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[Seite der Druckausgabe: 4]

2. Wirtschaftliche Macht als allgemeines Phänomen

Macht läßt sich nach der klassischen Definition von Max Weber als Chance beschreiben, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen. Ein ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank verweist darauf, daß Macht in allen Gesellschaften und in allen sozialen Beziehungen gegenwärtig ist, in der Familie ebenso wie in Vereinen oder Unternehmen. Die Wahrnehmung jeder leitenden Funktion sei ohne die Ausübung von Macht undenkbar. Macht ist demnach zunächst ein wertfreier Begriff; ihre Existenz sagt noch nichts über deren Ausübung aus. Macht ist a priori neutral. Entscheidend ist deshalb zunächst die Frage, wie diese Macht ausgeübt wird, ob sie mißbraucht oder legitim und verantwortungsvoll ausgeübt wird. Aber Macht kann nicht nur bei ihrem Mißbrauch zum Problem werden. In einem sozialen Gefüge kann alleine das Vorhandensein großer Machtkonzentrationen problematisch sein, wenn das freie Spiel der Kräfte dadurch eingeschränkt wird; dies vor allem dann, wenn diese Machtkonzentration nicht auf einer demokratischen Legitimation beruht.

Auch im Wirtschaftsleben ist Macht allgegenwärtig; Macht ist die zwangsläufige Folge allen wirtschaftlichen Handelns. Denn überall im Wirtschaftsleben stößt man auf das Bestreben der Akteure, ihre Vorstellungen von Marktbedingungen zu verwirklichen. Dazu gehört das Verhalten von Produzenten - beispielsweise in der Kraftfahrzeugindustrie - ihre Produktionsmengen so zu steuern, daß ein Nachfrageüberhang besteht. Gelingt dies, dann besteht ein Verkäufermarkt, in dem der Produzent seine Preisvorstellungen durchsetzt. Aber auch das Gegenteil ist möglich, ein Käufermarkt, in dem die Käufer das Marktgeschehen dominieren. Im Mittelpunkt der Debatte über Machtkonzentration in der deutschen Wirtschaft stehen jedoch weniger allgemeine konzentrationsorientierte oder -kritische Ansätze, sondern die Diskussion um die "Macht der Banken".

Neben den spektakulären Fällen der vergangenen Jahre spielen hierfür vor allem psychologische Aspekte eine wichtige Rolle. Im Sinne von Max Weber ist Macht immer verbunden mit dem Widerstreben derjenigen, die diese Macht zu spüren bekommen. Im Fall der Banken sind dies deren Geschäftspartner, tausende und abertausende Privatpersonen und Unternehmen. Deren Widerstreben gegen die Macht ihres Geschäftspartners Bank ist allgegenwärtig und spielt sich in der Öffentlichkeit ab. Hinzu kommt das allgemeine Gefühl, den Banken nicht ausweichen zu können. Der Geldtransfer erfolgt heute ausnahmslos über die Banken. Jeder Arbeitnehmer muß heutzutage Kunde einer Bank sein, um das notwendige Bankkonto einzurichten. Lohn oder Gehalt werden eben nicht mehr in bar ausgezahlt, die Lohntüte hat ausgedient. Dasselbe gilt für den Empfang der Rente oder Sozialleistungen. Und auch Zahlungen aller Art von der Stromrechnung bis zur Begleichung der Tankrechnung werden bargeldlos per Scheckkarte abgewickelt.

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Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.

Vertreter von Banken weisen darauf hin, daß Bankgeschäfte viel mit Vertrauen zu tun haben. Vertrauen ist im Bankgeschäft, ganz im Sinne des Werbeslogans einer großen deutschen Bank, der Anfang von allem. Das Bankgeschäft besteht aus der Entgegennahme von Einlagen, der Gewährung von Krediten und der Übernahme von Bürgschaften; alles Geschäfte, bei denen vor allem mit Vertrauen gehandelt wird. Der Einleger vertraut der Bank seine Ersparnisse und Rücklagen an, der Kreditnehmer offenbart der Bank seine Interna und die Bank ihrerseits vertraut anderen Banken, daß diese ihre Geschäfte nach ordentlichen Grundsätzen abwickeln. Dieses Vertrauen der Kunden in die Banken ist jedoch erschüttert worden. Klagen über Fehlberatungen bei der Geldanlage und der Kreditvergabe zum Schaden der Kunden, fehlende Preistransparenz, Verzögerungen bei der Weitergabe von Zinssenkungen an die Kunden und die steigende Zahl von Kontokündigungen bzw. -verweigerungen haben die Branche in Mißkredit gebracht.

Vertreter von Banken räumen ein, daß natürlich auch im Bankgeschäft Fehler vorkommen. Es sei aber unangemessen, derartige Einzelfälle zu einer pauschalen Kritik an der Gesamtbranche zu verallgemeinern. In der deutschen Finanzwirtschaft herrsche ein sehr scharfer Wettbewerb, sowohl im Hinblick auf Konditionen als auch auf Leistung. Dieser Wettbewerb sei ein Garant für die wirksame Regulierung eventueller Mißbrauche oder Mißstände. Keine Bank könne in diesem Wettbewerb bestehen, wenn sie dauerhaft überteuerte Produkte oder schlechte Beratung anböte. Dieser Einschätzung wird entgegengehalten, daß die Hemmschwellen für den Wechsel von einer Bank zur anderen natürlich sehr viel höher liegen als beim Wechsel der Wäscherei oder des Supermarkts, wenn der Kunde mit den dortigen Dienstleistungen nicht mehr zufrieden ist. Schließlich ist der Wechsel der Bankverbindung für den Kontoinhaber mit einem vergleichsweise hohen formellen Aufwand verbunden. Und wenn ein Kunde dann auch noch bei seiner Bank mit einem Kredit verschuldet ist, kommt ein solcher Wechsel oftmals nur theoretisch in Frage. So kommt es leicht zu dem subjektiven Gefühl, dem Kreditinstitut ausgeliefert zu sein.

Ein ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank mahnt daher, daß die Banken als Träger des Vertrauens ihrer Kunden eben etwas anders sind als andere Wirtschaftsunternehmen. Dies lege ihnen eine besondere Verantwortung auf, die sie in ihrem alltäglichen Geschäft, aber auch besonders bei der Auseinandersetzung mit Kritik zu beachten hätten. Vor allem in den Augen ihrer Kunden müssen sie dem in sie gesetzten Vertrauen jederzeit gerecht werden. Gerade wenn diese Bedingung nicht erfüllt sei, entstehe aus dem Widerstreben gegenüber den Banken subjektiv empfundener Vertrauensschwund und damit schlichtweg Angst der Kunden. Wollten die Banken und ihre Repräsentanten diesen Stimmungen entgegentreten, dann könne dies nicht nur durch fachliche Beratung erfolgen, sondern bedürfe auch einer psychologischen Auseinandersetzung

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mit den Sorgen der Kunden. Dazu gehöre auch die Einsicht in die den Banken durch ihre herausgehobene Stellung in der deutschen Wirtschaft auferlegte Verantwortung und eine hieraus resultierende angemessene Bescheidenheit der Verantwortlichen. Der Wirtschaftsprofessor Joachim Süchting hat dies folgendermaßen formuliert: "Banker, die aus der Imagekrise Spitzenwerte der Popularität anstreben, sollten sich bescheiden... Geldbedingte Exponiertheit und selbstgesuchte Exklusivität bis hinein in die Rahmenbedingungen für geschäftspolitisches Handeln haben dazu geführt, daß die Branche in der Öffentlichkeit nicht als einer unter anderen Wirtschaftssektoren, sondern zwischen Wirtschaft und Staat gesehen wird ... Vor diesem Hintergrund ist auch die öffentliche Kritik zu würdigen".

Vertrauen erschüttert haben aber auch die neuen Finanzprodukte wie die Derivate, die nicht nur für Laien, sondern auch für die aus dem klassischen Bankgeschäft kommenden Banker kaum noch zu durchschauen sind. Der Zusammenbruch der traditionsreichen britischen Barings-Bank als Folge unkontrollierter Derivategeschäfte in Südostasien hat die Risiken derartiger Geschäfte auch der breiten Öffentlichkeit offenbar werden lassen. So wurde beispielsweise in einer Gemeinde am Rande Frankfurts Anfang dieses Jahres eine Unterschriftensammlung auf der Straße durchgeführt. Besorgte Bürger baten um Unterstützung für die Forderung nach einem Verbot von Derivatgeschäften mit der Aufforderung:

"Verhindern Sie, daß Sie Ihre Ersparnisse verlieren". Den Bürgern - zugleich Bankkunden - sind die teilweise hohen Verluste, die den Banken entstanden sind, ebensowenig verborgen geblieben wie die Tatsache, daß Banken spekulative Engagements eingegangen sind. Und dies bei einem Volumen, das sich weit von den Umsätzen im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr entfernt hat. Angesichts einer solch besorgten Stimmung hilft es wenig, auf den positiven Effekt von Derivaten zur Absicherung laufender Geschäfte beispielsweise gegenüber Währungsrisiken hinzuweisen.

Wenn derart emotionale Aspekte in die Diskussion einfließen, dann entstehen Stimmungen, die die sachliche Diskussion erschweren. Ein Vertreter eines Bankenverbandes kritisiert daher, daß die Diskussion derzeit auf Basis einer Gemengelage von Aspekten geführt wird, die es kaum noch ermöglicht, sachlich über einzelne Faktoren zu diskutieren. Aus diesem Grunde plädierten gerade die Banken für eine saubere Trennung der einzelnen Diskussionsebenen, um zu einer nüchternen Bewertung der "Macht der Banken" zu gelangen.


©Friedrich Ebert Stiftung| Webmaster | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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