneigentumsförderung und der Direktförderung erscheint angebracht, da wegen der angestiegenen Einkommensgrenzen im sozialen

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    Wohnungsbau viele Interessenten sowohl Steuervorteile wie auch Hilfen aus der Direktförderung in Anspruch nehmen können.

  • Wichtig ist auch eine bessere Einkommensorientierung der Förderung. Dies soll der Tatsache Rechnung tragen, daß die Haushalte mit steigendem Einkommen im Zeitablauf auch eine höhere Finanzlast tragen können.

  • Schließlich ist auch die Einbeziehung dynamischer Finanzierungsmodelle in die Förderung angezeigt, um die Zugangsschwelle aufgrund der hohen Liquiditätsbelastung in der Anfangsphase der Investition abzusenken und einen zeitigeren Eigentumserwerb zu ermöglichen. Die zunächst zurückgestellten finanziellen Lasten können bei gestiegenen Einkommen in einer späteren Finanzierungsphase bewältigt werden. Solche Modelle setzen allerdings höhere Beleihungsquoten voraus, die durch staatliche Bürgschaften zu sichern wären.

Die Reform der steuerlichen Wohneigentumsförderung stellt einen Schwerpunkt der Förderpolitik der Bundesregierung dar, sie hat Eingang in die Koalitionsvereinbarung gefunden unter dem Stichwort "Vereinfachung und sozialere Ausgestaltung" der Förderinstrumente. Insbesondere ist die Konzentration der Förderung auf Schwellenhaushalte unter besonderer Berücksichtigung von Familien mit Kindern vorgesehen. Die entsprechenden Fragen wurden bewußt aus dem Kontext des Steueränderungsgesetzes 1996 ausgeklammert, da die Wohneigentumsförderung für die Bundesregierung einen eigenen Stellenwert besitzt.

Aus der Sicht der Bundesregierung standen zum Zeitpunkt der Konferenz (Mitte Juni 1995) drei grundsätzlich unterschiedliche Reformmodelle zur Diskussion, die auf der Grundlage finanzneutraler Eckwerte miteinander verglichen werden und in ein Eckwertepapier einmünden sollten:

Zum einen ein einkommens- und progressionsunabhängiges Zulagenmodell, wie etwa das Modell des Landes Rheinland Pfalz. Bundeswohnungsbauminister Klaus Töpfer hat seine Präferenz für ein solches Modell in Form einer Bauzulage bereits öffentlich bekundet.

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Als Gegenpol zu einem solchen progressionsneutralen Modell stellt sich aus der Sicht der Bundesregierung der Vorschlag eines progressionsabhängigen Schuldzinsen- oder Annuitätenabzuges dar, nach dem Schuldzinsen oder Schuldzinsen und Tilgung in bestimmter Höhe von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden können. Nach dem sogenannten "Waigel-Modell" sollen von den Schuldzinsen und Tilgungsleitungen bis zu 10.000,- DM über zehn Jahre von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können.

Schließlich ist ein Mischmodell aus beiden Varianten denkbar, welches als Optionsmodell bezeichnet werden kann und das insbesondere von den Liberalen präferiert wird. Bei diesem Modell soll der Bauherr grundsätzlich ein Wahlrecht besitzen, ob er eine progressionsunabhängige Bauzulage oder aber eine steuerliche Förderung mittels eines Abzugsbetrages erhält. Dabei werden sich tendenziell die Haushalte im unteren Einkommenssegment für die Zulage, diejenigen im oberen Einkommenssegment für die progressionsabhängige steuerliche Förderung entscheiden.

Eine grundsätzliche Entscheidung zugunsten eines speziellen Modells bzw. zugunsten einer der drei grundlegenden Varianten hatte die Bundesregierung bis zum Konferenzzeitpunkt noch nicht getroffen. Eine Arbeitsgruppe unter Federführung von Finanz- und Bauministerium unter Beteiligung von Vertretern der Koalitionsfraktionen hat sich eingehend mit den verschiedenen vorliegenden Reformvorschlägen beschäftigt. Ziel war die Erarbeitung von Eckwerten als Grundlage eines eigenen Gesetzesentwurfes der Bundesregierung.

In der Arbeitsgruppe hat man sich zunächst auf folgende Eckwerte grundsätzlich geeinigt:

  • das Reformmodell muß dem Grundsatz der Aufkommensneutralität genügen;

  • es besteht Einvernehmen über das Fördervolumen, welches inklusive aller Elemente, wie Vorkostenabzug, Grundförderung und Baukindergeld, etwa 17 Milliarden DM umfassen wird; Davon sollen 11,0 Milliarden DM auf die Grundförderung, 5,0 Milliarden DM auf das Baukindergeld und 1,2 Milliarden DM auf den Vorkostenabzug entfallen.
  • es soll eine deutliche Erhöhung der Kinderkomponente erfolgen, vorgesehen sind mindestens 1.400,- DM pro Kind und Jahr;

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  • es soll eine Differenzierung geben zwischen Neubau und dem Erwerb von Gebrauchtimmobilien, allerdings könnte der Bestandserwerb etwas stärker als bisher gefördert werden;

  • die Förderdauer soll acht Jahre betragen;

  • es soll eine Lösung mit Einkommensgrenzen realisiert werden, wobei offen ist, wo diese liegen und ob ein gleitender Förderabbau vorgesehen werden soll;

  • es soll keine Kumulation der Förderung bei Ehegatten geben, da dies eine zu weitgehende Benachteiligung Alleinstehender sowie Alleinerziehender mit Kindern bedeuten würde;

  • von speziellen Fördergrenzen unter regionalen, kostenmäßigen oder flächenmäßigen Gesichtspunkten soll abgesehen werden, da dies zu weiteren Komplizierungen führen würde.

Noch nicht abschließend geklärt war die Frage einer "Sonderförderung Ost". Hierbei kommt es entscheidend auf die letztlich realisierte Modellvariante an, da beispielsweise eine Umstellung auf ein Zulagenmodell bereits eine Verdreifachung der Förderung in den neuen Bundesländern bewirken würde.

Inzwischen haben sich Koalition und Bundesregierung auf ein progressionsunabhängiges Zulagenmodell geeignet, daß zusätzlich zu den vorläufig genannten Eckwerten folgende weitere vorläufige Eckwerte enthält:

Es soll acht Jahre lang eine Bauzulage von höchstens 5.000,- DM für Neubauten (5 % von höchstens 100.000 DM Baukosten) und 2.200,-DM für Altbauten (2,2 % von höchstens 100.000 Anschaffungskosten) gezahlt werden. Als Einkommensgrenzen sollen weiterhin 120.000,-DM für Ledige bzw. 240.000,- DM für Verheiratete gelten. Das Baukindergeld soll um 50 % auf 1.500,- DM pro Jahr angehoben werden. Der Vorkostenabzug soll in der bisherigen progressionsabhängigen Form erhalten, jedoch an die Einkommensgrenzen und die Objektbegrenzung der Grundförderung gebunden werden. Als Sonderförderung für die Bewohner der neuen Länder sind staatliche Bürgschaften vorgesehen. Auch die Umstellung der Fördersystematik auf eine einheitliche steuerliche Bauzulage begünstigt die Bewohner der neuen Bundesländer besonders, da sie vor allem bei Beziehern geringer Einkommen deutlich stärker wirkt als die bisherige steuerliche Förderung.

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Die Bundesregierung erkennt zudem ausdrücklich die positiven Wirkungen des Vorsparens an und mißt daher ebenfalls der Vorsparförderung hohes Gewicht bei. Angestrebt wird deshalb eine Anpassung der Wohnungsbauprämie; nach der derzeitigen Einigung zwischen Koalition und Bundesregierung sollen die Einkommensgrenzen auf 50.000,- DM für Ledige bzw. 100.000,- DM für Ehepaare angehoben werden. Die Förderhöchstbeträge sollen von 800/1.600 DM auf 1000/2000 DM steigen.

Diskutiert wird schließlich ebenfalls eine Reform der Direktförderung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus, die aus mehreren Gründen notwendig erscheint: Viele Schwellenhaushalte können, auch wenn sie eine erhöhte steuerliche Förderung erhalten, wegen fehlenden Eigenkapitals und der hohen Liquiditätsbelastung in der Anfangsphase der Investition kein Wohneigentum erwerben. Viele Familien können den Mehraufwand, den Kinder verursachen, nicht ganz aus eigener Kraft bewältigen und die hohen Kosten in Ballungsregionen können Bauvorhaben auch bei gehobenen Einkommen scheitern lassen. Solchen differenzierten Problemlagen kann nach Ansicht der Bundesregierung als Flankierung der notwendigerweise pauschalen steuerlichen Förderung eine differenziert gestaltete Direktförderung abhelfen.

3.1.2. Die Position der Bundestagsfraktion der SPD

Auch nach Ansicht der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag stellt die Wohneigentumsförderung zum Abbau der Engpässe auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt einen unverzichtbaren Bestandteil der Wohnungspolitik dar. Die bisherige Eigentumsförderung habe aber nur unbefriedigend gewirkt und bedürfe daher dringend der Reform. Sie sei wohnungspolitisch ineffizient, sozialpolitisch ungerecht und familienpolitisch fragwürdig. Die SPD-Fraktion beantragt daher, daß der Bundestag die Bundesregierung auffordern solle, die steuerliche Wohneigentumsförderung parallel zum Jahressteuergesetz 1996 mit folgenden Eckwerten folgendermaßen zu reformieren:

  • Die progressionsabhängige derzeitige Förderung wird umgestellt auf eine progressionsunabhängige Förderung. Sie erfolgt

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    als Abzug von der Steuerschuld. Hierdurch soll eine gezieltere Förderung der Schwellenhaushalte und eine Besserstellung der Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen erreicht werden.

  • Bei zu geringer Steuerschuld wird der Betrag, der die Steuerschuld übersteigt, durch die zuständige Stelle ausgezahlt, um sicherzustellen, daß auch Haushalte mit geringer Steuerschuld von der Förderung profitieren. Dies ist besonders bedeutsam für die neuen Bundesländer.

  • Die differenzierte Förderung von Neubau und Bestand bleibt erhalten, um Sickereffekte im Bestand auszulösen.

  • Bei höheren Einkommen erfolgt eine gleitende Absenkung der Förderung, wodurch der bisherige "Fallbeileffekt" vermieden werden soll. Die Förderung läuft jedoch spätestens bei der derzeit gültigen Einkommensgrenze (120.000,-/240.000,- DM) aus.

  • Das Baukindergeld wird erhöht und der Bezugszeitraum verlängert. Es steht jedem Bauherren zu und wird als Abzug von der Steuerschuld gewährt. Bei zu geringer Steuerschuld wird es durch die zuständige Stelle ausgezahlt.

  • Eheleuten wird angesichts der gestiegenen Baupreise eine Kumulationsmöglichkeit zugunsten eines Objekts eröffnet, die allerdings zu einem entsprechendem Objektverbrauch führen müßte. (In diesem Punkt weicht der Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion deutlich von den Vorstellungen der Bundesregierung ab.)

  • Die Fördermöglichkeiten für die Modernisierung und Instandsetzung beim Wohneigentum im Rahmen des Fördergebietsgesetzes bleiben angesichts der geringen Eigenkapitalquote in den neuen Bundesländern zusätzlich zur progressionsunabhängigen Wohneigentumsförderung erhalten.

  • Die Wohneigentumsförderung wird ergänzt durch eine ökologische Komponente. (Förderung von Niedrigenergie).

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Über diese Eckpunkte hinaus enthält der Antrag der SPD-Fraktion die Forderung, die Bundesregierung solle die folgenden Maßnahmen bei der Neugestaltung der Wohneigentumsförderung prüfen:

  • die Möglichkeiten zur verstärkten Baulandausweisung für bauwillige Familien und zur Aktivierung des Erbbaurechts;

  • die Harmonisierung der direkten und indirekten Fördermaßnahmen in der Wohneigentumsförderung damit es - je nach Einkommensbereichen - nicht zu besonderen Vor- bzw. Nachteilen bei der Förderung kommt;

  • die - längst überfällige - steuerliche Berücksichtigung der Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften;

  • die besondere Berücksichtigung von Alleinerziehenden und nicht verheirateten Paaren mit Kindern insbesondere im Zusammenhang mit der geforderten Kumulationsmöglichkeit für Ehepaare.

Darüber hinaus sollen auch nach den Vorstellungen der SPD-Bundestagsfraktion die förderbegünstigten Höchstbeträge bei der Bausparprämie und die derzeit gültigen Einkommensgrenzen bei der Förderung des Vorsparens an die Einkommensentwicklung und die gestiegenen Baukosten angepaßt werden. Die Vorsparmöglichkeiten für Familien sollen durch eine Kinderkomponente verbessert werden.

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3.2 Reformmodelle auf Länderebene

3.2.1. Der Reformvorschlag von Rheinland-Pfalz

Die Landesregierung von Rheinland Pfalz mißt dem Wohneigentum und der Förderung des Wohneigentums ebenfalls eine herausragende Bedeutung zu. Das herkömmliche Förderungssystem bedarf jedoch nach Auffassung des rheinland-pfälzischen Finanzministers "einer Reform an Haupt und Gliedern". Das Bundesland Rheinland-Pfalz

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hat als Vorschlag zur Reform der Wohneigentumsförderung einen Entwurf für ein Gesetz zur Förderung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in Form eines Wohnungsbauzulagengesetzes (WoZuIG) vorgelegt. Bei der Erstellung des Gesetzesentwurfs wurde insbesondere davon ausgegangen, daß das Ziel der Wohneigentumsförderung nur dann effizient verwirklicht werden kann, wenn sich die verfügbaren Fördermittel auf Bevölkerungsschichten konzentrieren, die nur mit Hilfe staatlicher Förderung in der Lage sind, Wohneigentum zu bilden. Eine sozial gerechte und in ihren Wertentscheidungen nachvollziehbare Wohneigentumsförderung muß dabei nach Ansicht der Landesregierung gekennzeichnet sein durch

  • eine progressionsunabhängige Förderung

  • die Konzentration der verfügbaren Fördermittel auf Schwellenhaushalte,

  • eine einfach zu handhabende Bemessungsgrundlage, die Anreize zur Investition gibt,

  • die verständliche Fassung des Gesetzes.

Ausgehend von diesen Überlegungen sieht der Reformvorschlag eine Wohneigentumsförderung in Form einer einkommensabhängigen Wohnungsbauzulage vor. Diese Wohnungsbauzulage soll allen gewährt werden, die eine im Inland gelegene, selbst genutzte Wohnung im eigenen Haus oder eine Eigentumswohnung herstellen oder anschaffen. Die Zulage bemißt sich nach den Gesamtinvestitionskosten der Herstellung oder der Anschaffung einschließlich jener für Grund und Boden, sowie auch nach Erhaltungsaufwendungen und Finanzierungskosten im Förderzeitraum. Sie wird im Herstellungs- bzw. Anschaffungsjahr und den sieben folgenden Jahren, also über einen Förderzeitraum von insgesamt acht Jahren, gewährt.

Die vorgesehene Wohnungsbauzulage umfaßt einen Fördergrundbetrag sowie das Baukindergeld. Der Fördergrundbetrag beträgt für den gesamten Förderzeitraum 12 Prozent der Bemessungsgrundlage, jedoch höchstens 40.000,- DM. Für Immobilien, die erst nach Ende des auf das Jahr der Fertigstellung folgenden Jahres angeschafft werden, reduziert sich der Fördergrundbetrag um die Hälfte auf 6

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Prozent der Bemessungsgrundlage, höchstens jedoch 20.000,- DM. Der gesamte Fördergrundbetrag kann im Herstellungsjahr und dem darauf folgenden Jahr mit jeweils 20 Prozent, in den folgenden sechs Jahren mit jeweils 10 Prozent in Anspruch genommen werden. Mit dieser Differenzierung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Belastungen des Bauherren in der Regel in den ersten Jahren nach Fertigstellung am höchsten sind. Für jedes Kind erhöht sich der Fördergrundbetrag um ein Baukindergeld von 1.400,- DM.

Die Einkommensgrenze für die ungeminderte Gewährung der Wohnungsbauzulage liegt bei 100.000,- DM zu versteuerndem Jahreseinkommen für Ledige bzw. 200.000,- DM für Ehepaare. Übersteigt das Einkommen diese Grenze, vermindert sich die Wohnungsbauzulage um ein Vierzigtausendstel des 100.000,- DM übersteigenden Betrages bei Ledigen bzw. ein Achzigtausendstel des 200.000,- DM übersteigenden Betrages bei Ehepaaren.

Nach den Vorstellungen des Landes Rheinland-Pfalz soll die Förderung des Wohnungsbaus aus dem Steuerrecht herausgenommen und in einem Wohnungsbauzulagengesetz in Eigenverwaltung der Länder geregelt werden. Die Finanzierung soll wie bisher aus dem Einkommensteueraufkommen bestritten werden und die Verwaltung des Gesetzes und Auszahlung der Wohnungsbauzulage durch die Finanzämter vorgenommen werden.

Zusätzlich sieht auch der Gesetzentwurf von Rheinland Pfalz vor, das Wohnungsbauprämiengesetz zu ändern. Die heutigen Einkommensgrenzen von 27.000,- DM bzw. 54.000,- DM für Verheiratete sollen auf 54.000,- DM bzw. 108.000,- DM verdoppelt werden.

Nach Auffassung der Landesregierung zeichnet sich der dargestellte Reformvorschlag dadurch aus, daß er

  • ein hohes Maß an Transparenz schafft;

  • Mitnahmeeffekte verhindert;

  • die Fördermittel sozial verträglich und wohnungspolitisch sinnvoll konzentriert;

  • die Effizienz stärkt und

  • Rücksicht nimmt auf knappe Ressourcen.

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3.2.2. Das Reformmodell Baden-Württembergs

Der vom Land Baden-Württemberg in den Bundesrat eingebrachte Reformvorschlag sieht eine Förderung in Form eines sogenannten Lebenshöchstbetrages vor, die zwar ebenfalls progressionsunabhängig, aber - anders als zum Beispiel beim rheinland-pfälzischen Reformvorschlag - nicht an Einkommensgrenzen gebunden sein soll. Die bisherige Kappungsgrenze im Paragraphen 10e EStG soll vielmehr aufgehoben werden. Jeder Steuerpflichtige soll von diesem Lebenshöchstbetrag über einen Zeitraum von acht Jahren jährlich höchstens 3.300,- DM, Ehepaare 6.600,- DM "abbuchen" und von der Steuerschuld abziehen können. Ein die Steuerschuld übersteigender Förderbetrag soll vergütet werden. Diese Förderung erhöht sich um 1.400,- DM pro Jahr für jedes Kind. Bemessungsgrundlage sind nicht die Investitionskosten, sondern die Annuitätsleistungen des Bauherren, von denen zwei Drittel bis zu den genannten Höchstbeträgen geltend gemacht werden können. Ebenfalls im Unterschied zum Vorschlag des Landes Rheinland-Pfalz sollen Neubauten und der Erwerb von Gebrauchtimmobilien gleich behandelt werden.

Hinsichtlich der Vorsparförderung schlägt Baden-Württemberg, wie Rheinland-Pfalz, eine Verdoppelung der Einkommensgrenzen für die Wohnungsbauprämie auf 54.000,- DM für Ledige bzw. 108.000,-DM für Verheiratete vor.

3.2.3. Der Reformvorschlag Nordrhein-Westfalens

Gemeinsam mit den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt hat das Land Nordrhein-Westfalen einen bereits vor einigen Jahren vorgelegten Vorschlag modifiziert und in den Bundesrat eingebracht. Auch in diesem Modell ist wie im Vorschlag Baden-Württembergs ein progressionsunabhängiger Lebenshöchstbetrag vorgesehen. Hiervon soll jeder Steuerpflichtige über einen Zeitraum von acht Jahren jährlich zwei Prozent der Bemessungsgrundlage (hier: Anschaffungs-/Herstellungs- bzw. Erwerbskosten, einschließlich Grund und

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Boden), maximal 4.000,- DM bei Neubauten und 2.400,- DM bei Gebrauchtimmobilien, abbuchen und von der Steuerschuld abziehen können. Dabei ist auch eine sogenannte "Negativsteuer" vorgesehen, d.h. die Auszahlung des überschießenden Betrages in dem Falle, in dem der Abzugsbetrag die Steuerschuld übersteigt. Die Förderung erhöht sich pro Jahr um 1.400,- DM pro Kind.

Nordrhein-Westfalen strebt ebenso wie Rheinland-Pfalz eine Konzentration auf niedrige Einkommen an: Bis zu einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000,- DM für Ledige bzw. 120.000,- DM für Ehepaare wird die Förderung uneingeschränkt gewährt. Bei höheren Einkommen wird sie stufenweise abgebaut. Ab 60.000,-DM/120.000,- DM um ein Drittel, ab 80.000,- DM/160.000,- DM um zwei Drittel. Ab 100.000,- DM/200.000,- DM wird keine Förderung mehr gewährt.

3.2.4. Die besondere Situation in den neuen Bundesländern: Das Reformmodell Sachsens

Die Situation in den neuen Bundesländern ist insbesondere durch die im Vergleich zu Westdeutschland geringeren Einkommen gekennzeichnet, was bei der derzeitigen Struktur der steuerlichen Wohneigentumsförderung nach Paragraph 10e EStG im Falle Sachsens dazu führt, daß 44 Prozent der Haushalte die Förderung aufgrund geringer Steuerschuld nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen können. Das Problem der niedrigen Einkommen wird zusätzlich durch einen erheblichen Mangel an Eigenkapital verstärkt. Bei einem Quadratmeterpreis von 1.500,- DM und damit einem Kaufpreis einer typischen 60-Quadratmeter-Wohnung von 90.000,- DM könnten zwar 51 Prozent der sächsischen Haushalte die Belastungen aus dem Erwerb einer solchen Wohnung selbst bei freier Finanzierung durch Banken oder Sparkassen tragen. Demgegenüber sind aber nur 11 Prozent im Besitz des für den Nachweis der Bonität als Voraussetzung für die Kreditgewährung erforderlichen Eigenkapitals von 20 Prozent, also 18.000,- DM.

Für die Reform der steuerlichen Wohneigentumsförderung müssen nach den Vorstellungen der sächsischen Landesregierung vor dem

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Hintergrund der besonderen Situation in den neuen Bundesländern folgende Grundsätze gelten:

  • Die steuerliche Förderung soll unabhängig sein von der Steuerschuld, hierzu muß der überschießende Betrag für den Fall, in dem der Förderbetrag die Steuerschuld übersteigt, ausgezahlt werden (sogenannte Negativsteuer);

  • die Förderung soll progressionsunabhängig sein.

Unter Beachtung dieser Grundsätze sieht der Vorschlag Sachsens unabhängig vom Einkommen den Abzug eines festen Betrages von der Steuerschuld vor. Die Bemessungsgrundlage der Förderung ist demnach ein Lebensfestbetrag, unabhängig vom Schuldzins. Dadurch kann insbesondere eine überproportionale Förderung der Bezieher geringerer Einkommen erreicht werden, womit der spezifischen Einkommenssituation in den neuen Bundesländern in besonderer Weise Rechnung getragen wird.

Der abzugsfähige Festbetrag soll 24.000,- DM für Ledige bzw. 48.000,- DM für Ehepaare betragen. Der Abzugsbetrag ist dabei allerdings begrenzt auf 40 Prozent des Kaufpreises, da sonst bei kleineren, preiswerten Objekten eine prozentual zu starke Förderung erfolgen würde. Die Gesamtsumme kann in gleichen Tranchen über einen Zeitraum von acht Jahren von der Steuerschuld abgezogen werden. Zur Zeit gibt es allerdings Überlegungen, ähnlich wie im rheinland-pfälzischen Modell eine Konzentration der Förderung in den ersten zwei Jahren vorzusehen, um der höheren Anfangsbelastung der Bauherren Rechnung zu tragen.

Zusätzlich ist eine Kinderkomponente vorgesehen, die insgesamt 9.600,- DM pro zum Haushalt zählenden Kind betragen soll.

Der sächsische Vorschlag macht ausdrücklich keinen Unterschied zwischen der Förderung von Alt- und Neubauten. Auch diese Position begründet sich aus der Sondersituation in den neuen Ländern, wo auch infolge des Altschuldenhilfegesetzes die Privatisierung zahlreicher Wohnungen aus dem Bestand in den nächsten Jahren hohe Priorität besitzt. Nach dem Altschuldenhilfegesetz und der sächsischen Gemeindeordnung müssen allein in Sachsen 150.000 Wohnun-

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gen aus dem Bestand privatisiert werden. Deshalb bestehe auch die Gefahr einer Mehrfachförderung des selben Objekts in den neuen Bundesländern derzeit kaum.

Ebenfalls auf die besondere Situation in der ehemaligen DDR ist die sächsische Position zurückzuführen, wonach die vorhandenen Fördermittel ausschließlich auf die Nachspar-, und nicht auf die Vorsparförderung konzentriert werden sollen. In den neuen Bundesländern fehlt es an Eigenkapital, und das Instrument der Vorsparförderung kann hier aufgrund der Zeitdauer, die zur Eigenkapitalbildung, etwa durch Bausparen, benötigt wird, nur mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung Abhilfe schaffen. Die Wohneigentumsbildung soll aber möglichst ohne zeitliche Verzögerung in den nächsten Jahren vorangebracht werden, so daß der Nachsparförderung höhere Priorität zukommt. Zwar wird die Sinnhaftigkeit und grundsätzliche Notwendigkeit einer Vorsparförderung von der sächsischen Landesregierung gesehen, jedoch wurde eine Lösung gesucht, bei der die knappen Mittel kurzfristig so effizient wie möglich verwendet werden, um den Erwerb von Wohneigentum in den nächsten Jahren zu ermöglichen. Darüber hinaus weist Sachsen derzeit mit einer Sparquote von 17 Prozent ohnehin eine sehr hohe Sparquote auf, so daß hier ein zusätzlicher Anreiz durch Maßnahmen zur Vorsparförderung weniger dringlich erscheint als die vorgesehenen Maßnahmen der Nachsparförderung.

Der Vorteil des sächsischen Modells eines progressions- und einkommensunabhängigen festen Abzugsbetrages liegt nach Ansicht der Landesregierung in seiner Einfachheit, der hohen Planungssicherheit, die er für die Bauherren bedeutet, seinem Beitrag zur Steuervereinfachung und in der angemessenen Berücksichtigung der besonderen Situation in den neuen Bundesländern. Das Modell wurde mit den Finanzministern der anderen neuen Länder abgestimmt und als Änderungsantrag zum Jahressteuergesetz in den Bundesrat eingebracht.

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3.3. Reformvorschläge auf Verbandsebene

3.3.1.Das Reformmodell des Deutschen Volksheimstättenwerks

Aus der Sicht des vhw, Deutsches Volksheimstättenwerk e.V., Bundesverband für Wohneigentum, Wohnungsbau und Stadtentwicklung, zeichnet sich die bisherige Reformdiskussion durch eine bedenkliche und einseitige Konzentration auf den Gesichtspunkt der Steuervereinfachung aus. Das vhw hält dagegen eine stärkere wohnungs- und sozialpolitische Differenzierung für notwendig und hat vor diesem Hintergrund ein eigenes Reformmodell erarbeitet. Im Einklang mit der überwiegenden Meinung geht es von einem Abzug von der Steuerschuld mit Auszahlungsregelung (Investitionszulage) aus. Das Modell besteht im wesentlichen aus drei Komponenten,

  • der "Objektkomponente", die die Bemessungsgrundlage umfaßt,

  • der "Subjektkomponente", welche den Fördersatz bzw. die Einkommensgrenzen beinhaltet, sowie

  • der Kinderkomponente.

Mit der "Objektkomponente" unterscheidet sich das vhw-Modell grundsätzlich von den meisten anderen Reformvorschlägen. Die Objektkomponente sieht als Bemessungsgrundlage der Förderung zwei Bestandteile vor:

  • die Anschaffungs- und Herstellungskosten mit Obergrenzen von 200.000,- DM für Neubaumaßnahmen und 150.000,- DM für Bestandserwerb;
  • die Grunderwerbskosten nach Maßgabe des Bodenrichtwertes bis zu einer förderfähigen Obergrenze von 1.200,- DM pro Quadratmeter. Der förderfähige Bodenanteil soll bei 200 Quadratmetern bei Einfamilienhäusern bzw. selbstgenutzten Wohneinheiten in Zweifamilienhäusern und bei 150 Quadratmetern bei Eigentumswohnungen liegen.

Insgesamt sollen also bei Einfamilienhäusern bis zu 440.000,- DM förderfähig sein.

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Durch die Berücksichtigung der Grundstückskosten als selbständigen Kostenfaktor soll der zunehmenden Bedeutung der Grunderwerbskosten Rechnung getragen und die Wohneigentumsbildung in Ballungsgebieten, wo der Anteil der Grundstückskosten an den Neubaukosten im Durchschnitt nahezu 40 Prozent beträgt, erleichtert werden. Mit der "regionalen Komponente" zugunsten der Ballungsgebiete soll gleichzeitig der "Überförderung" im ländlichen Raum entgegengewirkt werden. Immerhin ist Bauland heute in Kernstädten im Durchschnitt fünfmal so teuer wie im ländlichen Umland. In der Begrenzung der Herstellungs-/Anschaffungskosten sowie der Grundstückskosten sieht das vhw zugleich einen entscheidenden Anreiz zu kosten- und flächensparendem Bauen.

Die Subjektkomponente sieht einen Fördersatz für die Grundförderung von maximal 2 Prozent der Bemessungsgrundlage vor. Dieser Höchstsatz soll für Haushalte gelten, die bis zu 80 Prozent über den Einkommensgrenzen des Paragraphen 25 Zweites WoBauG liegen. Bei Überschreiten der Höchsteinkommensgrenze um jeweils 10 Prozent (bzw. in Schritten von 10.000,- DM) reduziert sich der Fördersatz um jeweils 0,2 Prozent. Aus Tabelle 1 und Abbildung 1 gehen am Beispiel eines 4-Personen-Haushalts die Förderbeträge nach dem vhw-Modell und nach der geltenden Regelung des Paragraphen 10e EStG für unterschiedliche Einkommen hervor.

Mit dem Rückgriff auf Paragraph 25 Zweites WoBauG will das vhw eine vereinfachte Handhabung bei der Ermittlung des Förderbetrages und insbesondere die gezielte Förderung der Schwellenhaushalte erreichen.

Die Kinderkomponente sieht eine Erhöhung des Fördersatzes um 0,5 Prozent je zum Haushalt zählendem Kind vor. Die Kinderkomponente bewegt sich somit für den gesamten Förderzeitraum zwischen 6.522,-DM bei Anschaffungskosten von 200.000,- DM (Bodenanteil 50.000,- DM) und 14.322,- DM bei Anschaffungskosten von 440.000,- DM (Bodenanteil 240.000,- DM).

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Der Förderzeitraum beträgt in diesem Modell zwölf Jahre. Während dieses Zeitraums wird das Fördervolumen aus Grundförderung und Kinderkomponente pro Jahr um ein Zwölftel verringert, so daß der "Fallbeileffekt" der derzeitigen Förderung vermieden wird.

Die Vorteile dieses Reformmodells liegen nach Ansicht des vhw darin, daß es

  • durch die degressive Gestaltung der Förderung bei Einkommen oberhalb der Schwellenhaushalte Mitnahmeeffekte vermeidet;

  • zu einem wohnungspolitisch effizienten Mitteleinsatz führt;

  • auf die knapp gewordenen Ressourcen Rücksicht nimmt und

  • mit seinen ausdifferenzierten, gleichwohl transparenten Förderkomponenten zu einer einfachen Handhabung ohne Verzicht auf die wohnungspolitische Erfordernisse führt.

Durch die Bodenkomponente und die hierdurch bedingte Umschichtung der Fördermittel von den ländlichen Regionen in die Ballungsgebiete und die degressive Gestaltung der Förderung ist das Modell nach Auffassung des vhw im Gegensatz zu den meisten Modellen, die auf jede Objektorientierung verzichten, finanzierungsneutral.

3.3.2.Der Vorschlag der Bausparkassen

Der Reformvorschlag der Bausparkassen sieht ebenso, wie das sächsische Modell, für das er als Vorlage diente, eine Umstellung der Förderung auf einen festen Abzugsbetrag ("Grundbetrag") von der Steuerschuld vor. Für acht Jahre soll jeder Steuerpflichtige pro Jahr 3.000,- DM in Abzug bringen können, zusätzlich nochmals 1.200,-DM pro Kind und Jahr. Ehepaare können den Abzugsbetrag kumulativ für dasselbe Objekt verwenden. Natürlich sprechen sich die Bausparkassen für eine deutliche Anhebung der Einkommensgrenzen aus. Sie würden damit zu den eindeutigen Gewinnern der Reform zählen.

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3.4. Reform der Wohneigentumsförderung aus wissenschaftlicher Sicht: Der Reformvorschlag der Expertenkommission Wohnungspolitik

Im September 1992 hat die Bundesregierung nach Aufforderung durch den Bundestag eine unabhängige Expertenkommission berufen, deren Aufgabe darin bestand, auf der Basis einer umfassenden Analyse Vorschläge für eine effiziente Nutzung wohnungspolitischer Instrumente auszuarbeiten. Die Kommission war besetzt mit insgesamt dreizehn Mitgliedern, davon vier Volkswirtschaftsprofessoren, zwei Professoren der Jurisprudenz, drei wissenschaftliche Institutsleiter, zwei Bankvorstände und zwei Wohnungswirte. Im Herbst 1994 legte die Kommission ein umfangreiches Gutachten mit dem Titel "Wohnungspolitik auf dem Prüfstand" vor.

Hinsichtlich der Reform der steuerlichen Wohneigentumsförderung geht die Kommission von einem Nachteil der selbstgenutzten Wohnimmobilie gegenüber der steuerlichen Behandlung der Mietwohnung aus. Sie spricht sich daher mehrheitlich dafür aus, die Schuldzinsen als Anknüpfungspunkt der Förderung zu wählen. Selbstgenutztes Wohneigentum soll nach den Vorstellungen der Kommission steuerlich nicht schlechter gestellt sein als die vom Investor dauerhaft gehaltene Mietwohnung. Daher soll der Bauherr bzw. Ersterwerber 60 Prozent, der Erwerber von Gebrauchtimmobilien 40 Prozent der Schuldzinsen von der Steuerbemessungsgrundlage, also vom zu versteuernden Einkommen, abziehen können. Das Baukindergeld soll von 1.000,- DM pro Jahr und Kind auf 2.000,-DM verdoppelt werden.

Der Vorschlag der Expertenkommission zum Schuldzinsenabzug findet sich im sogenannten "Waigel-Modell" wieder, von der Mehrheit der Reformvorschläge hebt er sich deutlich ab.

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3.5. Exkurs: Die besondere Rolle der Genossenschaften - Forderungen zur Gleichstellung von genossenschaftlicher und individueller Wohneigentumsbildung im Förderrecht

Die öffentliche Diskussion um die Reform der Wohneigentumsförderung verläuft bisher weitgehend ohne den Einbezug des genossenschaftlichen Wohneigentums. Seit Ende der siebziger Jahre findet allerdings parallel eine intensive Fachdiskussion über die Frage der Förderung des genossenschaftlichen Wohneigentums statt, und der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft e.V., GdW, als Spitzen- und Dachverband der fast 2.000 deutschen Wohnungsgenossenschaften sieht in der aktuell anstehenden Reform der Eigentumsförderung eine geeignete Gelegenheit, die genossenschaftliche Wohneigentumsbildung in die staatliche Förderung einzubeziehen. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag weist auf die stiefmütterliche Behandlung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus durch die derzeitige Wohnungspolitik des Bundes hin und fordert die Gleichstellung von genossenschaftlicher und individueller Wohneigentumsbildung bei der Förderung. Sie hat einen entsprechenden Antrag ins Parlament eingebracht.

Der genossenschaftliche Wohnungsbau bietet nach Auffassung der SPD-Fraktion gegenüber dem Mietwohnungsbau insbesondere folgende Vorteile:

  • er schafft lebenslängliche Nutzungsmöglichkeiten für die Mieter, der Verlust von Wohnungen durch Kündigungen ist ausgeschlossen;

  • er ermöglicht auch Haushalten mit geringeren Einkommen eine Wohnmöglichkeit, die der Eigentumswohnung als Form des individuellen Eigentums nahekommt; er setzt privates Kapital in erheblichem Umfang für Investitionen zum Wohnungserhalt und zur Wohnungserneuerung frei, das im Mietwohnungsbau nicht aktiviert wird;

  • er ermöglicht die generationsübergreifende Weitergabe genossenschaftlicher Leistungen und Werte;

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  • er führt über Eigenleistungen und Einsatz privaten Kapitals sowie durch die Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeiten zu einer deutlichen Kostensenkung gegenüber den Kostenstrukturen bei anderen Wohnungsbaugesellschaften, die sich auf Dauer in einer niedrigeren Miete/Nutzungsgebühr niederschlägt;

  • er ist grundsätzlich frei von Möglichkeiten unternehmerischer Spekulationen;

  • er trägt letztlich über die demokratisch legitimierten genossenschaftlichen Gremien zu einem Stück gelebter Demokratie bei.

Die fast 2.000 Wohnungsgenossenschaften in der Bundesrepublik mit 3 Millionen Mitgliedern besitzen etwa 2,2 Millionen Wohnungen, 5-6 Millionen Menschen leben in einer Genossenschaftswohnung. In den Jahren 1990 bis 1994 haben die westdeutschen Genossenschaften bei steigender Tendenz über 60.000 neue Wohnungen gebaut.

Wichtige Stationen der Diskussion um die Förderung der genossenschaftlichen Wohneigentumsbildung waren der "Allgemeine Deutsche Bauvereinstag" 1981 in Berlin mit einem speziellen Arbeitskreis zum Thema "Genossenschaftlicher Wohnungsbau - förderungswürdige Selbsthilfe" und der "Tag der deutschen Wohnungsbaugenossenschaften" 1984 in Wiesbaden mit einem Arbeitskreis "Die Genossenschaftswohnung - förderungswürdiges Eigentum". Ebenfalls 1984 brachte die SPD-Bundestagsfraktion im Zuge der Neuregelung der steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums einen Gesetzentwurf ein, in dem auch ein entsprechender Passus "Steuerförderung für Genossenschaftsmitglieder" enthalten war.

Eine vom Finanzminister eingesetzte unabhängige Kommission zur Prüfung der steuerlichen Regelung für gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen hat 1985 eine steuerliche Gleichbehandlung des individuellen und des genossenschaftlichen Wohnungsbaus befürwortet. 1987 veröffentliche der GdW ein von Bartholmai vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verfaßtes Gutachten zu diesem Thema und in der Folge wurde die Grundsatzforderung nach steuerlicher Förderung der genossenschaftlichen Wohneigentumsför-

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derung in verschiedenen Veröffentlichungen und Broschüren bekräftigt. Es war durch die Abwehrschlacht gegen die damalige drohende Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes bestimmt. Schließlich wurde auf dem Kongreß der deutschen Wohnungsbaugenossenschaften im Mai 1995 in Lübeck in Form eines "Lübecker Manifestes" eine Standortbestimmung der deutschen Wohnungsbaugenossenschaften verabschiedet, das diese Grundsatzforderung noch einmal herausstellt.

Die Voraussetzungen für einen Einbezug der genossenschaftlichen Wohneigentumsförderung in die steuerliche Förderung sind durch den Wegfall des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und damit einer vermeintlichen oder tatsächlichen Bevorzugung der Wohnungsgenossenschaften günstiger geworden.

Durch den Übergang vom Investitionsgut- zum Konsumgutprinzip bei der Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums 1987 entfallen nun nach Ansicht des GdW auch steuersystematische Argumente, die bislang gegen eine Gleichstellung von individuellem und genossenschaftlichem Eigentum angeführt wurden. Diese Argumentation ist darauf zurückzuführen, daß bei der Eigentumsförderung ursprünglich von der Investitionsgutlösung ausgegangen worden ist. Das heißt, die Nutzer von individuellem Wohneigentum mußten eine fiktiv ermittelte Miete als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei der Besteuerung zugrunde legen, konnten dafür aber Abschreibungen im Rahmen des Paragraphen 7 dagegen rechnen. Die Tatsache, daß bei den Genossenschaften nicht das einzelne Mitglied, sondern die Gesellschaft als juristische Person abschreibungsberechtigt ist, hat in der Vergangenheit aus steuersystematischen Gründen die Gleichstellung der Genossenschaftsmitglieder mit den Nutzern individuellen Wohneigentums entscheidend verhindert.

Durch die Systemumstellung 1987 von der Investitionsgutlösung auf die Konsumgutlösung und die Zuordnung der Förderung in den Bereich des Sonderausgabenabzuges hat sich der Gesetzgeber dazu bekannt, daß Wohnen zur persönlichen Lebenssphäre gehört. Die Förderung nach Paragraph 10e EStG stellt somit aufgrund der Zuordnung zum Bereich der Sonderausgaben quasi eine Vorsorgeaufwen-

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dung dar und unter diesem Gesichtspunkt sollte es möglich sein, auch Genossenschaftsmitglieder steuerlich zu fördern. Schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit sei es geboten, Vergleichbares analog zu behandeln. Die Genossenschaftswohnung sei das Pendant zur Eigentumswohnung. Wenn der selbstnutzende Einzeleigentümer eine Förderung erhält, sollte im Analogieschluß der Genossenschaftseigentümer ebenfalls eine vergleichbare Förderung erhalten, wenn er privates Kapital investiert, wenn damit eine Neubauwohnung erstellt wird und wenn er diese Neubauwohnung selbst nutzt.

Das genossenschaftliche Eigentum ist aus Sicht des GdW dem Privateigentum vergleichbar, und die Gleichstellung im Steuerrecht daher zwingend geboten. Die Genossenschaft hat als juristische Person Eigentum im vollen Sinne des BGB, den Genossenschaftsmitgliedern ist die Dispositionsbefugnis über das Vermögen der Genossenschaft zugerechnet. Sie werden deshalb als "wirtschaftliche Eigentümer des genossenschaftlichen Vermögens" bezeichnet. Diese Bezeichnung ist der Versuch, die Geltung von Ordnungsprinzipien, die im Sacheneigentum ihren Ausdruck finden, auf einen zweckorientierten gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluß, nämlich die Genossenschaft, zu übertragen.

Der konkrete Vorschlag des GdW sieht eine steuerliche Förderung der Genossenschaftsmitglieder vor, die an den Genossenschaftsanteilen anknüpft. Es sollen dabei nur Kapitalbeteiligungen zwischen 10.000,-DM und 100.000,- DM gefördert werden, wobei eine Bindungsfrist des Kapitals von 10 Jahren vorgesehen ist, d.h. die Förderung bleibt daran gebunden, daß die Genossenschaften das Kapital mindestens 10 Jahre in der Hand haben, bei einer vorzeitigen Kündigung wäre die Steuerförderung rückzahlbar. Der Vorschlag knüpfte zunächst am bestehenden Paragraphen 10e EStG an und war als Paragraph 10i ausformuliert, verknüpft mit einer dem Baukindergeld vergleichbaren Komponente. Da der Paragraph 10e nun komplett auf dem Prüfstand stehe, ist es nach Ansicht des GdW erforderlich, den Grundgedanken der Förderung des genossenschaftlichen Wohneigentums auch bei der Neugestaltung der Wohneigentumsförderung zu berücksichtigen.


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