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A. Kreislaufwirtschaft als politische Aufgabe



1. Von der Beseitigung zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen

Innerhalb der Abfallwirtschaftspolitik setzte in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel ein. Zunehmend wird die bislang praktizierte „Durchflußwirtschaft" durch eine Kreislaufwirtschaft ersetzt. Dabei steht im Mittelpunkt des Abfallmanagements nicht mehr die Beseitigung, sondern die Entstehung von Abfällen vom Beginn eines Produktlebens bis zu seinem Ende. Bereits beim Einsatz von Rohstoffen, bei der Planung und Konstruktion hat Vermeidung und Verwertung von Abfällen eine Rolle zu spielen. Nur mit neuen ökoeffizienten Produkten, Produkten der Zukunft, die unter Stoff- und Energiegesichtspunkten entwickelt werden, kann man dem Anspruch eines modernen Industrielandes gerecht werden. Dies gilt um so mehr, als die Industrieländer nicht nur den Großteil der Rohstoffe auf dieser Welt verbrauchen, sondern auch den meisten Abfall produzieren. Zukunftsweisende Lösungen müssen individuelle Bedürfnisse mit möglichst geringem Stoffumsatz und damit möglichst wenig Abfall befriedigen.

Der in diesem Kontext verwendete Begriff einer „nachhaltigen (zukunftsfähigen)" Abfallwirtschaft verbindet sich mit dem von der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" des 13. Deutschen Bundestages verfolgten Anliegen, „ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielsetzungen gleichgewichtig Rechnung zu tragen und damit die ethische Verantwortung für die Gerechtigkeit zwischen den heute lebenden und den zukünftigen Generationen wahrzunehmen". [Fn.1: Enquete-Kommission 1997, S. 22 - Eine Übersicht über einschlägige Berichte dieser Enquete-Kommission bzw. ihrer Vorgängerin in der vergangenen Legislaturperiode ist diesem Konferenzbericht beigefügt. ] Aus ökologischer Sicht wird dies häufig an sog. „Management-Regeln" verdeutlicht. Hierzu zählen die Vorgaben,

  • erneuerbare Ressourcen nicht oberhalb deren Regenerationsrate zu nutzen,
  • nicht erneuerbare Ressourcen nur in dem Maße zu beanspruchen, in dem gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höherer Ressourcenproduktivität geschaffen wird,
  • Stoffeinträge an der Belastbarkeit von Umweltmedien zu orientieren und
  • das Zeitmaß menschlicher Eingriffe in natürliche Prozesse an dem Zeitmaß des Reaktionsvermögens dieser natürlichen Strukturen zu orientieren.

Ausgerichtet am Ideal der Kreislaufprozesse in der Natur, also der biologischen Kreisläufe, entstand die Vision, Stoffkreisläufe zu schließen, um die Nutzungsdauer zu verlängern und Abfallberge zu verringern. Mit der Inkraftsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrW-/AbfG) [Fn.2: Die zitierten Gesetzesquellen sind am Berichtsende zusammengestellt. ] am 7. Oktober 1996 ist ein wichtiger

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erster Schritt vollzogen worden. Festzustellen sind Verringerungen der absoluten Abfallmengen, die Umstellung auf neue Produktionsprozesse und die Beschreitung neuer Verwertungswege. Dem stehen allerdings auch ernste Probleme bei der Umsetzung des KrW-/AbfG in die Praxis entgegen. Vor einer genaueren Auseinandersetzung mit dieser ambivalenten Bewertung sollen im folgenden zunächst die zentralen Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, wie sie im KrW-/AbfG festgehalten worden sind, aufgeführt und erläutert werden.

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2. Grundsätze der Kreislaufwirtschaft

Zentrale Ansätze zum Einstieg in die Kreislaufwirtschaft sind die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen sowie die Durchsetzung der Produktverantwortung. Hierzu bietet das KrW-/AbfG die Basis zur Definition und Einordnung von Abfällen sowie zur Zuweisung von Ermächtigungsnormen an den Bund, entsprechende Regelungen zur Umsetzung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft zu erlassen. Dabei geht es im wesentlichen um folgende vier Aspekte, die der Leiter der Unterabteilung Abfallwirtschaft im Bundesministerium für Umwelt BMU erläuterte:

Erstens gilt die Vermeidung als oberstes Ziel. Die Verpflichtung zur Vermeidung von Abfällen ist an zwei Stellen im Gesetz verankert. Für die anlageninterne Kreislaufführung der Produktionsprozesse sind die Bestimmungen in § 9 KrW-/AbfG relevant, wo auf die Genehmigungsvoraussetzungen des Bundesimmissionsschutzgesetz [gemäß § 5Abs. l (3)] verwiesen wird. Für den Produktbereich und den Produktionsbereich gelten die Vorgaben gemäß §§ 22-26 KrW-/AbfG als einschlägige Normen, die über die Möglichkeiten des Verordnungsgebers, entsprechende Regelungen einzuführen, die Verwirklichung der Produktverantwortung anstreben.

Quantitative Vermeidung - d.h. weniger Abfallmengen - und qualitative Vermeidung - d.h. weniger problematische und gefährliche Abfälle, die leichter verwertet oder beseitigt werden können, - sollen durch das Gesetz in die Realität umgesetzt werden. Dabei ist die anlageninterne Kreislaufführung in der Produktionswirtschaft ein wichtiger Ansatz. Schon im Rahmen des Produktionsprozesses soll weniger Abfall und/oder weniger gefährlicher Abfall entstehen. Hier wird das Hauptpotential für die weitere Vermeidung gesehen. Auch bei der Produktgestaltung sind noch Einsparungen zu erzielen. Chancen bestehen in diesem Bereich z.B. durch eine Miniaturisierung oder eine Veränderung der Produkte. Das Ziel einer Kreislaufwirtschaft ist aber eigentlich nicht darin zu sehen, Produkte zu vermeiden, da weder der Konsument noch der Produzent dies wünschen und wollen. Grundsätzlich soll jedoch eine Beeinflussung des Konsumverhaltens hin zu

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abfallvermeidenden Produkten erfolgen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesen. Im Gesetz wurde hierzu in § 37 KrW-/AbfG eine Aufforderung mit apellativem Charakter verankert, die die Vermeidung von vornherein anzuregen anstrebt. Abfallvermeidung soll von der Quelle einer Abfallentstehung ausgehen.

Erste Erfolge der Vermeidung sind schon sichtbar. Seit 1993 ist die Gesamtabfallmenge erstmals deutlich rückläufig. Hierfür steht der Verpackungsbereich eines der bekanntesten Beispiele dar: Nach einem kontinuierlichen Anstieg der Verpackungsmengen bis 1991 (dem Jahr des Inkrafttretens der Verpackungsverordnung) gehen seitdem die absoluten Verbrauchsmengen deutlich zurück, was als Indiz für die zunehmende Vermeidung und den Rückgang der Gesamtabfallmengen zu werten ist. Weniger Verpackungen werden verbraucht, um das gleiche Ziel zu erreichen. Der Deutsche Städtetag DST sieht allerdings noch erheblichen Handlungsbedarf zur Durchsetzung des Vermeidungsgebots und plädiert dafür, in diesem Bereich mehr Instrumente auszuprobieren. Ähnlich wird in den Thesen zu einem Gutachten für den Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung festgestellt, daß das Ziel der Vermeidung durch die Schwergewichtsverlagerung auf die Verwertungsschiene immer mehr Alibifunktion erhält und zu seiner Erreichung zusätzliche Anreize und Steuerungsinstrumente (z.B. verstärkte Durchsetzung von Mehrwegsystemen) notwendig sein werden. [Fn.3: L. Böckels, G. Kmoch, Ch. Hagengut: Thesen zur Entwicklung des Hausmülls und des hausmüllähnlichen Abfalls, Düren Mai 1998]

Zweitens wird die Förderung der ordnungsgemäßen Verwertung von Abfällen als Ziel der Kreislaufwirtschaft innerhalb des KrW-/AbfG formuliert. Hierdurch soll ein positiver Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung unseres Landes und zur Ressourcenschonung geleistet werden. Die Bundesministerin für Umwelt sieht hierbei einen wichtigen Part auch bei der Wirtschaft. Diese müsse durch Entwicklung allgemeiner Rohstoff- und Produktnormen nachweisen, daß Abfälle nach der Verwertung wirklich zu hochwertigen Gütern verarbeitet werden. [Fn.4: A. Merkel: Politische Perspektiven der Kreislaufwirtschaft, Rede anläßl. des 9. Internationalen Recycling Congresses am 01 12.97 in Hamburg ]

Verwertung von Abfällen hat immer dann Vorrang vor der Beseitigung, wenn dies aus ökologischer und ökonomischer Sicht zu befürworten ist. Die Verwertung muß schadlos erfolgen. Dies bedeutet, daß keine Verlagerung von Umweltproblemen auf andere Bereiche stattfindet. Zudem darf sie nicht als reiner Selbstzweck angesehen werden, sondern muß technisch möglich, wirtschaftlich zumutbar und über vorhandene oder zu schaffende Märkte zu realisieren sein.

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Die Verwertung von Abfällen ist eine Pflicht für Erzeuger und Besitzer von Abfällen nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Sie ist somit keine Option, die der Abfallproduzent oder -besitzer verfolgen kann, sondern muß. Dabei ist eine sogenannte „hochwertige Verwertung" anzustreben. Eine Definition und Operationalisierung bleibt allerdings noch einer Diskussion mit betroffenen Akteuren in Politik und Gesellschaft vorbehalten. Zur Erfüllung dieser Pflicht ist eine Getrennthaltung der Abfälle bereits an der Quelle nötig und notfalls eine Vorbehandlung der Abfälle. Damit ist nicht nur die Verwertbarkeit eines Abfalles an sich, sondern auch die Notwendigkeit der Herrichtung einer Verwertung zu verwirklichen.

Ist die Beseitigung unter Berücksichtigung gewisser Merkmale umweltfreundlicher, so entfällt der gesetzliche Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung. Jedoch ist die bessere Umweltverträglichkeit in der Praxis nicht so leicht ermittelbar. Dieses Kriterium ist nicht als Instrument zur Bewertung für jeden Einzelfall gedacht, sondern nur als Hilfestellung, um extreme Fehlentwicklungen zu korrigieren und dann auf den Vorrang der Verwertung zu verzichten. Dabei wird eine sehr differenzierte Unterscheidung zwischen stofflicher und energetischer Verwertung vorgenommen. Es geht in beiden Fällen um den sogenannten Hauptzweck. Dieser kann im Fall der stofflichen Verwertung in der Substitution von Rohstoffen liegen, also der Erzielung von Sekundärrohstoffen, oder in der Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Rohstoffe, während es bei der energetischen Verwertung um den Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff geht. Abweichend zum europäischen Abfallrecht erfolgt eine Differenzierung zur thermischen Behandlung von Abfällen, die eine Form der Abfallbeseitigung darstellt. Ausschlaggebend ist wiederum primär der Hauptzweck der Nutzung und zwar ob es um ein Energiesubstitut geht oder ob eine Verbrennung dazu dient, schädliche Stoffe in Abfällen zu vernichten oder darin zu binden.

Bei der Unterscheidung zwischen der stofflichen oder der energetischen Verwertung ist dem umweltverträglicheren Verfahren der Vorrang einzuräumen. In der Praxis hat sich diese Bewertung - es sei als Stichworte nur auf die Problematik von Ökobilanzen und sog. „Abschneidekriterien" verwiesen - als sehr kompliziert erwiesen. Die Umweltverträglichkeit alternativer Verfahren erfordert komplexe Analysen und Bewertungsverfahren. Die Bundesregierung kann nach § 6 KrW-/AbfG, wo ihr eine Ermächtigung zum Erlaß entsprechender Verordnungen zugewiesen wurde, gewisse Weichenstellungen vornehmen. Beispielsweise wurden solche Regelungen in der Verpackungsverordnung mit der Vorgabe der Quoten für die stoffliche Verwertung verwirklicht. Mindestvoraussetzungen für die energetische Verwertung sind der Heizwert und der Wirkungsgrad der Feuerungsanlage. Das ist aber nur die notwendige Bedingung für die energetische

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Verwertung eines Abfalls. Die hinreichende Bedingung ist erst erfüllt, wenn der Hauptzweck, nämlich die Substitution anderer Energieträger, gewährleistet ist.

Die Unterscheidung von Abfällen zur Verwertung und Beseitigung ist vor allem vor dem Hintergrund der in Deutschland bestehenden Monopolstrukturen im Bereich der Abfallbeseitigung relevant, die ausschließlich einem öffentlich-rechtlichen Auftrag der Kommunen und Kreise unterliegt. Im Gesetz ist nun eine komplizierte Aufteilung erfolgt. Abfälle aus Haushalten sind nach wie vor den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern anzudienen, es sei denn, es ist eine Eigenverwertung vorgesehen. Die Zuweisung des übrigen Abfallbereichs hängt davon ab, ob es sich um Abfall zur Verwertung oder zur Beseitigung handelt. Abfälle zur Verwertung werden grundsätzlich den privaten Abfallbesitzern oder -erzeugern zugewiesen und können in privater Obhut verwertet werden. Abfälle zur Beseitigung müssen hingegen durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entsorgt werden, es sei denn, diese haben einen Ausschluß beschlossen oder es gibt eine Eigenentsorgung, ohne daß überwiegende öffentliche Interessen dagegen sprechen. Diese Aufteilung der Zuständigkeiten hat zu einer heftigen Diskussion geführt.

Die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) hatte dazu einen umfassenden Katalog vorgelegt, in dem eine Einteilung erfolgt, was als Abfall und was als Produkt zu verstehen ist sowie was als Abfall zur Verwertung und was als Abfall zur Beseitigung angesehen wird. Dieser Versuch der LAGA, eine Interpretation der gesetzlichen Inhalte vorzunehmen, ist auf heftige Kritik gestoßen. Der primäre Vorwurf konzentrierte sich auf eine starke Lastigkeit zugunsten der Feststellung von Abfällen zur Beseitigung, was nicht im Sinne des Gesetzes verstanden werden könne, nach dem Abfälle primär zu verwerten sind und Beseitigung nur zulässig ist, wenn eine Beseitigung aus den im Gesetz genannten Gründen nicht möglich ist. Ursache für diese Verschiebung mag die Auslastung bestehender kommunaler Einrichtungen sein oder auch das Ziel, Landesgesellschaften vorrangig zu bedienen. Konflikte bestehen bei dieser Definition jedoch mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem europäischen Recht. Dieses sieht bei Abfällen zur Verwertung grundsätzlich die Regelungen zum freien Warenverkehr vor, wohingegen bei Abfällen zur Beseitigung die Mitgliedsländer Autarkie anstreben sowie Exporte in andere EU-Länder verhindern und verbieten können. Eine einseitige Verlagerung der Abfälle in den Bereich der Beseitigung würde gegen europäisches Recht verstoßen, wenn damit gleichzeitig Andienungspflichten verbunden sind. Dieser Konflikt konnte in gemeinsamer Anstrengung von Bund und Ländern gelöst werden. Basis ist eine stärkere Abstraktion der gesetzlichen Begriffe. Darunter hat allerdings die Vollzugsfreundlichkeit gelitten. Deshalb sollen nun Listen mit Fallbeispielen erstellt werden, die mögliche Formen der Verwertung oder Beseitigung beschreiben und erkennen lassen, ob es sich um Abfall oder um ein Produkt

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handelt. Der alternative Weg des Erlasses einer Verwaltungsvorschrift durch den Bund wird geprüft.

Dabei besteht jedoch auf europäischer Ebene ein Regelungsbedarf zur Vereinheitlichung der Definitionen von Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung und bezüglich der Regelungen des Umgangs mit diesen Abfallarten fort. Als Beispiel für die kontinuierlichen Konflikte ist auf den Rechtsstreit der Bundesrepublik mit der Europäischen Union hinsichtlich der Untersagung des Exports von Abfällen zur Verbrennung in belgischen Zementwerken zu verweisen. Auch die im deutschen Recht vorhandene Ermächtigung zur Formulierung von Andienungspflichten für Abfälle zur Verwertung kollidiert mit dem europäischen Abfallrecht.

Drittens sind innerhalb des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Anforderungen an eine umweltgerechte Entsorgung von Abfällen formuliert worden. Bislang existieren in Deutschland und Europa im wesentlichen nur Anforderungen an die Beseitigung, z.B. die technischen Anleitungen für Sonder- und Siedlungsabfälle oder die Anforderungen an den Immissionsschutz bei der Verbrennung von Abfällen. An die Verbrennung von Abfällen werden Anforderungen des Immissionsschutzrechts formuliert ungeachtet dessen, ob es sich um eine Verwertung oder eine Beseitigung handelt. Dies ist jedoch einer der wenigen Fälle, wo Anforderungen an die Verwertung von Abfällen gestellt werden. Nach dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft soll die Verwertung von Abfällen in Zukunft in sämtlichen Produktionsprozessen stattfinden und würde somit die gesamte Palette der produzierenden Industrie umfassen. Hier fehlen derzeit konkrete materielle Anforderungen an eine solche umweltgerechte Abfallverwertung. Es kann aber auch nicht Ziel sein, für sämtliche Produktionsprozesse Rechtsverordnungen zu erlassen. Statt dessen ist es Ziel der Bundesregierung, die Industrie ihrerseits zu einer Entwicklung und Umsetzung technischer Regeln und Standards zu bewegen, wobei der Gesetzgeber jederzeit die Option hat, bei unzureichender Beachtung der Umweltfolgen Rechtsvorschriften erlassen zu können. Priorität zum Erlaß solcher Bestimmungen wird die Verbrennung von Abfällen in Industrieanlagen haben. Ein erster Entwurf liegt bereits für die Verbrennung von Abfällen in Zementöfen oder für die stoffbezogene Entsorgung von Holzabfällen vor.

Viertens soll der Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft durch die Übertragung der Produktverantwortung über den Lebenszyklus bis zur Abfallentsorgung auf den Produzenten verwirklicht werden. Ziel der Regelungen gemäß §§ 22 KrW-/AbfG ist somit die Einbeziehung des Produzenten in die Entscheidung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen. Die Versorgung des Konsumenten mit Produkten erfolgt über den Handel. Am Ende der Lebensdauer eines Produktes steht dann die Entsorgung. Bislang kamen hierfür die öffentlich-rechtlichen Entsorger in Frage und konnten die Produkte auf die Deponie ablegen oder

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in die Müllverbrennung geben. Neuerdings existiert daneben die dritte Form, die der Verwertung. Diese ist aber auf der Ebene der Kommune schwierig umzusetzen. Die Kosten einer aufwendigen Verwertung sind höher als die der Verbrennung oder Deponierung, das induziert höhere Gebühren. Verwertung heißt Rückführen der wiedergewonnenen Stoffe und Materialien, der Sekundärrohstoffe. Der Sekundärrohstoffhandel ist für die dezentral operierenden Kommunen ein schwieriges Feld. Im Rahmen der Produktverantwortung sollen deshalb die Produkte am Ende der Lebensdauer über ein Logistiksystem zum Handel oder Hersteller zurückgeführt werden oder über das Instrument eines sogenannten Dritten, der die Aufgaben der Rückführung, Aufbereitung und weiteres übernimmt. Wesentlich ist die Internalisierung der Entsorgungskosten in den Produktpreis. Denn nur derjenige wird am Markt einen Wettbewerbsvorteil erlangen, der diese Aufgabe am kostengünstigsten übernehmen kann. Damit soll ein Grundprinzip der freien Marktwirtschaft, nämlich der Wettbewerb in der Kreislaufwirtschaft übernommen werden.

Die Praxis ist jedoch komplizierter. Die Umsetzung des Grundprinzips kann über freiwillige Selbstverpflichtungen erfolgen, über Zielvorgaben der Bundesregierung, über Rechtsverordnungen oder ökonomische Instrumente, die jeweils ähn-

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liche Wirkungen auslösen. Gerade ökonomische Instrumente sind in ihrer Vielfalt von reinen Abgabenlösungen über Haftungsregeln bis hin zur Unterstützung ordnungsrechtlicher Vorgaben durch Pfandlösungen bislang kaum zur Geltung gelangt obgleich sie gemäß der Verlautbarungen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission als zentrale Ansatzpunkte angesehen werden. Darüber hinaus können auch neuartig in der Abfallpolitik eingesetzte Instrumente, wie z.B. das „Öko-Leasing", bei dem der Hersteller zur Rücknahme des Produktes nach der 'Nutzungsphase kraft der Eigentumsverhältnisse und -pflichten veranlaßt werden soll, zur Umsetzung der Produktverantwortung beitragen. Hier ist jedoch die Eignung einzelfallspezifisch zu prüfen, da bspw. das Leasing vornehmlich im Bereich der Investitionsgütermärkte Vorteile aufweist, bei Massenkonsumakten hingegen die ordnungsgemäße Verwendung und Rückgabe kaum sichergestellt werden kann. Wie der Leiter der Unterabteilung Abfallwirtschaft im BMU erläuterte, zeigen sich gerade bei einer Betrachtung von Einzelfällen Probleme der Durchsetzung der Produktverantwortung:

Beispiel Bioabfälle: Diese Abfälle werden eingesammelt, aber die Verwertung ist äußerst schwierig. Hier sind zwar Probleme des Erfassens und Produzierens der Sekundärrohstoffe gelöst, die Verwendung ist allerdings komplizierter, da hier z.T. Akzeptanzprobleme auftreten und Marktpreise verzerrt sind.

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Beispiel Altautoregelung: Hier erfolgte eine Kombination aus freiwilliger Selbstverpflichtung und Rechtsverordnung, bei der aber das Ziel der Internalisierung der Kosten in den Produktpreis verfehlt wurde. Lediglich für Autos bis zum Alter von 12 Jahren erfolgt eine kostenlose Rückführung, was zugleich den ungefähren break-even-point darstellt, bei dem die Entsorgungskosten den Verwertungserlösen noch entsprechen. Für alle Akteure herrschen bei Neuwagen somit gleiche Bedingungen. [Fn.5: Zu weiteren Einzelheiten der Altautoverordnung vgl. unten S. 31 ff.]

Beispiel Batterieverordnung: Nachdem Bundestag und Bundesrat dem mehrfach überarbeiteten Verordnungsentwurf zugestimmt haben, wird die Verordnung Anfang Oktober 1998 in Kraft treten. Bei dieser Verordnung handelt es sich um die Umsetzung der EG-Richtlinie über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren aus dem Jahr 1991. Die Regelung betrifft vor allem die schadstoffhaltigen Batterien. Problematisch ist hierbei vor allem das nachlässige Verbraucherverhalten (Umweltgutachten 1998). Es gilt, den irrtümlichen Eintrag von schadstoffhaltigen Batterien in den Hausmüll zu vermeiden, der schon in geringen Mengen eine erhebliche Umweltbelastung bedeutet. Deshalb ist vorgesehen, die Rücknahme-, Verwertungs- und Beseitigungspflichten auf schadstoffarme und -freie Batterien auszudehnen. Greifen die freiwilligen, alle Gerätebatterien betreffenden Selbstverpflichtungen von Batterieherstellern, -importeuren und Handel, soll die Notwendigkeit der Ausweitung der Verordnung überprüft werden. Als Alternative zu einer allgemeinen Rücknahmepflicht empfiehlt der Umweltrat eine Pfandregelung für schadstoffhaltige Batterien, die innerhalb des EG-rechtlichen Rahmens möglich ist, und eine Entsorgung der sonstigen Batterien über den Hausmüll.

Insgesamt sind nach Auffassung des Referenten aus dem BMU bei der Durchsetzung einer Produktverantwortung drei Problembereiche zu unterscheiden:

  1. Die Logistik, d.h. die Organisation des Stoffstroms (Redistribution) muß geregelt werden.
  2. Der Datenstrom, d.h. der Aufbau des Informationsflusses, ist zu lenken, damit jeder weiß, was er tun kann und soll, und daß dies überprüft werden kann.
  3. Der Geldstrom ist zu organisieren, d.h. die Entscheidung darüber ist zu treffen, wer an welcher Stelle wieviel und an wen zahlt und was mit dem eingesammelten Geld zu geschehen hat.

Gerade in diesem dritten Problemkontext entzünden sich die meisten politischen Konflikte. Grundsätzlich stellt sich der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft, wie er mit Verabschiedung des KrW-/AbfG angestrebt wurde, als langfristige, integrale - Produktion und Konsum gleichermaßen betreffende - Aufgabe dar, die auch

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künftig Handlungsbedarf zeigen wird und zusätzlich eine internationale Abstimmung innerhalb der Europäischen Union und mit anderen Industrieländern erfordert.

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3. Abfallpolitische Problemfelder

3.1 „Ökodumping" in der Abfallwirtschaft

Der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft, wie er mit Inkrafttreten des KrW-/AbfG angestrebt wurde, zielt auf ein nachhaltiges Wirtschaften und soll damit entscheidend die Produktion des 21. Jahrhunderts beeinflussen. Verringerungen der Abfallmengen in den vergangenen Jahren wurden bereits als deutliches Signal zum Vollzug dieser Zielsetzung gewertet. Auffällig sind nach Angaben des stellv. SPD-Mitglieds im Bundestagsausschuß für Umwelt vor allem die Veränderungen im Bereich der besonders überwachungsbedürftigen Abfälle. Hierbei handelt es sich nach Angaben des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen SRU u.a. um Schlämme aus industriellen Abwasserreinigungsanlagen, Altöle, Lackschlämme, Schleifschlämme, Schlämme aus Tank- und Faßwäsche, kontaminierte Böden und Produkte aus Reinigungsanlagen, Filter- und Bleicherden, Öl-Wasser-Emulsionen, Lösemittel und Lösemittelgemische, belastete Abwässer, ölhaltige Betriebsmittel und kontaminiertes Verpackungsmaterial (Umweltgutachten 1998). Im Bereich der Entsorgung solcher Sonderabfälle läßt sich in Deutschland ein Rückgang der Mengen um 1 Mio. t seit 1993 feststellen. Dieser statistische Wegfall von Abfall wird von einigen schon als der gewünschte Wechsel in die abfallarme oder sogar abfallfreie Produktionsweise interpretiert. Ein Blick auf die Abfallströme im Bereich der Sonderabfallentsorgung weist jedoch ein anderes Bild aus. Nach den Ermittlungen der Deutschen Projekt Union wurden in den letzten Jahren jährlich etwa 1 Mio. t Abfälle nicht mehr inländischen - der 17. BImSchV unterworfenen - Sonderabfallverbrennungs-, Bodenbehandlungs-, Altölaufbereitungs- oder chemisch/physikalischen Behandlungsanlagen zugeführt (vgl. Abb. 3). Für diese Abfälle zeigen sich nach Einschätzung des SPD-Politikers eindeutige Indizien für Verstöße gegen existierende Standards einer dauerhaft umweltgerechten (nachhaltigen) Verwertung und Beseitigung von Abfällen, ein sog. „Ökodumping". Unter „Ökodumping" wird im folgenden eine unter dem Gütesiegel der Verwertung stattfindende Entsorgung verstanden, die hinter der aktuellen rechtlichen Situation zur Sonderabfallentsorgung zurückfällt.

Der Wegfall von Sonderabfall in Verbrennungsanlagen wurde zunächst den Verwertungs- und Vermeidungserfolgen zugeschrieben. Tatsächlich sind die Abfälle jedoch nicht vermieden, sondern auf andere Art und Weise verwertet oder beseitigt worden. Statt in den dafür gebauten Anlagen zur geordneten und umwelt

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Verkleinerte Darstellung der Abbildung 3 Bild vergrößern


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gerechten Sonderabfallbeseitigung - Sonderabfallverbrennungs- oder Altölaufbereitungsanlagen - wird Abfall zunehmend vielfältig gehandelt und verwertet:

  • z.B. in Zementanlagen mit steigenden Anteilen brennbarer Sonderabfälle im In- und Ausland,
  • oder in ausländischen Sonderabfallverbrennungsanlagen, wo zum Teil deutlich andere Standards und niedrigere Kosten vorherrschen,
  • oder auf Deponien im Inland und Ausland, wo als Vorbehandlung allenfalls eine Andickung stattfand,
  • oder in sonstigen Industrieanlagen nach einer Vermischung, die trotz eines Vermischungsverbots vorgenommen wurde.

Mit zwei Beispielen aus der Praxis verdeutlichte der Referent aus der SPD-Bundestagsfraktion dieses Öko-Dumping:

  • Lackschlämme und ölhaltige Betriebsmittel aus Thüringen
    1. Stufe: Abfallerzeuger übergibt an ortsansässiges Entsorgungsunternehmen ca. 600 DM/Mg
    2. Stufe: ortsansässiger Entsorger übergibt an großes überregionales Entsorgungsunternehmen; dieses transportiert in Zwischenlager außerhalb des Landes = Entsorgungsnachweis endet
    3. Stufe: aus Zwischenlager geht das Material zu Mischbetrieb in NRW; dieser konditioniert mit Sägespänen, Kosten max. 150 DM/Mg
    4. Stufe: zweiter Transporteur exportiert zur Verwertung in belgische Zementwerke, Zuzahlung dort max. 50 DM/Mg, mit Umweltstandards, die nicht TA Luft entsprechen
  • Schleifschlämme und Lackschlämme aus Baden-Württemberg
    1. Stufe: von kleinen Abfallerzeugern über regionalen Sammler über Sammelentsorgungsnachweis zunächst für ca. 800 DM/Mg entsorgt
    2. Stufe: Mischbetrieb in Baden-Württemberg, Konditionierung mit Sägespänen, Unkosten max. 150 DM/Mg
    3. Stufe: Transporteur nach Belgien
    4. Stufe: Makler in Belgien leitet an Zementwerke weiter; im Zementwerk kostenneutrale Annahme, da Energiesteuer eingespart wird

1993 hatte die Behandlung von Sonderabfällen in geordneten Entsorgungsanlagen folgende Struktur:

  • 2 Mio. t Sonderabfall sind in den Sonderabfallentsorgungsanlagen angekommen;
  • 1 Mio. t ist auf Hausmülldeponien gelandet;
  • 200.000 t sind in den Versatz gegangen;
  • 1,3 Mio. t in Sonderabfallverbrennungsanlagen

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  • 100.000 t in Hausmüllverbrennungsanlagen sowie
  • diverse Restposten.

Für 1996/97 ergibt sich demgegenüber folgendes Bild:

  • 1 Mio. t Sonderabfall sind in den Sonderabfalldeponien angekommen; davon 100.000t nicht mehr zulässig nach der TA-Abfall, also flüssig organischer Abfall.
  • 200.000 t sind auf Hausmülldeponien gelandet, davon ein großer Teil Shredderleichtfraktion;
  • 0,3 Mio. t in Sonderabfallverbrennungsanlagen,
  • eine steigende Tendenz in Hausmüllverbrennungsanlagen,
  • ebenso zunehmende Mengen in Zementwerken,
  • im Export sowie
  • im Bereich des Versatzes und
  • diverse Restposten.

Zwischen 1993 und 1996 herrschte eine gewisse Wahlfreiheit zur Sonderabfallentsorgung, ein de-facto rechtsfreier Raum, der auch durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht mehr eingefangen werden konnte. Dieses hat dazu beigetragen, daß zwischen 1993 und 1997 z.T. illegale Handlungen stattgefunden haben.

Bis 1993 war der Umgang mit besonders überwachungsbedürftigen Abfällen durch folgende Randbedingungen bestimmt:

  • Oftmals fand die Entsorgung auf einer werkseigenen Deponie statt.
  • Es herrschten steigende Entsorgungskosten wegen fehlender Entsorgungskapazitäten und hochpreisiger, aber in viel zu geringem Umfang verfügbarer End-of-the-Pipe-Angebote.
  • Fehlende Anlagenkapazitäten führten zur Gründung von Andienungsgesellschaften zur Lenkung der Sonderabfallströme.

Zwischen 1993 und 1997 erfolgte eine völlige Umkehrung der Stoffströme:

  • Wege zur Verwertung von Reststoffen aus Anlagen nach BImSchG wurden ausgebaut, z.T. auch im Ausland, wo es oftmals zur Erteilung von Nachgenehmigungen kam.
  • Durch Verwertungswege im Ausland wurde der Markt entlastet, der Mengenrückgang im Inland äußerte sich in einem zunehmenden Preisverfall.
  • Andienungsgesellschaften wurden z.T. durch Deklaration von Abfällen als Reststoff zur Verwertung umgangen, einige Bundesländer führten Andienungspflichten für überwachungsbedürftige Reststoffe zur Verwertung ein.

Beim Rückgang der Sonderabfallmengen ist als zusätzlicher Faktor auch die abgeschwächte Konjunktur zu berücksichtigen. Weiter führten Verfahrensumstellungen zu einer Verringerung des Aufkommens. Schließlich trug auch die Verlage-

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rung von Produktionsstätten in Länder mit Substandard zum Wegfall von Sonderabfall in Deutschland bei.

Die Entscheidung über die Gestaltung der zukünftigen Sonderabfallströme bedarf einer Abgrenzung zwischen Reststoff und Abfall sowie zwischen Abfall zur Beseitigung und Abfall zur Verwertung. Dieses hätte man bei den brennbaren Sonderabfällen über den Heizwert und den Schadstoffinhalt regeln können. Weist der Sekundärrohstoff ähnliche Eigenschaften auf wie der Primärrohstoff, dann kann der Sekundärrohstoff verwertet werden. Bei der Verwertung von Sekundärrohstoffen handelt es sich nicht um einen bloßen Entledigungsvorgang, sondern um einen Substitutionsprozeß von Primärrohstoffen. Vor diesem Hintergrund müßte nach Auffassung des SPD-Politikers für Sekundärrohstoffe und nicht für die Entledigung ein Entgelt gezahlt werden. Der Endverbraucher wird über derartige Verwertungswege im Entsorgungsbereich entlastet, aber nicht im Produktbereich.

Tatsächlich herrscht jedoch eine ausgeprägte Unsicherheit über die Interpretation von Rechtsbegriffen und über den Vollzug existierender Regelungen zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwertung und Beseitigung von Abfällen. Hinzu treten Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Frage, ob besonders überwachungsbedürftige Abfälle einer Andienungspflicht unterliegen sollten oder nicht. Dies fördert national zusätzlich die Unsicherheit über die Rechtssituation für Abfall- und Reststoffbesitzer. Als Ergebnis entstehen Anreize, Verwertungs- und Beseitigungswege für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zu nutzen, die nach geltendem Recht nicht den Standards eines umweltgerechten Reststoff- und Abfallmanagements entsprechen. Nach Angaben des stellv. SPD-Mitglieds in der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" zählen zu den vielfältigen Einzelfällen solcher Vorgehensweisen mit unerwünschten Folgen für die Umwelt:

- die Vermischung von Abfällen zur Brennstoff Herstellung mit Sägespänen:

Da die Anlagen in der Regel als Reststoffverwertungsanlagen genehmigt wurden, fehlen häufig eine Einhausung und Abluftabsaugung bzw. -reinigung. Die Untergrundabdichtung ist oftmals nicht als ausreichend anzusehen. In Deutschland gab es 1996 noch offene Mischgruben, in denen die Vermischung per Bagger vorgenommen wurde. Im benachbarten Ausland sind noch zusätzliche umweltgefährdende Ausstattungsdefizite vorzufinden.

- der Zuschlag von Abfällen zu Kohleprodukten:

Hier wurden die Anlagen z.T. noch bergrechtlich genehmigt, so daß Anforderungen der TA Abfall keine Beachtung fanden. Dementsprechend ist an einigen Anlagen eine offene Sonderabfallablagerung, fehlende Absaugvorrichtungen und eine unzureichende Bodenabdichtung vorzufinden. Häufig existiert kein Er-

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fordernis zum Nachweis der Belastungen für das Produkt „Industriekohle". Abnehmer dieses Produkts erhalten daher unzureichende Informationen über die tatsächlichen Belastungen, bspw. im Hinblick auf stark schwankende Schwermetallgehalte aufgrund einer Einarbeitung kontaminierter Böden aus der Altlastensanierung.

- die Mitverbrennung von Abfällen in Zementwerken:

Gefahren bestehen auch hier durch eine offene Lagerung und fehlende Untergrundabdichtungen. Darüber hinaus existiert ein hohes Maß an Unsicherheit über tatsächliche Umweltgefährdungen aufgrund einer unzureichenden Bestimmung des Gehaltes von Schwermetallen im eingesetzten Sonderabfall, vor allem auch Quecksilber, sowie aufgrund des Einsatzes nicht genehmigter Abfälle in ungenügend kontrollierten Einzelfällen. Es gibt jedoch auch Zementwerke, die als Vorbild dienen können (z.B. in Schleswig-Holstein).

- der Versatz in Bergwerken:

Gerade diese Entsorgungsalternative findet im Zuge der Umsetzung des KrW-/AbfG als Verwertung zunehmend im Ruhrgebiet und in Ostdeutschland Anwendung, obwohl eine Notwendigkeit zum Einsatz von Versatz und ein sicherer Einschluß des Versatzes nicht immer gegeben erscheint. Darüber hinaus ist von Falschdeklarationen und unzureichenden Dokumentationen des Verbleibs von Abfallstoffen in Einzelfällen auszugehen. Aufgrund oftmals unzureichender Verweilzeiten nach der Herstellung der Versatzmischung kann es zu einem Ausgasen kommen. Darüber hinaus ist teilweise die Sammlung zündfähiger Gase infolge des Abstellens der Bewetterung in den Versatzbereichen möglich.

Weiter werden in West- und Ostdeutschland vielerorts gesetzliche Anforderungen an den Umgang mit besonders überwachungsbedürftigen Abfällen auf Deponien und Sortieranlagen unterlaufen. Die Folgen solcher Entwicklungen sind vielfältig:

  • auf Sonderabfalldeponien bspw. die Bildung hoch schadstoffhaltiger Deponiegase,
  • in Steinkohlebergwerken die Leitung schwermetallhaltigen Sümpfungswassers nach übertage,
  • in Salzbergwerken Wasserstoffexplosionen bei unsachgemäßer Handhabung,
  • in Zementwerken die unkontrollierte Freisetzung schwermetallhaltiger Emissionen sowie
  • in Müllverbrennungsanlagen die Verursachung von Bränden aufgrund der Annahme leicht entzündlicher Stoffe.

Gerade solche Einzelfälle mit dem Risiko weitreichender Folgen weisen nach Auffassung des SPD-Politikers auf die Notwendigkeit einer detaillierten Auseinander-

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setzung mit der Umsetzung von Regelungen zum Einstieg in die Kreislaufwirtschaft hin. Die Deregulierung des Abfallrechts im Zuge der Verabschiedung und Umsetzung des KrW-/AbfG läuft hier den Interessen eines Schutzes vor umweltgefährdenden Entsorgungswegen entgegen. Beispiele für notwendige Veränderungen des rechtlichen Rahmens zum Umgang mit Abfällen sind:

  • Selbstverpflichtungen der Zementwerksbetreiber zur ausschließlichen Verwertung von Abfällen mit geringem Schwermetall- und Quecksilbergehalt, angeglichen an Werte für Regelbrennstoffe;
  • bundeseinheitliche Regelungen zur Formulierung zulässiger Schadstoffgehalte beim Bergversatz („Stand der Technik");
  • Einschränkung der Vermischung von Abfällen auf Fälle, bei denen nach Maßgabe des Endentsorgers vorgegangen werden kann;
  • großräumige Nutzung vorhandener Müllverbrennungsanlagen zur Siedlungsabfallentsorgung;
  • Orientierung der Verbrennung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen an den Schadstoffgehalten;
  • Sicherstellung eines kontrollierten Abfallmanagements durch Ausbau und Durchsetzung von Andienungspflichten in Verbindung mit Andienungsgesellschaften;
  • Ausschluß bzw. Eingrenzung der Zwischenlagerung von Abfällen als Basis zur Anerkennung von Entsorgungsnachweisen;
  • Lenkung der Abfallströme durch Erstellung von Abfallentsorgungsplänen der Länder sowie
  • eindeutige und bundesweit bzw. EU-weit akzeptierte Abgrenzung von Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung.

Insgesamt muß nach Auffassung des Referenten aus der SPD-Bundestagsfraktion verhindert werden, daß die Kreislaufwirtschaft zu einer reinen Belebung des Fahrgeschäfts der Entsorgungsunternehmen degeneriert. Auch der Deutsche Städtetag plädiert für eine Unterbindung von „Mülltourismus" im großen Stil und fordert, daß die Landesregierungen zu aller erst für eine Entsorgung des Abfalls in den Grenzen der Bundesländer über bestehende Anlagen sorgen müßten. Denn es liege im öffentlichen Interesse, wenn ein landesweites Abfallmanagement zur hohen Auslastung vorhandener Kapazitäten und damit zu Reduzierungen des Kostendrucks führt. Für den SPD-Politiker darf es weiter nicht zu einer Vernachlässigung sämtlicher Umweltstandards bei der endgültigen Entsorgung kommen. Darüber hinaus ist im hausmüllähnlichen Gewerbeabfallbereich der Tatsache Rechnung zu tragen, daß für Abfallerzeuger in Industrie und Gewerbe Kostenentlastungen durch Nutzung bundesweiter Entsorgungskostendifferenzen erfolgen, die der überlassungspflichtige Privathaushalt durch Minderauslastung kommunaler Anlagen und entsprechende Steigerung der Gebühren mitfinanziert. Ein Erlaß und intensivierter Vollzug zusätzlicher Regelungen zur Eingrenzungen

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solcher Fehlsteuerungen der Abfallströme sind daher notwendige Schritte auf dem Weg in eine tatsächliche Kreislaufwirtschaft.

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3.2 Privatisierungstendenzen und Unterauslastung von Entsorgungskapazitäten

Der Deutsche Städtetag DST stellt fest, daß die kommunalen Gebietskörperschaften seit dem Erlaß des Gesetzes über die Beseitigung von Abfällen im Jahr 1972 - oft in enger Zusammenarbeit mit der privaten Entsorgungswirtschaft - eine zuverlässige, umweltverträgliche und kostengünstige Abfallsammlung, - Verwertung und -beseitigung sichergestellt haben. Damit wurde zugleich für qualifizierte und sichere Arbeitsplätze gesorgt. Gemäß gesetzlichem Auftrag wurden in dieser Zeit über 50.0000 ungeordnete Müllkippen geschlossen, gesichert und vielerorts mit erheblichem technischem und ökonomischem Aufwand saniert. Da bis Anfang der 90er Jahre das Eintreten von Entsorgungsnotständen befürchtet wurde, tätigten die Städte, Gemeinden und Kreise - auch im Vertrauen auf die Gültigkeit der bestehenden Rahmenbedingungen - zusätzlich große Zukunftsinvestitionen in die bis heute 430 geordneten Deponien und 52 Müllverbrennungsanlagen innerhalb der Bundesrepublik.

Mit dem Übergang auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz fand dann ein Systemwechsel statt. Das Entsorgungsmonopol der entsorgungspflichtigen Körperschaften wurde ersetzt durch die grundsätzliche Verpflichtung der Erzeuger und Besitzer von Abfällen zu deren Verwertung. Hierin zieht der DST einen weiteren Versuch der Bundesregierung, vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte und der immer dramatischeren Beschäftigungskrise ihr ordnungspolitisches Konzept der Privatisierung konsequent durchzusetzen und damit die kommunale Wirtschaft zu beseitigen. Da die Abfallwirtschaft als klassisches Element der öffentlichen Daseinsvorsorge aufgefaßt wird, befürchtet man generell massive Eingriffe in die traditionellen Handlungsspielräume und speziell Fehlentwicklungen bei der Steuerung der Abfallströme. Während es der Bundesregierung im Kern um durch Wettbewerb zu induzierende „innovative" Entsorgungswege und um die drastische Verringerung angeblich zu hoher Entsorgungskosten gehe, zeichnet sich für den DST als neue Arbeitsteilung die Privatisierung der Chancen (Gewinne) und eine Sozialisierung der Risiken (Verluste) ab. Ähnlich wie in der Energiewirtschaft und in der Telekommunikation führe des zu einer massiven Entkommunalisierung bei gleichzeitiger massiver Unternehmenskonzentration. Mit dem KrW-/AbfG würden Abfälle den kommunalen Entsorgungsträgern gezielt vorenthalten. Man strebe nicht die nach dem Gesetz geforderte Eigenverwertung von Abfällen - z.B. durch Eigenkompostierung - an, sondern eine Fremdverwertung durch private Entsorgungsunternehmen unter Umgehung der kommunalen Abfallbehand-

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lungs- und -beseitigungseinrichtungen. Damit stünden mittelfristig die kommunalen Entsorgungseinrichtungen (Investitionen und Arbeitsplätze) insgesamt zu Disposition.

Für die private Entsorgungswirtschaft beinhaltet die neue gesetzliche Regelung dagegen nur unzureichende Privatisierungsansätze. Beim Hausmüll, bei den hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen und beim Sonderabfall bleibt es beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsmonopol. Hier ist nach Einschätzung des Umweltrates solange kaum mit einer Zustimmung der bislang entsorgungspflichtigen Körperschaften zu einer Übertragung der Aufgaben an Private zu rechnen, wie diese bei abnehmenden Abfallmengen um die Auslastung ihrer Anlagen fürchten (Umweltgutachten 1998). Das bedeutet, daß das Privatisierungspotential in der Abfallwirtschaft nach wie vor nicht ausgeschöpft wird. Dies läßt nach Auffassung des SRU das Bekenntnis des Gesetzgebers zur Privatisierung mehr als Lippenbekenntnis und nicht als eine ernsthaft verfolgte politische Strategie erscheinen.

Seit Inkrafttreten des KrW-/AbfG klagen die Städte, Gemeinden und Kreise insbesondere über stark rückläufige Mengen von Gewerbemüll. Abfälle, die bislang in kommunalen Anlagen entsorgen wurden, würden jetzt den zu verwertenden Abfällen zugeordnet und in privaten Anlagen entsorgt. In dieser Entwicklung, die evtl. auf unterschiedliche Abgrenzungen der Abfälle zur Verwertung zurückgeführt werden kann, [Fn.6: In gerichtlichen Entscheidungen werden an Abfälle zur Verwertung gemäß KrW-/AbfG geringere Anforderungen gestellt als an Wirtschaftsgüter gemäß Abfallgesetz von 1986.] sehen die Kommunen die Hauptursache dafür, daß ihre wegen der befürchteten Entsorgungsnotstände getätigten zukunftsorientierten abfallwirtschaftlichen Investitionen jetzt mit spürbaren Auslastungsproblemen konfrontiert sind. Für den DST werden bei der Umsetzung der Privatisierungsansätze des KrW-/AbfG Überkapazitäten in kommunalen Anlagen bewußt in Kauf genommen. Damit solle wohl nachträglich die kommunale Unfähigkeit zu marktgerechtem Verhalten dokumentiert werden: Die „dummen" kommunalen Abfallentsorger scheinen überall unterausgelastete Verbrennungsanlagen zu betreiben oder Abfälle für Deponien zu suchen, die nach dem neuesten technischen Stand in jüngster Vergangenheit errichtet worden sind.

Im Zuge der rückläufigen Abfallmengen ist aus dem Kampf gegen Abfälle ein Kampf um Abfälle geworden. Es kommt zu deutlichen Verschärfungen des Wettbewerbs in der Entsorgungswirtschaft. Dabei reagieren die Kommunen auf die Überkapazitäten bei ihren Deponien und Müllverbrennungsanlagen mit Preissenkungen für gewerbliche Abfälle. Der Umweltrat stellt fest, daß es sich lohnt, die Entsorgungspreise auch unter die Durchschnittskosten abzusenken, wenn die zusätzlichen Umsätze nicht nur den Ausgleich der direkt zurechenbaren Kosten, sondern auch noch einen Deckungsbeitrag zu den hohen Fixkosten der Entsor-

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gungsanlagen bringen (Umweltgutachten 1998). Gleichzeitig werden die Fixkosten stärker auf die übrigen Abfallerzeuger - vor allem auf die privaten Haushalte - verlagert. So entsteht das aus Sicht der DST völlig schiefe Bild, daß die Kommunen die Gebühren für die Bevölkerung hochtreiben, während die kosten - und preisbewußten Privatunternehmer die einzig richtigen Dienstleistungen in der Abfallwirtschaft anbieten.

Die kritische Auslastungssituation und die damit verbundenen Entwicklungstrends bei den Entsorgungspreisen (Preissenkungen im gewerblichen Bereich, Gebührensteigerungen bei den Haushalten) können aber nicht ausschließlich den Privatisierungsansätzen des KrW-/AbfG zugeschrieben werden. Vielmehr spielen hier eine Reihe weiterer Faktoren, die auch bereits vor dem Inkrafttreten des KrW-/AbfG im Jahr 1996 wirksam waren, eine wichtige Rolle. Hierzu zählt einmal der bereits erwähnte Rückgang des Abfallaufkommens aus der Wirtschaft und aus den Privathaushalten. Hier ist mit weiteren Abnahmen zu rechnen. PROGNOS geht in seinen Berechnungen für den Entsorgungsmarkt bis zum Jahr 2010 von einer Verringerung der Restabfallmenge aus Haushalten und Industrie/Gewerbe auf 21 Mio. t pro Jahr aus gegenüber knapp 36 Mio. t im Jahr 1995. Zum anderen steht durch die Verpackungsverordnung den Kommunen seit 1991 ein wichtiges Abfallsegment nicht mehr zur Verfügung. Weiter setzt die Wirtschaft seit einer Reihe von Jahren aus ökonomischen und ökologischen Gründen verstärkt auf die Vermeidung, Aufbereitung und Verwertung von Produktionsabfällen.

Gegenläufig zu diesen Veränderungen beim Abfallaufkommen sind die Entwicklungen bei den Entsorgungskapazitäten. Wie erwähnt, wurde bis in die 90er Jahre in neue Müllverbrennungsanlagen und geordnete Deponien investiert, weil mit einem Entsorgungsnotstand gerecht wurde. Hinzu kommt, daß neue Entsorgungswege an Bedeutung gewinnen. Hierbei spielt neben Verbringungen im Bergbau die Nutzung von Abfällen als Energiequelle in Stahl-, Zement- und Kraftwerken eine wichtige Rolle. Hier kommt es vielerorts zu Verzerrungen im Wettbewerb von Entsorgungsanlagen, weil unterschiedliche Standards zur Beachtung der Umweltfolgen bei der Entsorgung von Abfällen bestehen. Dies wird vor allem für den Bereich der besonders überwachungsbedürftigen Abfälle konstatiert. Während Müllverbrennungsanlagen den strengen Anforderungen der 17. Verordnung gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz unterliegen, gelten für Verwertungsanlagen - wie bspw. Zementwerke - weniger anspruchsvolle Standards, bis zum 1.12.1996 ausschließlich gemäß der TA Luft. Dementsprechend werden bei der Abfallverbrennung außerhalb von Müll- und Sondermüllverbrennungsanlagen z.T. mehrfache Erhöhungen der Emissionsfrachten befürchtet. Nicht zuletzt aus ökologischen Gründen fordert deshalb der DST, daß die Mitverbrennung von Abfällen in Zementdrehöfen oder in Hochöfen unterbleibt

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und statt dessen bestehende Müllverbrennungsanlagen bzw. Müllheizkraftwerke durch die entsprechenden Abfälle besser ausgelastet werden.

Zu einer Umlenkung von Abfallströmen trägt schließlich auch die TA Siedlungsabfall TASi bei. Dieses Regelwerk soll künftig einen Schutz vor neuen Altlasten sicherstellen. Ein nachhaltiges Abfallmanagement wird dabei die TASi-Standards durch eine Beschränkung der Ablagerung auf gefahrlose - vorbehandelte - Abfälle umsetzen. Abfallpolitische Fehllenkungen werden aber dadurch ausgelöst, daß die Anforderungen der Technischen Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen an die Verbringung von Hausmüll, hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen, Klärschlamm und anderen organischen Abfällen erst ab Mitte 2005 erfüllt werden müssen. Während dieser langen Übergangsfrist können Ausnahmeregelungen zu den TASi-Anforderungen zugelassen werden. Hierdurch werden Anreize geschaffen, Altdeponien, die den Standards der TASi nicht entsprechen, zunächst zu verfüllen. Der Umweltrat weist darauf hin, daß in jüngster Zeit Abfallströme von entsorgungspflichtigen Körperschaften an gebietseigenen oder in der Region vorhandenen Verbrennungsanlagen und Deponien, die den TASi-Kriterien entsprechen, vorbeigelenkt und in Deponien mit ökologischem Substandard verbracht werden. Durch die niedrigen Preise geht von diesen Deponien eine Sogwirkung aus, durch die sich die Auslastungsprobleme kommunaler Entsorgungskapazitäten weiter verschärfen.

Mit der preisgünstigen Verfüllung von Altdeponien wird aufgezeigt, wie tatsächlich der Markt die Abfallströme bestimmt. Solche Entsorgungslösungen führen zu Altlasten von morgen. Es wird nicht beachtet, daß die Nachsorgekosten auf die Steuerzahler der Zukunft verschoben werden. Hier steckt nach Auffassung der Bundesministerin für Umwelt wesentlich mehr und wesentlich gefährlicheres Ökodumping als in den vielzitierten Scheinverwertungen. [Fn.7: A. Merkel: Politische Perspektiven der Kreislaufwirtschaft. a.a.O. ] Solche Strategien lassen keinen Raum für modernes Abfallmanagement, für kostspieliges Recycling und für moderne Abfallentsorgungsanlagen. Im Zuge des zum Teil ruinösen Wettbewerbs um Abfallfraktionen kommt es zur Verdrängung ressourcenschonender Vorbehandlungen und Entsorgungsformen. Zur Vermeidung solcher Entwicklungen werden bereits in einigen Bundesländern Abweichungen von den Anforderungen der TASi diskutiert, die jedoch selektiv wirken und weder Planungs- noch Investitionssicherheit bieten. Beide Sicherheitsaspekte müssen aber beim Aufbau und beim Betrieb von effizienten und umweltverträglichen Entsorgungsnetzen gewährleistet sein.

Zur Überwindung dieser Problematik werden unterschiedliche Wege diskutiert, die jeweils eine kurzfristige Verwirklichung der Anforderungen der TA Siedlungsabfall vorsehen. Vertreter aus unterschiedlichen Interessenlagern - wie der Bun-

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desverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft BDE und der Deutsche Städtetag - plädieren bei Deponien mit Substandard für vorzeitige Schließungen in der Übergangszeit bis zum Jahr 2005, in dem die Ausnahmeregeln von den verschärften Bestimmungen der TASi auslaufen. Kontroversen bestehen hier hinsichtlich der Verteilung von Kosten einer Umstellung auf diese veränderten Standards. Auf der einen Seite stehen Überlegungen einer Entschädigung und Unterstützung dieser Anpassungswege. Hierzu zählt bspw. ein überörtliches Abfallmanagement, das Landesabfallagenturen vorsieht, die die Lenkung von Abfallströmen in einer Übergangszeit übernehmen, und deren Maßnahmen durch eine solidarische Kostenübernahme aller Gemeinden gekennzeichnet sind. Ebenso sind hierzu Deponieabgabensysteme nach österreichischem Muster zu rechnen, bei denen die Abgabenhöhe den beachteten Umweltstandards entsprechend gestaltet wird und die Abgabeneinnahmen zur Anpassung alter Anlagen an neue Standards genutzt werden. Auf der anderen Seite werden solidarische Umverteilungssysteme von einzelnen Kommunen, die bereits Vorsorge zur Rekultivierung betrieben haben, als ungerecht angesehen.

Für das Auslastungsproblem kommunaler Entsorgungsanlagen ist also eine Reihe von Ursachen verantwortlich. Diese Probleme stehen nach Auffassung des Umweltrates einer stärkeren wettbewerblichen Organisation der Abfallentsorgung und der Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Private nicht entgegen (Umweltgutachten 1998). Dabei muß allerdings ein Schutz für bereits getätigte Investitionen sichergestellt werden. Der SRU stellt fest, daß bei Privatisierungen im Abfallsektor bislang ein Konzept für den Umgang mit den Vorleistungen fehlt, die öffentliche Entsorgungsträger vorgenommen haben. In Bezug auf Regelungen zur Öffnung der Abfallwirtschaft für den Markt besteht also Nachholbedarf. Eine mögliche Lösung sieht der Umweltrat darin, daß für Bereitstellungsentscheidungen, die die Kommunen während der Geltung des Abfallgesetzes getroffen haben, und die durch das neue KrW-/AbfG beeinträchtigt werden, der Vertrauensschutz der Kommunen etwa durch entsprechende Kompensationszahlungen des Bundes an die betroffenen Gebietskörperschaften gewährleistet wird.

Beklagt wird vielfach auch, daß viele Details des neuen Abfallrechts noch unklar und unscharf sind. Kontrovers diskutiert wird vor allem über die Begriffe „Abfälle zur Verwertung" und „Abfälle zur Beseitigung". Für die Zuordnung einzelner Stoffe zu diesen beiden Gruppen, die entscheidend für die Überlassungspflicht an die öffentliche Entsorgung sind. fehlen im KrW-/AbfG ebenso wie in den bisherigen Länderregelungen klare Abgrenzungskriterien. Damit sind nach Auffassung des DST „Etikettenschwindeleien" vorprogrammiert, insbesondere dann, wenn die Abgrenzung am Markt vorgenommen und so die „billigste" Entsorgung auch die „beste" wird. Beim Streit um die Begriffe verfolgen Abfallbesitzer und private Entsorger eher verwertungsfreundliche Konzepte. Sie befürchten, daß den kom-

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munalen Interessen an einer Begriffsauslegung, die Beseitigungslösungen begünstigt, nachgegeben wird. Dagegen fordern die öffentlichen Entsorgungsträger mit dem Ziel einer besseren Auslastung ihrer Anlagen eine möglichst weitgehende Definition der Abfälle zur Beseitigung und stellen dementsprechend hohe Anforderungen an die Verwertung. In diesem Zusammenhang weist das Bundesministerium für Umwelt darauf hin, daß eine Vielzahl von Kommunen durch Merkblätter und Ausgestaltung von Satzung den Begriff der „Abfälle zur Beseitigung" stark zu ihren Gunsten ausgelegt und so versucht hat, ihre unausgelasteten Anlagen und Deponien auch mit Abfällen zur Verwertung zu füllen. Gerechtfertigt wurde dieses Vorgehen zuweilen damit, daß es sich bei vielen Verwertungsverfahren eigentlich um „Scheinverwertung" handele und die Abfälle deshalb eigentlich nur bei den Kommunen sicher aufgehoben seien. Dieser Auslastungspolitik hat das BMU schon sehr frühzeitig widersprochen. [Fn.8: A. Merkel: Politische Perspektiven der Kreislaufwirtschaft, a.a.O. ]

Konsequenz der unklaren Rechtsbegriffe sind Unsicherheiten bei den Beteiligten. Mittlerweile hat sich auch die Rechtsprechung mit Auslegungsfragen befaßt und einzelsituativ Klarheit geschaffen. Hierbei wird eine gewisse Kontingenz durch eine Vielzahl von Interpretationsansätzen auf den unteren Instanzebenen hervorgerufen.

Der BDE schlägt als Lösungsweg für verschiedene Probleme von Städten und Gemeinden im Bereich der Abfallentsorgung weitere Deregulierungen und Privatisierungen vor. Die Kommunen sollten sich aus diesem Geschäftsfeld zurückziehen und dann auf eine scharfe Kontrolle beschränken. Bei diesem sich heute bereits abzeichnenden Prozeß einer weiteren Konzentration auf privatwirtschaftliche Unternehmen muß nach den abfallpolitischen Thesen für den Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung aber darauf geachtet werden, daß der Wettbewerb nicht durch die Bildung von Regionalmonopolen außer Kraft gesetzt wird. [Fn.9: L. Böckels u.a.: Thesen zur Entwicklung des Hausmülls..., a.a.O.]

Städte, Gemeinden und Kreise wollen dagegen die Herausforderungen annehmen, die sich aus den Strukturveränderungen in der Entsorgungswirtschaft durch das KrW-/AbfG ergeben. Der DST betont, daß die Wahrnehmung der Chancen und die Minimierung der Risiken, die mit den neuen Rahmenbedingungen verbunden sind. vor allen eine wirtschaftliche Auslastung der eigenen Verwertungs-, Behandlungs-, und Beseitigungsanlagen erfordert. Nur dann könne auch die Frage der „Gebührenverträglichkeit" zufriedenstellend beantwortet werden. Es sollen auch Entsorgungsaufgaben über das bisherige Maß hinaus übernommen werden (z.B. im Bereich der Verwertung). Wichtig sei auch, daß verstärkt Kooperationen zwischen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern einerseits und mit der privaten Entsorgungswirtschaft andererseits praktiziert werden. So kann eine

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enge, arbeitsteilige Abfallentsorgung (z.B. Mitbenutzung einer MVA, Deponie. Biokompostanlage aufgrund von Verträgen bzw. gemeinsamen Gesellschaften) zustande kommen. Wo notwendig sind dabei auch Gebietsgrenzen (Regierungsbezirke) oder Ländergrenzen (zwischen zwei Bundesländern) zu überschreiten.

Die Abfallwirtschaft war und ist ein Teil der Umweltpolitik, die sich ein neues Qualitätsziel gesetzt hat: die Nachhaltigkeit. Um Anreize zu einer zukunftsverträglichen Kreislaufwirtschaft auszulösen bzw. zu verstärken, bedarf es verläßlicher, dem aktuellen politischen Tagesgeschehen entzogener Begriffe, Definitionen und Umsetzungsmechanismen (Umweltgutachten 1998). Im Bereich der Entsorgungswirtschaft stellen sich somit für den Gesetzgeber Herausforderungen der Schaffung transparenter, Planungssicherheit gewährender und umweltgefährdende Entsorgungswege ausschließender Marktregeln. Diese tragen zu einem umweltschonenden Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen bei. Sie haben aber letztlich auch ihre Grenzen, weil kein unendliches Recycling möglich ist. Recycling bedeutet eine Verschiebung des Zeitpunkts für die finale Beseitigung (BDE). Je mehr diese Verschiebung aber gelingt, um so nachhaltiger wird der Umgang mit den Ressourcen. Wichtig ist, daß der Beschäftigungssaldo dieses Prozesses vermutlich positiv ist, weil durch das Recycling mehr Arbeitsplätze entstehen als in der materiellen Produktion verloren gehen. [Fn.10: Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung: Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sozialer Zusammenhalt, ökologische Nachhaltigkeit. Drei Ziele - ein Weg, Bonn 1998, S. 39 und S. 352 ]

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3.3 Durchsetzung der Produktverantwortung für große Stoffströme

Auf der Grundlage der §§ 23 ff. KrW-/AbfG werden dem Bund Kompetenzen zur Einführung von Regelungen übertragen, die auf eine Gewährleistung der Produktverantwortung des Herstellers auch über die Nutzungsphase hinaus zielen. Damit sollen Anreize in der Wirtschaft geschaffen werden, bereits bei der Produktgestaltung und bei der Organisation des Absatzes die Konsequenzen für die Entsorgung zu beachten. Große Stoffströme werden hiervon jedoch nicht oder nur unzureichend erfaßt. Hierdurch werden die Möglichkeiten eines nachhaltigen Abfallmanagements durch einen Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft eingeschränkt. Dies gilt z.B. für die Bereiche des Elektronikschrotts, des Bauschutts, der Altautos sowie der Verpackungen.

Seit 1991 wird an der Umsetzung einer Elektronikschrottverordnung gearbeitet. Die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten haben es aber bis heute verhindert, daß ein zufriedenstellendes Konzept für eine untergesetzliche Regelung entwickelt und umgesetzt werden konnte. Deshalb hat die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des 13. Deutschen Bundestages

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eine Studie zur Untersuchung dieser Problematik und der Stoffströme, die damit verbunden sind. vergeben.

In Deutschland gibt es mittlerweile zwischen 100 und 200 Mio. Radiogeräte und CD-Player, rund 50 Mio. Fernseher, 50 Mio. Telefone und Handys, 30 Mio. Video-Recorder, 20 Mio. PC und Laptops, 5 Mio. Faxgeräte sowie eine Vielzahl weiterer elektronischer Geräte. Die Entwicklung der Gerätezahlen weist beachtliche Steigerungsraten auf. Bei den klassischen Geräten der Unterhaltungselektronik, der sog. „braunen Ware", überwiegen bis auf einige neue Produkte - wie digitales Radio und Mini-Disc-Player - derzeit die Substitutionskäufe, so z.B. pro Jahr rund 5,5 Mio. TV-Geräte, 3 Mio. Video-Recorder und 2,7 Mio. HiFi-Systeme. Den Absatz informationstechnischer Geräte kennzeichnen hingegen zweistellige Wachstumsraten, und ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht erreicht. Hierauf weisen die gegenüber einigen Vergleichsländern relativ geringen Ausstattungsgrade bei ausgewählten Produktbereichen hin: So gab es beispielsweise in Deutschland Ende 1996 rund 69 Mobiltelefone je 1.000 Einwohner, in Großbritannien hingegen 117, in Japan 144 und in den USA 165. Bei den internet-hosts beträgt der Wert in Deutschland 6,7 je 1.000 Einwohner, in Norwegen 28,1 und in den USA 31,6. Nach Angaben des Fachverbandes Informationstechnik verdoppelt sich die Zahl der Rechner mit Internetzugang weltweit etwa alle 15 Monate, so daß die Zahl im Jahr 2000 bei etwa 100 Mio. liegen könnte; hinzu kommt eine entsprechende Zunahme bei der Hardware.

Das jährliche Aufkommen an Elektro- und Elektronikschrott wird für die Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 1994 auf 1,3 bis 1,5 Mio. t geschätzt. Hiervon sind etwa 600.000 t ausgediente Investitionsgüter aus dem industriell/gewerblichen Bereich und ca. 850.000 t Altgeräte aus den Haushalten. Für 1998 rechnet man mit einem Elektroschrottaufkommen von 1,8 Mio. t oder rund 10 Mio. Kubikmetern. Für das Jahr 2000 wird ein Elektro- und Elektronikschrottaufkommen von 2 bis 2,5 Mio. t prognostiziert. Europaweit wird für das Jahr 2005 von 17 bis 21 Mio. t ausgegangen. Hiervon entfallen 7 bis 9 Mio. t auf Hausgeräte, 4 bis 5 Mio. t auf die Unterhaltungselektronik und 6 bis 7 Mio. t auf Investitionsgüter.

Weder die aufwendig gewonnen Rohstoffe noch die giftigen Produkte wie Blei- und Cadmium-Bildröhren, bromierte Leiterplatten, schwermetallstabilisierte Kunststoffe, PCB-haltige Kondensatoren, Flammschutzmittel in Gehäusen oder Platinen gehören auf Mülldeponien oder in Müllverbrennungsanlagen. Auch die „wilde" Ablagerung der sog. „Weißen Ware" und die Entsorgung von Kleingeräten über den Hausmüll muß ausgeschlossen werden. Dementsprechend hält der Umweltrat eine vollständige Rückführung des schadstoffhaltigen Elektro- und Elektronikschrotts für dringend geboten (Umweltgutachten 1998). Zur effektiven

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und nachhaltigen Regelung dieser Abfallströme bedarf es spezieller Verordnungen.

Auch die Industrie sieht einen Regelungsbedarf. Ausgehend von der Erkenntnis, daß eine Gesamtlösung für alle Gerätegruppen nicht praktikabel ist, werden bereits Teilkonzepte für einzelne Gerätegruppen entwickelt. So organisiert z.B. die Arbeitsgemeinschaft CYCLE freiwillige Maßnahmen u.a. zur Gestaltung, Rücknahme und Verwertung von Produkten aus dem Bereich Informationstechnik. Flankiert wird dieser Ansatz durch den Entwurf einer Verordnung über die Entsorgung von Geräten der Informationstechnik. Diese „schlanke" Rahmenverordnung soll einen fairen Wettbewerb gewährleisten und ein „Trittbrettfahren" möglichst ausschließen.

In dieselbe Richtung zielt das ZVEI-Projekt "grüner Fernseher". Dieses Projekt ist von grundlegender Bedeutung für ein Stoffstrommanagement im Bereich der luK-Industrie. Hier finden sich praktisch alle wichtigen Problemstellungen der umweltgerechten Elektronikproduktion: schadstoffarme Konstruktion, Kreislauffähigkeit, Großserienproduktion, internationale Produktions- und Handelsstrukturen, Kosten und Design. 1997 konnte ein erster Prototyp für einen solchen Fernseher vorgestellt werden.

Um die Innovationsfähigkeit und Produktverantwortung so voranzutreiben, daß die Konkurrenzfähigkeit nicht beeinträchtigt wird, bedarf es nach Auffassung der Vorsitzenden der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" einer Verordnung, die Hersteller und Vertreiber verpflichtet,

  • elektrische und elektronische Geräte oder Geräteteile aus umweltverträglichen und verwertbaren Werkstoffen recyclinggerecht herzustellen und hierbei vorrangig sekundäre Rohstoffe zu verwenden;
  • gebrauchte elektrische oder elektronische Geräte oder Geräteteile vom Endverbraucher unentgeltlich zurückzunehmen;
  • ein flächendeckendes Rücknahmesystem und Verwertungsnetz aufzubauen und dabei bereits bestehende Rücknahmesysteme in ausreichendem Maße zu berücksichtigen sowie
  • Nachweise über Verwertungsquoten vorzulegen.

Eine Elektronikschrottverordnung würde den Konkurs von Aufbereitungsanlagen vermeiden und etwa 1.500 neue Arbeitsplätze schaffen. Aber bisher ist eine solche Verordnung nicht zustande gekommen. Derzeit wird über eine Entsorgungskonzeption nachgedacht, die sich nur auf den Bereich der Bürokommunikations- und Informationstechnologie erstreckt. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft und einer Verordnung, durch die die Rücknahme und das Recycling des wachsenden Abfallaufkommens und der

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erheblichen Schadstoffpotentiale in diesem Bereich geregelt werden sollen. Die großen Stoffströme an weißer und brauner Ware bleiben dabei unberücksichtigt. Der Umweltrat weist in seinem Gutachten 1998 darauf hin, daß für den Teilbereich der Elektro-Haushalt-Großgeräte inzwischen zwar ein Entsorgungs- und Verwertungskonzept der Hersteller vorliegt. Darin wird vorgeschlagen, daß jeder Hersteller und Importeur eigenverantwortlich ein System zur haushaltsnahen Rücknahme seiner Produkte aufbaut. Den Entsorgungspreis soll dabei der Letztbesitzer übernehmen. Daß trotz der seit 1991 laufenden Bemühungen für diesen Bereich bislang ebensowenig wie für die elektrischen und elektronischen Kleingeräte sowie für Geräte der Unterhaltungselektronik eine Entsorgungslösung gefunden werden konnte, muß nach Auffassung des SRU als Mißerfolg der Umweltpolitik eingestuft werden. In der Schweiz liegt dagegen bereits eine schlanke Elektronikschrottverordnung vor, die sowohl den Umgang mit der Bürokommunikations- und Informationstechnologie als auch mit brauner und weißer Ware beispielhaft regelt.

Bauabfälle stellten mengenmäßig mit schätzungsweise 285 Mio. t (1992) den größten Abfallstrom der Bundesrepublik dar. Der Hausmüllberg macht dagegen „nur" etwa 40 Mio. t aus. Während die anfallenden Mengen an Hausmüll, Produktionsabfällen und Sonderabfällen abzunehmen beginnen, wächst der Strom der Bauabfälle stetig. Dies wird durch den Trend zu einer immer kurzlebigeren Bauweise noch unterstützt. Viele der in den 60er und 70er Jahren errichteten Gebäude stehen heute bereits zum Abbruch an. Aber nicht nur die wachsende Menge, sondern auch die Zusammensetzung der Abfälle ist ein Problem. Die Materialvielfalt nimmt immer weiter zu, und die Bauabfälle werden nach Einschätzung der SPD-Politikerin immer mehr zu einem brisanten Gemisch, das nur schwer zu recyceln ist.

Selbst separierbare Stoffströme werden nur unzureichend aufgearbeitet. So landet nur die Hälfte der ausgebauten PVC-Fenster in einer Recyclinganlage. Die andere Hälfte wird verbrannt oder deponiert. Angesichts der 12 Mio. jährlich in Deutschland hergestellten PVC-Fenster wird das Ausmaß des in den kommenden Jahren zu erwartenden Entsorgungsproblems deutlich. Notwendig ist ein Verbot der Deponierung und Verbrennung, für das sich auch die Vereinigung "FREI" einsetzt, in der Hersteller zusammengeschlossen sind, die zusammen 2/3 der Profile für deutsche PVC-Fenster produzieren. Darüber hinaus sollte eine Kennzeichnungspflicht für PVC-Produkte eingeführt werden, wie sie bereits in der vergangenen Legislaturperiode die der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" parteiübergreifend gefordert hat.

Seit November 1996 gibt es zwar eine Selbstverpflichtung des Baugewerbes zur umweltgerechten Verwertung von Bauabfällen. Hierin verpflichten sich die betei-

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ligten Verbände und Wirtschaftszweige zu einer generellen Verringerung von Bauabfällen, zu einem Recycling entstehender Bauabfälle und zu einer Beschränkung der Beseitigung von Bauabfällen; konkret soll von 1995 bis 2005 die Ablagerung verwertbarer Bauabfälle halbiert werden. Inwieweit es auf diese Weise zu einer Entlastung von Deponien und zu einer Durchsetzung aufbereiteter Baustoffe am Markt kommt, bleibt abzuwarten. Negativ zu bewerten ist, daß die im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie organisierten Bauunternehmen nicht in die Selbstverpflichtung einbezogen sind. Nach Auffassung des Umweltrates sollte aber auch von diesen großen Unternehmen bekannt sein, wie sie abfallwirtschaftliche Ziele erfüllen und eine größtmögliche Verwertbarkeit der anfallenden Bauabfälle erreichen wollen (Umweltgutachten 1998). Insgesamt muß für den Bausektor trotz der Selbstverpflichtung aber ein „Verordnungsnotstand" konstatiert werden. Notwendig ist ein Verordnungsentwurf, der dem Gedanken des KrW-/AbfG gerecht wird.

Zu den inzwischen umgesetzten Regelungen zählt die Altautoverordnung. Seit Anfang der 90er Jahre in der Diskussion, ist diese Verordnung nun endlich im Juni 1997 vom Bundestag verabschiedet worden und im April 1998 in Kraft getreten. Hierbei handelt es sich um eine „schlanke Verordnung", die die freiwillige Selbstverpflichtung des Verbandes der Automobilindustrie und 14 weiterer Wirtschaftsverbände zur umweltgerechten Autoverwertung flankiert. Diese deutsche Konzeption hat zwar eine Reihe von positiven Konsequenzen. So sollen z.B. die zu beseitigenden Abfälle aus der Altautoentsorgung von derzeit etwa 25 Gewichtsprozent bis zu Jahr 2002 auf maximal 15% und bis 2015 auf maximal 5% verringert werden; im Jahr 2015 werden dann also 95% der Abfallmenge der Verwertung zugeführt. Außerdem wurde durch die Überlassungspflicht mit Verwertungsnachweis dem wachsenden Problem der „wilden" Entsorgung ein Riegel vorgeschoben. [Fn.11: Die Dimension dieses Problems deuten folgende Zahlen an: Mitte der 90er Jahre wurden z.B. jährlich 8.000 Pkw auf der Autobahn A2 und 1.600 Pkw pro Jahr in einer Großstadt wie Essen illegal abgestellt. ] >Der Verbraucher muß entsprechend der Rechtsverordnung sein Altauto an bestimmten anerkannten Annahmestellen abgeben, bekommt hierfür einen Verwertungsnachweis, der als Dokument bei der Abmeldung der Zulassungsstelle vorzulegen ist. Die Ordnungsbehörde kann in Fällen, bei denen bei Abmeldung keine Verwertung erfolgt - z.B. bei Oldtimern - nachprüfen.

Nach wie vor bestehen aber auch einige Defizite. Letztere werden deutlich bei einem Vergleich mit dem von der EU-Kommission Mitte 1997 vorgelegten Entwurf einer europäischen Altfahrzeugrichtlinie. So zielt die vorgesehene europäische Regelung mittelfristig auf die Vermeidung von bestimmten ökologisch bedenklichen Schwermetallen in den zu entsorgenden Fahrzeugen. Dieser Aspekt fehlt dagegen in der deutschen Problemlösung. Weiter müssen nach dem Kommissionsentwurf die Hersteller und Importeure ab dem Jahr 2003 unabhängig

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vom Alter alle Pkw, Lkw bis 3,5t sowie Motorräder vom Halter oder Eigentümer entweder kostenlos zurücknehmen oder die Verwertungskosten des Altfahrzeuges erstatten. In der deutschen Verordnung ist nur die kostenlose Rücknahme von Altfahrzeugen bis zu 12 Jahren geregelt. Gerade bei solchen Fahrzeugen kann aber vermutet werden, daß die Verwertungserlöse i.d.R. zumindest noch die Entsorgungskosten decken. Außerdem entspricht diese 12-Jahres-Frist, die nur für ab April 1998 ausgelieferte Fahrzeuge gilt, etwa dem derzeitigen Durchschnittsalter von Pkw bei der endgültigen Stillegung. Da in Zukunft durch technologische Verbesserungen noch mit weiteren Verlängerungen der mittleren Nutzungsdauer zu rechnen ist, stellt der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen SRU in seinem Umweltgutachten 1998 fest, daß aufgrund dieses Trends künftig wohl weniger als jedes vierte Altauto kostenlos zurückgegeben werden kann. Damit werde das Prinzip der Produktverantwortung preisgegeben, und die Industrie müsse sich Scheinaktivität vorwerfen lassen. Für die weit überwiegende Mehrzahl der Pkw hat also der Letztbesitzer die Entsorgungskosten zu übernehmen. Das stimuliert nicht gerade die Bemühungen der Hersteller um eine Reduzierung dieser Kosten. Vor diesem Hintergrund scheint eine Nachbesserung hin zu einer verbraucherfreundlicheren Regelung unumgänglich. Dabei sollte auch Wert auf eine einheitliche Konzeption für die Altautoentsorgung innerhalb der EU gelegt werden.

Die vorliegende Verpackungsverordnung steht bereits seit 1994 zur Novellierung an. Mittlerweile liegt ein Entwurf vor, der die unterschiedlichsten Interessen zu berücksichtigen sucht. Ziel der Novelle ist die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Hersteller und Vertreiber. Dabei geht es auch um die Bekämpfung des relativ hohen Anteils der „Trittbrettfahrer" im System des Grünen Punktes, die entscheidend für die Akzeptanz des Systems beim Handel und für den Erfolg der Selbstverpflichtungen ist. Gleichzeitig soll der EG-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle entsprochen werden. Dabei muß aber befürchtet werden, daß durch die vorgesehene Regelung die abfallpolitischen Ziele aufgeweicht werden und das DSD weiter gestärkt wird. Quoten sollen herabgesetzt, Schlauchbeutel zu Mehrwegsystemen erklärt und Nachweispflichten gelockert werden. Geplant sind weiter Veränderungen der Berechnungsgrundlagen für die quantitativen Vorgaben an duale Systeme: Statt der gesamten Verbrauchsmenge in Deutschland soll künftig die Menge der Verkaufsverpackungen, die in ein System eingebracht wird, angewendet werden. Während die Verbraucher in dem wenig transparenten und auch nicht verursachergerechten System mit steigenden Müllgebühren konfrontiert werden, was sich nach Einschätzung des Umweltrates durchaus negativ auf die Sortier- und Sammelbereitschaft und damit auf die Akzeptanz der Bevölkerung auswirken kann (Umweltgutachten 1998), verfestigen sich auf der Entsorgungsseite die Großstrukturen, die Innovationen im Anwendungs- und Verwertungsbereich behindern. Diese Ergebnisse

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waren mitentscheidend dafür, daß der Bundesrat diese Novelle zur Verpackungsverordnung abgelehnt hat. Eine endgültige Einigung von Bund und Ländern zu dieser Entsorgungsproblematik ist in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr in Sicht.

Nach Auffassung der stellv. Sprecherin der SPD-Arbeitsgruppe „Umwelt" werden auch durch einen derartigen Umgang mit den großen Stoffströmen die ökonomischen und ökologischen Chancen einer Kreislaufwirtschaft verspielt. Damit Abfallvermeidung und Produktverantwortung nicht länger nur als Schlagworte fungieren, werden benötigt:

  • eine nachgebesserte Altautoverordnung, die den Letztbesitzer nicht länger einseitig belastet, und eine freiwillige Selbstverpflichtung der Automobilindustrie, die auch tatsächlich Pflichten formuliert und nicht hinter den Standards zurückbleibt,
  • eine Novelle der Verpackungsverordnung, die primär auf Mehrwegnutzungen setzt, eine Trennung verwertbarer und nicht verwertbarer Verpackungen vornimmt, eine Kennzeichnungspflicht einführt und das werkstoffliche Recycling festschreibt,
  • eine Elektronikschrottverordnung, die für alle Akteure verbindliche Rahmenbedingungen festgelegt, und
  • eine Verordnung zum Baustoffrecycling, die dem Gedanken des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gerecht wird.

Nur wenn diese Forderungen erfüllt werden, kann sich ein Wirtschaften in Kreisläufen als Leitbild einer nachhaltig durchhaltbaren Wirtschaftsentwicklung auch im globalen Maßstab durchsetzen.

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3.4 Konzepte zur Reduktion von Material- und Abfallströmen

Im Zuge der Diskussion um ein nachhaltiges Abfallmanagement wird vor dem Hintergrund aktueller Probleme der Unterauslastung existierender Entsorgungsanlagen die Langfristperspektive häufig ausgeblendet. Der Abfall wird jedoch der Gesellschaft nicht ausgehen. Zwar kann festgestellt werden, daß zwischen 1990 und 1993 die in der amtlichen Statistik erfaßten Abfallmengen um 16 vH reduziert wurden und gleichzeitig der Anteil des davon der Verwertung zugeführten Anteils von 20 auf 25 vH stieg. Doch der nicht verwertete Teil belief sich im gleichen Jahr trotzdem noch auf ca. 250 Mio. t oder 3,8 t pro Kopf.

Für den Trend des zu erwartenden Abfalls ist der Materialeinsatz der Wirtschaft ausschlaggebend. Der Materialverbrauch ergibt sich aus der Summe der inländischen Produktion und Importen abzüglich Exporten. Dieser Parameter gibt den

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potentiellen Anteil von Abfall und Emissionen im Inland an. Die aktuellsten verfügbaren Daten aus dem Jahr 1993 zeigen, daß trotz steigenden Verwertungsanteils der Stofffluß innerhalb der Bundesrepublik weiterhin deutlich ansteigt, von ca. 20 t Materialinput pro Kopf in den 80er Jahren auf über 22 t im Jahr 1993. Derzeit liegt der Materialinput der Wirtschaft immer noch über dem Output. Hierzu trägt insbesondere das Wachstum im Bereich von Hoch- und Tiefbauten bei. Gerade in diesem Bereich ist nach Einschätzung des Wuppertal-Instituts auch in Zukunft eher mit einem steigenden Aufkommen an Abfall zu rechnen.

Aus dieser Perspektive wird ein zentrales Dilemma des Kreislaufwirtschaftsgesetzes deutlich: Zwar werden wichtige Impulse zur Reduktion der Abfallmengen gesetzt. Positiv sind ungeachtet des Fehlens präziser statistischer Daten zwei Tendenzen einzuschätzen:

  • eine vermehrte Umleitung und Rückführung von Stoffströmen in den Wirtschaftskreislauf, was zu einer Entlastung der Umwelt durch Verminderungen von Ressourcenextraktion und Abfalleintrag beitragen kann, sowie
  • eine indirekte Erhöhung des Vermeidungsdrucks auf Vorprozesse durch Restriktionen und erhöhte Kosten im Entsorgungsbereich.

Aus der Sicht des Wuppertal-Instituts hat das Gesetz jedoch drei entscheidende Defizite:

  • Nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl der Materialarten und Verwertungswege ist das Regelwerk zu komplex und nur schwer überschaubar. Der Aufwand zu seiner Erstellung, Umsetzung und Kontrolle ist zu hoch; und damit werden der Mißbrauch und das Unterlaufen von Regelungen vorprogrammiert.
  • Umfangreiche Abfallströme, die erst gar nicht in den Wirtschaftsprozeß gelangen, und die auch per se nicht kreislauffähig sind, werden vom KrW-/AbfG nicht erfaßt. Das gilt beispielsweise für die nicht verwertete Förderung bei der Gewinnung von Energieträgern, die 1993 etwa das 6fache der Menge aller statistisch erfaßten Abfälle ausmachte. Die Abfallvermeidung hat zwar die höchste Priorität. Sie wird aber nur unzureichend durch das Gesetz gefördert. Die Praxis der Entsorgungswirtschaft konzentriert sich auf die Verwertung und Behandlung.
  • Gründe hierfür sind in den politischen Interessenkonstellationen zu sehen. Beispielsweise bevorzugen Kommunen und private Entsorger die Aspekte Verwertung und Abfallmanagement, verfolgen aber nicht die Abfallentstehung in der Prozeßkette weiter zurück. Dies ist darauf zurückzuführen, daß erst mit entstandenem Abfall Geld verdient werden kann, was Anreize zur Verminderung senkt. Die Förderung von Entsorgungsstrukturen, die Vorteile in einem dauerhaft hohen oder gar steigenden Abfallaufkommen se-

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    hen, sind insbesondere in der gegenwärtigen Situation prekär, in der aus ökologischen und ökonomischen Gründen eine drastische Verminderung des Umfangs und der Zusammensetzung des Materialdurchsatzes der Wirtschaft angezeigt wäre.

    Die Produktverantwortung der Hersteller bietet in diesem Kontext zwar einen Ausweg für eine konsequente Gesetzesanwendung; aber deren Durchsetzung ist sehr schwierig. Die Steuerung über Rücknahme- und Recyclingquoten ist aufwendig und nicht genau. Hier stellt sich vor allem die Frage, wieviel „freiwillige" Vereinbarungen und Verordnungen zu welchen Produktgruppen letztlich erforderlich sein werden, um dem Anliegen des KrW-/AbfG entsprechen zu können. Eine Regelung von Rücknahmequoten garantiert im übrigen nicht die Verwendung im gleichen Marktsegment. Steigende sog. „Recyclingquoten" täuschen darüber hinweg, daß die Materialabfälle im Hochbau primär in den Tiefbau gehen. Im Straßenbau wird jedoch mittel- bis langfristig mit einer Abnahme des Bedarf zu rechnen sein.

    Auch die Wissenschaft betrachtet die Abfallströme weitgehend unter dem Blickwinkel der Verwertung und Behandlung. Dabei wäre die Produktgestaltung gerade langfristig viel relevanter, um Materialströme zu kanalisieren. Bislang existiert in Deutschland noch kein einziger Lehrstuhl für Stoffstrommanagement, an dem Überlegungen zur Abfallminderung mit Konzepten für ein ökologisches Produktdesign zur Erhöhung der Lebensdauer oder des wiederverwendbaren Anteils von Erzeugnissen verknüpft werden. Eine solche integrale Betrachtung fehlt.

Soll die deutsche Wirtschaft sich auf eine tragfähige materielle Basis verlassen können, setzt dies ein umfassendes Stoffstrommanagement voraus, bei dem nicht nur die Output-, sondern auch die Input-Ströme verringert werden. Dies scheitert bislang in der Regel daran, daß die Preise für Primärrohstoffe zu gering sind. Für eine längerfristige solide Basis bedarf es nach Einschätzung des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie einer konsequenten Verringerung des Materialinputs um 75 bis 90 vH bei gleichzeitig entsprechender Erhöhung der Ressourcenproduktivität. Auch die OECD hält eine Steigerung der Öko-Effizienz um einen Faktor 10 in den nächsten dreißig bis fünfzig Jahren für erforderlich. Dies bedingt neue Technologien, neue Dienstleistungen und deren intelligentere Bereitstellung, flankiert durch verminderten Stoffeinsatz.

Eine Verminderung des Stoffdurchsatzes industrieller Volkswirtschaften in dieser Größenordnung ist nicht allein über aufwendige und ökonomisch ineffiziente Output-Regulierungen zu erreichen. Vielmehr bedarf es in Ergänzung - und zur

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Entlastung - des KrW-/AbfG-Regelwerkes auch eines Einsatzes neuer Instrumente. Diese sollten die Marktmechanismen effizient und effektiv nutzen, was eine relative Verteuerung des Materialinputs impliziert. Mit Material würde dann effizienter umgegangen, Recycling würde sich eher lohnen und Abfälle zur Ablagerung und Verbrennung würden auf ein Minimum reduziert. Überkapazitäten kostspieliger End-Entsorgungsanlagen könnten entsprechend sukzessive abgebaut werden. Die Recyclingwirtschaft der Grundstoffe kann so zu einer tragenden Säule der Wirtschaft werden. Die Herstellung langlebiger, wiederverwertbarer Teile in komplexen Produkten und deren Rücknahme würden sich verstärkt lohnen.

Dementsprechend fordert das Wuppertal-Institut die Einführung eines Input-Managements, bei dem die Steuerung des Faktoreinsatzes über den Markt mit Hilfe des finanz- und wirtschaftspolitischen Instrumentariums erfolgt. Inwieweit ein solches Input-Management durch den Umbau stoffstromrelevanter Subventionen, Abgrabungsobergrenzen oder -abgaben, Zertifikate oder Kennzeichnungsauflagen erfolgen sollte, wäre im Einzelfall zu prüfen. Ein Stoffstrommanagement durch Input-Reduktion wäre aufgrund der im Vergleich zur Zahl der Abfallarten wesentlich geringeren Zahl an Rohstoffen deutlich überschaubarer und durch ein verstärkt marktorientiertes Vorgehen effizienter und effektiver bei der nachhaltigen Gestaltung des Stoffdurchsatzes als die bisherige output-fokussierte Herangehensweise. Der ordnungspolitische Ansatz des KrW-/AbfG, der auch weiterhin erforderlich sein wird, könnte auf diese Weise im Sinne eines vorbeugenden, eher wirtschaftspolitischen Ansatzes wirksam ergänzt werden.

Über große Einsparungspotentiale verfügt zum Beispiel der Baubereich. Faktisch sind 400 bis 500 t Material pro Kopf in Gebäuden gespeichert. Gebäude sind somit als Materialspeicher anzusehen, der zukünftig als Sekundärrohstofflager nutzbar ist, wenn es gelingt, den technologischen Wandel weiter voranzubringen. So werden bei dem sog. „Wuppertal-Haus" um den Faktor 10 weniger Ressourcen eingesetzt, indem von vornherein intelligente Konstruktionslösungen gesucht wurden, bspw. durch eine flexible Gestaltung mit verschiebbaren Wänden. Wichtig ist also, zunächst die Vor- und Nachteile von Primär- und Sekundärrohstoffen genauer zu untersuchen und dabei Möglichkeiten zur Material- und Energieeinsparung zu ermitteln, um so kontinuierliche Verbesserungsprozesse anzustoßen. Ziel ist ein integriertes Stoffstrommanagement unter Einbeziehung der Inputströme, bei dem die unterschiedlichen Interessen der Akteure kooperativ zu nutzen sind. Nachhaltiges Abfallmanagement heißt in diesem Kontext Einbindung in ein umfassendes gesellschaftliches Projekt, das auf die Reduktion der Materialströme als einer Quelle umweltgefährdender Entwicklungen zielt. Zugleich wird das abfallpolitische Instrumentarium in ein allgemeines Anreizsystem eingebunden, das durch administrative Kontrollen und finanzielle Parameter

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(z.B. Umbau des Steuersystems) das Verhalten der Bürger zu einer verstärkten Stoffflußvermeidung umlenken soll.

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4. Reformerfordernisse aus politischer Sicht

Die Erfahrungen aus einem Jahr Kreislaufwirtschaftsgesetz zeigen vielfältige Handlungserfordernisse für einen tatsächlichen Ein- und Umstieg in eine Kreislaufwirtschaft auf. Diese hängen einmal damit zusammen, daß die Zielsetzung „Deregulierung" des KrW-/AbfG nicht erreicht wurde. Der DST weist darauf hin, daß das neue Abfallrecht doppelt so viele Bestimmungen hat wie das alte. Unbeantwortet geblieben ist bisher außerdem eine Reihe von Fragen der Umsetzung der neuen Normen. So sind viele dieses Gesetz auszugestaltende Rechtsverordnungen und die durch dieses Bundesgesetz notwendigen Novellierungen von Landesabfallgesetzen bislang nicht erlassen. Bei der Schließung dieser Lücken muß nach Auffassung des DST sichergestellt werden, daß die Abfallwirtschaft eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge im Rahmen des Infrastrukturauftrags von Städten und Gemeinden bleibt. Die Länderregierungen müßten hier in die Pflicht genommen werden und in einem interregionalen Ausgleich für die Zuführung der Abfälle zu bestehenden Anlagen sorgen. Dies führe zu einer besseren Auslastung kommunaler Anlagen, die wegen der Stabilisierung der Gebühren auch im öffentlichen Interesse liege.

Kurzfristig steht also die Schließung von Regelungslücken innerhalb des Gesetzes an, insbesondere die Definition unterschiedlich verwendeter Begriffe und die Eingrenzung von Vollzugsdefiziten. Als zentrale Aspekte sind hier zu nennen:

  1. Nach § 6 Abs. (1) KrW-/AbfG muß dringlich festgelegt werden, für welche Abfallarten vorrangig die stoffliche oder energetische Verwertung einzusetzen ist, und welche stoffbezogenen Anforderungen Verwertungsanlagen zu erfüllen haben.
  2. Ebenso dringlich ist nach § 7 Abs. (1) KrW-/AbfG die Definition der zulässigen Schadstoffkonzentrationen bei der Verwertung und bei den Anforderungen an die Getrennthaltung von Stoffen.
  3. Weiterhin ist gemäß § 7 Abs. (2) KrW-/AbfG zu klären, welche stofflichen Anforderungen an den Bergwerksversatz zu stellen sind.
  4. Nach § 13 Abs. (4) KrW-/AbfG muß dringlich definiert werden, welche besonders überwachungsbedürftigen Abfälle unter die Andienungspflicht fallen.
  5. Fehlende Regelungen zur Produktverantwortung gemäß §§ 23 ff KrW-/AbfG sind für die Bereiche des Elektronikschrotts und des Bauschutts zu erlassen;
    Defizite bei den Bestimmungen für Altautos und Verpackungen gilt es auszubessern.

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  1. Darüber hinaus bedarf der Bereich der Abfallmakler einer Regelung. In der Praxis zeigen sich hier Vollzugsdefizite, die mit besseren Durchgriffsmöglichkeiten zu unterbinden sind.

Seit 1993 steht die Umsetzung der TA Siedlungsabfall an. Hier sind Tendenzen einer ruinösen Konkurrenz, wie sie sich derzeit abzeichnen, einzudämmen, und Arrangements zur Gestaltung der Übergangsphase zu entwickeln. Langfristig ist ein Perspektivenwechsel zu vollziehen. Abfallmanagement ist mit Stoffstromsteuerung bzw. -reduktion zu verknüpfen, da Teiloptimierungen sich auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft als nicht tragfähig erweisen können.

Die politische Diskussion sollte nicht ohne Berücksichtigung der einzelwirtschaftlichen Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsaktivitäten in den Unternehmen geführt werden. In den folgenden Abschnitten wird daher aufgezeigt, wie sich der Gedanke der Kreislaufwirtschaft in konkrete betriebliche Prozesse integrieren läßt, und welche Erfolge hierbei bislang bereits in der Praxis erzielt werden konnten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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