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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausgabe: 14] 3. Sustainable Mobility 3.1 Externe Kosten des Verkehrs Der Verkehr ist eine wesentliche Voraussetzung unserer Industriegesellschaft, sowohl was die individuellen Entfaltungswünsche der Bürger angeht (Trennung von Arbeit und Wohnung, Freizeit u.a.m.), als auch bezogen auf die Arbeitsteilung, Ver- und Entsorgung sowie Distributionsmöglichkeiten der Wirtschaft. Trotz dieser unbestritten essentiellen Funktion des Verkehrs kann nicht von einer volkswirtschaftlich effizienten Ausgestaltung des Verkehrswesens gesprochen werden. Der Verkehr verursacht gewaltige externe Kosten, die die Allgemeinheit (er-)trägt. Die Ermittlung externer Kosten ist methodisch schwierig, und es ist absehbar, daß ein Konsens über die exakte" Höhe der externen Kosten wohl nicht gefunden wird. Es besteht jedoch weitgehend Einigkeit, daß keine nennenswerte externen Nutzen existieren (d.h. solche volkswirtschaftlich positiven Effekte, die nicht schon Eingang oder Ergebnis von Marktbeziehungen sind). [Fn. 5: INFRAS/IWW External Effects of Transport, Project for the UIC, Paris 1994] Im folgenden wird eine aktuelle Übersicht über die externen Kosten des Verkehrs in Deutschland gegeben, also über die nicht gedeckten Kosten der Luftverschmutzung, der Lärmbelastung, der Boden- und Gewässerbelastung, von Unfällen, der Trennwirkungen und des Flächenverbrauchs, der Infrastruktur und der Mehrkosten für den ÖPNV. Diese Aufstellung berücksichtigt eine ganze Reihe von Schäden nicht, z.B. Artenschwund, Lärm im Außenbereich, Zerstörung des Wohnumfeldes in Städten und Ernteausfälle. [Seite der Druckausgabe: 15] Allein aus Sicht der volkswirtschaftlichen Allokation erscheint eine Reform des Verkehrswesens notwendig. Umgelegt auf die Gesamtkraftstoffverbrauch aller KFZ würde sich aus den externen Kosten eine zusätzliche Belastung in Höhe von 1,10 DM/I oder bezogen auf die Gesamtfahrleistung von 0,125 DM/km ergeben (die LKW-Vignette müßte auf mindestens 12.500 DM/a erhöht werden). Dabei ist noch nicht zwischen PKW und LKW differenziert, was aber aufgrund der stark unterschiedlichen spezifischen Emissionen notwendig ist. Fraglich ist jedoch, ob allein mit einer Internalisierung der (nur näherungsweise bestimmbaren) externen Kosten eine dauerhaft umweltverträgliche Verkehrsentwicklung garantiert werden kann. Deshalb wird hierin auch nicht der einzige Ansatz für Schritte zu einer sustainable mobility" gesehen.
Tabelle 1: Externe Kosten des Verkehrs [Seite der Druckausgabe: 16] 3.2 Verkehrsbezogene Umweltziele Das Umweltbundesamt erarbeitet derzeit ein Konzept für eine dauerhaft umweltverträgliche Verkehrsentwicklung in Deutschland. Ausgangspunkt hierfür sind aus Umweltqualitätszielen abgeleitete Umwelthandlungsziele, die dann einen quantitativen Vergleich zwischen den Zielwerten und der tatsächlichen Entwicklung ermöglichen und damit den Handlungsbedarf aufzeigen. Dabei ist es erforderlich, die Umweltziele auch explizit auf den Verkehr zu beziehen (vgl. Tabelle 2). Damit wird das Schwarze-Peter-Spiel" vermieden, welcher Sektor welche Minderung beitragen soll. Im einzelnen ist es notwendig
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Tabelle 2: Vorschlag des Umweltbundesamtes für verkehrsbezogene Umwelthandlungsziele [Seite der Druckausgabe: 18] 3.3 Handlungserfordernisse Für die quantifizierbaren Belastungen kann die Trendentwicklung den oben dargestellten Zielen gegenübergestellt werden. Am einfachsten ist diese Gegenüberstellung für die Luftschadstoffe möglich, da hierfür Trendprognosen vorliegen. Für den Lärm kann dagegen keine einfache Gegenüberstellung von Trendentwicklung und Ziel vorgenommen werden. Berechnungen des Umweltbundesamtes mit einem Lärmbelastungsmodell zeigen jedoch, daß immer noch 11,5% der Bevölkerung tagsüber Pegeln von mehr als 65 dB(A) und nachts 2,3% der Bevölkerung Belastungen stärker als 55 dB(A) durch Straßenverkehrslärm ausgesetzt sind (Berechnungsergebnisse für die alten Bundesländer). Hinzu kommen erhebliche Belastungen durch Schienenverkehrslärm - insbesondere nachts. In den übrigen Bereichen sind die Belastungen nicht direkt quantifizierbar. Hier müßten zunächst Indikatoren entwickelt werden, an denen sich der Trend messen ließe. 3.4 Maßnahmen 3.4.1 Überblick In der Diskussion um eine Strategie der Minderung der Umweltbelastungen durch den Verkehr haben sich die drei V" als Konsens herausgestellt:
Diese Strategien sollen im folgenden beispielhaft konkretisiert werden. Zuvor wird jedoch ein Überblick über die derzeit für die Einleitung einer nachhaltigen Entwicklung diskutierten Maßnahmen gegeben. In Tabelle 3 werden die Maß- [Seite der Druckausgabe: 19] nahmen sachlich (ökonomische, technische Maßnahmen etc.) gegliedert. Im oben erwähntem Konzept wird eine Einordnung und Bewertung dieser Maßnahmen nach den Umweltbereichen, in denen sie wirken, nach dem Zeithorizont, bis zu dem sie bei sofortiger Einleitung wirken, nach dem Handlungsträger, dem Zielobjekt und nach ihrer Wirkung vorgenommen. Tabelle 3: Maßnahmen zur Verminderung von Umweltbelastungen
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3.4.2 Verkehrsvermeidung Am Beispiel des PKW-Verkehrs wird im folgenden die Bedeutung preispolitischer Maßnahmen zur Verkehrvermeidung verdeutlicht. Entsprechendes gilt auch für die anderen Verkehrsarten; für den Güterverkehr liegen hierzu Berechnungen vor. 1991 lag der Anteil des Verkehrs am CO2-Ausstoß in Deutschland bei etwa 20%. Aufgrund stark anwachsender Verkehrsmengen - vor allem in den neuen Ländern - und der zu erwartenden CO2-Minderungen in anderen Sektoren wird der Anteil zukünftig deutlich höher liegen. Maßnahmen zur CO2-Minderung auch im Verkehrssektor sind unabdingbar, wenn das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2005 25% weniger CO2 zu emittieren als 1990, erreicht werden soll. Eine CO2-Minderung im Verkehr erfordert eine integrierte Strategie und ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Modellrechnungen des Umweltbundesamtes [Seite der Druckausgabe: 22] und der Firma prognos zeigen deutlich, daß mit einer Verminderung des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs der PKW als einziger Maßnahme ein Anstieg der CO2-Emissionen im Verkehr nicht verhindert werden kann, da die Verbrauchsenkung durch das Verkehrswachstum mehr als kompensiert wird. Als unerwünschte Nebenwirkung ist mit einem noch stärkeren Fahrleistungswachstum zu rechnen, wenn infolge der Verbrauchssenkung die Kilometerkosten des PKW-Verkehrs ebenfalls sinken. Es ist daher von besonderer Bedeutung, in diese Dynamik einzugreifen und das Verkehrswachstum zu bremsen. Zu den wirksamsten kurzfristigen Maßnahmen zählt eine Erhöhung der Kosten im Verkehr. Wird die Einführung von Verbrauchsgrenzwerten für PKW durch eine Mineralölsteuererhöhung flankiert, so daß die Kilometerkosten trotz der Verbrauchsminderung stabil bleiben, kann der CO2-Ausstoß bis 2005 auf dem Niveau von 1990 stabilisiert werden. Eine weitergehende Minderung bis 25% erfordert schärfere Maßnahmen. Um das Ziel sicher zu erreichen, dürfte der KFZ-Verkehr gegenüber dem Niveau von 1993 nicht weiter wachsen. Der motorisierte Individualverkehr müßte sogar deutlich schrumpfen. Voraussetzung wäre die forcierte Umsetzung des gesamten möglichen Kraftstoffminderungspotentials und die Verwirklichung eines umfassenden Maßnahmenbündels zur Stärkung der Alternativen zum PKW-Verkehr kombiniert mit einer Verteuerung des Kraftstoffs auf etwa 4 DM/I in heutigen Preisen. Bisher liegt das Verkehrswachstum über dem prognostizierten Trend. 1993 war bereits die Hälfte des auf der Basis von 1987 bis zum Jahre 2005 vorhergesagten Wachstums erreicht. Eine CO2-Minderung im Verkehr bis zum Jahr 2005 ist nur noch mit kurzfristig wirksamen Maßnahmen möglich. Mit einer Strategie der Verteuerung des Verkehrs werden jedoch auch Effekte eingelei- [Seite der Druckausgabe: 23] tet, die erst langfristig zur Geltung kommen. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung der Siedlungsstrukturen. Auf lange Sicht gesehen ist hier noch ein erhebliches Verkehrsminderungspotential vorhanden. Ein zentraler Faktor für die Entstehung von Verkehr ist die Flächennutzung und Raumordnung, denn über die Entfernung und Erschließung der Standorte für die verschiedenen Aktivitäten von Menschen (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Ausbildung, Freizeit) wird die Verkehrsmittelwahl und die zurückgelegte Entfernung maßgeblich bestimmt. Daher spielen bei Überlegungen zur Verkehrsvermeidung Instrumente zur Steuerung des Siedlungsflächenverbrauchs und des Verkehrsaufkommens eine entscheidende Rolle. Bislang waren hierzu nur allgemeine Lippenbekenntnisse zu hören. Erst eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik hat hier konkretisierte Vorschläge unterbreitet. Hierzu zählen u.a.:
[Seite der Druckausgabe: 24] 3.4.3 Verkehrsverlagerung Wenn es gelingt Maßnahmen zu ergreifen, die Verlagerungen auf die Umwelt-verträglicheren Verkehrsträger ermöglichen (nichtmotorisierter Verkehr, Bus und Bahn), sind Verringerungen der Umweltbelastungen durch den Verkehr möglich. Dies belegen die folgenden Darstellungen beispielhaft. Für den Güterfernverkehr hat das Umweltbundesamt wegen der besonderen Wachstumsdynamik, wegen der damit einhergehenden überproportionalen Umweltbelastungen (insb. NOx, CO2 und Lärm) und wegen der begrenzten technischen Minderungsmöglichkeiten die Möglichkeiten zur Verlagerung von der Straße auf die Schiene untersuchen lassen. Mittels einer Expertenbefragung wurden in drei Entfernungsklassen und 15 Transportmärkten die Wirkungen eines umfassenden Maßnahmenbündels, das vor allem aus ca. 60%-igen Kostenerhöhungen des Straßentransports gegenüber Binnenschiff und Schiene und einer entscheidenden Qualitätsverbesserung bei der Schiene besteht, untersucht. Ohne Maßnahmen würde die Transportleistung sich zwischen 1988 und 2010 mehr als verdoppeln (ein Anstieg um 47% ist bis heute bereits eingetreten); allein der Straßengüterverkehr nähme um mehr als das 2 ½-fache zu (bis heute bereits 58%). Im Ergebnis der Verlagerungsrechnung reduziert sich die Transportleistung aller Verkehrsträger um 2,1% gegenüber dem Trend, der Straßengüterfernverkehr nimmt um 26% gegenüber dem Trend ab, die Bahn gewinnt 38%. Diese Verlagerungen führen zu deutlichen Emissionsminderungen, auch wenn der Anstieg der CO2-Emissionen des Güterfernverkehrs noch nicht gebremst werden kann. Entscheidend für Verlagerungen vom PKW auf den ÖPNV ist eine konsequente Anwendung der push and pull-Strategie. Das heißt, daß zum einen beschränkende Maßnahmen gegen den PKW erlassen werden müssen - pull bedeutet z.B.: Parkplatzreduktion und -bewirtschaftung, Vorrang für den Umweltverbund bei der Verteilung des Straßenraumes durch Bevorrechtigung an [Seite der Druckausgabe: 25] Signalanlagen, Busspuren zu Lasten des IV. Zum anderen muß das ÖPNV-Angebot durch push-Maßnahmen konkurrenzfähig und attraktiv werden, wozu auch eine entsprechende Kommunikation gehört. Im Ergebnis läßt sich nach dem Ökologieszenario des Gesamtverkehrsplanes NRW durch eine an dem Schweizer Beispiel orientierte Politik des ÖPNV-Ausbaus und eine Parkraumreduktion der modal-split des PKW-Verkehrs von ca. 50% auf ca. 40% senken und der ÖPNV-Anteil verdoppeln. 3.4.4 Umweltverträgliche Abwicklung Eine umweltverträglichere Abwicklung des verbleibenden (nicht vermiedenen oder verlagerten) Verkehrs erfordert Maßnahmen, die auf das Verkehrsverhalten (im engeren Sinne einschl. Fahrweise) und auf eine Verbesserung der Fahrzeugtechnik zielen. Beispielhafte Ansätze sind das Konzept der flächenhaften Verkehrsberuhigung" und die weitere Verschärfung der Abgasgrenzwerte für PKW (Superkat") und LKW. Weitere wichtige fahrzeugtechnische Anforderungen, die in der nächsten Zeit konkretisiert werden müssen, sind u.a. CO2,-(Kraftstoffverbrauchs-)Grenzwerte (Zielwerte) für PKW (Stichwort 3-Liter-Auto") und Verschärfung der Lärmgrenzwerte für KFZ (insb. Nutzfahrzeuge und Reifengeräusche) sowie Einführung von Grenzwerten für Schienenfahrzeuge. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001 |