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[Seite der Druckausgabe: 12 / Fortsetzung]


4. Aufgaben einer zukunftsorientierten Umweltpolitik

Umweltpolitik in Deutschland, so die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn, basiert bislang im wesentlichen auf der Anwendung ordnungsrechtlicher Instrumente. Umweltschädliche Entwicklungen sollen dabei vor allen Dingen mit Geboten oder Verboten verhindert bzw. eingedämmt werden. Dies mag zwar in vielen Fällen sinnvoll sein, reicht aber aus umweltpolitischer Sicht nicht aus.

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4.1 Die Kombination ordnungsrechtlicher und ökonomischer Instrumente

Schon jetzt belaufen sich die Kosten der Umweltverschmutzung in Deutschland It. Schätzungen des Karlsruher Fraunhofer Instituts auf eine Größenordnung von etwa 600 Milliarden DM jährlich. Und wenn man beispielsweise den Prognosen der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages zur Klimaentwicklung folgt, wird deutlich, daß die Umweltpolitik neue Wege einschlagen muß, wenn sie erfolgreich sein will.

Übertragen auf den wirtschaftlichen Bereich heißt das u.a., die marktwirtschaftlichen Lenkungsinstrumente, also in erster Linie Steuern und Abgaben, müssen viel stärker als bisher genutzt werden, um Produzenten und Konsumenten zu einem umweltschonenden Verhalten zu veranlassen.

Das Ordnungsrecht ist dabei auch weiterhin von Bedeutung. Es ist ökologisch wirksam und kann z.B. als Stoffverbot unmittelbar genutzt werden um Gefährdungen von Gesundheit oder Natur abzuwenden. In der Debatte um eine Ökologisierung der Marktwirtschaft geht es darüber hinaus aber darum, das Ordnungsrecht um eine ökonomisch wirkende Komponente, eben Öko-Steuern und Abgaben, zu ergänzen.

Dies ist nicht zuletzt auch deshalb nötig, weil die Wirkung ordnungsrechtlicher Ge- und Verbote in der Praxis oft durch Vollzugsdefizite eingeschränkt wird oder weil bei der Festsetzung von Grenzwerten aus Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen strenge Verordnungsentwürfe oft noch abgemildert werden. Aber selbst wenn Grenzwerte am letzten Stand der Technik ausgerichtet werden, also relativ streng gefaßt sind, entstehen durch die zugelassenen Emissionsmengen vielfach noch immer erhebliche Umweltbelastungen, die dann zu externen Effekten in Form volkswirtschaftlicher Kosten für entstandene Umweltschäden führen. Diese Kosten hat in vielen Fällen die Allgemeinheit zu tragen und nicht der Verursacher.

Konsequente Umweltpolitik muß deshalb darauf abzielen, daß zum Beispiel ein Unternehmen nicht nur den vorgeschriebenen Grenzwert einhält, sondern kontinuierlich bemüht ist, den Schadstoffausstoß grundsätzlich auf das niedrigst mögliche Niveau zu senken. Der breite Einsatz marktwirtschaftlicher Lenkungsinstrumente ist hierzu das geeignete Mittel. Wichtig ist dabei vor allem, daß die Öko-Steuern und Abgaben in regelmäßigen Abständen an die fortschreitende technologische Entwicklung angepaßt werden. Wird dies versäumt, kann es nach einiger Zeit für einen Betrieb wieder billiger sein

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Schadstoffe zu emittieren, als für ihre Vermeidung oder Beseitigung zu sorgen. Klare Vorgaben über ein langfristig angelegtes und schrittweises Vorgehen nützen hier sowohl der Umwelt als auch den Betrieben.

Der Vorteil von ökonomischen Instrumenten besteht also darin, daß sie grundsätzlich einen Anreiz zur Weiterentwicklung von emissionsvermeidenden und umweltschonenden Produktionstechnologien darstellen. Abgaben beispielsweise, die auch auf Emissionen erhoben werden, die unterhalb entsprechender Grenzwerte bleiben, führen zumindest zu einer teilweisen Integration der externen Folgekosten in den Produktionsprozeß. Darüber hinaus kann durch eine Besteuerung knapper Ressourcen erreicht werden, daß sich diese Knappheit auch im Marktpreis niederschlägt.

Ökonomische Instrumente dienen somit der Umweltvorsorge. Über wirtschaftliche Anreize wirken sie mittel- bis langfristig auf umweltverträgliche und ressourcenschonende Produktionsstrukturen hin.

Im Rahmen ökonomischer Instrumente kommt Umweltsteuern im Vergleich zu (Sonder-)Abgaben dann noch eine größere Bedeutung zu. Das Aufkommen einer Sonderabgabe muß im Gegensatz zu den Steuereinnahmen zweckgebunden verwendet werden, d.h. im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen. Umweltabgaben müssen den Abgabepflichtigen z.B. als Förderung von Umweltschutzinvestititionen wieder zufließen. Für andere Zwecke - wie z.B. eine allgemeine Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer - dürfen sie nicht genutzt werden. Umweltabgaben sind damit nur zur Lenkung in jeweils eng umrissenen Sektoren geeignet und insofern Instrumente zur ökologischen Feinsteuerung.

Zur Lösung der immensen ökologischen Probleme bedarf es aber nach Monika Griefahn eines umfassenden ökologischen Erneuerungsprozesses, der sich letztlich auf alle Wirtschafts- und Lebensbereiche erstrecken muß. Dies ist nur mit der Einführung von Umweltsteuern zu erreichen, deren Aufkommen flexibel verwendet werden kann, um zum Beispiel den Energie- und Materialverbrauch zu belasten und den Faktor Arbeit zu entlasten. Allein durch eine derartige Veränderung der relativen Faktorkosten wird umweltgerechtes Wirtschaften langfristig und nachhaltig zu erreichen sein.

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4.2 Einführung und Ausgestaltung einer ökologischen Steuerreform

Dem Konzept der ökologischen Steuerreform liegt die Einsicht zugrunde, daß die derzeitige Wirtschaftsweise zu erheblichen Umweltbelastungen führt und

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eine Fortsetzung dieser Praxis die systematische Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zur Folge hätte. Da das Ordnungsrecht allein nicht in der Lage ist, den drohenden ökologischen Kollaps zu vermeiden, ist eine ökologische Steuerreform notwendig, die das in einer Marktwirtschaft effektivste Lenkungsinstrument, nämlich Steuern, zum Schutz der Umwelt zur Geltung bringt. Entsprechende Steuerungsinstrumente werden seit langem im sozialpolitischen Bereich eingesetzt: Progressive Steuertarife, Familienlastenausgleich oder die Wohnungsbauförderung sind nur einige Beispiele, wie mit Steuern politische Ziele erreicht werden sollen.

Um das umweltpolitische Ziel einer nachhaltigen, umweltverträglichen Wirtschaftsweise zu verwirklichen, werden Steuern auf alle nicht regenerativen Primärenergien vorgeschlagen. Dieser Ansatz ist deshalb besonders umfassend, weil Energie ökologisch gleich in mehrfacher Hinsicht von erheblicher Bedeutung ist. Davon wären sowohl die Energiegewinnung betroffen, von der erhebliche Gefahren für die Umwelt in Form von C02-Emissionen oder möglicher atomarer Strahlung ausgehen können, als auch der Energieverbrauch, der eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftsweise moderner Industriegesellschaften spielt und ursächlich mit Ressourcenverschwendung, Emissionen und Abfallproblematik verbunden ist.

Um eine optimale Wirkung zu erzielen, müssen die Energiesteuern finanziell spürbar sein und ihre kontinuierliche Steigerung muß schon bei der Einführung deutlich gemacht werden.

Da eine solche Steuerlast viele Betriebe und Verbraucher jedoch erdrosseln würde, muß es in anderen Bereichen adäquate finanzielle Entlastungen geben. Die aufkommensneutrale Kompensation ist deshalb ein Grundsatz der ökologischen Steuerreform: Alle Einnahmen aus den neu eingeführten Energiesteuern sollen der Wirtschaft und der Bevölkerung zurückerstattet werden. Dies kann entweder durch eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, der Lohn- und Einkommenssteuern oder auch durch einen ÖKO-Bonus nach dem Muster des Kindergeldes geschehen.

Eine ökologische Steuerreform kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie sozialverträglich ist und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe nicht beeinträchtigt. Die enge Koppelung der Energiesteuererhöhungen an die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer und der Sozialabgaben muß daher ein unantastbares Prinzip der Umweltpolitik sein.

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4.3 Vorteile der Öko-Steuer

Die ökologische Steuerreform beruht nicht nur auf marktwirtschaftlichen Prinzipien, sie verhilft ihnen vielmehr erst wieder zur Wirkung. Denn der Grundsatz "Die Nachfrage regelt den Preis" ist durch falsche politische Rahmenbedingungen für die Produktionsfaktoren Arbeit und Umwelt derzeit außer Kraft gesetzt. Saubere Umwelt und intakte Natur werden zwar immer seltener, stehen aber dennoch äußerst kostengünstig zur Verfügung. Menschliche Arbeitskraft hingegen ist noch immer viel zu teuer, obwohl sie mittlerweile im Überfluß vorhanden ist. Eine ökologische Steuerreform greift in dieses Verhältnis ein, indem sie die Inanspruchnahme von Umwelt verteuert und gleichzeitig den Kostenfaktor Arbeit entlastet.

Umweltzerstörendes Verhalten und hoher Ressourcenverbrauch sind heute deshalb ein bedrückendes Problem, weil die realen Kosten für den Verbrauch von Wasser, die Verschmutzung der Luft oder die Nutzung des Bodens als Müllkippe in den betriebswirtschaftlichen Kostenrechnungen bislang kaum zu Buche schlagen. Sie werden externalisiert und wie selbstverständlich auf die Allgemeinheit abgewälzt. Den geschätzten Kosten in Höhe von 600 Mrd. DM stehen aber lediglich Umweltausgaben von ca. 40 Mrd. DM gegenüber, in denen 22 Mrd. DM staatliche Aufwendungen bereits enthalten sind. Das bedeutet: Der Löwenanteil der Kosten für die Nutzung bzw. Schädigung der Umwelt wird von der Allgemeinheit bezahlt. Um diesen Mißstand abzuschaffen und die Wirtschaft nach ökologischen Kriterien umzustrukturieren, müssen die Kosten den jeweiligen Verursachern angelastet - also internalisiert -werden. Da der Markt zu einer angemessenen Berechnung des "Gutes" Umwelt nicht in der Lage ist, ist es notwendig, die erforderlichen Rahmenbedingungen politisch festzulegen, und zwar durch die Einführung von Umweltsteuern.

Die ökologische Steuerreform schafft dann marktwirtschaftliche Anreize für die Entwicklung energiesparender und umweltschonender Produkte und Produktionsverfahren. Ein Unternehmer, der weiß, daß die Kosten für bestimmte Ressourcen über einen längeren Zeitraum steigen werden, hat ein hohes wirtschaftliches Eigeninteresse daran, diese Kosten gering zu halten. Er wird deshalb versuchen, den Einsatz der entsprechenden Ressourcen möglichst schnell und möglichst weitgehend zu reduzieren. Klare Rahmenbedingungen können zum Beispiel dafür sorgen, daß die deutsche Automobilindustrie mit Benzinsparautos auf den Weltmärkten von morgen an der Spitze liegen kann. Das gleiche gilt für Energiespartechnologien und erneuerbare

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Energiequellen wie die Solarzellentechnologie. Damit können weltweit Zukunftsmärkte erschlossen und viele wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden.

Der eigentliche Motor der technischen Entwicklung war seit Beginn der Industrialisierung die Verteuerung der Arbeitskraft. Neue Technologien waren und sind häufig Rationalisierungstechnologien mit dem Ziel, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Die effiziente Nutzung der nur begrenzt vorhandenen Ressourcen war demgegenüber zumeist nur von untergeordneter Bedeutung. Mit einer ökologischen Steuerreform werden die Prioritäten für den technischen Fortschritt neu gesetzt. Das Ziel besteht in der kontinuierlichen Erhöhung der Rohstoff- und Energieproduktivität. Wer diese Effizienzrevolution verschläft, wird morgen nicht mehr konkurrenzfähig sein!

Die niedersächsische Umweltministerin Griefahn stellte insgesamt fest, daß die ökologische Steuerreform sowohl zur Lösung der drängenden ökologischen als auch der ökonomischen und sozialen Probleme beitragen kann. Eine solche Reform sei zwar kein "Allheilmittel", aber durch die Festlegung neuer ökonomischer Rahmenbedingungen seien Öko-Steuern von grundsätzlicher strategischer Bedeutung für eine ökologische Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft. Dies sei somit zweifellos eine der großen politischen Herausforderungen, an der sich die Regierenden in Bund, Ländern und Gemeinden messen lassen müßten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2000

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