FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 4 / Fortsetzung]


2. Grundzüge der Öko-Steuer-Diskussion

Bereits zu Beginn der siebziger Jahre fand im Zusammenhang mit der Einführung einer Abwasserabgabe eine erste Diskussion über Umweltabgaben und -steuern statt, bei der allerdings das ordungspolitische Instrumentarium (Verbote, Gebote, Mengenstandards, Grenzwerte) im Mittelpunkt stand. Erst zu Beginn der achtziger Jahre nahm mit wachsender Einsicht über die Grenzen der ordnungsrechtlichen Eingriffe bei der Bewältigung der stark zunehmenden Umweltprobleme auch die Bedeutung von Öko-Steuern in der wissenschaftlichen und öffentlichen Meinungsbildung zu.

Zu den frühesten Impulsgebern gehören die Arbeiten von Lutz Wicke (Umweltökonomie - Eine praxisorientierte Einführung, München 1982) und die Studie "Arbeit ohne Umweltzerstörung" (1983) von H. C. Binswanger, H. Frisch. H. G. Nutzinger. Bei den letztgenannten Autoren wird vor allem die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieeinsatz als zentrales Erfordernis einer ökologischen Neuorientierung angesehen: Die Ressource Energie wird dabei als hauptsächlicher Ansatzpunkt für eine korrektive Abgabenbelastung durch Öko-Steuern gewertet, weil sowohl der Produktionsumfang als auch die speziellen Umweltnutzungen relativ stark mit dem Energieverbrauch korrelieren. Weiterhin können die fossilen Energieträger als Prototyp erschöpflicher Ressourcen betrachtet werden, so daß auch der Gesichtspunkt einer Ressourcenbesteuerung zur schonenderen und sparsameren Nutzung dieser Energiequellen zur Geltung kommt. Da durch eine Abgabe auf den Energieeinsatz (Primärenergieabgabe) nur indirekter Einfluß auf die Emissionen genommen wird, sollte - gemäß dieser Studie -

[Seite der Druckausgabe: 5]

darüber hinaus das umweltpolitische Ordnungsrecht durch Umweltnutzungsrechte (Lizenzen, Zertifikate) ergänzt werden.

Mitte der achtziger Jahre hatte also die Thematik einer Energie- und Umweltbesteuerung eine bescheidene öffentliche Aufmerksamkeit erzielt, die aber in den Jahren danach eher wieder abflaute, bis Mitte 1989 durch eine Studie des Umwelt- und Prognoseinstituts Heidelberg (UPI) das Konzept der Öko-Steuer neuen Auftrieb bekam. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch eine Reihe weiterer Veröffentlichungen zur Umweltpolitik und zur ökologischen Steuerreform, die zunehmend konkrete Vorschläge zur flächendeckenden Ergänzung der ordnungsrechtlich dominierten Umweltpolitik durch monetäre Anreize darlegten (vgl. Abb. 1).

Die in die Diskussion eingebrachten Vorschläge für ein umweltgerechteres Wirtschaften können grob in drei Punkten zusammengefaßt werden:

  1. Mit einer ökologischen Steuerreform kann eine Korrektur des Preissystems erzielt werden, so daß die Kosten des Naturverbrauchs den Verursachern angelastet werden. Der damit verbundene Einstieg in eine ökologische und soziale Marktwirtschaften hat derzeit die wohl größte Anziehungskraft in der Öffentlichkeit, wenngleich auch erhebliche Bedenken in Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden geäußert werden.

  2. Eine zweite Gruppe von Vorschlägen umfaßt anstelle einer weitreichenden Ökologisierung des Steuersystems gezielte steuerliche Korrekturen in bestimmten Bereichen. Dabei wird in erster Linie der Energiebereich genannt, der sowohl für unsere Wirtschaftsweise insgesamt als auch für die daraus entstehenden ökologischen Belastungen von größter Bedeutung ist. Das Aufkommen aus solchen Abgaben soll zweckgerichtet zur weiteren Verbesserung der Umweltsituation verwendet werden.

  3. Schließlich kann eine weitere Position identifiziert werden, die Öko-Steuern als eine Korrektur des Preissystems in ökologischer Absicht ebenfalls eher skeptisch betrachtet und diese als sehr starres Instrument sozialer Bewirtschaftung ansieht, weil die Preiskorrekturen gegenüber strukturellen und konjunkturellen Einflüssen viel zu wenig flexibel seien. Demgegenüber werden Umweltnutzungsrechte, Lizenzen und Zertifikate als Instrumente der ökologischen Steuerung vorgeschlagen, bei denen idealerweise die Mengenziele eindeutig vorgebenen werden und sich die entsprechenden Preise durch Vereinbarungen und

[Seite der Druckausgabe: 6]

    wesentlich höheres Maß an Flexibilität und Zielgenauigkeit erreicht werden als durch Öko Steuern. Erste Ansatzpunkte für derartige Lösungen finden sich in der Diskussion um die Verringerung der CO2 Belastung der Erdatmosphäre.

Die Diskussion insgesamt ist mittlerweile recht unübersichtlich geworden, wobei der recht einfache Grundgedanke einer marktwirtschaftlich orientierten Umweltpolitik überdeckt zu werden droht: Mit Hilfe von Steuern und Abgaben soll das Preissystem dahingehend verändert werden, daß auch die ökologischen Kosten von Produktion und Konsum den Verursachern möglichst vollständig angelastet werden ("Pigou-Steuer").

[Seite der Druckausgabe: 7]

Abbildung 1: Wichtige Studien zur Umweltpolitik und zur ökologischen Steuerreform

Bakker, Liesbeth/Bleijenberg, Arie (1992): An Ecological Tax Reform in Germany, Prognos-Schriftenreihe "Identifizierung und Internalisierung externer Kosten der Energieversorgung", Bd. 5, im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Basel

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)/Bundesverband junger Unternehmer in der ASU e.V. (BJU) (1993): Plädoyer für eine ökologisch orientierte Soziale Marktwirtschaft, Bonn

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (Hrsg.) (1994): Umsteuern mit Öko-Steuern? BDI - Drucksache Nr. 278. Verlag: Industrie-Förderung GmbH, Köln

Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode (1994): Bericht der Enquête-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt - Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft", Drucksache 12/8260

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (1994): Öko-Steuer - Sackgasse oder Königsweg? Ein Gutachten im Auftrag von Greenpeace e.V., Berlin

Franke, Siegfried F. (1994): Umweltabgaben und Finanzverfassung in: Steuern und Wirtschaft 1/1994 S. 26-38

Hansjürgens, Bernd (1992): Sonderabgaben aus finanzwissenschaftlicher Sicht - am Beispiel der Umweltpolitik in: Steuern und Wirtschaft 1/1993, S. 20-34

Hansjürgens, Bernd (1992): Umweltabgaben im Steuersystem, Nomos, Baden-Baden

ifo Institut (1994): Das deutsche Steuer- und Abgabensystem aus umweltpolitischer Sicht - eine Analyse seiner ökologischen Wirkungen sowie der Möglichkeiten und Grenzen seiner stärkeren ökologischen Ausrichtung, München

IG Chemie-Papier-Keramik (Hrsg.) (1994): Wirtschafts- und Lebensstandort Deutschland. Elemente ökologisch sozialer Marktwirtschaft, Buchdruckwerkstätten, Hannover

Mauch, Samuel P./Iten, R./Weizsäcker von, Ernst U./Jesinghaus, Jochen (1992):

Ökologische Steuerreform. Europäische Ebene und Fallbeispiel Schweiz, Verlag Rüegger, Chur/Zürich

Müller, Udo/Schwenke, Horst-J. (1992): Umwelt und Verkehr - Strategien zur Jahrtausendwende, Diskussionspapier Nr. 166, Januar 1992, Universität Hannover

Sachverständigenrat für Umweltfragen (1994): Umweltgutachten 1994. Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/6995

Umwelt- und Prognoseinstitut Heidelberg e.V. (UPI) (1988): Öko-Steuern als marktwirtschaftliches Instrument im Umweltschutz - Vorschläge für eine ökologische Steuerreform, UPI-Bericht Nr. 9, Erweiterte Auflage, Heidelberg

Umweltbundesamt (UBA) (1994): Umweltabgaben in der Praxis - Sachstand und Perspektiven -, Texte 27/94. Berlin

Zimmermann, Horst (Hrsg.) (1993): Umweltabgaben: Grundsatzfragen und abfallwirtschaftliche Anwendung, Economica Verlag, Bonn


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2000

Previous Page TOC Next Page