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TEILDOKUMENT:
1. Ehemalige Militärflächen in Brandenburg und Nutzungsofferten dieser Areale 1.1 Ehemalige Militärareale in den neuen Bundesländern und in Brandenburg Mit dem Abzug der Truppen der Alliierten des Zweiten Weltkrieges werden militärisch genutzte Liegenschaften in ganz Deutschland freigesetzt, die nun anderweitig genutzt werden sollen. Dabei zeigt sich, daß die Konversion vorrangig eine Herausforderung in den neuen Bundesländern ist. Zwar wurden auch in den alten Bundesländern ca. 325.000 ha militärisch genutzt, doch ist davon auszugehen, daß ein Teil im Entscheidungsbereich der Bundeswehr verbleibt und lediglich rund 21.000 ha zur Konversion anstehen [ Fn.1: Baubericht 1993] . Dem stehen rund 450.000 ha Militärflächen in den neuen Bundesländern gegenüber, die entweder von der Westgruppe der ehemaligen Sowjetarmee, von der NVA, den Grenztruppen oder dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR genutzt worden sind [Fn.2: Baubericht 1993] . Der prozentuale Anteil der Militärflächen an der Landesfläche verteilt sich dabei wie folgt:
Brandenburg hat somit die meisten ehemaligen Militärareale von allen neuen Bundesländern; von den zur Konversion anstehenden Militärflächen der "Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland" befinden sich fast 50% in Brandenburg [ Fn.4: Konzeption der Landesregierung zur zivilen Nutzung ehemaliger militärischer Liegenschaften, gem. Beschluß des Landtages Brandenburg vom 30.9.1993 - DS 1/1219, Drucksache 1/2964] . Damit stellt sich das Problem der Liegenschaftskonversion in den neuen Bundesländern und speziell in Brandenburg für die Landesregierungen vorrangig dar.
[Seite der Druckausgabe: 4]
Zur Geschichte
Die Nutzung großer Landesteile des Landes Brandenburg für militärische Zwecke hat eine alte Tradition. So wurde beispielsweise der Truppenübungsplatz Wünsdorf bereits in der Kaiserzeit als Infanterieschule genutzt. Die Entwicklung zum Großstandort begann nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Der Standort wurde zum Oberkommando der Wehrmacht ausgebaut; die Bunker Maybach 1 und Maybach 2 wurden gebaut. Hier wurde z.B. der Barbarossa-Plan, der Überfall auf die Sowjetunion vorbereitet. Die Anlage war eine der Kommandozentralen des Zweiten Weltkrieges. Am 24. Mai 1945 übernahm die Rote Armee diesen Wehrmachtsstandort, dort befand sich das Oberkommando der Westgruppe der Truppen. Allein die Militärstadt Wünsdorf mit ihrer Ausdehnung von 570 ha und daneben ein Truppenübungsplatz mit einer Größe von 6.000 ha stellen eine Herausforderung an die Landesregierung dar. Nach ersten Erfassungen sind in Wünsdorf ca. 6.000 Wohnungen in einer für eine zivile Nutzung herrichtbaren Qualität vorhanden.
Ausgangssituation und regionale Verteilung bisheriger Militärstandorte
Insgesamt wurden im Jahre 1990 im Land Brandenburg durch die Westgruppe der Truppen (WGT) 338 offiziell zugewiesene Liegenschaften mit einer Fläche von ca. 118.000 ha (4% der Landesfläche) genutzt. Das sind fast 50% der durch die sowjetischen Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR genutzten Fläche von insgesamt ca. 243.000 ha auf 1.026 Liegenschaften. Außerdem nahmen die sowjetischen Truppen im Land Brandenburg etwa 24.000 ha Gelände inoffiziell - im Sprachgebrauch sogenannte 'Schwarzliegenschaften' - als Bereitstellungsräume und Ausbildungsgelände in Anspruch. Weitere 80.000 bis 90.000 ha auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg wurden durch die NVA, die Grenztruppen aber auch durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das Ministerium des Innern (Mdl) und andere Institutionen militärisch / paramilitärisch genutzt. Im Bereich des heutigen Landes Brandenburg wurden somit ca. 230.000 ha militärisch genutzt, das sind rund 8% der Landesfläche. Damit ist Brandenburg in der Bundesrepublik Deutschland das Land mit dem größten Umfang militärisch genutzter Flächen, bezogen auf die Landesfläche. Allein Im Land Brandenburg kamen - Nationale Volksarmee und Grenztruppen nicht mitgerechnet - auf je 1.000 Einwohner 138 Soldaten der WGT. Die Zahl der stationierten Soldaten der [Seite der Druckausgabe: 5] Alliierten Streitkräfte in den alten Bundesländern lag zwischen 0,4 und maximal 76 Soldaten je 1.000 Einwohner. Die Stationierung der WGT und der NVA erfolgte räumlich differenziert; in Gebieten mit einer hohen WGT-Konzentration waren nur wenige NVA-Truppen stationiert und umgekehrt. Etwa 10% der offiziell zugewiesen WGT-Liegenschaften in Brandenburg liegen in Siedlungsrandlagen und im Siedlungsbereich, hierbei kann von einer schnellen Nachnutzung für Wohnzwecke und der Umsetzung für den gewerblichen Bereich in einem größeren Umfang ausgegangen werden. Für den Bereich der außerhalb der Siedlungsräume liegenden, hauptsächlich ehemaligen Truppenübungsplätze (TÜP), ist davon auszugehen, daß eine kommerzielle Nachnutzung weitgehend nicht möglich sein wird. Ein Teil dieser Flächen wird jedoch für den Bereich des Landschafts- und Naturschutzes eine große Rolle spielen. Über 15.000 ha solcher Flächen sind bereits unter einstweiligen Schutz gestellt worden, für weitere 9.000 ha wurde die vorläufige Sicherung vorbereitet. Nach derzeitigem Sachstand sind 57.000 von 93.000 ha bewaldet.
Fakten Im Zusammenhang mit der Übertragung von WGT-Liegenschaften auf das Land Brandenburg
Brandenburg erhält WGT-Liegenschaften in einer Größe von ca. 93.000 ha übertragen. Der Bund behält für Bundesaufgaben Liegenschaften in einer Größe von rund 21.000 ha für Eigenbedarf zurück. Schwerpunkte sind hierbei die von der Bundeswehr in Anspruch genommenen Truppenübungsplätze Döberitz und Wittstock sowie die Vorbehaltsflächen für die Flughafenplanung Brandenburg-International in Jüterbog-Ost und Sperenberg mit jeweils 3.000 ha. Außerdem verbleiben rund 760 ha besonders stark kontaminierte Flächen beim Bund. Insgesamt erhält Brandenburg ca. 310 Liegenschaften, dazu gehören:
Im Vorgriff auf die Übertragung hat der Bund seit dem 25. Februar 1993
[Seite der Druckausgabe: 6]
WGT-Gesetz
Am 25. Februar 1993 hat der Bundeskanzler den Ländern die Übernahme der auf ihrem Gebiet gelegenen ehemals durch die WGT genutzten Liegenschaften angeboten. Teil des Angebotes ist, daß der Bund die für Bundesbedarf benötigten Flächen vorab entnehmen kann. Thüringen und Sachsen haben das Angebot zwischenzeitlich angenommen und ein entsprechendes Verwaltungsabkommen dazu unterzeichnet. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt haben das Angebot abgelehnt, sie haben die für unmittelbaren Landesbedarf erforderlichen Flächen vom Bund unter Inanspruchnahme der möglichen Verbilligungen käuflich erworben. Die Brandenburgische Landesregierung hat mit Kabinettsbeschluß vom 11. Mai 1993 grundsätzlich beschlossen, das Angebot des Bundes zur unentgeltlichen Übertragung der freigegebenen bzw. freiwerdenden WGT-Liegenschaften im Land Brandenburg anzunehmen. Die Annahme des Angebotes erfolgt vorbehaltlich einer Regelung hinsichtlich einer Beteiligung des Bundes an der Altlastensanierung. Größe und Vielfalt der Aufgaben, die mit der Sanierung und Verwertung sowie der bis zu diesem Zeitpunkt erforderlichen Verwaltung verbunden sind, erfordern ein flexibles, von den Einbindungen einer herkömmlichen Liegenschaftsverwaltung freies Management. Daher wurde im Frühjahr 1994 die "Brandenburgische Boden - Gesellschaft für Grundstücksverwaltung und -verwertung mbH" des Landes gegründet, die vor Ort und unter Beteiligung der kommunalen Entscheidungsträger die erforderlichen Maßnahmen je nach Lage der Dinge entweder selbst verantwortet oder
Zur Annahme des Angebotes des Bundes wurde eine Gesetzesvorlage eingebracht, die am 18. Mai 1994 mit einer Reihe von Änderungen durch das Parlament verabschiedet wurde. Dem folgte die Unterzeichnung des Verwaltungsabkommens zur Übernahme dieser Liegenschaften, so daß das Land Herr über die Verfahren ist. Grund für die lange Dauer bis zur Annahme des Angebotes war, daß die Länder mit dem Bund intensiv über seine Beteiligung an der Altlastenproblematik verhandeln mußten. Die ursprüngliche Vorstellung, daß der Bund sich hieran [Seite der Druckausgabe: 7] finanziell beteiligt, konnte leider wegen der angespannten Finanzlage nicht verwirklicht werden. In langen und intensiven Verhandlungen konnte nun jedoch erreicht werden, daß das darauf unterbreitete Angebot des Bundes, einzelne, ökologisch hochbelastete Liegenschaften im Eigentum des Bundes zu belassen, stark ausgeweitet werden konnte. Für Brandenburg konnte erreicht werden, daß 0,8% der Gesamtfläche der auf das Land übergehenden Liegenschaften beim Bund verbleiben. Die Auswahl erfolgt durch das Land. Das bedeutet, daß nach dem derzeitigen Sachstand 17 hochbelastete Einzelliegenschaften in einer Größe von rund 760 ha beim Bund verbleiben und dieser die Verantwortung für die Altlastensanierung behält. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Tank- und Munitionslager, Schießplätze sowie die Technikbereiche von Panzerkasernen. Die Quote für die anderen Länder beträgt 0,5%, da diese auch nach Meinung des Bundes wesentlich geringer als Brandenburg belastet sind. Die hohe Belastung im Land Brandenburg ergibt sich zum einen aus der hohen Konzentration (50%) der Liegenschaften. Zum anderen ist der Bundesbedarf in den anderen Ländern sehr moderat ausgefallen, während durch den Hauptstadtumzug der Bund in Potsdam sämtliche ehemals militärisch genutzte Liegenschaften als Bundesbedarf - das 'Bornstedter Feld' ausgenommen - deklariert hat. Es handelt sich hierbei um die "Filetstücke", die auch wirtschaftlich verwertbar sind.
Zivile Um- und Nachnutzungsmöglichkeiten
Das Land Brandenburg ist davon ausgegangen, daß es als Eigentümer der WGT-Liegenschaften ungleich leichter ist, die Liegenschaften für seine wirtschaftlichen und sozialen Strategien nutzbar zu machen . Ein Teil der Liegenschaften liegt in städtischen Bereichen oder grenzt zumindest daran. Das macht sie sowohl für Gewerbeansiedlungen und Wohnungsbau als auch für die Unterbringung von Landesbehörden besonders gut geeignet. Es darf andererseits Jedoch nicht verkannt werden, daß die Größe der Liegenschaften und ihre Aufbereitung für die genannten Nutzungen das Land vor große Herausforderungen stellt. Die Aktivierung des vorhandenen Entwicklungspotentials erfordert daher eine Konzentration aller dafür geeigneter Fördermaßnahmen des Landes. Neben dem Einsatz der für die Unterbringung von Landesbehörden bereitgestellten Mittel ist dies auch der Einsatz der Instrumente der Arbeitsmarktförderung. [Seite der Druckausgabe: 8] Hinsichtlich der Erarbeitung von Nutzungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für ehemalige militärische Liegenschaften sind Differenzierungen notwendig. Diese resultieren einerseits aus der Art der militärischen Nutzung und andererseits aus der Lage der Liegenschaft. Die städtebaulich interessanten Militärliegenschaften lassen sich folgendermaßen aufschlüsseln:
Von den 338 offiziell zugewiesenen WGT-Liegenschaften mit einer Fläche von 118.000 ha liegen rund 89% außerhalb der Städte und Ortslagen, 10% in den Siedlungsrandlagen und 1% innerhalb der Siedlungsbereiche. Vor allem die rund 1.220 ha Flächen in den Siedlungsbereichen stellen für die Kommunen ein wesentliches Potential sowie eine Herausforderung hinsichtlich städtebaulicher Entwicklungen dar. Für Truppenübungsplätze in den Außenbereichen bietet sich die Nutzung für den Landschafts- und Naturschutz sowie die land- und forstwirtschaftliche Nutzung an. Für Kasernen, Militärverwaltungsgebäude sowie militärische Werkstätten in den Siedlungsrandlagen und innerhalb der Siedlungsbereiche ist eine gewerbliche Entwicklung und für die jeweiligen Wohngebiete der Militärangehörigen eine Weiternutzung je nach Bauzustand der Gebäude denkbar. Generell gilt aber der Grundsatz, daß einer Zersiedelung in den Außenbereichen entgegenzuwirken ist. Die Kommunen haben, auch wenn sie die entsprechenden Liegenschaften nicht erwerben oder pachten, die Möglichkeit, im gesetzlichen Rahmen der Bauleitplanung ihre Entwicklungsziele und Vorstellungen der Nachnutzung dieser Objekte für Wohnzwecke, Verwaltungs- und kommunale Aufgaben, für soziale und gemeinnützige Zwecke und Gewerbeansiedlung in Abstimmung mit den Zielen der Landesentwicklung festzuschreiben. [Seite der Druckausgabe: 9]
Für viele Liegenschaften werden derzeit, entsprechend ihrer potentiellen Nutzung, durch die Ressorts Fördermittel für Maßnahmen der Verkehrssicherung-/Altlastenproblematik und für Planungsuntersuchungen/-vorbereitungen und Sanierung der bebauten Substanz bereitgestellt. Eine konsequente Entwicklung dieser Flächen könnte auf Jahrzehnte hinaus entscheidende Entwicklungsimpulse geben. Zudem ist geplant mittels der Konversion der Liegenschaften, Arbeitsplätze im Land Brandenburg zu schaffen, um die Beschäftigung im Land grundsätzlich zu erhöhen. Im WGT-VVG-Entwurf werden die Verwertungs- bzw. Entwicklungsziele aufgeführt:
[Seite der Druckausgabe: 10]
1.2 Verfügbare Flächen und Gebäude in den Städten Brandenburgs und in der Landeshauptstadt Potsdam Die von der brandenburgischen Bodenverwertungsgesellschaft zu betreuenden Liegenschaften, welche der zivilen Nutzung zur Verfügung gestellt werden, machen etwa 5% des Territoriums des Landes Brandenburg aus. Die wichtigsten Standorte - neben Potsdam - sind: Wünsdorf (Amt Zossen), Fürstenberg an der Havel, Jüterbog, Fürstenwalde, Eberswalde, Frankfurt/O., Prenzlau, Perleberg, Rathenow, Bernau sowie innerhalb der Städte Brandenburg und Cottbus gelegene Militärobjekte. Eine große Herausforderung für die Konversion stellen die Liegenschaften in und um Wünsdorf dar. In Wünsdorf befindet sich eine ganze Stadt mit überwiegend guter Bausubstanz, in der schätzungsweise zwischen 30.000 und 70.000 Menschen gewohnt haben. [ Fn.6: Die Zahlen der Bewohner der WGT wurden nach dem Wasserverbrauch geschätzt, weil von russischer Seite keine Angaben gemacht worden sind.] Aufgrund seiner Nähe zu Berlin und seiner guten Anbindung an die Autobahn und der guten Bahnverbindung nach Berlin sowie der vorhandenen Infrastruktur dürfte der Standort Wünsdorf unproblematisch zu verwerten sein. Der Standort Fürstenberg liegt ziemlich nah an der mecklenburgischen Grenze. Fürstenberg selbst hat 5.200 Einwohner, bis zum Sommer 1993 waren dort zwischen 20.000 und 30.000 WGT-Angehörige stationiert. Das heißt, ein Drittel der Stadtfläche steht jetzt für die zivile Nutzung zur Verfügung. Investoren können sich hier beispielsweise an der Entwicklung des 50 ha großen früheren WGT-Objektes 'Lychener Chaussee' beteiligen, das zu einem [Seite der Druckausgabe: 11] Gewerbegebiet mit etwa 15 bis 20 ha Flächenanteil ausgebaut werden soll. Allerdings befindet sich das Gelände in unmittelbarer Nachbarschaft zur internationalen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, einem 90 ha großen ehemaligen Frauen-KZ, das teilweise von der WGT für militärische Zwecke genutzt worden war. Hier ist eine äußerst sensible Vorgehensweise bei der Planung vonnöten. Zu dem Fürstenberger Objekt gehören auch einige reizvoll gelegene Villen, die jedoch nicht vom Bund oder dem Land Brandenburg, sondern gegebenenfalls von den privaten Alteigentümern genutzt bzw. verwertet werden dürften. Der Standort Jüterbog hat nach 150 Jahren der Prägung als Garnisonsstadt einen gigantischen Konversionsprozeß zu bewältigen. Im Raum Jüterbog - d.h. im ehemaligen Kreis Jüterbog - befinden sich 20.000 ha Militärfläche, davon 800 ha bebaute Fläche in der Stadt Jüterbog, die einer sinnvollen zivilen Nutzung zugeführt werden müssen. Jüterbog liegt nahe der Grenze zu Sachsen-Anhalt am Rande des Niederen Flämings. Die Stadt verfügt über eine gute Fernbahnanbindung; es gibt eine Regionalbahnanbindung und darüber hinaus wird die Trasse des künftigen Regionalexpresses nach Berlin die Siedlung 'Altes Lager' tangieren. Bisher waren 64% des Stadtgebietes Jüterbogs von den WGT belegt. Mit der Freigabe dieser Fläche gewinnt die Stadt nun Areale zurück, die nicht ohne weiteres substituierbar sind. Die 150-jährige Garnisonsstadt hat dazu geführt, daß die Stadtentwicklung in Jüterbog von Außenimpulsen abhängig war, die nun - nach dem vollständigen Verzicht des Bundes auf eine militärische Nachnutzung - fehlen. Deshalb hat der Altkreis Jüterbog sich um den Zuschlag als Standort für den internationalen Großflughafen-Süd beworben. Die Brandenburgische Landesregierung hat Jüterbog auf die Konversionsprioritätenliste gesetzt und bereits früh mit EU-Mitteln Hilfe für die Anschubfinanzierung gegeben. Bereits im Jahre 1991 wurde im Rahmen der EU-Richtlinien ein Projekt im ehemaligen militärischen Schulungsgelände 'Forst Zinna' gestartet. Die Projektgruppe wurde im ehemaligen Kommandantenhäuschen untergebracht und hatte vorrangig die Aufgabe, Investoren zu werben. Nach den ersten positiven Erfahrungen wurde ein weiteres Projekt, der Konversionstruppenübungsplatz Jüterbog, ins Leben gerufen. Inzwischen läuft ein weiteres aus dem Topf des EU-Konversionsprogramms gefördertes Projekt 'Höhere Fliegertechnische Schule - Altes Lager'. Dabei geht es um den Ausbau dieser Schule zu einer Fachhochschule und Weiterbildungseinrichtung. [Seite der Druckausgabe: 12] Im Areal 'Altes Lager', einer selbständigen Gemeinde nordwestlich von Jüterbog, sind bereits zwei gelungene Beispiele zu besichtigen, und zwar haben private Investoren eine ehemalige militärische Wohnsiedlung umgestaltet. Ein Investitionsanreiz für diese Umwandlung war dadurch gegeben, daß pro Haus symbolisch eine Deutsche Mark berechnet worden ist. Allerdings ist der Grundstückspreis im Umfeld dieser Häuser nach dem Verkehrswert veranschlagt worden. Jedoch ist das Angebot an potentiellen Gewerbeflächen dort sehr groß, so daß dies zu einer Reduzierung des Bodenpreises geführt hat. Dieser liegt inzwischen deutlich unter den Erschließungskosten. Der Wohnungsbedarf in Jüterbog ist verhältnismäßig hoch, weil die im Altstadtbereich vorhandenen Wohnungen relativ klein sind und zudem viele Restitutionsansprüche vorliegen. Jeder zwölfte Einwohner Jüterbogs verfügt als Wohnungssuchender über einen Wohnberechtigungsschein. Die umgestalteten Häuser bzw. Wohnungen in der bereits sanierten Siedlung 'Birkenwäldchen' konnten deshalb noch während der Bauphase restlos verkauft bzw. vermietet werden. Ebenfalls saniert wurde ein benachbartes Terrain, das einen tief im Gelände liegenden Blockbaubestand aufwies. Dieser mit geringstmöglichem Instandsetzungsaufwand sanierte Gebäudekomplex wird von insgesamt 1.500 bis 2.000 Menschen bewohnt werden. Bisher sind dort Aussiedler aus der GUS angesiedelt worden. Völlig anders gestaltet sich die Konversion in der Stadt Potsdam, der alten friderizianischen Garnisonsstadt. Bereits am 3. Oktober 1990, d.h. dem Tag der Deutschen Einheit, hat die Stadtverordnetenversammlung Potsdams einen sogenannten Stadtfriedensbeschluß verabschiedet, in dem festgelegt worden ist: "Diese Stadt will sich weiterentwickeln ohne Kasernen", die jahrhundertelang das Stadtbild geprägt haben. Zwar hat die Bundeswehr auf eine gewisse Präsenz in Potsdam nicht verzichtet, trotzdem hat der Beschluß die Richtschnur für eine völlig neuartige zivile Entwicklung vorgegeben. Das heißt, aufgrund der zivilen Nutzung des Militärgeländes wird es möglich sein, daß Potsdam innerhalb seiner Stadtgrenzen wachsen kann. In erster Linie geht es dabei um den Nordraum Potsdams, beginnend am Jägertor - von den Russen 'Das Städtchen' genannt. Das Gebiet erstreckt sich am Bornstedter Feld, entlang der Lorschallee, Pappelallee und Nedlitzer Straße. In der Geschichte der Potsdamer Garnison fand dieses Areal hauptsächlich als Übungsgelände Verwertung. Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung hat am 16. Februar 1993 eine Satzung für den Entwicklungsbereich 'Bornstedter Feld' verabschiedet. Ein Teil [Seite der Druckausgabe: 13] dieser Fläche wie andere nahe Berlin gelegene Flächen finden sich in der sogenannten Negativliste wieder, das heißt, in der Liste der WGT-Liegenschaften, die für eine Übertragung an des Land Brandenburg nicht in Betracht kommen. Für die meisten Kasernenliegenschaften gibt es bereits Investoren, u.a. für die Bereiche Kirschallee und Pappelallee sowie für die Nedlitzer Kasernen. Bestimmte Gebäude stehen unter Denkmalschutz, wie beispielsweise die sogenannten 'Roten Kasernen'. Es handelt sich dabei um Gebäude aus roten Ziegelsteinen aus dem vorigen Jahrhundert. Dieses Gelände Ist für die Ansiedlung von Handwerk und Gewerbe geeignet, während das 'Bornstedter Feld' für Wohnbebauung vorgesehen ist.
1.3 Neue Nutzungen und Projekte auf vormals militärischen Flächen im Land Brandenburg (Fallstudien)
Die Konversion der ehemaligen Militärflächen wird in Brandenburg durch verschiedene Einrichtungen realisiert. Vorstehend wurde auf die Bodenverwertungsgesellschaft hingewiesen, die im übrigen bereits einen vorläufigen Geschäftssitz auf dem früheren Militärgelände Krampnitz hat, später jedoch nach Wünsdort verlagert werden soll. Eine weitere Einrichtung ist die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG), eine hundertprozentige Tochter des Landes Brandenburg. Die LEG arbeitet aufgrund ihres Gesellschaftsvertrages vornehmlich als Dienstleisterin der öffentlichen Hand, hat jedoch auch die Möglichkeit, selbst als Investor oder Entwickler aufzutreten. Im folgenden sollen einige Beispiele, die ausgewählt worden sind für jeweils ein arttypisches Projekt mit der Absicht, die unterschiedlichen Zielstellungen bzw. Zielkonflikte zu verdeutlichen und ihre Lösung aufzuzeigen. Dabei handelt es sich um folgende militärische Liegenschaften:
Das wohl attraktivste Gebiet ist das Projekt nördlich der B 5, am westlichen Rand Berlins gelegen. Dabei handelt es sich um 420 ha bebaute Fläche, für das zur Baureifmachung etwa 1 Milliarde DM veranschlagt werden müssen. Diese [Seite der Druckausgabe: 14] Liegenschaft ist als Gebiet mit besonderem Handlungsbedarf gemäß der Landesplanung ausgewiesen. Es bietet ein Potential von ungefähr 15.000 neuen Wohneinheiten. Die LEG ist dort im Auftrag des Landes sowie des Landkreises tätig geworden, teilweise in der Rolle des Projektentwicklers, teilweise für Teilliegenschaften im Wege der Besitzeinweisung als Eigentümerin. Ziel der LEG ist es, dort einen Bereich, der sich über ein Gebiet von insgesamt drei Gemeinden erstreckt, zu entwickeln. Zu diesem Zweck werden einzelne Abschnitte dieses Bereiches abgeteilt und - sobald Investitionssicherheit geschaffen ist - veräußert. Durch Vorbereitungserschließung und -finanzierung können sich Entwicklungsträger oder Projektgesellschaften bestimmter Abschnitte annehmen. Bereits kurz nach der Wende wurde im Auftrag des Landkreises damit begonnen, eine Machbarkeitsstudie anzufertigen, die Bestandsanalysen ebenso beinhaltete wie neue Nutzungskonzepte. Dazu war es notwendig, die Eigentumsverhältnisse zu klären, vom Katasteramt anzuerkennende Luftbilder herzustellen, die Altlasten zu registrieren und die Abwasseranlagen zu untersuchen - um nur einige Probleme aufzuzeigen. Zusätzlich wurden Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestellt, um für den gesamten Standort die Rentabilität nachweisen zu können. Ferner wurde ein Verfahrenskonzept erstellt. In diesem Projekt sollten sowohl immobilienwirtschaftliche Belange mit den Erfordernissen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereint werden. Deshalb wurde eine Verfahrensweise gewählt, die bis dahin noch nicht üblich war. In einem mehrstufigen Verfahren wurden Investoren hinzugezogen und Finanzierungsinstitute beteiligt. Dadurch wurde Einfluß genommen auf das Verwertungsmodell, auf die Finanzierungskonzeption sowie - direkt und indirekt - auf die Planung. Diese Vorgehensweise sichert, daß alle für diese Entwicklung notwendigen kommunalen Investitionen, u.a. die kommunalen Pflichtaufgaben, die Planung und Bereitstellung der sozialen und technischen Infrastruktur, vorfinanziert werden können, so daß sich Folgekostenverträge mit den einzelnen Investoren abschließen lassen und die Altlastenproblematik lösbar wird. Da auch intakte Grundstücke anteilig mitbelastet werden, tragen sie zur Sanierungskostendeckung der anderen Grundstücke bei. Die Altlastensanierung erwies sich bisher wegen der damit verbundenen hohen Kosten als ein besonderes Problem. In Konkurrenz zu dem Projekt nördlich der B 5 befinden sich Standorte, die solche Kosten kaum zu veranschlagen haben. Deshalb ist es wichtig zu verhindern, daß Vorwegentnahmen von attraktiven Grundstücken aus dem Gesamtpool erfolgen. Dies würde das gesamte Konzept scheitern lassen. [Seite der Druckausgabe: 15] Das Projekt 'Döberitzer Heide' bezieht sich auf ein westlich von Berlin, südlich der Bundesstraße 5 gelegenes Gelände, das zum Landkreis Havelland gehört. Das Gebiet umfaßt 47 Quadratkilometer und hat einen hohen Status als Naturschutzgebiet sowie ein umfangreiches Erholungspotential. Deshalb soll es auf der 1995 in Berlin stattfindenden Umweltkonferenz der UNO als Beispiel für eine umfangreiche Revitalisierung dienen. Der LEG wurden von Seiten des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg die Projektkoordination und -steuerung sowie die Konzeptentwicklung übertragen mit dem Auftrag, die Flächen in weitem Umfang dem Natur- und Landschaftsschutz zur Verfügung zu stellen. Dazu mußte ein Bewirtschaftungskonzept entwickelt und durchgesetzt werden. Die folgende Abbildung zeigt den Entwurf einer Trägerkonstruktion. [Seite der Druckausgabe: 16]
Entwurf einer Trägerkonstruktion - Döberitzer Heide
[Seite der Druckausgabe: 17] Auf die Militärstadt Wünsdorf wurde weiter oben bereits eingegangen. Auch in diesem Fall wurde die LEG damit betreut, hier aktiv zu werden. Auftraggeber waren zum einen das Amt Zossen / Gemeinde Wünsdorf und zum anderen die Landesregierung (Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr). Die Landesregierung hat in einem Sofortprogramm eine Projektgesellschaft gegründet, die bis Herbst 1994 etabliert wird. Bei zwei weiteren Projekten (Boarding House Alt-Glienicke und Handels-logistikzentrum Freienbrink) handelt es sich nicht um WGT-Liegenschaften, sondern um Militärobjekte, die früher von den NVA-Grenztruppen bzw. vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit (Stasi-Versorgungslager) genutzt worden sind. Das Projekt 'Boarding House' liegt in der Gemeinde Groß Glienicke, westlich vom Berliner Stadtteil Kladow. Hier bestand die Aufgabe darin, Wohnraum für Landesbedienstete zu schaffen. Das 'Handelslogistikzentrum Freienbrink' liegt in unmittelbarer Nähe zur Autobahn (A 10) südöstlich von Berlin. Es umfaßt insgesamt 130 ha, von denen 94 ha für Ansiedlungen zur Verfügung gestellt werden. Hier sollen Arbeitsplätze für ca. 2.500 Arbeitskräfte entstehen. Die folgende Abbildung zeigt das Konzept zur Flächennutzung dieses Areals. [Seite der Druckausgabe: 18]
[Seite der Druckausgabe: 19]
Das Altlastenproblem
Bei den von der LEG bearbeiteten Konversionsprojekten handelt es sich überwiegend um städtebaulich interessante Garnisonen bzw. Kasernen. Für Kommunen und Investoren stellt sich jedoch die Frage nach den vorhandenen Altlasten. Die EG hat zwanzig militärische Liegenschaften untersucht [ Fn.7: Untersucht wurden 18 WGT- und 2 NVA-Kasernen] , und inzwischen liegen die Untersuchungsergebnisse über 48% der Flächen, die technisch genutzt wurden, vor. Auf diese Fläche entfallen 80% der Sanierungskosten. Die spezifischen Sanierungskosten (DM je qm) sind ein Maß für die Verschmutzungsintensität der Flächen. Für erste Schätzungen hat die LEG nach ökologischen Kriterien Maximalkosten errechnet. In den Wohnbereichen sind die spezifischen Sanierungskosten deutlich niedriger als in den technischen Bereichen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Kosten durch eine belastungsbezogene Planung der Nachnutzung sowie durch eine Standort- und schadstoffangepaßte Sanierungskonzeption halbiert bis geviertelt werden können. Um die Kosten für die Altlastenbeseitigung gering zu halten, sollte auf ehemals technisch genutzten Flächen Gewerbe angesiedelt und die Wohnbereiche für Wohnen, Verwaltung und soziale Einrichtungen reserviert werden. Etwa 80% des kontaminierten Bodens sind durch Kraftstoffe und Schmieröle, den sogenannten Mineralölkohlenwasserstoffen, verunreinigt. Die Mineralölkohlenwasserstoffe - Diesel, Vergaserkraftstoff und Schmieröl - haben eine geringe Toxizität und lassen sich im Boden durch mikrobiologische Verfahren kostengünstig beseitigen. Aufgrund eigener Untersuchungsergebnisse kommt die LEG zur Feststellung, daß die Altlasten- und Kampfmittelproblematik auf WGT- und NVA-Kasernen und Garnisonen weitgehend ihren Schrecken verloren hat und in den Medien deutlich überzeichnet wurde. Dies gilt jedoch nicht für Truppenübungsplätze, Munitionslager und Munitionsfabriken, die wegen ihrer Lage in Außenbereichen außerdem geringe Entwicklungspotentiale haben. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 1999 |