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[Seite der Druckausgabe: 57 / Fortsetzung]

9. Politische Konsequenzen

Die Diskussion über die "Macht der Banken", Unternehmenskontrolle und den Zustand des deutschen Finanzmarktes ist zum Politikum geworden. Im April letzten Jahres hatte die SPD-Bundestagsfraktion auf der Basis verschiedener Anträge der vergangenen Jahre erstmals einen umfassenden Gesetzentwurf zur Beschrän-

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kung der "Macht der Banken" in den deutschen Bundestag eingebracht. In ihrer Koalitionsvereinbarung im November 1994 hatte dann auch die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmenskontrolle angekündigt, die auch eine Beschränkung des Bankeneinflusses auf die deutsche Wirtschaft beinhalten sollte. Während die Bundesregierung Anfang 1995 verschiedene interfraktionelle und interministerielle Arbeitsgruppen zur Untersuchung von Einzelaspekten ins Leben rief, legte die SPD-Bundestagsfraktion am 30. Januar 1995 den, im Vergleich zum Gesetzentwurf des Vorjahres, wesentlich erweiterten "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung von Transparenz und Beschränkung von Machtkonzentration in der deutschen Wirtschaft (Transparenz- und Wettbewerbsgesetz)" (Bundestagsdrucksache 13/367) vor. Der SPD-Gesetzentwurf wird derzeit in den zuständigen Bundestagsausschüssen beraten. Dagegen hat sich die Vorlage des von der Regierungskoalition angekündigten eigenen Gesetzentwurfs verzögert. Inhalt und Umfang des Regierungsentwurfs sind derzeit vollkommen offen.

Während die Bonner Parteien sich prinzipiell einig sind, daß ein politischer Handlungsbedarf zur Beschränkung des Einflusses der Banken auf die deutsche Wirtschaft besteht, weisen Vertreter von Banken- und Industrieverbänden diese Einschätzung zurück. Nach ihrer Auffassung hat sich das bestehende System, abgesehen von einigen nicht repräsentativen Einzelfällen, bewährt. Bislang habe kein Kritiker den Banken einen einzigen konkreten Fall von Machtmißbrauch nachweisen können. Zudem sei der Ruf nach neuen Gesetzen unangemessen, da es in Deutschland ohnehin zu viele Gesetze gebe, die die deutsche Wirtschaft in erheblicher Intensität regulierten. Die Politiker sollten deshalb lieber den zu spät und bislang nur halbherzig eingeschlagenen Weg einer konsequenten Deregulierung fortsetzen. An diesen Rahmenbedingungen müsse angesetzt werden, nicht bei der Schaffung neuer Beschränkungen und Regulierungen.

Ein Vertreter eines Mittelstandsverbandes unterstreicht die prinzipielle Notwendigkeit zur Fortsetzung des Deregulierungsprozesses. Gleichwohl könne aus dieser Notwendigkeit nicht vorschnell abgeleitet werden, daß notwendige Regulierungen dort, wo sie dem Wettbewerb dienen oder ihn fördern könnten, unterbleiben müssen. Und aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft besteht eben im Bereich der "Macht der Banken" der dringende Bedarf, durch die Schaffung neuer gesetzlicher Regelungen die Voraussetzungen für den Wettbewerb in Deutschland zu verbessern. Ein SPD-Politiker warnt zudem vor einer übertriebenen Deregulierungseuphorie. Schließlich habe sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Debakels der britischen Barings-Bank oder der jüngsten Währungsturbulenzen auch bei führenden deutschen Bankern die Einsicht durchgesetzt, daß eine kritiklose Deregulierung Gefahren berge, da Fehlentwicklungen möglicherweise nicht mehr beherrschbar sein könnten. Zudem schaffe der SPD-Gesetzentwurf kein neues Gesetzbuch, sondern korrigiere lediglich Schieflagen in bestehenden Gesetzen.

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Vertreter von Banken und Industrieverbänden bezweifeln die Existenz derartiger Schieflagen. Schließlich sorge das Prinzip der marktwirtschaftlichen Ordnung dafür, daß jeglicher Machtmißbrauch durch Wettbewerb verhindert werde. Und der Wettbewerb zwischen den deutschen Kreditinstituten und den verschiedenen Bankengruppen in Deutschland habe in den letzten Jahren insbesondere als Folge der Internationalisierung der Märkte erheblich zugenommen. Vertreter von Bankenverbänden argwöhnen zudem, daß es den Kritikern der "vermeintlichen Macht der Banken" auch gar nicht um die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Finanzmarkt Deutschland gehe, sondern in Wahrheit um nichts geringeres als die bewährten Grundprinzipien des deutschen Unternehmensrechts und der deutschen Wirtschaftsverfassung. Deshalb hätten neben den Banken auch wichtige Interessenverbände der Industrie, des Versicherungswesen, aber auch einzelne namhafte Unternehmer betont, daß zur Änderung der bewährten deutschen Wirtschaftsverfassung kein Anlaß bestehe. Verschärft werde die Diskussion derzeit durch eine Mentalität, in der es vor dem Hintergrund einiger spektakulärer Einzelfälle offenbar populär geworden sei, Banken zu kritisieren. In dieser Stimmung seien die Banken regelrecht zum Opfer einer "Anti-Banken-Koalition" geworden. Dieser populären Kritik seien die Politiker nach Einschätzung eines Vertreters eines Industrieverbandes der Wählernot gehorchend allzu begierig gefolgt. Inhaltlich entspreche die heutige Diskussion weitgehend dem, was bereits mehrfach in den letzten Jahren in vergleichbarer Form diskutiert wurde. Doch trotz der permanenten Wiederkehr der Kritik habe sich bislang bei allen Diskussionsrunden herausgestellt, daß es keinen Anlaß gäbe, etwas an der bewährten Wirt schaftsverfassung Deutschlands zu ändern.

Ein SPD-Politiker betont, daß sich die Banken die Heftigkeit der aktuellen Diskussion und das hohe Maß an Kritik selbst zuzuschreiben hätten. Durch die bekannten Skandale wie die Fälle Metallgesellschaft, Schneider oder Balsam/Procedo, durch unglückliches oder gar arrogantes Verhalten und auch durch kritikwürdiges Geschäftsgebaren wie die schleppende Weitergabe von Zinssenkungen oder die Verweigerung von Girokonten für sozial Schwache hätten die Banken selbst maßgeblich zu ihrem derzeit schlechten Image beigetragen. Dies lasse sich nun auch durch die groß angekündigte "Kommunikationsoffensive" nicht wettmachen, die sich ohnehin nur auf eine Werbekampagne beschränke, statt bei den angesprochenen Kritikpunkten endlich die Fakten offen auf den Tisch zu legen.

In der Tat waren Rolle und Funktion der Banken in Deutschland bereits mehrfach Gegenstand intensiver öffentlicher Diskussionen. Ein SPD-Politiker sieht die Gründe für das Scheitern aller bisherigen Reformbemühungen vor allem in der erfolgreichen Lobbyarbeit der Bankenverbände, deren politischer Einfluß auf die Bonner Politik stets erheblich gewesen sei. Und gerade weil alle bisherigen Reformansätze im Sande verlaufen seien, sei der Reformbedarf nun folgerichtig um so größer. Ein Vertreter der Monopolkommission unterstreicht diese Einschätzung. Innerhalb des Universalbankensystems habe sich eine Struktur herausgebil-

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det, bei der sich die Interessenwahrnehmung der Kreditinstitute mit der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, aber auch anderer Märkte in Konflikt befinde. Dabei sind die Banken nicht nur wegen ihrer Finanzierungsfunktion für die übrigen Sektoren der Wirtschaft von großer Bedeutung; die Wirtschaftsordnungspolitik muß auch der Tatsache Rechnung tragen, daß über die Kreditwirtschaft die monetären Instrumente der staatlichen Konjunktur- und Wachstumspolitik wirksam werden. Insofern dürfe es bei der Diskussion nicht darum gehen, die "Macht der Banken" pauschal zu verteufeln, sondern es gelte, die Relationen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dimension des Bankeneinflusses zu korrigieren.

Der von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegte Entwurf eines Transparenz- und Wettbewerbsgesetzes enthält nach Einschätzung eines SPD-Politikers Maßnahmen, um den ordnungspolitischen Rahmen für Wettbewerb in Deutschland wiederherzustellen und dazu beizutragen, daß Deutschland nicht nur als Industriestandort, sondern auch als Finanzplatz international wettbewerbsfähiger wird. Hierfür sieht der SPD-Gesetzentwurf neben den genannten Maßnahmen zum Abbau des Beteiligungsbesitzes der Banken, zur Reform des Depotstimmrechts und zur Verbesserung des Aufsichtsratssystems Schritte zur Steigerung von Transparenz und zur Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen in der deutschen Wirtschaft vor. Darüber hinaus beinhaltet der Gesetzentwurf umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der Aktionärsrechte und des Aktionärsschutzes. Dadurch soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzmarktes Deutschland entscheidend gestärkt werden. Denn solange in Deutschland Aktionäre, formal immerhin die Eigentümer einer Gesellschaft, durch ein Netzwerk von Unternehmensverwaltungen und Banken praktisch entmündigt würden, könne der Kapitalmarkt in Deutschland nicht funktionsfähig werden.

Ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums sieht dagegen grundsätzliche europarechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken gegen einige der von der SPD vorgesehenen Maßnahmen. Dies gelte vor allem für den vorgesehenen Abbau der Bankenbeteiligungen an Unternehmen und Kapitalanlagegesellschaften, aber auch für die vorgesehenen Erwerbsverbote, durch die deutsche Kreditinstitute gegenüber ihren EU-Wettbewerbern diskriminiert würden. Zudem sei zu befürchten, daß der Beteiligungsabbau der Banken zu einem Kursverfall am deutschen Aktienmarkt und damit zu einer Erschwerung der Eigenkapitalversorgung der deutschen Wirtschaft führe. Bei einer vollständigen Umsetzung des SPD-Entwurfs müsse mit negativen Auswirkungen für den deutschen Finanzplatz und den deutschen Wirtschaftsstandort gerechnet werden. Vergleichbares habe in einem In terview mit der Süddeutschen Zeitung vom 16. März 1995 auch der Vorsitzende der Westdeutschen Landesbank erklärt, der den Gesetzentwurf der SPD als "wirklichkeitsfremd" bezeichnet habe. Gleichwohl beinhalte der Gesetzentwurf nach Einschätzung des Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums auch einige positive Ansätze; deshalb, und weil er der Diskussion produktive Anstöße gege ben habe, seien dem Entwurf durchaus Verdienste zuzurechnen.

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Die Bundesregierung hat zur Erarbeitung eines eigenen Gesetzentwurfs eine Koalitionsarbeitsgruppe unter der Federführung der Bundesministerin der Justiz und des Bundesministeriums der Wirtschaft eingesetzt, die im Mai 1995 erstmals zusammentraf. An dieser Arbeitsgruppe sind weiterhin das Bundesministerium der Finanzen (Parlamentarischer Staatssekretär Professor Dr. Kurt Faltlhauser) sowie die Bundestagsabgeordneten Dr. Otto Graf Lambsdorff, Rainer Funke (beide FDP), Dr. Peter Ramsauer (CSU), und Joachim Gres (CDU) beteiligt. Der Titel dieser Arbeitsgruppe lautet entsprechend der Koalitionsvereinbarung "Transparenz und Kontrolle im Unternehmensbereich/Banken". Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich dabei mit den Komplexen Aufsichtsrat, Abschlußprüfer - wobei zu diesem Aspekt seit dem Frühjahr eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministeriums der Justiz Fragen des Bilanzrechts und der Abschlußprüfung diskutiert - Hauptversammlung einschließlich des Depotstimmrechts, Transparenz sowie dem dauerhaften Beteiligungsbesitz der Kreditinstitute. Aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums sei noch offen, zu welchen Ergebnissen Bundesregierung und Koalitionsfraktionen gelangen werden.

Für das Bundeswirtschaftsministerium sei die entscheidende Frage, wie sich der Bankeneinfluß auf den Wirtschafts- und Finanzstandort Deutschland auswirke. Dabei gehe es in der Tat nicht primär darum, den Nachweis eines Machtmißbrauchs im Einzelfall zu führen; wobei auch nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministerium ein solcher Nachweis bislang nicht erbracht ist. Vielmehr gehe es darum, vorbeugenden Wettbewerbsschutz zu realisieren. Und hier sehe das Wirtschaftsministerium ein ordnungs- und wettbewerbspolitisches Problem in der erheblichen Einflußkumulation bei den Banken. Dadurch seien Wettbewerbsverfälschungen möglich zu Lasten der Unternehmen, in denen Banken besonderen Einfluß haben, oder ebenso auch zu Gunsten solcher Unternehmen und damit zu Lasten von deren Konkurrenten. In beiden Fällen wäre beispielsweise die Neutralität der Kreditvergabe nicht mehr gewährleistet. Dies könne in der Praxis zu einer Fehlallokation knapper Ressourcen führen, die vermieden werden sollte. Zudem bestehe die Gefahr von Wettbewerbsverfälschungen zwischen den Kreditinstituten untereinander. Dabei verstehe sich das Bundeswirtschaftsministerium weder als "Bankenfeind" noch als Teil einer "Anti-Banken-Koalition". Aus Sicht des Ministeriums habe sich das deutsche Universalbankensystem im Prinzip bewährt. Dessen Stabilität sei international herausragend und ein positiver Faktor des Standorts Deutschland. Andere Bankensysteme hätten im Gegensatz zu Deutschland Krisen erlitten, bei denen dann letztlich der Steuerzahler einspringen mußte. Zudem hätten die deutschen Banken in der Vergangenheit in Unternehmenskrisen durchaus gesamtwirtschaftliche Verantwortung gezeigt. Dies müsse ebenso positiv hervorgehoben werden wie ihr Beitrag zur Versorgung kleiner und mittlerer Unternehmen mit Risikokapital, zumal im Osten Deutschlands.

Ein SPD-Politiker räumt ein, daß die SPD natürlich angesichts der bestehenden Mehrheiten im deutschen Bundestag auf die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung oder Teilen der sie tragenden Koalition angewiesen sei. Und hier habe es

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in den letzten Monaten durchaus Signale gegeben, daß in einzelnen Bereichen wie dem Komplex "Aufsichtsräte" einiges möglich sei. Immerhin sei es bereits ein Erfolg der SPD, daß sich die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode überhaupt mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzt. Denn früher hatte sie das gesamte Thema stets mit dem lapidaren Kommentar "kein Regelungsbedarf" zurückgewiesen. Dieser Regelungsbedarf werde nun immerhin eingestanden. Und auch bei den Banken scheint es zur Zeit eine Tendenz zu geben, diesmal tatsächlich zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen. Daß eine solche, von den Banken präferierte Regelung keine substantiellen Änderungen beinhalten dürfte, liege dabei auf der Hand. Den Banken gehe es natürlich primär darum, das Thema mit einer "Scheinreform" vom Tisch zu bekommen. Insofern geht die SPD-Bundestagsfraktion davon aus, daß es diesmal zu einer "kleinen Reform" kommen könne. Für eine substantielle, umfassende Reform bedürfte es jedoch anderer Mehrheiten im Deutschen Bundestag.


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