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10. Abschließende Thesen

[Seite der Druckausgabe: 61 / Fortsetzung]

  1. Deutschlands Großbanken verfügen über ein erhebliches Einflußpotential auf die deutsche Wirtschaft, das im Sinne der klassischen Definition von Max Weber als "Macht" bezeichnet werden kann. Diese "Macht der Banken" resultiert aus der Kumulation ihrer diversen Einflußfaktoren als Kreditgeber, Anteilseigner, Vertreter der Aktionäre durch das sogenannte Depotstimmrecht, sowie als Mitglied in den Aufsichtsgremien vieler Unternehmen. Verstärkt wird dieses Einflußpotential noch durch die in Deutschland überwiegend bankeigenen Kapitalanlagegesellschaften.

  2. Bei der Bewertung dieses Einflußpotentials ist die Frage, wie die Banken ihre "Macht" in der Vergangenheit ausgeübt haben, von untergeordneter Relevanz. Ob "Macht" zum Wohle oder zum Schaden des "Machtlosen" beziehungsweise des "Mächtigen" ausgeübt wird, ist letztlich nicht objektiv zu beantworten, sondern hängt vom jeweiligen Blickwinkel ab. Das Insistieren auf den Nachweis eines objektiven "Machtmißbrauchs" als Bewertungskriterium für die "Macht der Banken" führt daher in die Irre. Denn im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit eines freien Wettbewerbs kann alleine das Vorhandensein eines erheblichen Machtpotentials problematisch sein.

  3. Ein funktionierendes Korrektiv gegen zu große Machtkonzentrationen ist der Wettbewerb. In Deutschland gibt es zwischen den verschiedenen Bankengruppen und den einzelnen Instituten einen erheblichen Wettbewerb, der durch die zunehmende Internationalisierung der Bankgeschäfte an Schärfe zugenommen hat. Dieser Wettbewerb im Bankgeschäft hat aber keine direkten Auswirkungen auf die wettbewerbsrechtlichen Probleme, die sich aus dem Anteilsbesitz der Banken oder ihrem Depotstimmrecht ergeben.

[Seite der Druckausgabe: 62]

  1. Das deutsche Universalbankensystem hat sich nach überwiegender Einschätzung bewährt. Seine große Stabilität gilt als positiver Faktor für die deutsche Wirtschaft. Gleichwohl sind die Interessenkonflikte, die sich aus der Wahrnehmung einer Fülle von teilweise widersprüchlichen Funktionen durch die Banken ergeben, erheblich. Es ist naheliegend, daß eine Bank, die Kreditgeber und Anteilseigner eines Unternehmens ist, nicht auch noch gleichzeitig die völlig anders gelagerten Interessen der Kleinanleger angemessen vertreten kann. Die Einleitung von Maßnahmen zur Reduzierung dieser Interessen konflikte ist daher notwendig, muß sich jedoch daran orientieren, zugleich die positiven Grundlagen des Universalbankensystems zu erhalten.

  2. Die Diskussion um die "Macht der Banken" wird durch die außerordentlich schlechte Datenlage erschwert. Repräsentative Erhebungen oder empirische Studien zu den Faktoren der Bankenmacht sind Mangelware. Die Verbesserung der Transparenz ist daher der erste notwendige Schritt zu einer Reform. Darüber hinaus sollte die Einflußkonzentration bei den Banken durch gezielte Eingriffe reduziert werden. Hierzu gehören Maßnahmen zur Beschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten der Banken an anderen Unternehmen, Änderungen beim Depotstimmrecht, Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz der Aufsichtsräte und die Sicherstellung einer verstärkten Unabhängigkeit der Kapitalanlagegesellschaften.

  3. Deutschlands große Banken - die großen Privatbanken ebenso wie die Landesbanken - halten Beteiligungen an Unternehmen in erheblichem Umfang. Derartige Bankbeteiligungen sind wettbewerbsrechtlich problematisch und zudem für die Wahrnehmung originärer Bankgeschäfte nicht notwendig. Die Beteiligungsmöglichkeiten der Banken an anderen Unternehmen sollten daher eingeschränkt werden. Nach Aussage der Banken dienen diese Beteiligungen überwiegend zum Zwecke des Risikoausgleichs. Eine generelle Reduktion der Beteiligungsmöglichkeiten der Banken an einzelnen Unternehmen dürfte unter diesem Gesichtspunkt unproblematisch sein, da mehrere kleine Beteiligungen ohnehin einen besseren Risikoausgleich darstellen als eine große Beteiligung.

  4. Die Hauptversammlungen der meisten deutschen Publikumsgesellschaften werden heute von den Banken aufgrund ihres Depotstimmrechts dominiert. Der Vorteil des derzeitigen Depotstimmrechts, hohe Hauptversammlungspräsenzen zu garantieren, kann keine Rechtfertigung dafür sein, daß Banken, ohne ein eigenes Kapitalrisiko bei Unternehmen einzugehen, deren Hauptversammlungen dauerhaft dominieren. Das gültige Depotstimmrecht bedarf deshalb ebenfalls einer Reform. Entscheidendes Reformziel muß die Etablierung eines funktionierenden Wettbewerbs um Stimmrechtsvollmachten sein. Um weiterhin hohe Hauptversammlungspräsenzen zu garantieren, sollte dabei an einem organisierten Vertretungsmechanismus für passive Aktionäre im Sinne der bisherigen Regelung festgehalten werden. Da die immanenten Interessen-

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    konflikte der Banken zwischen ihren eigenen Interessen und denen ihrer Kunden nicht aufzulösen sind, empfiehlt sich jedoch eine Verlagerung der Stimmrechtsvertretung auf unabhängige Stimmrechtsvertreter.

  1. Das deutsche Aufsichtsratssystem hat sich trotz prinzipieller Bewährung durch die zunehmende Etablierung von Multi-Aufsichtsräten ad absurdum geführt. Wenn Aufsichtsratsvertreter nicht mit dem Ziel, eine leistungsfähige Kontrolle zu garantieren, sondern zum Zwecke der Einbindung bestimmter Organisationen oder Banken in die Unternehmensführung ausgewählt werden, sind Defizi te und Fehlleistungen vorprogrammiert. Weder ein Gewerkschaftsfunktionär noch ein Vorstandsmitglied einer Bank oder eines Industrieunternehmens kann sich neben der Führung seiner Organisation oder seines Unternehmens noch um die effektive Kontrolle von 10 Unternehmen kümmern. Eine Reform des deutschen Aufsichtsratssystems ist daher notwendig, um die Effektivität der Kontrollgremien wiederherzustellen. Hierzu gehört die Senkung der pro Person möglichen Aufsichtsratsmandate, die Verschärfung der Haftung und die Untersagung der Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten in konkurrierenden Unternehmen.

  2. Der Anteilsbesitz der Banken bildet den Kern eines Netzwerkes von wechselseitigen Ring- und Überkreuzverflechtungen zwischen den großen deutschen Unternehmen. In Kombination mit dem Depotstimmrecht der Banken und dem System von Multi-Aufsichtsräten hat sich hier in der Tendenz eine geschlossene Gesellschaft etabliert, durch die die Kontrollfunktionen des Kapitalmarktes wirkungsvoll ausgeschaltet werden. Die Abschottung zentraler Bereiche der deutschen Wirtschaft vor Wettbewerb und externer Kontrolle schadet der Dynamik und Innovationskraft der deutschen Wirtschaft und wird angesichts der Globalisierung der Kapitalmärkte zunehmend zum entscheidenden Wettbewerbsnachteil für Deutschland.

  3. Der deutsche Finanzmarkt ist in einem schlechten Zustand; im internationalen Vergleich spielt er nur eine untergeordnete Rolle. Diese Situation ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft dem Kapitalmarkt in Deutschland traditionell keine große Bedeutung beigemessen haben. Die Globalisierung der Märkte und der Wegfall nationaler Grenzen verstärken den Druck auf die Bundesregierung, den Finanzmarkt Deutschland an den international üblichen Standard anzugleichen. Ein erster wichtiger Schritt war die Einführung einer verbindlichen Insiderregelung im Rahmen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes von 1994, dem jedoch weitere Schritte folgen müssen. Besonders im Bereich des Anlegerschutzes sowie in der Offenlegungspraxis der für den Anleger relevanten Daten besteht hier erheblicher Nachholbedarf.

  4. Die Bonner Parteien haben Maßnahmen zur Beschränkung der "Macht der Banken" für diese Legislaturperiode angekündigt. Während der Gesetzentwurf

[Seite der Druckausgabe: 64]


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