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[Seite der Druckausgabe: 12 / Fortsetzung]

5. Die Rolle der Banken in der deutschen Wirtschaft

Deutschlands Banken spielen eine zentrale Rolle in der deutschen Wirtschaft. Ihr Einflußpotential auf die deutsche Wirtschaft hat verschiedene Wurzeln. Zum einen resultiert es aus den üblichen Geschäftsbeziehungen zwischen Bank und Unternehmen, den spezifischen Erfahrungen und Kenntnisse, die sich durch intensive Geschäftsbeziehungen ergeben. Die in Deutschland lange Zeit dominierenden Hausbankbeziehungen eines Unternehmens zu einem bestimmten Kreditinstitut haben zu einem erheblichen Einflußpotential gerührt, das aufgrund eventueller Abhängigkeiten und erheblicher Informationsvorsprünge der Hausbank nicht automatisch durch den Wettbewerb korrigiert werden kann. Über die Kreditvergabe haben Kreditinstitute zudem einen erheblichen Einfluß auf die Investitions- und damit die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden.

Ein ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank weist darauf hin, daß es natürlich auch den umgekehrten Fall gibt, daß Unternehmen wirtschaftliche Macht über Banken ausüben. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn ein Unternehmen bei einem bestimmten Kreditinstitut zur selben Zeit für seine Termineinlagen einen höhere Zins verlangt, als es für einen Wechseldiskontkredit zu zahlen bereit ist. Macht können Unternehmen aber auch dadurch ausüben, daß sich Nichtbanken an Banken beteiligen. Diesem Problem hat der Gesetzgeber besondere Aufmerksamkeit gewidmet, und das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen damit beauftragt, Investoren, die eine bedeutende Beteiligung an einem Kreditinstitut erwerben, auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen. Für den Fall, daß bei dieser Prüfung Zweifel an der Zuverlässigkeit des Investors auftreten, kann das Bundesaufsichtsamt diesem die Beteiligung bzw. deren Erhöhung untersagen.

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Stellt sich die mangelnde Zuverlässigkeit des Investors erst nach dem Vollzug des Erwerbs heraus, dann kann das Bundesaufsichtsamt dem Investor die Ausübung seines Stimmrechts untersagen oder sie auf einen Treuhänder übertragen.

Neben dem aus der klassischen Geschäftsbeziehung zwischen einer Bank und einem Unternehmen erwachsenden Einflußpotential haben die deutschen Universalbanken eine Reihe weiterer Einflußmöglichkeiten auf die deutsche Wirtschaft. Banken halten Industriebeteiligungen in einem erheblichen Maße, ihre Repräsentanten sind in den Kontrollgremien der wichtigsten deutschen Unternehmen vertreten und über das sogenannte Depotstimmrecht spielen die Banken in den Hauptversammlungen der meisten deutschen Aktiengesellschaften eine bestimmende Rolle. Darüber hinaus dominieren die Banken durch ihre bankeigenen Kapitalanlagegesellschaften den in Deutschland boomenden Investmentmarkt und sie beherrschen das Emissionsgeschäft.

Bei der ordnungspolitischen Bewertung dieses Machtpotentials, das sich aus der Kumulation der verschiedenen Einflußfaktoren ergibt, ist es nach Ansicht eines Vertreters der Monopolkommission letztlich nicht entscheidend, ob dieses Machtpotential nachweislich mißbräuchlich verwendet wird. Vielmehr gehe es um die Frage nach der Funktionsfähigkeit des Systems als solches und die eventuelle Funktionswidrigkeit bestimmter Konstellationen. Denn ordnungspolitisch könne bereits das Vorhandensein eines großen Einflußpotentials problematisch sein. Schließlich gehe es in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft nicht primär darum, Mißbräuche zu unterbinden. Vorrang habe hingegen die Schaffung und Bewahrung struktureller Rahmenbedingungen, die die Entstehung von Macht und eines damit verbundenen Mißbrauchspotentials unmöglich machen. Dies gelte für die gesellschaftlichen Kräfte, die dem Prinzip der demokratischen Kontrolle und der Gewaltenteilung unterworfen sind, ebenso wie für die Entscheidungs- und Funktionsträger in der Wirtschaft, die durch den Markt diszipliniert werden. So soll das Kartellrecht unerwünschte Machtkonzentrationen durch das Verbot von Fusionen verhindern, obwohl auch hier noch gar kein Mißbrauch vorliegt bzw. vorliegen kann. Erst wenn in begründeten Ausnahmefällen von diesem präventiven Prinzip abgewichen werden muß, wird eine verhaltenssteuernde Mißbrauchskontrolle notwendig. Und wenn sich dabei herausstellt, daß Einflußmöglichkeiten, die legal genutzt werden, zur Funktionswidrigkeit des Systems rühren, dann müsse ordnungspolitisch interveniert werden.

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5.1 Auswirkungen von Bankeneinfluß auf die Unternehmen

Vertreter der Banken und ihrer Interessenverbände betonen, daß Banken ihren Einfluß auf Unternehmen und die deutsche Wirtschaft insgesamt stets verantwortungsvoll und überwiegend zum Wohle der betroffenen Unternehmen ausgeübt haben. Sie werfen den Kritikern einer angeblich zu großen "Macht der Banken"

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vor, bislang keinen Beleg für einen angeblichen Mißbrauch dieser Einflußmöglichkeiten erbracht zu haben. Und nur wenn derartige Belege erbracht würden, bestehe aus ihrer Sicht die Notwendigkeit zu Änderungen des Systems.

Als großes Defizit bei der Diskussion über den Einfluß der Banken auf deutsche Unternehmen wird allgemein die ausgesprochen dürftige Datenlage bezeichnet. So mangelt es sowohl an Daten über den im Besitz der Banken befindlichen Anteilsbesitz, als auch an Statistiken über die Ausübung des Depotstimmrechts durch die Kreditinstitute. Im Mittelpunkt der Kritik steht hierbei die mangelnde Transparenz der Banken. So hatte beispielsweise die Monopolkommission bei ihren Untersuchungen zur Erstellung des ersten Hauptgutachtens Anfang der siebziger Jahre eine empirische Erhebung bei 328 Kreditinstituten geplant, bei der ermittelt werden sollte, inwieweit Beteiligungen von Banken an anderen Unternehmen mit Aufsichtsratsmandaten und Depotstimmrechten zusammentreffen, und ob sich für solche Positionen Schwerpunkte in bestimmten Wirtschaftszweigen ergeben. Wesentliche Teile der Kreditwirtschaft, insbesondere die großen Institute, hatten jedoch ihre Mitwirkung an der Untersuchung verweigert, so daß die Kommission von einer Auswertung der vorhandenen, lückenhaften Angaben absehen mußte.

1994 wurde von Professor Dr. Manfred Perlitz von der Universität Mannheim eine empirische Studie über die Auswirkungen des Bankeneinflusses auf deutsche Unternehmen vorgelegt. Die Studie stieß auf große Resonanz und ist seitdem Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Hintergrund der Mannheimer Studie war ein seit 1987 laufendes Untersuchungs- und Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft über einen Vergleich der Unternehmensverfassung deutscher, japanischer und amerikanischer Unternehmen. Dabei ging es um die Frage, inwieweit die jeweiligen Unternehmensverfassungen sich positiv oder negativ auf unternehmerische Entscheidungen auswirken. Ein zentraler Aspekt der Untersuchung war dabei die Frage, welche Rolle die Banken in diesem Zusammenhang spielten. Perlitz versuchte in seiner Studie herauszufinden, ob sich Unternehmen, die einem starken Bankeneinfluß unterliegen, in ihren Unternehmensergebnissen von denen unterscheiden, die lediglich einem geringen Bankeneinfluß ausgesetzt sind. Als Indikatoren für einen großen Bankeneinfluß wurden folgende Kriterien festgelegt:

Wenn einer dieser Indikatoren erfüllt war, wurde das Unternehmen als "stark bankenbeeinflußt" eingestuft. Als Grundgesamtheit wurden 110 Unternehmen ausgewählt, von denen sich auf der Basis der genannten Indikatoren 58 als "stark bankbeeinflußt" und 52 als "schwach bankbeeinflußt" erwiesen. Diese beiden

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Gruppen wurden dann daraufhin untersucht, ob sich im Hinblick auf die finanzwirtschaftlichen Kennzahlen wie Rendite, Wachstumsrate oder Finanzierungseffizienz signifikante Unterschiede ergeben. Die Analyse kam zu dem eindeutigen Ergebnis, daß derart "bankbeherrschte Unternehmen" in jedem der untersuchten Aspekte schlechter wirtschafteten als die "bankunabhängigen Unternehmen". "Bankbeherrschte Unternehmen" waren höher verschuldet, mußten höhere Zinsen zahlen und wiesen eine geringere interne Finanzierung auf. Die Gewinnkennzahlen waren ebenso wie die Wachstumsraten der Aktiva und der Umsätze schlechter.

Die Studie war nach ihrer Veröffentlichung vor allem bei den Banken und ihren Verbänden auf erhebliche Kritik gestoßen. Aus Sicht eines Bankenverbandes ist die Studie schlichtweg "pseudowissenschaftlich". Statt sauberer Analyse werde hier versucht, mittels "waghalsiger theoretischer Konstruktionen" eine "tendenziöse Interpretation" zu belegen. Im Mittelpunkt der Kritik stehen dabei vor allem die Indikatoren, die in der Mannheimer Untersuchung als Meßgröße für einen er heblichen Bankeneinfluß gewählt wurden. So sei die bloße Fokussierung auf den Aufsichtsratsvorsitzenden, eine Stimmrechtsausübung von mindestens 50 Prozent durch Banken, ohne daß dabei eine eventuelle Streuung der Stimmrechtsvollmachten auf verschiedene Banken oder der Unterschied zwischen Einzelweisungen und Pauschalvollmachten berücksichtigt würden, und schließlich die Höhe von laufenden Bankkrediten keine empirisch tragfähige Methode, um Bankeneinfluß zu quantifizieren. Zudem seien einige der finanziellen Kennziffern, die "performance" der Unternehmen betreffend, schlichtweg falsch interpretiert worden. Darüber hinaus könne die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens nicht angemessen bewertet werden, wenn dabei zentrale Aspekte wie die Motivation der Belegschaften, die Leistungsfähigkeit und die Führungsqualität des Vorstandes, die Qualität der Produkte, die dieses Unternehmen erzeugt, oder die nationale und internationale Konkurrenzsituation nicht berücksichtigt würden. Und schlichtweg "unseriös" sei es schließlich, auf der Basis einer rudimentären Partialanalyse zu folgern, die Banken seien für die der deutschen Wirtschaft generell fehlende Dynamik verantwortlich.

Aus Sicht eines Mannheimer Wissenschaftlers ist die Heftigkeit der Reaktion der Banken und ihrer Interessenverbände auf die Ergebnisse der Studie überraschend. Schließlich habe die Untersuchung lediglich einen einfachen empirischen Zusammenhang herausgearbeitet. Es sei vollkommen zutreffend, daß diese Untersuchung lediglich eine Partialanalyse sei. Gleichwohl seien derartige Analysen in der em pirischen Bilanzanalyse durchaus geläufig, und eine gerade von Banken bei der Feststellung der Kreditwürdigkeit ihrer Kunden tagtäglich angewendete Vorgehensweise. Bei aller Kritik an den gewählten Indikatoren könne schließlich nicht geleugnet werden, daß man in einem demokratisch organisierten Gremium wie der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft das Sagen hat, wenn man mehr als 50 Prozent der Stimmrechte ausübt. Und eine Analyse des Abstimmungsverhaltens der Banken in verschiedenen Hauptversammlungen zeige, daß Banken dort sehr wohl als monolithischer Block auftreten. Und ebenso wenig könne die Bedeutung

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des Aufsichtsratsvorsitzenden oder der Einfluß hoher laufender Kredite auf die Unternehmenspolitik geleugnet werden. Die Reaktion der Banken und ihrer Verbände auf die Studie sei entlarvend. Statt sich sachlich mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen, seien die Autoren sofort in die Ecke der Bankenkritiker gestellt worden. Und natürlich sei sofort unterstellt worden, daß hinter dieser Studie ein bestimmtes Interesse stehe, daß sich gegen die Banken oder gar gegen das deutsche Wirtschaftssystem als Ganzes richte. Dabei sei es in der Studie lediglich um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Phänomenen Macht und Einfluß in der deutschen Wirtschaft gegangen.

Interessant sei zudem, daß sich die Studie mit den Ergebnissen anderer empirischer Untersuchungen oder den Aussagen von Fachleuten decke. So habe beispielsweise Herrn Mohn von Bertelsmann im Manager-Magazin 1993 erklärt:

"Einen Bankenvertreter als Vorsitzenden kann ich mir nicht vorstellen. Der Aufsichtsratsvorsitzende muß ein Unternehmer sein." Mit derartigen Aussagen würde man in direkten Gesprächen mit Unternehmern sehr häufig konfrontiert. Immer wieder heiße es dann: "Wir werden da stärker kontrolliert, als wir das nach außen darstellen können." Zu ähnlichen Ergebnissen war zuvor schon die Monopolkommission in verschiedenen Untersuchungen gekommen. Und auch das Allensbacher Institut für Demoskopie hat kürzlich in einer Studie, in der 640 Führungskräfte, darunter viele Vorstandsmitglieder von Unternehmen und Manager, be fragt wurden, festgestellt, daß die Führungskräfte den Einfluß der Banken auf die Wirtschaft als sehr bedenklich einschätzten. So beantworten 73 Prozent die Frage "Sollte die Zahl der Aufsichtsratsmandate für Bankiers unter das bisherige Maß hinaus verringert werden?" mit "Ja". Die Frage "Sollte das Depotstimmrecht der Banken begrenzt werden?" beantworteten immerhin 58 Prozent der Befragten mit "Ja". Und 64 Prozent bejahten die Frage "Nehmen die Banken ihre Aufsichtspflicht unzureichend wahr?" Schließlich beantworteten 61 Prozent der Befragten die Frage "Sollte die Unternehmensbeteiligung auf maximal 15 Prozent begrenzt werden?" mit "Ja". Der Kölner Soziologe Erwin K. Scheuch schließlich kam in einer Untersuchung über die deutschen Eliten, in der 143 Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer danach befragt wurden, wen sie in Deutschland als wichtig erachteten, zu folgendem Ergebnis: An erster Stelle wurden die Vorstände von Banken und Versicherungsvorstände genannt. Der Bundeskanzler kam erst an fünfzehnter Stelle.

Ein Wissenschaftler verweist auf die Aussage des früheren Vorsitzenden des Bundeskartellamtes, Herrn Karte, der einmal betont hatte, daß ihm die meisten Verstöße gegen das Kartellrecht zu Ohren gekommen seien, "weil die Geknechteten im Keller laut geschrien hätten" und dies irgendwann hoch gekommen sei. Studien wie die der Universität Mannheim können zur Objektivierung der kritischen Stimmen von Unternehmern und Managern über die "Macht der Banken" beitragen. In diesem Sinne sieht ein Vertreter einer Aktionärsvereinigung in der Mann heimer Studie derzeit angesichts der extrem schlechten Datenlage das relativ Beste, was überhaupt an empirischen Analysen vorliegt, obwohl solche induktiven

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Ansätze stets mit gewissen Fragwürdigkeiten behaftet seien. Es sei bezeichnend, daß kein Bankenverband oder eine Bank bislang etwas Vergleichbares veröffentlicht habe. Denn alle von den Bankenverbänden vorgelegten Zahlen seien lediglich rein deskriptiv und hätten bezüglich der Wechselwirkung verschiedener Faktoren keine Aussagekraft. Da die Banken nicht bestreiten, daß sie über eine gewisse Machtposition in einem Wirtschaftssystem verfügen, dessen Wohlfahrtskriterium immer noch ein vollkommener Markt ist, wäre es eigentlich eine Bringschuld von denjenigen, die diese Machtposition ausüben, daß sie entsprechende Untersuchungen von vergleichbarer Qualität vorlegen.

Ein SPD-Politiker verweist darauf, daß der Einfluß von Banken auf Unternehmen über den in der Mannheimer Studie untersuchten Aspekt hinaus noch andere Auswirkungen auf Unternehmen oder Branchen haben kann. So habe beispielsweise der jetzige Präsident des Bundeskartellamts, Herr Wolf, bei der Anhörung des Deutschen Bundestages zur "Macht der Banken" im Dezember 1993 ausgeführt, daß ein starker Bankeneinfluß "tendenziell innovationsfeindlich" wirke. Auch in diesem Bereich bestehe ein großer Bedarf nach aussagekräftigen empirischen Untersuchungen. Hierzu müßten aber endlich auch die Banken zu einer Neuorientierung ihrer Offenlegungspraxis gelangen. Denn Transparenz und Offenheit seien die wirksamsten Mittel, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Solange diese Transparenz jedoch nicht vorliege, müsse man sich mit einzelnen Untersuchungen begnügen. Der SPD-Entwurf eines Transparenz- und Wettbewerbsgesetzes sieht Schritte zur Erhöhung der Offenlegungspflichten vor, damit dieser Vorgang zukünftig objektiviert wird.

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5.2 Mittelstand und Banken

Ein Vertreter eines Mittelstandsverbands weist darauf hin, daß rund 99 Prozent des Unternehmensbestands in Deutschland mittelständische Unternehmen sind. Obwohl sich die Diskussion um die "Macht der Banken" hauptsächlich auf das Verhältnis zwischen den Banken und den Großunternehmen beziehe, hätten mittelständische Unternehmen erhebliche Berührungspunkte mit dem Komplex der Bankenmacht. Das Verhältnis des Mittelstandes zu den Banken gleiche den Szenen einer Ehe, wobei man sich dabei jedoch vor Augen halten müsse, daß manche Ehe sehr problembeladen ablaufe. Denn die Probleme kleiner und mittlerer Unternehmer mit den Banken hätten sich in den letzten Jahren, auch in den alten Ländern, erheblich zugespitzt. Mittelstandsverbände unterstützen daher die Forderungen nach einer Beschränkung der "Macht der Banken" und den von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegten Gesetzentwurf.

Die Kritik an den Banken von seiten des Mittelstandes ist vielschichtig. Im Mittelpunkt steht dabei die Kreditvergabepolitik der Kreditwirtschaft. Hier fehle es den Banken trotz gegenteiliger Beteuerungen am guten Willen. Üblicherweise müsse

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die Vergabe eines Kredits von den Faktoren Unternehmenskonzept, Persönlichkeit des Unternehmers und dingliche Sicherheiten abhängig gemacht werden. In der heutigen Praxis spielten jedoch das Konzept und die Persönlichkeit des Unternehmers lediglich eine untergeordnete Rolle. Statt dessen würde bei der konkreten Entscheidung über die Kreditvergabe in einer sehr krassen Form die Frage der dinglichen Sicherheiten überwiegen. Besonders eklatant sei dies bei technologieo rientierten Unternehmen, wo Firmenkundenberater der Banken oftmals regelrecht überfordert seien, das Konzept, die Idee und die Marktchancen des Unternehmens überhaupt qualifiziert zu bewerten. Oftmals würden Banken dann für die Bewertung externe Gutachter heranziehen, die sich pikanterweise bei genauerer Untersuchung nicht als unabhängig erwiesen, sondern regelmäßig im Dienste der betreffenden Bank tätig seien. In vielen Fällen werde seitens der Bank vorgeschrieben, daß ein ganz bestimmter Gutachter das betreffende Gutachten zu erstellen habe. Hier stelle sich dann häufig die Frage nach der Objektivität dieser Expertisen. Die Entwicklung in den neuen Ländern mache die Probleme bei der Kreditvergabe sehr anschaulich. Während nach der Wende Kredite zunächst ausgesprochen großzügig vergeben wurden, habe sich dies nun vollkommen ins andere Extrem umgekehrt. Inzwischen legten die Banken ein ausgesprochen hohes Sicherheitsbedürfnis an den Tag, das die Finanzierungsprobleme für kleine und mittlere Unternehmen erheblich erschwere.

Aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft führt aber auch die Beteiligungspolitik der Banken zu Problemen. Denn die Banken würden mit ihren Beteiligungen zunehmend in klassische Wirtschaftssektoren der mittelständischen Wirtschaft vordringen. Dies führe dazu, daß sich Banken bei der Kreditvergabe mit Unternehmern konfrontiert sehen, die in potentieller oder faktischer Konkurrenz zu ihren eigenen Beteiligungsunternehmen stehen. Auf diese Weise entstehe ein neuer In teressenkonflikt, der die Probleme der mittelständischen Unternehmen mit den Banken weiter verschärfe. Deshalb plädieren Vertreter der mittelständischen Wirtschaft für einen Abbau des Beteiligungsbesitzes der Banken.

Vertreter der Banken äußern Verständnis dafür, daß der Mittelstand aus sehr verschiedenen Motiven und Problembereichen heraus mit den Banken unzufrieden sei. Daraus die Konsequenz zu ziehen, der Beteiligungsbesitz der Banken müsse abgebaut und ihr Einfluß generell eingeschränkt werden, sei jedoch eine grob vereinfachende Schlußfolgerung. Denn der Abbau des Beteiligungsbesitzes der Banken löse die Eigenkapitalproblematik des Mittelstandes ebensowenig wie be stehende Liquiditätsengpässe. Zu deren Linderung sei es notwendig, die wirklichen Probleme der mittelständischen Wirtschaft anzugehen, und diese resultierten eher aus der derzeitigen Unternehmensbesteuerung als aus einem zu großen Einfluß der Banken. Ein Vertreter eines Industrieverbandes erläutert, daß die Probleme mittelständischer Unternehmer mit den Banken nach seinen Erfahrungen oftmals gar nicht aus deren mangelndem guten Willen resultierten. Vielfach fehle es den Unternehmern einfach an den notwendigen banküblichen Sicherheiten oder einem bestimmten Eigenkapitalanteil. Aus der subjektiven Unzufriedenheit einzel-

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ner Mittelständler erwachse dann schnell eine pauschale Kritik an den Banken, die in dieser Form jedoch nicht angemessen sei.

Ein Vertreter eines Mittelstandsverbandes betont, daß sich die mittelständische Wirtschaft von einer Beschränkung der "Macht der Banken" natürlich keineswegs die Lösung aller Probleme verspricht. Hier sei der Gesetzgeber in der Tat wesentlich komplexer gefordert, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es dem Unternehmer, und ganz besonders dem mittelständischen Unternehmer erlauben, mehr Eigenkapital zu bilden. Gleichwohl bleibe die Beschränkung der "Macht der Banken" aus Sicht des Mittelstandes ein Aspekt für die Verbesserung der Rahmenbedingungen. Dies bedeute nicht, daß die Banken nicht auch von sich aus zur Verbesserung des Verhältnisses zum Mittelstand beitragen könnten. Ein Schritt dazu wäre beispielsweise die Schaffung eines Ombusmannes, den die Banken bislang als Schlichtungsinstanz nur für ihre privaten Kunden eingerichtet haben, auch für Geschäftskunden. So ließe sich manch ein Konflikt sicherlich einfacher lösen, als dies bislang der Fall sei. Grundsätzliches Ziel beim Verhältnis zwischen Mittelstand und Banken wäre die Rückkehr zu einem partnerschaftlichen Verhältnis. Und gerade hierzu wäre die Beseitigung der als Folge der umfangreichen Bankenbeteiligungen bestehenden Konkurrenzsituationen ein sinnvoller Schritt.


©Friedrich Ebert Stiftung| Webmaster | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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