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[Seite der Druckausgabe: 6 / Fortsetzung]

3. Das deutschen Bankensystem

Das deutsche Bankensystem ist als Universalbankensystem organisiert. Universalbanken bieten ihren Kunden die komplette Palette von Bankgeschäften vom Einlagen- und Kreditgeschäft bis zum Wertpapier- oder dem Girogeschäft. In keinem anderen Land hat der Typus der Universalbank eine so starke Ausprägung

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gefunden wie in Deutschland. In anderen Rechtssystemen wie den angel sächsischen Ländern oder Frankreich existiert dagegen ein Trennbankensystem. Dort dürfen Banken jeweils nur einen Bereich der Bankgeschäfte ausüben. So sind im amerikanischen Trennbankensystem die Commercial Banks auf den Zahlungsverkehr, das Einlagen- und das Kreditgeschäft beschränkt, während die Investment Banks das Effektengeschäft betreiben. Diese Trennung wurde in den USA in den dreißiger Jahren als Folge der Weltwirtschaftskrise durch den Class-Steagall-Act eingeführt. Derzeit wird in den USA intensiv über eine Lockerung dieser strikten Trennung diskutiert.

Nach überwiegender Einschätzung hat sich das deutsche Universalbankensystem bewährt. So betonte Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer im April 1995: "Die deutschen Kreditinstitute sind so auch von größeren Krisen, wie sie z.B. in den USA zu beobachten waren, verschont geblieben. Ihre umfassende Tätigkeit erlaubt es, ungünstige Entwicklungen in einem Marktsegment durch eine günstige Entwicklung in einem anderen Bereich auszugleichen". In der Tat gab es in Deutschland abgesehen von der spektakulären Herstatt-Pleite in den siebziger Jahren bislang keine großen Bankenkrisen. Dies war in anderen Ländern anders, in denen es zum Teil gravierende Krisen einzelner Banken oder des Systems als Ganzes gab.

Ungeachtet seiner Vorteile birgt das Universalbankensystem nach Einschätzung eines Vertreters der Monopolkommission aber auch prinzipielle Nachteile. So wird vor allem auf die immanenten Interessenkonflikte verwiesen, die sich durch die verschiedenen Funktionen eines Kreditinstituts insbesondere zwischen Eigen- und Fremdgeschäften ergeben. Die Universalbank sieht sich im Konflikt zwischen ihren Interessen und Verpflichtungen als Kreditgeber, als Anteilseigner sowie als Anlageberater und Depotverwalter. So können beispielsweise Konflikte entstehen, wenn die Vermittlung einer Beteiligung in Konkurrenz zum eigenen Beteiligungsinteresse steht. Andererseits kann im Zusammenhang mit den möglichen Einflüssen der Bank auf die Ausschüttungspolitik einer Aktiengesellschaft das Bankinteresse mit dem Interesse der Depotkunden beziehungsweise der Kleinaktionäre generell in Konflikt geraten. Durch diese Zusammenhänge werden Interessenkollisionen wahrscheinlich, und es muß davon ausgegangen werden, daß sich die Entscheidung in diesen Fällen ganz wesentlich nach dem Eigeninteresse der Bank richtet.

Außerdem kann es auf dem Markt für Bankdienstleistungen zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, wenn der Bankeneinfluß einem bestimmten Kreditinstitut eine Vorzugsstellung verschafft, die nicht auf einem Leistungsvorsprung beruht. Unter solchen Bedingungen haben kleinere Kreditinstitute aufgrund ihres geringeren Informationsstandes und geringer Finanzmöglichkeiten keine Chance, die Wettbewerbsvorsprünge der großen Banken aufzuholen. So war es vor einigen Jahren in Deutschland noch üblich, daß die Unternehmen sehr eng und nahezu ausschließlich mit ihrer Hausbank zusammenarbeiteten. Aufgrund dieser starren

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Hausbankstruktur war es damals für eine andere Bank und ganz besonders für eine Auslandsbank geradezu unmöglich gewesen, in Bankbeziehungen zu vielen, auch bedeutenden Unternehmen zu kommen. Diese sehr enge Verbindung zwischen Unternehmen und Hausbank hatte natürlich für beide Partner durchaus positive Auswirkungen. Es bestand ein enges Vertrauensverhältnis, man kannte die jeweiligen Stärken und Schwächen. Außerdem erwuchs aus den engen und langjährigen Geschäftsbeziehungen eine moralische oder praktische Pflicht der Hausbank, auch dann für das Unternehmen einzustehen, wenn es einmal in Schwierigkeiten kommen sollte. Zugleich barg diese Struktur auch Gefahren. Denn natürlich konnte eine zu große Abhängigkeit von einem Institut zum Ausschluß von Kon kurrenzinstituten führen, zu einem fehlenden Wettbewerb bezüglich Konditionen, Art und Qualität der Finanzdienstleistungen, die dieses Unternehmen als Kunde einer Bank in Anspruch nehmen konnte.

Heute hat sich diese Situation in Deutschland aus Sicht eines Vertreters des Verbandes der Auslandsbanken deutlich geändert. Die meisten großen deutschen Unternehmen managten ihre Bankbeziehungen inzwischen sehr viel kritischer als in der Vergangenheit. Das starre Hausbankenprinzip habe sich aufgelockert und sei bei den großen multinationalen Unternehmen Deutschlands zwar noch nicht ganz, aber immerhin weitgehend verschwunden. So würden von den großen deutschen Unternehmen heute Aufträge überwiegend auf der Basis einer sorgfältigen Auswahl unter den weltweit qualifiziertesten Häusern vergeben. Besonders intensiv sei der Wettbewerb inzwischen bei internationalen Cash-Management-Dienstleistungen und bei Aktien-, Anleihen-, Emissionskonsortien, aber auch bei klassischen Geschäften wie Kreditvergabe, Beratung und Unternehmenskäufe.

Einen Grund für diese Entwicklung sieht ein ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank in der wachsenden Globalisierung der Märkte und den zunehmenden Anforderungen an umfassende und grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen. Waren-, Dienstleistungs-, Geld- und Kapitalmärkte unterliegen heute einem extrem schnellen Prozeß der Globalisierung, der von einer Revolution im Informationssystem und im Verkehrswesen getragen wird. Auf die Banken und ihre Marktsituation bleibe dies nicht ohne Rückwirkungen. So führe die Durchlässigkeit nationaler Grenzen im Geld- und Kapitalverkehr zugleich zur Überwindung traditioneller Markt- und Absatzstrukturen und zu einer starken Zunahme des Wettbewerbs zwischen den Banken um ihre Kunden. Dieser aktuelle Wandel der Finanzdienstleistungen und die an die Banken gestellten neuen Anforderungen bringen eine Reihe von Problemen mit sich. Neue Finanzierungsinstrumente und neue Finanzprodukte wie der gigantische Markt der Derivatgeschäfte erleben ein ungeheures Wachstum, wodurch auch die Risiken der Bankge schäfte zunehmen. Das Risikomanagement wird zu einem immer wichtigeren Aspekt. Dabei zeige sich, daß die Kreditinstitute besonders gefährdet sind, die keine echte Risikostreuung besitzen, sondern nur auf bestimmte Geschäfte spezialisiert sind. Die neuerliche Diskussion in den USA über ein Auflockerung des Trennbankensystems müsse vor diesem Hintergrund gesehen werden. Deutschland

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befinde sich in der günstigen Position, daß hier bereits ein leistungsfähiges Universalbankensystem mit der Möglichkeit zum Risikoausgleich existiert.

Aus Sicht der Banken hat das Universalbankensystem deutscher Prägung international eine Art Modellcharakter entwickelt. Stärke und Stabilität des deutschen Bankensystems seien wichtige Voraussetzungen für die Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft. Dies habe auch Bundeskanzler Helmut Kohl kürzlich betont, indem er darauf hinwies, "daß eine Volkswirtschaft starke Banken braucht". Es sei deshalb für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, daß bei der Diskussion um die "Macht der Banken" nicht die Stärke der deutschen Banken und die Vorteile des Universalbankensystems zur Disposition gestellt würden. Nach Einschätzung eines Vertreters des Verbandes der Auslandsbanken relativiere zudem ein Blick über die Grenzen die Einschätzung von den starken deutschen Banken. Denn selbst die deutschen Großbanken stünden im internationalen Vergleich keineswegs sonderlich stark da. Die großen professionellen Häuser besonders aus dem angloamerikanischen Raum seien den deutschen Banken überlegen. Dies könne man auch daran ablesen, was Auslandsbanken in den letzten Jahren im deutschen Markt im Wettbewerb erreicht hätten, während die deutschen Banken ihrerseits international im Wettbewerb Probleme hätten. Während in Deutschland intensiv über die Machtfülle der Banken diskutiert werde, müsse man vielmehr aufpassen, daß deutsche Banken international nicht zu schwach werden.

Wissenschaftler und Politiker melden Zweifel an, ob dem deutschen System international wirklich Modellcharakter zuzuschreiben sei. Das deutsche System habe aufgrund der systematischen Interessenkonflikte erhebliche Nachteile, die im Ausland sehr kritisch gesehen würden. So würde zwar in den USA über eine Revision des Class-Steagall-Acts diskutiert. Die geplante Reform ziele aber bei weitem nicht auf die Einführung eines Universalbankensystem deutscher Prägung, sondern lediglich auf die Aufhebung einiger der restriktivsten Vorschriften des Trennbankensystems. Niemand in den USA denke daran, den amerikanischen Banken beispielsweise die Beteiligung an Industrieunternehmen zu gestatten. Gleichzeitig denke in Deutschland niemand daran, das Universalbankensystem durch ein Trennbankensystem angelsächsischer Prägung zu ersetzen. Es sei jedoch notwendig, die im deutschen Bankensystem immanenten Strukturdefizite zu beseitigen. Die SPD-Bundestagsfraktion habe deshalb in ihrem Entwurf eines Transparenz- und Wettbewerbsgesetzes wirksame Maßnahmen zur Beseitigung der bestehenden Interessenkonflikte vorgesehen, ohne daß die Vorzüge des deutschen Universalbankensystems davon tangiert würden.

Die deutsche Bankenlandschaft kennt verschiedene konkurrierende Bankentypen mit unterschiedlichen rechtlichen Grundstrukturen. Dies sind neben den privaten Banken - zu denen die drei Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank, verschiedene Regionalbanken wie die Bayerische Vereinsbank und die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, sowie viele kleinere Privatbanken

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zählen - die überwiegend öffentlich-rechtlichen Sparkassen und die Landesbanken - von denen die Westdeutsche Landesbank und die Bayerische Landesbank die größten Institute sind -, sowie die Volksbanken und Raiffeisenbanken mit den genossenschaftlichen Zentralbanken, deren Spitzeninstitut die Deutsche Genossenschaftsbank (DG Bank) in Frankfurt ist.

Die größte Bank in Deutschland ist mit Abstand die Deutsche Bank, die 1994 eine Bilanzsumme von 573 Mrd. DM aufwies, gefolgt von der Dresdner Bank mit einer Bilanzsumme von rund 400 Mrd. DM, der Westdeutschen Landesbank mit 378 Mrd. DM, der Commerzbank (342 Mrd. DM), der Bayerischen Vereinsbank (318 Mrd.), der Bayerischen Landesbank (281 Mrd. DM) und der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank (275 Mrd. DM). Gemessen am gesamten deutschen Geschäftsvolumen im Kreditgeschäft liegen die Sparkassen mit einem Gesamtanteil von rund 40 Prozent knapp vor den privaten Banken mit einem Geschäftsanteil von 36 Prozent. Auf die Genossenschaftsbanken entfallen lediglich 15 Prozent. Beim Einlagengeschäft beträgt der Marktanteil der privaten Banken 29 Prozent, zwei Drittel davon entfallen auf die drei Großbanken. Vertreter der privaten Banken sehen in diesen Zahlen einen deutlichen Beleg für den funktionierenden Wettbewerb im deutschen Kreditgewerbe, der Machtkonzentrationen von vorneherein ausschalte. Völlig abwegig sei es zudem, angesichts solcher Zahlen stets auf eine angeblich zu große "Macht der Banken" bei den privaten Banken zu insistieren.

Gleichwohl gelte es, bestehende Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Finanzwirtschaft zu beseitigen. Nach Auffassung eines Vertreters des Verbandes der Auslandsbanken ist vor allem die Privilegierung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute ein wettbewerbsrechtliches Problem. Immerhin werde fast die Hälfte des deutschen Marktes von den öffentlich-rechtlichen Instituten beherrscht. Diese arbeiteten praktisch unter einer Garantie des Staates, beziehungsweise der Steuerzahler. Daß dieser Vorteil der öffentlich-rechtlichen Institute ein Nachteil für die Steuerzahler ist, werde immer dann deutlich, wenn eines der öffentlich-rechtlichen Institute in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Im Gegensatz dazu müßten sich die privaten Banken kontinuierlich im Wettbewerb bewähren, ihre Leistungsfähigkeit und damit ihre Bonität täglich durch harte Arbeit und ein vernünftiges Management erarbeiten. Eine derartige Privilegierung einer bestimmten Bankengruppe könne auf Dauer nicht sinnvoll sein. Ein Beispiel für die aus dieser Wettbewerbsverzerrung resultierenden negativen Folgen sei der Einlagensicherungsfonds. Diesen Fonds hätten die privaten Banken angesichts dieser Konkurrenz gegründet, damit auch sie über einen vergleichbaren Mechanismus zur Sicherung der Einlagen von Privatkunden und Unternehmen verfügten. In der Europäischen Union sei dieser Fonds jedoch ein Unikum, das sich im Rahmen der europäischen Harmonisierung als absoluter Fremdkörper erweise. So bequem der Einlagensicherungsfonds für jedes private Bankhaus und für deren gewerbliche Kunden auch sei, so wenig passe er in die europäische Landschaft. Zudem sei ein solcher Fonds wettbewerbsrechtlich ausgesprochen fragwürdig. Um derartige

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Wettbewerbsprobleme zukünftig zu vermeiden, müsse daher über eine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Institute nachgedacht werden.


©Friedrich Ebert Stiftung| Webmaster | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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