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II. Die Entwicklung des Mietrechts in Deutschland im Rückblick

1. Die Entwicklung des Mietrechts in Westdeutschland

In Westdeutschland wurden schon mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz von 1950 wieder Marktmieten für frei finanzierte Neubauwohnungen zugelassen. Mit dem Abbaugesetz von 1960 wurde die Grundlagen für den stufenweisen Abbau der weiteren Instrumente der Wohnungszwangswirtschaft geschaffen. Die Preisbindungen für Altbauwohnungen wurden schrittweise abgebaut. An die Stelle der Aufhebungsklage zur Beendigung des Mietverhältnisses trat ein freies Kündigungsrecht des Vermieters. Kündigungen waren immer dann durchsetzbar, wenn der Mieter sich nicht nach § 556a BGB auf eine besondere Härte berufen konnte (Sozialklausel). Im Widerspruchsfall wog das Gericht die soziale Härte gegen die 'Belange des Vermieters' ab (seit 1967 gegen die 'berechtigten Interessen'). Damit konnten die Vermieter Mietzinserhöhungen mittels Änderungskündigungen durchsetzen.

Als die Vermieter zu Beginn der 70er Jahre verstärkt von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, wurde dies von der sozialliberalen Koalition zum Anlaß genommen, den Kündigungsschutz mit der Einfügung des Härtefallgrundes der 'Nicht-Beschaffbarkeit angemessenen Ersatzwohnraums' in § 556a BGB zu verbessern. Am 25. November 1971, auf den Tag genau 25 Jahre vor der Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Einführung des Vergleichsmietensystems in Ostdeutschland, wurde das Erste Wohnraumkündigungsschutzgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Mit diesem Gesetz hat die sozial-liberale

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liberale Koalition das Mietrecht grundlegend reformiert. Dem Vermieter stand ein Kündigungsrecht fortan nur bei einem berechtigten Interesse zu (Eigenbedarf, angemessene wirtschaftliche Verwertung, Vertragsverletzungen des Mieters). Die Widerspruchsmöglichkeit des Mieters in Härtefällen blieb erhalten.

Der Kündigungsschutz war mithin nicht länger auf die Härtefälle beschränkt. An die Stelle der Änderungskündigung mußte ein anderes Verfahren zur Anpassung der Mietpreise in lang laufenden Mietverträgen treten. Das Erste Wohnraumkündigungsschutzgesetz räumte dem Vermieter die Möglichkeit ein, die Zustimmung des Mieters zu einer Mieterhöhung bis zur Höhe der 'ortsüblichen Vergleichsmiete' zu verlangen. Die Vergleichsmiete ist somit eine nach bestimmten Vorschriften zu ermittelnde marktorientierte Referenzmiete für Mieterhöhungen im Bestand. Nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers sollte das Vergleichsmietenverfahren die Mieterhöhungen bei einer Wohnungsknappheit begrenzen. Den Investoren im Mietwohnungsbau sollte es dennoch eine 'angemessene Rendite' sichern.

Mit dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz von 1974 wurden die Regelungen von 1971 als Dauerrecht in das Mietrecht übernommen {Gesetz zur Regelung der Miethöhe MHRG). Außerdem wurden in dem Gesetz ausdrücklich bestimmte Begründungsmittel für Mieterhöhungen genannt (nach § 2 Abs. 2 MHRG Mietspiegel, Gutachten, drei Vergleichswohnungen). Schließlich wurden mit der Modernisierungsumlage (§ 3 MHRG) und der Kapitalkostenumlage (§ 5 MHRG) Elemente der Kostenmiete in das Mietpreisrecht eingeführt.

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Auch die Kappungsgrenzen wurden nachträglich in das reformierte Mietpreisrecht eingefügt. Im Jahre 1982 wurden zunächst die Mieterhöhungen im Bestand auf 30 vH innerhalb von drei Jahren begrenzt. Die Folge war, daß ggf. die Miete nicht bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden konnte. Im Jahre 1993 wurden die Kappungsgrenzen für Wohnungen bis Baujahr 1980 enger gezogen.

Die jüngere Entwicklung ist von einer Tendenz zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vergleichsmiete gekennzeichnet. Seit dem Ende der Wohnungsgemeinnützigkeit im Jahre 1988 gilt die Vergleichsmiete auch für die nicht mehr preisgebundenen Wohnungen der ehemals gemeinnützigen Unternehmen. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Vergleichsmietenverfahren außerdem in den Beständen des Sozialen Wohnungsbaus zur Anwendung kommen. Schließlich wurde schon im Einigungsvertrag die Anwendung im gesamten ostdeutschen Wohnungsbestand angekündigt.

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2. Die Entwicklung des Mietrechts in Ostdeutschland seit 1990


In der DDR wurden die Mieten auf einem so niedrigen Niveau gehalten, daß selbst Instandhaltungsmaßnahmen nicht rentabel waren. Anpassungsmöglichkeiten der Mieten im Zeitablauf waren nicht vorgesehen. Eine Differenzierung der Mieten wurde allein nach (drei) Baujahrgruppen vorgenommen. Innerhalb der einzelnen Gruppen waren die Mieten jedoch völlig unbeweglich. Für Altbauten galt bei geringen regionalen Differenzierungen bis zuletzt die 1936 eingefrorene Miete in Höhe von 0,35

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Mark pro Quadratmeter. Die Kaltmieten für die beiden jüngeren Baujahrgruppen lagen im Jahr 1989 bei 0,80 und 1,25 Mark pro Quadratmeter.

Die Entwicklung des ostdeutschen Mietrechts nach der deutschen Wiedervereinigung war vom Einigungsvertrag vorgezeichnet. Die Mieten für neu errichtete und rekonstruierte Wohnungen wurden von Anfang an freigegeben. Für diese Wohnungen können innerhalb der gesetzlichen Grenzen (Mietpreisüberhöhung bzw. Mietwucher) die Mieten frei vereinbart werden. Für den restlichen Wohnungsbestand wurden die niedrigen DDR-Mieten übernommen. Die Bundesregierung wurde zur schrittweisen Anpassung der gebundenen Mieten im Rahmen von allgemeinen Einkommenserhöhungen ermächtigt. Auch den Vermietern von preisgebundenem Wohnraum wurde die Möglichkeit zugestanden, Modernisierungskosten mit 11 vH auf die Jahresmiete umzulegen. Ebenfalls schon im Einigungsvertrag enthalten war die Absichtserklärung, alle ostdeutschen Mieten in das Vergleichsmietensystem zu überführen.

Mit den beiden Grundmietenverordnungen wurden die Grundmieten für den preisgebundenen ostdeutschen Wohnraum zum 1.10.1991 sowie zum 1.1.1993 angehoben. Mit Hilfe von Zuschlägen und Abschlägen wurde in engen Grenzen eine Differenzierung der Mieten nach grundlegenden Ausstattungsmerkmalen, nach der Gemeindegröße sowie nach der baulichen Beschaffenheit herbeigeführt. Außerdem konnten Instandsetzungskosten auf freiwilliger Basis auf die Miete umgelegt werden.

Mit dem Mietenüberleitungsgesetz wurde die Modernisierungsumlage zwar auf drei Mark je Quadratmeter gekappt.

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Im übrigen wurde der Weg der differenzierten Erhöhung der Grundmieten aber fortgesetzt. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise Anreize zu Instandsetzungsmaßnahmen geben und eine Spreizung der Mieten zur Vorbereitung der Einführung des Vergleichsmietensystems erreichen. Sozial flankiert wurde die Anpassung der Mieten durch das Wohngeldsondergesetz und vom 1.1.1997 an durch die befristeten Regelungen des Wohngeldüberleitungsgesetzes. Der Vertreter des Landesverbandes Freier Wohnungsunternehmen Sachsen/ Sachsen-Anhalt/ Thüringen bezeichnete die Preisbindungen, die damit verbundene Markspaltung und die Modernisierungsumlage als sozialpolitisch wenig treffsicher. Haushalte mit hohen Einkommen würden subventioniert, wenn ihre Wohnung der Preisbindung unterliege und die Höhe der Modernisierungsinvestitionen im Verhältnis zum Wohnstandard gering ausgefallen sei.

Zur weiteren Spreizung der Mieten wird noch die Möglichkeit beitragen, nach der Übergangsvorschrift für Neuvertragsmieten bis zum 30.06.1997 bei einer Wiedervermietung nochmals um bis zu 15 vH höhere Mietpreise vereinbaren zu können.

Weit bedeutsamer für die zukünftige Mietenentwicklung ist jedoch, daß mit dem Mietenüberleitungsgesetz ein bindender Termin für den Wegfall der Preisbindungen gesetzt wurde. Die derzeit noch preisgebundenen Mieten (mehr als 80 vH der Mietverträge) werden zum 1.1.1998 bzw. nach der Übergangsvorschrift bereits zum 1.7.1997 in das Vergleichsmietensystem entlassen. Außerdem wurde die Einbeziehung der gebundenen Mieten in die ersten ostdeutschen Mietspiegel ausdrücklich zugelassen. Die Entlassung eines solch großen Teilbestandes aus der

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Preisbindung ist historisch ohne Vorbild. Sie stellt ohne Frage besondere Gestaltungsanforderungen an die ostdeutschen Mietspiegel.


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