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[Seite der Druckausgabe: X = Leerseite] [Seite der Druckausgabe: 1] 1. Die Diskussion um die Macht der Banken
Das Thema "Macht der Banken" ist in Deutschland zum wiederholten Male Gegenstand intensiver und kontroverser Diskussionen in Wissenschaft und Politik. Erneut geht es um die Frage nach Rolle und Einfluß der deutschen Großbanken auf deutsche Unternehmen und die deutsche Wirtschaft als Ganzes. Kritiker werfen den Großbanken vor, sie verfügten mittels der Kumulation ihrer verschiedenen Einflußfaktoren über eine ordnungspolitisch problematische Machtposition in der deutschen Wirtschaft. Zu diesen Einflußfaktoren zählen neben dem klassischen Bankgeschäft der Kreditvergabe insbesondere der Anteilsbesitz der Banken, das Depotstimmrecht (vielfach werden auch die Begriffe Vollmachtsstimmrecht oder Auftragsstimmrecht verwendet), mit dem die Banken in den Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften die Stimmrechte ihrer Depotkunden vertreten, die von Bankenvertretern wahrgenommenen Aufsichtsratsmandate, die bankeigenen Kapitalanlagegesellschaften und das Emissionsgeschäft. Durch ein Netz wechselseitiger kapitalmäßiger und personeller Verflechtungen hätten die Vorstände der führenden deutschen Banken und Versicherungen zudem die Mechanismen des Kapitalmarktes ausgeschaltet und sich wirkungsvoll vor Kontrolle und Wettbewerb abgeschottet. Die daraus resultierende unkontrollierbare Dominanz einer kleinen Gruppe von Unternehmensmanager aus dem Banken- und Versicherungsbereich in der deutschen Wirtschaft beschädige zunehmend die Wettbewerbsordnung, den Kapitalmarktstandort Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Ein Vertreter eines Bankenverbandes konstatiert, daß sich durch Geschäftstätigkeit, Sachkompetenz, sektorenübergreifenden Beteiligungsbesitz oder die Wahrnehmung von Mandaten in Aufsichts- und Beiräten anderer Unternehmen zwangsläufig Einflußmöglichkeiten ergeben. Dies gelte jedoch für alle Wirtschaftszweige und nicht nur für die Banken. Aus der Existenz von Einfluß könne jedoch keineswegs automatisch auf dessen Mißbrauch geschlossen werden. Den Nachweis für die Behauptung, die Banken würden den ihnen zufallenden Einfluß, den Kritiker der Banken stets als "Macht" bezeichnen, mißbräuchlich ausüben, seien jedoch alle Kritiker bislang schuldig geblieben. Dies gelte auch für die Kumulationsthese, die [Seite der Druckausgabe: 2] das Zusammentreffen von Anteilsbesitz, Depotstimmrecht und Aufsichtsratsmandaten bei den Banken kritisiere. Auch hier fehle es bislang an schlüssigen Belegen dafür, daß das aus dem Zusammentreffen dieser Faktoren resultierende Einflußpotential von den Banken mißbräuchlich verwendet werde. Vielmehr würden in der Diskussion stets bedauerliche Einzelfälle verallgemeinert und als willkommener Beleg für die vermeintliche Macht der Banken herangezogen. Dabei werde jedoch oftmals übersehen, daß diese Fälle keinen unmittelbaren Bezug zu den Banken aufweisen und vielmehr allgemeine Fragen zur Unternehmensverfassung in Deutschland betreffen. Vielfach seien die spektakulären Fälle auch Folge krimineller Machenschaften Einzelner gewesen, bei denen sich Banken in Wahrheit in der Position des geschädigten Kapitalgebers befanden. Dies habe interessierte Kreise jedoch nicht daran gehindert, auch solche Fälle als Beleg für die angebliche Macht der Banken anzuführen. Oftmals beließen es Kritiker auch bei dem Hinweis auf eine strukturelle Gefahr des Mißbrauchs. Derartige Spekulationen könnten jedoch kein hinreichender Grund sein, gesetzgeberisch tätig zu werden. Ein FDP-Politiker widerspricht dieser Einschätzung und betont, daß es die Aufgabe von Ordnungspolitik sei, den möglichen Schadenseintritt vorbeugend zu verhindern, und nicht erst abzuwarten, bis ein Schaden eingetreten sei. Potentielle Mißbrauchsmöglichkeiten müßten vorbeugend beseitigt werden. Ein Wissenschaftler ergänzt, daß der Bankenverband bei seiner Argumentation übersehe, daß Rechtsnormen mit ihren jeweiligen Sanktionen unvermeidbar ein Anreizsystem für die von ihr Betroffenen erstellen. Wenn Anreize für Mißbrauchsmöglichkeiten wirtschaftlicher Macht akzeptiert würden, dann würden zugleich auch die damit verbundenen Mißbräuche hingenommen. In welchem Umfang und in welcher nachweisbaren Höhe die Mißbräuche aufträten, sei dabei ein nachrangiges Problem. Zudem habe es in den letzten Jahren eine große Zahl von Fällen gegeben, in denen der Machtmißbrauch der Banken offensichtlich gewesen sei. Als symptomatisches Beispiel hierfür verweist ein Wissenschaftler auf den Zusammenbruch der Girmes AG. Beim Grefrather Textilhersteller Girmes AG hatte die sowohl als Vertreterin ihrer Depotkunden als auch als Gläubigerin des Unternehmens fungierende Deutsche [Seite der Druckausgabe: 3] Bank den Aktionären einen Sanierungsplan für das konkursgefährdete Unternehmen vorgelegt. In der Hauptversammlung stießen die Banken jedoch auf Widerstand. Klein- und Minderheitsaktionäre hatten sich unter Führung des Herausgebers einer Anlegerzeitschrift zusammengeschlossen und die Sperrminorität von 25 Prozent der Stimmen erreicht. Die Kleinaktionäre forderten eine stärkere Beteiligung der Banken an der Sanierung. Dazu waren die Banken jedoch nicht bereit: Der Alternativvorschlag der Minderheitsaktionäre wurde von den Banken abgelehnt, Girmes mußte Vergleich anmelden. Dem Nachfolgeunternehmen Girmes GmbH geht es inzwischen wieder prächtig. Sein Engagement für die Ablehnung des Sanierungsvorschlags der Banken hatte für den Herausgeber der Anlegerzeitschrift ein juristisches Nachspiel. Im gegen ihn angestrengten Verfahren stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf rechtskräftig fest: "Dies läßt erkennen, daß die oder jedenfalls eine der Gläubigerbanken das Abstimmungsverhalten des Beklagten - jedenfalls auch - als willkommenen Anlaß ansahen, den Konkurs der Girmes AG ohne weitere Verhandlungen zuzulassen, weil sie sich dabei finanziell besser standen. Mit einem solchen rigorosen Verfolgen der eigenen Interessen brauchte der Beklagte jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die hier vom Beklagten in erster Linie angesprochene Deutsche Bank gleichzeitig Gläubigerin, Aktionärsvertreterin und Vertreterin im Aufsichtsrat war. In dieser Stellung hat eine Bank nicht nur die Gläubigerinteressen, sondern auch die des Unternehmens und der von ihr vertretenen Aktionäre wahrzunehmen. Es konnte vom Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhergesehen werden, daß das Kreditinstitut seine Gläubigerinteressen sofort rigoros in den Vordergrund stellen würde, ohne den von ihr vertretenen Aktionären und den übrigen Gläubigern Gelegenheit zu geben, vom Herabsetzungsvorschlag des Beklagten Kenntnis zu nehmen und darüber - erneut - zu verhandeln". Ein Wissenschaftler mißt dem Girmes-Fall exemplarische Bedeutung für die Interessenkonflikte in einem Universalbankensystem zwischen ihren Eigeninteressen und denen ihrer Depotkunden bei. Da die unsentimentale Lösung durch die Deutsche Bank in der Literatur ausgiebig behandelt wurde, sei die Aussage, es ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß Banken ihre aktienrechtlichen [Seite der Druckausgabe: 4] Einflußinstrumente verbreitet dazu nutzten, Unternehmen zu deren Nachteil oder zum Nachteil von Wettbewerbern dieser Unternehmen zu beeinflussen, wenig verständlich. Aus dem Umstand, daß Vorgänge wie bei Girmes oder der Metallgesellschaft nicht jeden Tag in der Zeitung kommentiert würden oder gar im Zivilprozeßrecht auftauchten, könne keineswegs geschlossen werden, daß sie nicht existierten. Bei einer ordnungspolitischen Bewertung sei einzig allein entscheidend, ob das gegenwärtige deutsche Wirtschaftsrecht den Kreditinstituten die Möglichkeiten zu derartigen Mißbräuchen eröffne. Komme man dabei zu der Einschätzung, daß diese Möglichkeit prinzipiell gegeben sei, dann müsse davon ausgegangen werden, daß diese Möglichkeiten im Zweifelsfall auch genutzt würden, um bestimmte Vorteile zu erlangen. Ein CDU-Politiker verweist darauf, daß es sich bei diesen Fällen lediglich um Einzelfälle handelt, die keineswegs verallgemeinert werden dürften. In der Regel würden die Banken ihren Einfluß zum Wohle der Unternehmen und deren Arbeitnehmer nutzen. Ein Vertreter eines Bankenverbandes unterstützt diese Einschätzung und bezeichnet es als befremdlich, daß bei der Diskussion um die Macht der Banken stets die privaten Banken im Mittelpunkt der Kritik ständen. Dabei würden die privaten Banken zumeist als monolithischer Block behandelt, obwohl sie sich im Gegensatz zu den Instituten des öffentlich-rechtlichen und des genossenschaftlichen Sektors auch untereinander im Wettbewerb befänden. Das wirksamste Mittel gegen den Mißbrauch von Macht sei seiner Auffassung nach der Wettbewerb. Und hierbei müsse zur Kenntnis genommen werden, daß sich die privaten Banken national, aber im Zuge der Globalisierung der Märkte zunehmend auch international in einem scharfen Wettbewerb befänden. In der deutschen Kreditwirtschaft gäbe es kein auch nur annähernd marktbeherrschendes Unternehmen. Rund 3.800 Kreditinstitute mit 48.200 Zweigstellen seien in Deutschland tätig, die in der Regel als Universalbanken auf allen Wettbewerbsfeldern miteinander konkurrierten. Zudem sei nirgendwo in Europa die Konzentration im Bankensektor geringer als in Deutschland. Die drei größten deutschen Banken - Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank - verfügten in Deutschland bezogen auf das Inlandsgeschäft lediglich über einen Marktanteil von 13 Prozent. In Großbritannien dagegen hätten die drei größten Banken einen Ge- [Seite der Druckausgabe: 5] schäftsanteil von 21 Prozent, in den Niederlanden sogar von über 50 Prozent. Paradoxerweise gäbe es jedoch trotz dieser bemerkenswerten Zahlen in keinem dieser Länder eine vergleichbare Diskussion über eine angeblich zu große Machtfülle dieser Banken. Zusätzlicher Wettbewerbsdruck entstehe durch das Vordrängen von Auslandsbanken und Nichtbanken, insbesondere Versicherungen, in klassische Bankgeschäfte. Dieser Konkurrenzdruck werde zukünftig als Folge der Europäischen Währungsunion weiter zunehmen. Ein FDP-Politiker betont, daß Banken in Deutschland über ihre Beteiligungen und ihre Präsenz in Aufsichtsräten für die Risikobereitschaft, die Investitions- und Innovationstätigkeit deutscher Unternehmen und der deutschen Volkswirtschaft eher von Nachteil gewesen sind. Dies ist einer der Gründe, warum der Beteiligungsbesitz der Banken beschränkt werden sollte. Ein SPD-Politiker unterstützt die These, daß der große Einfluß der Banken ein entscheidendes Innovationshindernis in Deutschland ist. Es sei bedauerlich, daß die Bundesregierung bislang die Einleitung von Maßnahmen zu deren Beseitigung verhindert habe. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001 |