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3. Entwicklung des deutschen Beteiligungskapitalmarktes

In der Bundesrepublik besteht zwar seit den sechziger Jahren ein solches Kapitalangebot, ein nennenswertes Volumen erreichte der Beteiligungskapitalmarkt jedoch erst in den achtziger Jahren. Dauerte es von 1965 an gerechnet 20 Jahre, bis ein Portfolio von einer Mrd. DM erreicht wurde, waren es vier Jahre später zwei Mrd. DM und im Jahre 1993 über fünf Mrd. DM. Von 1983 bis 1993 versechsfachte sich das Volumen des Marktes (Gesamtportfolio), wobei die Zahl der Beteiligungen um das 2,5-fache auf über 2.700 wuchs. Die Zuwachsraten waren in den letzten sechs Jahren besonders hoch.

Auslöser für diese Entwicklung waren Informationen und Diskussionen zu Beginn der achtziger Jahre über das erfolgreiche amerikanische Venture-Capital-Modell, das Eigenkapital und Managementunterstützung für junge und wachstumsträchtige Technologieunternehmen zur Verfügung stellte. So wurden 1983 die ersten deutschen Venture-Capital-Gesellschaften nach US-amerikanischem Vorbild, wie z.B. Techno Venture Management (TVM), von Banken und Industrieunternehmen gegründet. Auch die bereits bestehenden "klassischen" deutschen Kapitalbeteiligungsgesellschaften gingen - entgegen ihrer bisherigen Anlagepolitik - Anfang der achtziger Jahre verstärkt Beteiligungen in den frühen Entwicklungsphasen von Technologieunternehmen ein.

Allerdings scheiterten sowohl im Portfolio der klassischen Kapitalbeteiligungsgesellschaften als auch der neuen Venture-Capital-Gesellschaften viele Investments an JTU bzw. entwickelten sich nicht planmäßig. Dies war zum großen Teil eine Folge der damals geringen Erfahrung der Beteiligungsmanager mit der neuen Zielgruppe der JTU. Die anfängliche Euphorie wich bald einer Ernüchterung. Die hohe Mißerfolgsquote und der in Relation zum Investitionsvolumen hohe Aufwand für die Beteiligungsprüfung und Managementunterstützung bei JTU führten relativ schnell zu einer Umorientierung der Anlagepolitik. Die deutschen Beteiligungsgesellschaften konzentrierten sich auf Expansionsfinanzierungen, Engagements an etablierten Unternehmen aus traditionellen Wirtschaftsbereichen und Management-Buy-Outs. Viele Gesellschaften reduzierten oder stellten Engagements an JTU völlig ein. Daher bestand bis 1989 kein nennenswertes Angebot an risikotragendem Kapital mehr für diese Unternehmen.

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Erst seit Anfang der neunziger Jahre gibt es jedoch wieder Bewegung im Bereich der JTU, dem sogenannten Seed-Capital-Markt. Eine wesentliche Rolle hierbei spielte der Modellversuch "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU). Mit dem Modellversuch BJTU erfolgte 1989 die Einführung eines neuen Förderinstruments des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF, früher: Bundesministerium für Forschung und Technologie, BMFT). Statt der klassischen Förderung von JTU über direkte Zuwendungen wurden für Kapitalgeber Anreize geschaffen, risikotragendes Kapital in die frühen Entwicklungsphasen von JTU zu investieren Dies erfolgte über zwei Zugangsvarianten mit unterschiedlichen Förderkonditionen:

• Im einen Fall, der Refinanzierungsvariante, wurden von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Refinanzierungsdarlehen gegen einen Anteil von 40 Prozent an den Beteiligungserlösen an Beteiligungskapitalgeber vergeben, die dieses Kapital in JTU investierten. Bei einem Ausfall der Beteiligung bestand eine Haftungsfreistellung von in der Regel 90 Prozent der refinanzieren Beteiligung Diese Modell diente zur Beseitigung des Engpasses Refinanzierung und wurde in erster Linie von Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG), Seed-Capital-Gesellschaften mit geringem Fondsvolumen und Kreditinstituten in Anspruch genommen.

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  • In der Koinvestmentvariante beteiligte sich die tbg, eine Tochter der Deutschen Ausgleichsbank (DtA), als stiller Partner an einem JTU, wenn sich in mindestens gleicher Höhe ein Beteiligungskapitalgeber (der sogenannte Leadinvestor) ebenfalls engagierte. Innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Beteiligungsabschluß kann der Leadinvestor seine Beteiligung mit einem Abschlag der tbg zur Übernahme andienen bzw. die stille Beteiligung der tbg mit einem Aufschlag übernehmen. Das Koinvestmentmodell zielte primär auf eine Senkung des Beteiligungsrisikos ab. Es wurde vor allem von Venture-Capital-Gesellschaften und Seed-Capital-Gesellschaften ohne Refinanzierungsprobleme genutzt. Die Beteiligungen dienten vielfach zur Finanzierung von Innovationsprojekten mit einem hohen Kapitalbedarf.

Der Modellversuch BJTU kann als erfolgreich bezeichnet werden: Er hat die Gründung einiger Seed-Capital-Gesellschaften bewirkt und dazu beigetragen, daß auch eine Reihe der bestehenden Beteiligungsgesellschaften sich wieder den frühen Entwicklungsphasen von JTU zuwandten. Damit konnte das Angebot an Risikokapital für JTU deutlich erhöht werden. Durch den Modellversuch BJTU flössen bis Ende Januar 1995 rund 300 Mio. DM an Beteiligungskapital über 371 Förderzusagen (einschl. Coinvestments und Aufstockungen) in JTU, davon

  • 135,2 Mio. DM als refinanzierte Beteiligungen privater Beteiligungsgesellschaften und eigenkapitalähnliche Darlehen von Kreditinstituten (244 Zusagen),

  • 75,8 Mio. DM als stille Beteiligungen der tbg (127 Zusagen) und

  • über 86 Mio. DM durch Leadinvestoren in der Koinvestmentvariante.

Der größte Teil der Engagements im Rahmen des Modellversuchs BJTU entfällt auf stille Beteiligungen bzw. partiarische Darlehen. Aber auch ein nennenswerter Teil der Zugesagen beinhalten direkte Beteiligungen und entsprechende unternehmerische Mitspracherechte. Das Ausfallvolumen betrug Ende 1994 33,9 Mio. DM bei 47 JTU, wobei keine gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Varianten bestanden.

Trotz der Stimulierungswirkungen des Modellversuchs BJTU haben Seed- und Start-Up-Finanzierungen, d.h. Beteiligungen an sehr jungen Unternehmen, in der Bundesrepublik heute immer noch eine untergeordnete Bedeutung (siehe Tabelle 2). Ihr Anteil liegt zusammen bei etwa sieben Prozent des deutschen Gesamtportfolios (bezogen auf das Beteiligungsvolumen).

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Im Vergleich zu Mitte der achtziger Jahre ist dieser Anteil sogar zurückgegangen. 1985 betrug er noch ca. 25 Prozent. [Fn. 8: Bei den Angaben des BVK ist jedoch zu berücksichtigen, daß es bei der Zuordnung von Beteiligungsvolumina zu einzelnen Segmenten des Marktes vor allem Mitte der achtziger Jahre Unstimmigkeiten gibt. Hierdurch wird die Vergleichbarkeit von Angaben eingeschränkt. Der BVK subsumiert unter Seed- und Start-Up-Finanzierungen auch solche an nicht-technologieorientierten jungen Unternehmen, so daß der Anteil der Finanzierung der frühen Entwicklungsphasen von JTU noch geringer ist.] Der weitaus größte Anteil des deutschen Gesamtportfolios wird immer noch in Expansionsfinanzierungen investiert, an zweiter Stelle rangieren mit deutlichem Abstand Management-Buy-Outs und Management-Buy-lns. Zum Vergleich: In den USA lag der Anteil der Finanzierungen von JTU im Jahr 1993 bei über 23 Prozent. Bedingt durch die relativ geringen Investitionsvolumina ist der Anteil der Seed- und Start-Up-Investments - bezogen auf die Anzahl der Beteiligungen - mit 31 Prozent jedoch wesentlich höher. Bei diesen Angaben des BVK ist jedoch zu berücksichtigen, daß hierin nicht nur technologieorientierte junge Unternehmen, sondern auch Gründungen in traditionellen Branchen, im Dienstleitungsbereich etc. enthalten sind.

Nur knappe 10 Prozent der deutschen Beteiligungsgesellschaften investieren in nennenswertem Umfang in JTU. Hierbei handelt es sich vielfach um relativ junge und kleine Fonds. Diese können aufgrund ihres geringen Fondsvolumens voraussichtlich nicht wirtschaftlich agieren und zum Teil verfügen sie auch nicht über die umfangreiche Erfahrung und die Spezialisten größerer Gesellschaften. Weiterhin gibt es hierzulande - anders als in den USA - auch nur eine geringe Anzahl sogenannter "Professionals", d.h. Beteiligungsmanager, die über eine große Erfahrung mit JTU verfügen, Fachleute aus der Branche schätzen diesen Kreis auf ca. 20 Personen (USA ca. 2000).

Eine wertere wichtige Anbietergruppe von Beteiligungskapital für JTU sind die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG), die bezogen auf die Anzahl der Beteiligungen sogar die meisten JTU in der Bundesrepublik finanzieren. Sie verfolgen vor allem Ziele der Wirtschaftsförderung.

In den neuen Bundesländern befindet sich der Beteiligungskapitalmarkt in der Entstehung, so daß noch keine Angaben über die zukünftigen Hauptanbieter möglich sind. Auf der einen Seite haben westdeutsche und ausländische Investoren sehr große Fonds aufgelegt, auf der anderen Seite werden in allen neuen Bundesländern MBG aufgebaut. 1990 wurden in den neuen Bundesländern die ersten Investments getätigt. Das Niveau im Jahr 1993 (knapp 500 Mio. DM Beteiligungsvolumen, 253 Beteiligungen) ist im Vergleich

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zu den alten Bundesländern und dem Bedarf an Beteiligungskapital jedoch noch immer niedrig. Dabei werden JTU praktisch nicht finanziert Die Ursachen für das bislang geringe Engagement der Beteiligungsgesellschaften liegen in den vielfach ungeklärten Eigentumsfragen, administrativen Hemmnissen und dem generell sehr hohen Risiko kapitalsuchender Unternehmen.

In Deutschland treten vor allem private und öffentlich-rechtliche Banken als Investoren auf und stellen beinahe zwei Drittel des Fondsvolumens von Beteiligungsgesellschaften zur Verfügung Versicherungen und Industrieunternehmen, die gegenüber Beteiligungskapital in der Regel skeptisch eingestellt sind, die öffentliche Hand und sonstige Investoren spielen nur eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz hierzu sind in den USA Pensionsfonds die größte Investorengruppe von Venture-Capital-Gesellschaften. Auch europaweit haben Pensionsfonds, die in Deutschland überhaupt nicht in Erscheinung treten, als zweitwichtigster Investorentyp nach den Kreditinstituten eine große Bedeutung.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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