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[Seite der Druckausgabe: 39 / Fortsetzung]

B. Kreislaufwirtschaft auf betrieblicher Ebene


1. Entsorgung und Recycling im Rahmen der integrierten Produktverantwortung

Die integrierte Produktverantwortung ist ein kürzlich von Unternehmen und Beratern entwickeltes Managementsystem, in dessen Rahmen - neben vielen anderen Anforderungen - auch Entsorgung und Recycling geschlossen und gemeinsam erfüllt werden. So ist ein Produkt nur sicher, unterfällt also nicht der Produkthaftung, wenn es neben Produktsicherheitshinweisen auch Hinweise zur Beseitigung, also zur Entsorgung und zum Recycling, enthält. Diese Anforderungen dürfen aber nicht isoliert berücksichtigt werden. Wie der Unternehmensberater Dr. Adams erläuterte, erfaßt die integrierte Produktverantwortung alle Anforderungen gleichzeitig in einem Managementsystem.

In den Unternehmen werden zunehmend Managementsysteme eingeführt, um durch bekannte Prozesse/Abläufe die "Blindleistung" zu verhindern und die Sicherheit durch Organisation zu erhöhen. Dabei werden die einzelnen Managementsysteme für Umwelt-, Arbeits-, Notfallschutz, Qualitätssicherung etc. zu einem einheitlichen System zusammengefügt, zu einem integrierten Managementsystem. Durch derartige integrierte Managementsysteme können Redundanzen zwischen einzelnen Systemen vermindert und Doppelarbeiten, vor allem bei deren Erstellung, vermieden werden. Dies senkt nicht nur den Dokumentati

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ons- und Auditaufwand, sondern führt zu einer gesteigerten Akzeptanz und damit Motivation der Mitarbeiter. Werden diesem integrierten Managementsystem noch die Anforderungen der Rechtsprechung überlagert (zum Beispiel die für das Zivilrecht entwickelten und analog auch im Strafrecht geltenden Anforderungen zum Organisationsverschulden, die Regeln der Beweislastumkehr sowie die Forderung nach Delegation von Aufgabe, Kompetenz, Verantwortung sowie Überwachung), entsteht eine "gerichtsfeste" Organisation des Unternehmens.

Während solche integrierten Managementsysteme bereits für Produktionsanlagen erfolgreich umgesetzt werden, existieren für Produkte nur die Qualitätsmanagementsysteme. Mit ihnen werden die Anforderungen der entsprechenden Normen umgesetzt - mehr nicht. Denn mit einem QM-Normenkonform eingeführten und zertifizierten Qualitätsmanagementsystem kann man noch nicht einmal den Produkthaftungsansprüchen, zum Beispiel gemäß § 823 BGB, wirksam begegnen. Die entsprechenden DIN-Normen sind von ihrer Konzeption her auf die Umsetzung von Kundenwünschen gerichtet. Sie können nicht die gesellschaftlichen und rechtlichen Anforderungen in ihrer Gesamtheit erfüllen, die weit über die Forderungen der Normen und ihrer Erfüllung durch Qualitätsmanagementsysteme hinaus gehen. Beispielsweise enthalten die Normen zur Entwicklung allenfalls allgemeine Forderungen, die Rechtsordnung hingegen verlangt erheblich mehr, u.a. die Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik, um hier bei der Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz den Vorwurf eines Entwicklungsfehlers entkräften zu können.

Auf das Produkt bezogen gibt es eine Vielzahl weiterer gesetzlicher Forderungen, wie zum Beispiel die des Gerätesicherheitsgesetzes, des Chemikaliengesetzes, des Produktsicherheitsgesetzes, welche nur unzureichend oder überhaupt nicht von den normenorientierten Qualitätsmanagementsystemen berücksichtigt werden. Zudem decken Qualitätsmanagementsysteme nur geschätzte 35 bis 40 vH des Produktlebenslaufes ab. Dem stehen zahlreiche gesetzliche bzw. rechtliche Anforderungen gegenüber, die sich auf alle Phasen des Produktlebenslaufes, von der Entwicklungs- bis zur Entsorgungsphase erstrecken, so zum Beispiel das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz.

Hier fand man eine Lösung, die den integrierten Managementsystemen für die Produktionsanlagen entspricht: die integrierte Verantwortung für die Produkte. Der Lebenslauf der Produkte wird zu einem Kreislauf mit der Nahtstelle "Beseitigung" (Deponie, MVA) bzw. „Verwertung" (u.a. energetisch, stofflich).

Nach Angaben des Unternehmensberaters werden 70 bis 80 vH der Fehler eines Produktes in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase erzeugt, auch wenn sie sich erst später realisieren. Deshalb kommt dieser ersten Produktlebensphase eine

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besondere Bedeutung zu. Insgesamt wird der Kreislauf eines Produktes in sieben Organisationbereiche aufgeteilt:

  • Produktentwicklung und -konstruktion,
  • Produktfabrikation,
  • Produktdarbietung,
  • Produktinstruktion,
  • Produktbeobachtung (aktiv und passiv),
  • Produktrückruf
  • Produktentsorgung.

In jedem dieser Bereiche werden die Anforderungen erfaßt und erfüllt, die auf das Produkt zukommen. Alle Anforderungen werden mittels einer ganzheitlichen Sicht, die alle Forderungen für den gesamten Lebenslauf aufgreift, durch eine geeignete Organisation umgesetzt. So werden die Anforderungen aus der Entsorgungsphase bereits in die Entwicklung eines Produktes hineingeplant.

Dieser neue Ordnungsrahmen wird jetzt durch § 22 KrW-/AbfG begünstigt. Hier hat der Gesetzgeber durch die Festlegung der Produktverantwortung zum ersten Mal für alle Produkte eine Lebenslaufbetrachtung vorgeschrieben. Er verpflichtet nunmehr die Entwickler, Hersteller, Be- und Verarbeiter dazu, in Zukunft die Produkte, beispielsweise durch Kennzeichnung der stofflichen Zusammensetzung oder durch den Einsatz sekundärer Rohstoffe, so zu gestalten, daß bei ihrer Herstellung, ihrem Gebrauch und ihrer Rücknahme am Ende ihrer Nutzung möglichst wenig Abfälle zur Beseitigung anfallen.

Die ganzheitliche Betrachtungsweise fordern auch andere Gesetze. Jüngstes Beispiel ist das am 1.Oktober 1997 in Kraft getretene Produktsicherheitsgesetz. Dieses bestimmt in § 6 u.a., daß sich die Beurteilung der Sicherheit eines Produktes insbesondere zu erstrecken hat auf:

  • seine Darbietung, Aufmachung im Handel, Kennzeichnung, die Anweisungen für seinen Gebrauch und seine Beseitigung sowie die sonstigen Angaben oder Informationen durch den Hersteller,
  • die Eigenschaften des Produktes, einschließlich seiner Zusammensetzung, Verpackung, der Anleitungen für seinen Zusammenbau und der Wartung,
  • seine Einwirkung auf andere Produkte, soweit seine Verwendung mit anderen Produkten zusammen zu erwarten ist.

Das "externe Chaos" der Anforderungen kann nur systemorientiert in einem Unternehmen in einer festgelegten Aufbau- und Ablauforganisation umgesetzt werden. Dazu entwickelte die Unternehmensberatung Dr. Adams und Partner Managementsysteme. Dabei sind in einer festgelegten Aufbau- und Ablauforganisation jeweils Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung festgelegt. Dies ver-

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langt auch den Aufbau einer entsprechenden Dokumentation, wobei als Basis die vorhandenen Qualitätsmanagementsysteme genutzt bzw. sinnvoll ergänzt werden können. Durch die Dokumentation in einem "IPV-Handbuch" (Integrierte-Produkt-Verantwortung) wird es dem Unternehmen schließlich gelingen, präventiv alle externen Anforderungen systematisch umzusetzen und seinen hohen Stand von Anforderungskonformität nachzuweisen. Insoweit sind Entsorgung und Recycling eingebunden in viele andere Aufgaben einer geschlossenen Lösung.

Dieser grundsätzliche Überblick über Möglichkeiten der Anpassung der Unternehmensorganisationen an neue gesetzliche Rahmensetzungen verdeutlicht die einschneidenden Veränderungen, die Fortentwicklungen des Umweltrechts, speziell des Abfallrechts auslösen. Wie sich diese Anpassungsvorgänge im Einzelfall darstellen, wird im folgenden anhand ausgewählter Fallbeispiele dokumentiert.

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2. Abfallmanagement in der Praxis

Wie die Bestimmungen und Zielsetzungen des KrW-/AbfG und anderer abfallpolitischer Grundlagen in die Praxis umgesetzt werden, zeigt ein Blick auf Entwicklungen und Initiativen auf der einzelwirtschaftlichen Ebene. Hierbei werden Maßnahmen zweier Unternehmen nachgezeichnet, deren Betätigungsfeld in der Elektronikindustrie und damit in einem Sektor liegt, der zu den bedeutendsten Stoffströmen beiträgt. Den Beginn bildet eine Betrachtung der Entsorgung von Elektroaltgeräten bei der Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH. Es folgt eine Darstellung des Kunststoffrecyclings bei der Grundig AG.

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2.1 Entsorgungskonzept für Elektroaltgeräte

Als einer der führenden Hersteller von Hausgeräten fühlt sich die Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH (BSHG) in besonderem Maße dem Umweltschutz verpflichtet und hat dieses auch in den Unternehmensleitlinien bereits 1989 und später in der firmeneigenen Umweltpolitik zum Ausdruck gebracht. Die Umweltpolitik wurde 1994 nach Maßgabe der EG-Öko-Audit Verordnung formuliert, veröffentlicht und für jeden Mitarbeiter verbindlich gemacht.

Kernpunkte der Umweltpolitik sind das Bekenntnis zur kontinuierlichen Verbesserung und eine ganzheitliche Sicht des Umweltschutzes. Erst durch die konsequente Einbeziehung aller Phasen des Produktlebenszyklus - von der Entwicklung bis zum Recycling - ist es möglich, Umweltbelastungen besonders wirkungsvoll zu reduzieren. Eine hohe Bedeutung hat dabei die Entwicklung der Produkte und der Produktionsverfahren. Die Motivation der Mitarbeiter, die Einbindung der Ver-

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tragspartner und die glaubwürdige Kommunikation sind weitere Kernpunkte. Das Umweltmanagementsystem der BSHG hat sich bereits sehr früh an den Vorgaben der EG-Öko-Audit Verordnung ausgerichtet. Inzwischen ist die BSHG an sechs deutschen und zwei spanischen Standorten von einem zugelassenen Umweltgutachter validiert. Das Werk für Geschirrspüler in Dillingen wurde dabei als erstes Unternehmen einer Elektrobranche zertifiziert und gehörte europaweit zu den ersten zwanzig.

Zur Umsetzung der Umweltpolitik wurde eine eigene Organisationsstruktur eingerichtet:

  • Ein Lenkungsausschuß, der mit Führungskräften aus den Bereichen Umweltschutz, Unternehmensentwicklung, Produktplanung, Produktion, Kommunikation und Logistik besetzt ist, unterstützt die Geschäftsführung bei der Festlegung und Weiterentwicklung der strategischen Umweltziele und der Erarbeitung der dazugehörigen Maßnahmen.
  • Zwei Umweltschutzkreise, in denen Experten aus den verschiedenen Werken und Unternehmensbereichen konzernübergreifende Strategien, Konzepte und Richtlinien zu den Themenschwerpunkten Produkte und Produktion erarbeiten, dienen dazu, Fachwissen zu bündeln und Umweltwissen im Unternehmen zu streuen. Im Arbeitskreis Produkte werden insbesondere die Themen umweltgerechte Produktgestaltung und das Altgeräterecycling behandelt.

Die Produktplanung und -entwicklung ist der Schritt im Produktlebenszyklus, in dem alle Voraussetzungen für die späteren Umweltbelastungen - die in Verbindung mit dem Produkt auftreten können - bereits festgelegt werden. Auf dem Weg zu recyclinggerechten Produkten werden verschiedene, unterstützende Instrumente eingesetzt. Zwei wesentliche Dinge sind bereits 1993 in verbindlichen Richtlinien geregelt worden:

  1. Ausschluß sämtlicher Schadstoffe in den BSHG-Produkten (über die gesetzlichen Vorhaben hinaus)
  2. Richtlinie zur "recyclinggerechten Produktgestaltung", die den Entwicklungsingenieuren verbindliche Leitlinien an die Hand gibt, z.B. über
    • die Auswahl von Materialien nach Recyclinggesichtspunkten
    • die Reduktion der Werkstoffvielfalt
    • die Werkstoffkennzeichnung
    • den Einsatz von Recyclingmaterialien

Als erster Hausgeräte-Hersteller hat die BSHG bereits 1994 angeboten, alle Altgeräte gegen Kostenerstattung vom Handel mitzunehmen und einem umweltverträglichen Recycling zuzuführen. Dazu wird auf ein bundesweites Entsorgungssystem mit mehreren zertifizierten Entsorgern zurückgegriffen. Die BSHG übernimmt als Hersteller die volle Verantwortung für eine ordnungsgemäße Rück-

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nahme und Entsorgung der Altgeräte. Die Entsorgungspartner verpflichten sich, alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, einen Nachweis über die Mengenströme zu geben und den neuesten Stand der Entsorgungstechnik anzuwenden. Neben Prüfungen durch die BSHG werden auch Prüfungen der Entsorgungsbetriebe durch den TÜV verlangt und vorgenommen. So soll ein optimaler Sicherheits- und Entsorgungsstandard sichergestellt werden. Die Rücknahme der Altgeräte, auch markenfremder Produkte, erfolgt im Zuge der Auslieferung der Neugeräte. Dadurch wird zugleich eine ökologisch sinnvolle, optimale Transportmittelauslastung erreicht. Für die Entsorgung wird ein kostendeckender Preis erhoben: derzeit für Kaltgeräte 41,50DM und andere Großgeräte 22,10DM. Die Rücknahme einer Kaffeemaschine kostet bspw. 4,00 DM.

Die Geräte aus den Haushalten sammeln üblicherweise die entsorgungspflichtigen Gebietskörperschaften oder Händler, die neue Geräte anliefern. Ein Großteil der Geräte wird dann an die zahlreichen Entsorgungsbetriebe weitergegeben. Trotzdem gelangen aber immer noch Geräte auf die Deponien. Ein anderer Teil der Geräte wird von kleinen Händlern abgeschöpft und geht in den Gebrauchtgerätemarkt oder auf unkontrollierten Wegen z.T. ins östliche Ausland, wo diese Geräte aufgearbeitet werden oder der Ersatzteilgewinnung dienen. Die Entsorgung dieser Geräte erfolgt nach dem in den Ländern üblichen Standard. In deutschen Entsorgungsfirmen werden die Geräte zunächst einer Grobzerlegung und einer Schadstoff-Entfrachtung unterzogen (vgl. Abb. 6). Es folgt dann eine mechanische Feinzerlegung - mittels Shreddertechnologie - in die unterschiedlichen Fraktionen, die dann zu einer weiteren Aufbereitung und Vermarktung als Sekundärrohstoffe in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. 70 bis 90 vH werden dabei schon heute einer stofflichen Verwertung zugeführt. Ein geringer Teil der Reststoffe geht auf die Deponie oder in die thermische Verwertung. Nur ein ganz geringer Prozentsatz - meist aus sehr alten Geräten - ist mit Schadstoffen belastet, so daß er als Sonderabfall entsorgt werden muß (Kondensatoren, Quecksilberschalter, cadmiumhaltige Kunststoffe, asbesthaltige Teile). Die heute hergestellten Produkte enthalten diese Schadstoffe nicht mehr und können als "schadstofffrei" bezeichnet werden.

Gemeinsames Ziel der Hausgeräteindustrie ist es, die bereits sehr hohen Recyclingquoten weiter zu verbessern. Eine weitergehende gesetzliche Regelung - z.B. in Form der geplanten Elektronik-Schrott-Verordnung - wird abgelehnt. Die Entsorgung von Elektroaltgeräten, die einschließlich Hausgeräten nur ca. 4 vH des Gesamtabfalls ausmachen, sei aus abfallwirtschaftlicher Gesamtsicht heute nur ein Randthema. Es würde reichen, gesetzlich ein Deponieverbot zu erlassen und die Entsorgungstechnik für problematische Altprodukte - wie z.B. FCKW-haltige Kühlschränke, cadmiumhaltige Kunststoffe - in technischen Anleitungen zu regeln. Die Hersteller könnten auch ein eigenverantwortliches, flächendeckendes

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Rücknahmesystem für Hausgeräte übernehmen und die kommunalen Gebietskörperschaften von dieser Aufgabe entlasten. Voraussetzung wäre allerdings die Erhebung kostendeckender Preise, wie das schon derzeit bei der BSHG praktiziert wird. Die Kosten für eine umweltverträgliche Entsorgung werden im wesentlichen durch die Sammellogistik, die Entsorgungstechnik und die Gestaltung des zu entsorgenden Produkts bestimmt. Die Hersteller können über die Produktgestaltung nur den Aufwand für die Entsorgungstechnik beeinflussen. Zwei Drittel der Entsorgungskosten werden aber durch die Logistik bestimmt und sind damit nicht durch das Produktdesign beeinflußbar.

Eine Internalisierung der Entsorgungskosten in die Neupreise, wie sie in der Elektronikschrott-Verordnung vorgesehen ist, wird von der BSHG und auch anderen Hausgeräteherstellern abgelehnt. Sie bringe keine Vorteile für die Umwelt, habe aber viele Nachteile und wirke aus folgenden Gründen nur kostentreibend:

  • Die umweltverträgliche Entsorgung des Kühlschranks kostet heute, einschließlich haushaltsnaher Sammlung ca. 58 DM. Bei einer Erhebung der Entsorgungskosten beim Neukauf des Geräts muß dieser Betrag nach 15 Jahren zur Verfügung stehen, wenn das Gerät entsorgt werden soll. Hierzu müßte der Hersteller beim Neukauf einen Preisaufschlag von über 200 DM nehmen, primär weil vorgezogene Entsorgungskosten in Deutschland nicht steuerfrei zurückgestellt werden können, also als Gewinn zu versteuern sind (mit heutigen Steuersätzen von 68 vH im gewerblichen Bereich).
  • Zusätzlich sei Verwaltungs- und Kontrollaufwand nötig, um Mißbrauch und Trittbrettfahrerei zu verhindern, was eine Größenordnung von ca. 30 vH der eigentlichen Verwertungskosten ausmachen würde.
  • Der Käufer zahle zudem im voraus für eine Leistung, die er erst fünfzehn Jahre später nutze. Für die dann mögliche "kostenlose Rückgabe" zahle er im Endeffekt über viermal soviel.
  • Eine lenkende Wirkung durch die Internalisierung hin zu recyclinggerechteren Produkten trete bei langlebigen Hausgeräten nicht ein, weil die Entsorgungskosten über fünfzehn Jahre nicht seriös beziffert werden könnten.
  • Importfirmen, die nicht damit rechnen, in fünfzehn Jahren noch am Markt zu sein, könnten sich die Preiserhöhung ganz sparen und damit den Wettbewerb zu Lasten der deutschen Hersteller verzerren.

Statt dessen schlägt BSHG vor, auch bei der Entsorgung der Altgeräte den Wettbewerb zuzulassen und dem Verbraucher Wahlmöglichkeiten für die Entsorgung seines Altgeräts zu bieten.

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2.2 Kunststoffrecycling in der Unterhaltungselektronik

Anfang der 90er Jahre wurde vielerorts die Idee entwickelt, Kunststoffe, die in die Produkte „hineinproduziert" werden, am Ende wieder aus den Produkten herauszunehmen. Bei diesem Ansatz traten vielfältige Probleme - wie das der Kunststoff-Eingangsprüfung - auf. Deshalb wurde bei der Grundig AG ein neuer, eigener Weg eingeschlagen. Kernaspekt ist hier eine ganzheitliche Betrachtung, die eine Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie vorsieht. Erreicht werden soll eine vom Produkt unabhängige Kreislaufwirtschaft, in der vermieden und vermindert und danach erst wiederverwendet und wiederverwertet wird.

Bei der Grundig AG wird seit 1993 am Standort Nürnberg - Langwasser ein neues Unternehmens- und Managementsystem aufgebaut. Ziele sind die Umwelt- und Ressourcenschonung sowie die kundennahe Produktion. An die Stelle einer Massenstrombetrachtung tritt ein differenziertes, ganzheitliches Stoffstrommanagement. Unter Ressourcenmanagement wird die durchgängige Betrachtung von der Beschaffung, Einkauf über die Produktion, Distribution, Lager bis zum Endkunden verstanden.

Auf einen solchen Übergang zielt z.B. das BMBF-Forschungsprojekt IREAK (Industrieller Rückbau Elektronik AltKomponenten), an dem auch Grundig beteiligt ist. Hierbei soll über ein Stufenschema zu einer Verwertung von Kunststoffen aus Altgeräten bei der Neuproduktion gelangt werden. Exemplarisch kann dies an einem Kunststoff für Rückwände von Fernsehern (GRUNDIG ABS 100 schwarz, unlackiert) veranschaulicht werden.

Auf einer ersten Stufe steht die Systempartnerschaft mit den Zerlegern von Altgeräten sowie mit den potentiellen Zulieferern und Verwendern für den betrachteten Kunststoff. Wesentliche Bestandteile sind hier:

  • die Entwicklung eines Kunststoffs mit kreislauffähiger Polymermatrix und seinen Anforderungen und Eigenschaften;
  • die Analyse des Auftretens dieses Kunststoffs aus mehreren Industriesparten als Stoffquerschnittsfunktion in gleicher Anwendungstechnik (z.B. Spritzgießen) in Produkten und Geräten;
  • die Weitergabe dieser Information an die Zerleger von Altgeräten oder Altprodukten mit dem betreffenden Stoff, um diese zur wiederholten Einspeisung in die Produktionsprozesse zu veranlassen;
  • die Ermittlung unterschiedlicher Einsatzstufen des gebrauchten Kunststoffs, angefangen von Transportschäden bei der Erstauslieferungen bis hin zu Rücknahmen nach einer jahrelangen Nutzungsphase (Produkthistorie) sowie

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  • die Gestaltung der Produkte und der Zerlegungsprozesse mit dem Ziel, möglichst umfassend die Wertigkeit der Stoffe zu erhalten und die Recyclingerfordernisse zu begrenzen.

In einer zweiten Stufe sind diese Vorgänge mit der Endproduktion von Neugeräten zu verketten. Hier war es Anliegen, einen „Pool" aufzubauen, in den genutzte Altgeräte einfließen, von Zerlegern bearbeitet und den vielfältigen Verwendern dieses Kunststoffs - von der Verpackungsindustrie bis zur Fernsehgeräteherstellung - angeboten werden. Kernbestandteil dieses zweistufigen Systems ist die Entwicklung einer kreislauffähigen Polymermatrix, die durch ausgewählte Systempartner angeliefert wird. Hierzu bedarf es jeweils rund 10 vH Neuware, um Störstoffe auszugleichen und aufzufüllen. Dieser Ausgangspolymer wird auf Anforderung von Grundig von der Chemischen Industrie hergestellt. Danach werden Lieferanten ausgewählt, die die weiteren gewünschten Attribute erfüllen, bspw. Mahlgüter nach Schmelzgrad und Farbe. Ergebnis soll eine kreislaufintegrierte Abfallrückführung aus der eigenen Produktion und anderen Produktionsstandorten sein. Die rückgeführten Stoffe sind bislang billiger als die Rohstoffware. Die Ausbauteile werden nach einem Qualitätssicherungssystem möglichst breit vorsortiert. Dieses Modell-Projekt wird durch die Bayerische Staatsregierung unterstützt.

Vielfältige Basisaktivitäten waren notwendig, um diese Verkettungen durchzuführen. Hierzu zählen die Gründung eines Ökotechnologiezentrums, die Entwicklung einer Rückführlogistik, einer Demontagestruktur sowie der Aufbau einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Probleme ergaben sich allerdings bei einer Verknüpfung mit neuen Ansätzen zur beruflichen Ausbildung. Hier kam man nicht über eine Zertifizierung hinaus. Das Berufsbild Produktverwerter wird nicht anerkannt. Ergänzend wurde ein Schulungszentrum aufgebaut, um zu einer stärkeren Diffusion des Modellprojekts zu kommen und zusätzliche Maßnahmen anzustoßen. Das skizzierte Beispiel der Entwicklung eines verwertungsfähigen Kunststoffs, das als Ausgangspunkt vielfältiger alternativer Verwertungen gedacht war, soll Schule machen.

Aus den Erfahrungen der Grundig AG mit diesem Pilotprojekt ergeben sich folgende Schlußfolgerungen:

  1. Die Kreislaufwirtschaft wird sich zu einer herstellerbezogenen, vom Produkt unabhängigen Verwertungsstruktur entwickeln. Viele Einzelaktivitäten zeigen diesen Trend.
  2. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind infolge vieler Einzelverordnungen nicht handhabbar. Eine Stoffstromverordnung inklusive Stoffstromcontrolling

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    und Stoffstrommanagement würde hier Abhilfe schaffen. Muster könnte das Grundig-IREAK-Vereinnahmungsschema - Stoffstromcontrolling sein.
  1. Die bislang fehlende, aber sinnvolle Ausbildungsstruktur „Kreislaufwirtschaft" ist aufzubauen.
  2. In herstellenden Unternehmen fehlen meist die notwendigen Expertenorganisationen für eine Kreislaufwirtschaft. Dabei geht es nicht um die vielfach schon bestehende Funktion von Umweltschutzbeauftragten.

Die Beispielfälle verdeutlichen somit vielfältige Anforderungen der Praxis an die Gesetzgebung und ihre Umsetzung. Auffällig erscheinen in diesem Kontext neben unmittelbar interessenpolitisch motivierten Anregungen - wie dem Verzicht auf zusätzliche staatliche Regulierungen - die Forderungen eines kalkulierbaren gesetzlichen Rahmens, innerhalb dessen Initiativen angestoßen werden können, und einer Flankierung der betrieblichen Initiativen durch korrespondierende Maßnahmen der öffentlichen Hand, die Hemmnisse abbauen oder zusätzliche Anreize zur Kooperation schaffen. Negative Erfahrungen - wie die der Grundig AG mit Hemmnissen einer Einführung von Ausbildungsmaßnahmen zu Berufsbildern der Kreislaufwirtschaft - können den Elan, der durch die Anreize des KrW-/AbfG ausgelöst wurde, schnell zum Erliegen bringen.

Nach dieser Skizzierung von ökologischen Veränderungen der innerbetrieblichen Produktionsstruktur und Produktgestaltung sollen im folgenden dienstleistungsbezogene Konsequenzen der Kreislaufwirtschaft beispielhaft aufgezeigt werden. Dabei handelt es sich einmal um ein Softwaresystem, das ein nachhaltiges Stoffstrom-Management ermöglicht. Zum anderen werden Lösungen für logistische Probleme vorgestellt, die durch den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft eine neue Dimension erhalten haben. Fortschritte bei der Bewältigung dieser spezifischen Aufgabenstellung werden langfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen in einer Kreislaufwirtschaft mitbestimmen.

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3. Softwaresystem für das Management von Stoff- und Abfallströmen

Nachweispflicht und Aufstellung interner Abfallwirtschaftskonzepte bereiten nach wie vor zahlreichen Unternehmen Kopfzerbrechen. Abhilfe verspricht eine Software, die sich an Produzenten, Entsorger und Kommunen gleichermaßen richtet und einen Schritt in das Stoffstrommanagement bedeutet.

Als ein Grund für die auftretenden Planungsunsicherheiten in der Entsorgungswirtschaft wird vor allem seitens der Kommunen, aber auch von Wissenschaftlern immer wieder vorgebracht, daß seriöses Datenmaterial in der Abfallwirtschaft nicht vorliegt. Exakt diesen Schwachpunkt, daß lediglich nur Schätzungen über

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das tatsächliche Abfallaufkommen in Deutschland kursieren, will die Software "Waste Information Management" (WIM) beheben, die auf der Fachkonferenz vorgestellt wurde. Hierbei erfolgt eine Kehrtwendung gegenüber dem bisherigen Modell der nachträglichen Erfassung von Stoff- und Wertströmen, bei dem Quoten zum Teil auf Basis von Daten, die 1,5 und mehr Jahre zurückliegen, ermittelt werden. Konzeptionell bedeutet WIM den Ausstieg aus dem traditionellen Abfallmanagement und den Einstieg in das Stoffstrommanagement. Als Folge dieser Neuorientierung kann sich auch ein Einstieg in die umweltverträgliche Produktgestaltung ergeben - was wohl dem Geist des KrW-/AbfG entsprechen dürfte. Die von der Firmengruppe Forschung - Entwicklung - Systemtechnik FES entwickelte Software WIM ist demnach präventiv angelegt. Sie stellt Daten bereit, die für exakte Produktanalysen dienen können. Angesetzt wird bei der Erkenntnis, daß uns nicht die effizientere Gestaltung des Abfallmanagements hilft, die Müllberge zu minimieren; das sind Handling-Probleme am Ende der Wertschöpfungskette. Entscheidend ist vielmehr die Betrachtung und Erfassung der Prozesse, die zu eben diesen Müllbergen geführt haben.

Das bisherige Modell der dualen Entsorgungswirtschaft sieht die Auslagerung der Kosten in Form pauschaler, „anonymer" Verwertungsquoten und Lizenzgebühren vor. Das dürfte kaum zu einem nachhaltigen Wirtschaften führen. Das WIM erfaßt alle Materialkomponenten eines Produktes am Anfang der Wertschöpfungskette, sorgt somit für Transparenz und eine klare Zuordnung von Kosten. Für Unternehmen, die sich über Gebühren „freikaufen", eröffnet das WIM-Konzept die Perspektive einer „dynamischen Bilanzierung" sowie eine genaue Nachweisführung über Wertstoffe. Wer im DSD organisiert ist und mit WIM arbeitet, verfügt über ein Instrument, das ihm sicheres, nachprüfbares Material hinsichtlich der Lizenzabrechnung und Vertragserfüllung in die Hand gibt. „Übervorteilungen", als Vorwurf immer wieder vom DSD gegenüber Vertragspartnern erhoben, dürften - so kein bewußter Mißbrauch getrieben wird - damit der Vergangenheit angehören.

Die Software WIM besteht aus drei Modulen, dem Waste Assembler Produktion, dem Waste Assembler Entsorgungswirtschaft und dem Waste Assembler Kommune. Aufgabe der Software ist es, das Nachweisverfahren für alle Wertstoffe und Abfälle zu managen, die verwertet oder beseitigt werden müssen. Prinzipiell sieht das Konzept die Vernetzung aller Prozeßbeteiligten vor. So kann der Austausch per Datenfernübertragung erfolgen, etwa von der Waage der Anlieferungsstelle direkt an das Duale System. Gleichwohl bietet die Software jedem Prozeßbeteiligten die Chance, für sich eine individuelle Lösung aufzubauen.

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Die wesentlichste Bedingung für den Einsatz der Software ist, daß der Anwender über ein PC-gestütztes Fakturierungssystem verfügt. Alle seine Produkte werden mit Artikelnummern versehen. Gleichzeitig wird jedes Produkt in seine Stoffkomponenten zerlegt. Aus Tabellen ist ersichtlich, aus welchen Stoffen sich ein Produkt und seine Verpackung zusammensetzen. Der Assembler greift auf die Daten im Fakturierungssystem zu. Dabei geht er nach folgenden Vorgaben vor: Was ist wann an den Anwender in welcher Menge geliefert worden, und was hat der Anwender wann an wen in welcher Menge geliefert? Das Prinzip ist einfach und bedeutet im Grunde genommen einen Input-Output-Vergleich. Die bisherige Betrachtungsweise beschränkte sich dagegen ausschließlich auf den Output, auf den „Müllberg", auf das, was zu verwerten oder zu beseitigen war.

Ein lückenloser Nachweis der Wertstoffströme wird damit möglich. Berücksichtigt werden darüber hinaus weitere Parameter, die im Hinblick auf betriebliche Umweltkennzahlen von Bedeutung sind. Die Produktspezifikation erfolgt nicht nur unter KrW-/AbfG-Gesichtspunkten, sondern auch unter Luft-, Energie- und Wasserverbauch-Parametern, also unter Aspekten, die man unter dem Stichwort Öko-Bilanzierung subsumieren kann. Somit erleichtert die Software auch den Einstieg in eine nachhaltige Produktgestaltung. Sie führt prinzipiell zu einer größeren Produktverantwortung, weil Kosten nicht mehr outgesourct, also an den Verbraucher weitergegeben, sondern erst einmal internalisiert werden. Es sind also die Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaften und auch zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit gegeben. Als eine der ersten Kommunen nutzt der Landkreis Böblingen, Abfallwirtschaftsamt die Vorteile dieses Konzeptes.

Zusammenfassend hat WIM folgende Vorteile:

  • exakte, zeitnahe Erfassung von Wertstoffen
  • kein „nachträgliches" manuelles Erfassen von Daten, statt dessen automatische Datenerhebung
  • präziser Überblick über Mengen, Ströme und Verbleib von Wertstoffen und Abfällen
  • „gesicherte" Daten für Investitionsentscheidungen
  • erhebliche Senkung von Betriebskosten
  • Schaffung der Grundlagen eines fundierten Abfallwirtschaftskonzeptes
  • Erleichterung der Nachweispflicht gegenüber Kontrollinstanzen
  • interne Transparenz über tatsächliche Kostenstrukturen
  • Vernetzung und Datenfernübertragung möglich

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4. Redistribution - ein zentraler Baustein für eine effektive Kreislaufwirtschaft

Die Ausgestaltung effizienter Produktkreisläufe wird in Zukunft maßgeblich von der Qualität der logistischen Systeme bestimmt. Über das Kreislaufwirtschaftsgesetz sind die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften in Kreisläufen abgesteckt. Für produzierende und importierende Unternehmen erstreckt sich nunmehr die Verantwortung auf den gesamten Lebenszyklus der Produkte. Zu den 'klassischen' Bereichen Beschaffung, Produktion und Distribution kommt die Entsorgung als neuer Bestandteil hinzu. Dabei verschieben sich Inhalte der bisherigen klassischen Entsorgungslogistik zu Aufgabenstellungen der Rückführung gebrauchter Produkte, der Redistribution. Die Rückführungslogistik ist somit zentraler Baustein zur Realisierung der Kreislaufwirtschaft und damit eine Managementaufgabe.

Diese Aufgabe wird von den Unternehmen unterschiedlich bewerkstelligt. In einer Umfrage konnte ermittelt werden, daß mittelständische Unternehmen noch nicht ausreichend auf diese neue Aufgabe vorbereitet sind. So gehen lediglich 19 vH der Firmen diese Thematik intensiv an und haben bereits ein Rücknahmesystem für ihre Altprodukte geplant oder eingeführt. Das Problem verschärft sich bei noch kleineren Unternehmen, bei denen noch Informationsdefizite hinzukommen. Bei der Realisierung der Kreislaufwirtschaft sind die neuen und die bereits vorhandenen Stoffflüsse in allen Phasen hinsichtlich ihrer ökonomischen und ökologischen Konsequenzen zu untersuchen. Dabei gilt zu beachten, daß ein Schließen aller Kreisläufe weder aus thermodynamischer Sicht noch aus ökonomischen und ökologischen Gründen machbar oder sinnvoll ist. Die Wiederverwendung bzw. die Verwertung ist dann anzustreben, wenn sie aus ganzheitlicher Betrachtung Vorteile aufweist.

Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft durch geschlossene Stoffkreisläufe wird die Anzahl der zurückzunehmenden und weiterzuverarbeitenden Produkte wesentlich erhöhen. Die unterschiedlichen Anforderungen an Sammlung, Demontage, Verwertung und Aufbereitung werden im Bereich der hochwertigen und eher kurzlebigen Produkte zu einer Spezialisierung und Zentralisierung einzelner Verwertungsanlagen führen. Für geringwertige Altprodukte mit relativ hohen Transportaufwand wird sich dagegen die Dezentralisierung der Logistikeinrichtungen durchsetzen. Die unterschiedlichen Entwicklungen der Verwertungsanlagen werden zur Entwicklung vielfältiger Logistiksysteme führen und unterschiedlich komplexe Netzwerke für diverse Aufgaben entwickeln. Die gezielte Verwendung von Altprodukten sowie die zu erwartende Konzentration der nicht zu verwertenden Abfallmengen auf wenige Beseitigungsanlagen werden zu neuen Transportnetzwerken führen und somit zu einer Steigerung regionaler als auch nationaler

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Verkehre. Zur Ermittlung der Verkehrswirksamkeit der Kreislaufwirtschaft untersucht das Fraunhofer-lnstitut für Materialfluß und Logistik IML in Kooperation mit einem Demontage- und Verwertungsunternehmen die realen Transportketten für das Recycling von Altcomputern und Altkühlgeräten (vgl. Abb. 7).

Nach ersten Abschätzungen steigt die Verkehrsleistung für die differenzierte Demontage, Verwertung und Beseitigung von Altcomputern im Vergleich zur reinen Beseitigung um den Faktor 8 (bei anderen Produkten sogar noch deutlich höher). Statistisch gesehen werden in Deutschland täglich mehr als 2 Mio. Fahrzeugkilometer für die Entsorgung anfallender Abfälle zurückgelegt. Überträgt man diese Verkehrsleistung auf die anderen Stoffströme, führt das unweigerlich zu einem Verkehrschaos. Bei der Realisierung der Kreislaufwirtschaft zeichnen sich somit folgende Zielkonflikte ab:

  • Entlastung der Umwelt durch den Wiedereinsatz von gebrauchten Bauteilen und Sekundärrohstoffen in der Produktion versus
  • Vermeidung zusätzlicher Verkehrsbelastungen durch Reduzierung von Transporten.

Diesen Zielkonflikt gilt es mit intelligenten logistischen Systemen aufzulösen.

Der Aufbau von Rücknahmesystemen für Altprodukte erlangt zunehmend an Bedeutung in den Unternehmen. Hierfür hat das Dortmunder Fraunhofer IML ein methodisches und praxisorientiertes Verfahren entwickelt. Ausgehend von einer umfangreichen Analyse der Ausgangssituation, die neben den häufig vernachlässigten rechtlichen Aspekten vor allem eine detaillierte Untersuchung der Quellen- und Senkenstruktur für das rückzuführende Produkt(spektrum) umfaßt, werden die spezifischen, relevanten Randbedingungen des Redistributionssystems identifiziert und quantifiziert. Darauf aufbauend werden i.d.R. zuerst Grobszenarien erarbeitet und diese nach einer sinnvollen Vorauswahl im Rahmen einer Feinmodellierung detailliert. Mittels Prozeßketten werden die einzelnen Szenarien spezifiziert, analysiert und hinsichtlich unterschiedlicher Zielvorgaben abschließend ökologisch bewertet. Dafür hat sich die auf der Ökobilanz basierende Methode der screening Lebenszyklus-Methode herauskristallisiert.

Zum Aufbau von Redistributionssystemen müssen neue Konzepte entwickelt oder bestehende Distributionssysteme an die Anforderungen der Rückführung angepaßt werden. In beiden Fällen müssen die Konzepte Planungen auf einer langfristigen strategischen Ebene, einer mittelfristigen taktischen Ebene und einer kurzfristigen operativen Ebene umfassen. Wie erwähnt werden durch die durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz ausgelösten Rückführungssysteme vielfältige Verkehrsströme induziert. Gerade deshalb kommt einer optimalen Standort-, Touren- und Revierplanung innerhalb eines Redistributionssystems eine besondere Bedeutung zu.

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Im Rahmen der zugehörigen Planungen stellt sich die Frage, inwieweit bestehende Distributionssysteme Aufgaben der Redistribution übernehmen können. Dies hätte den Vorteil, daß bestehende Standorte unter Erweiterung von vorhandenen Flächen und Kapazitäten sowie die in der Distribution eingesetzten Versorgungsfahrzeuge für das Redistributionssystem verwendet werden könnten. Dabei ist aber zu beachten, daß neuwertige und gebrauchte Güter unterschiedliche Transportanforderungen aufweisen und eine auf den ersten Blick sinnvolle ökonomische sowie ökologische Verknüpfung auf Schwierigkeiten stößt.

Im Rahmen der Redistribution ist bei den Altprodukten weder die Verfügbarkeit der Güter noch die Kapitalbindung (geringerer Wert der Alt- gegenüber den Neuprodukten) von ausschlaggebender Bedeutung für die Gestaltung des Transportsystems. Vielmehr wird das Servicekriterium eine schnelle und zuverlässige Entsorgung sein und nicht die Versorgung der Demontageanlagen in kürzester Frist. Sinnvollerweise wird das Redistributionssystem der Altprodukte so ausgelegt, daß die geringen zeitlichen Anforderungen dazu genutzt werden, die Gesamtkosten niedrig zu halten. Das bedeutet eine Bündelung der Mengenströme auf preiswerte Umschlagflächen am Rande von Ballungsräumen, um dann mit ausgelasteten Transportmitteln den Transport über längere Strecken durchzuführen. Die Entwicklung der Redistributionssysteme wird wahrscheinlich den gleichen Entwicklungsprozeß wie die Distributionssyteme von ähnlich geringwertigen Gütern mit relativ hohem Transportaufwand durchlaufen. Der Rationalisierungseffekt von Produktionsanlagen wird durch den steigenden Transportaufwand schnell aufgebraucht. Dezentrale Produktionsanlagen erweisen sich als vorteilhafter gegenüber dem Transport über weite Strecken. Analog sollten für das Recycling und die Demontage dezentrale Anlagen aufgebaut werden, in denen eine Teildemontage oder Fraktionierung in die Bestandteile vorgenommen wird (Baugruppen, Werkstoffe, Rohstoffe, Abfälle). Darauf aufbauend sollte dann der Transport der unterschiedlichen Fraktionen zu weiteren nachgelagerten Zielstationen erfolgen (Produktions-, Aufbereitungs-, Verbrennungsanlagen oder Deponien). Neben diesem dezentralen Ablaufmuster existieren aber auch Produktgruppen, für die gerade eine Zentralisierung der Verwertungskapazität die ökonomisch und ökologisch sinnvollste Alternative darstellt. Die Redistribution gebrauchter Güter kann nicht einfach als Spiegelbild der Distributionssysteme aufgefaßt werden, sondern bedarf eines eigenständigen Systems. Insbesondere bei den Standorten von Umschlagstationen oder Demontageanlagen wird es keine Übereinstimmung zwischen Distributions- und Redistributionssystemen geben.

Bedingt durch die vielfältigen, komplexen Fragestellungen bei der Planung von Redistributionssystemen ist der Einsatz von EDV-gestützten Hilfsmitteln zur optimalen Gestaltung von großer Bedeutung. Deshalb wird am Fraunhofer IML in

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Abbildung 9 / Recyclingwege


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Dortmund ein Software-Tool zur Optimierung und strategischen Planung von Redistributionssystemen entwickelt. Ziel ist es dabei, die oben beschriebene und in zahlreichen Industrieprojekten entwickelte Methodik in ein Software-Tool zu implementieren, um künftig auf spezielle Anwendungsfälle abgestimmte, kostenoptimierte Redistributions-, Demontage- und Verwertungsstrategien schnell herauszuarbeiten.

Dieses Software-Tool berücksichtigt verschiedene Gesichtspunkte einer Neuplanung bzw. Optimierung von bestehenden Systemen. Das Programm verfügt über ein Modul, das eine Grobplanung zur schnellen Kosten- und Optimierungsabschätzung erlaubt. Darüber hinaus ist es möglich, eine Detailplanung durchzuführen. Aufbauend auf den vom Kunden bereitgestellten und den in einer redistributionsspezifischen Datenbank vorliegenden Daten werden verschiedenen Lösungen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten gebildet, miteinander verglichen und die optimale ausgewählt. So wird gewährleistet, daß für das Gesamtsystem das Optimum erreicht werden kann.

Für den Aufbau eines optimalen Redisitributionssystems wird eine Situationsanalyse durchgeführt. Im ersten Schritt werden die Rücklaufmengen ermittelt, wofür einerseits Absatzmengen und andererseits erwartete Rücklaufquoten benötigt werden. Anschließend erfolgt die Analyse der Anfallstellen- und Senkenstruktur. Ergebnisse sind die spezifischen Anforderungen an die Sammelsysteme (Hol-, Bringsysteme bzw. eine Kombination), mit denen die Altprodukte aufgenommen und für anschließende Recyclingprozesse bereitgestellt werden.

Anhand von Eingangsdaten (z.B. Produktdaten des Auftraggebers, Absatzmengen), globalen Kenngrößen (z.B. Durchschnittswerte für Erlöse, Entsorgungs- sowie Transportkosten) und den geographischen Daten, die in einer redistributionsspezifischen Datenbank dokumentiert sind, und aufbauend auf der durchgeführten Situationsanalyse können verschiedene Szenarien zu einer ersten Abschätzung (Grobplanung) der Kosten gebildet und analysiert werden. Zur Vereinfachung des Problems können die Anfallstellen zu sinnvollen Ersatzquellen zusammengefaßt werden.

Liegen die exakten Daten zur Durchführung einer Detailplanung vor, kann das Redistributionssystem in seiner horizontalen Standortstruktur (räumliche Verteilung von Behandlungsanlagen, Sammelstellen etc.) geplant werden. Dabei werden Algorithmen zur heuristischen Lösung des Standortproblems herangezogen. Die vom Programm vorgeschlagenen Standorte können jedoch unter Berücksichtigung anderer Parameter (z.B. vorhandene Flächen, politische Durchsetzbarkeit etc.) verändert werden. Anschließend werden die erwarteten Kosten für unterschiedliche Varianten berechnet und gegenübergestellt.

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Nach der Standortplanung und der Zuordnung von Anfallorten zu Sammelstellen bzw. zu Behandlungsanlagen sowie der Zuordnung der Sammelstellen zu den Behandlungsanlagen (mehrstufiges Problem) werden optimale Touren geplant. Das entwickelte Tool bietet im Bereich der strategischen Tourenplanung die Möglichkeit, Rahmentourenpläne für die sich ständig wiederholenden Zeiträume z.B. Woche, Monat oder Jahr zu erstellen.

Die konkrete Tagesplanung basiert auf dem Rahmentourenplan. Hierbei werden eine bzw. mehrere Touren mit minimalen "Kosten" durch eine vorgegebene Menge von Anfallstellen und deren Zuordnung zu Fahrzeugen gesucht, so daß jede Anfallstelle erreicht wird. Zusätzlich berücksichtigt werden Randbedingungen wie z.B. die Kapazitätsrestriktion der vorhandenen Fahrzeuge, die Kapazitätsrestriktionen der Anlagen und Sammelstellen, die maximale Tourdauer und die maximale Länge für eine Tour.

Standort-, Zuordnungs- und Tourenplanung sind äußerst komplexe Aufgaben. Die Rechenzeiten und die Güte der Lösungen für diese Probleme hängen stark von der Anordnung und Zahl der Standorte und der Anfallstellen sowie von den vorgegebenen Restriktionen ab. Zur Lösung dieser Aufgabenstellungen werden in dem entwickelten Software-Tool naturanaloge Verfahren eingesetzt, die sich durch gute Lösungsqualitäten und Schnelligkeit auszeichnen.

Ob eine konkrete Recyclingmaßnahme die Umwelt letztendlich be- oder entlastet, ist die Hauptfrage, die häufig von der Öffentlichkeit im Rahmen der Diskussion über Recycling gestellt wird. In diesem Zusammenhang stehen vor allen Dingen die für die Rückführung der ausgedienten, zu recycelnden Produkte und Werkstoffe unverzichtbaren Transportprozesse im Blickfeld der Kritik. Bei der Betrachtung der prinzipiellen Möglichkeiten des Recyclings sowie der dabei zu durchlaufenden Prozeßschritte wird offensichtlich, daß die Auswahl der "am besten umweltverträglichen" Alternative nicht trivial ist. Letztlich wird man an vielen Stellen nicht auf umfangreiche Stoff- und Energiebilanzen als zur Zeit einziges bedingt funktionsfähiges Werkzeug zur Bestimmung des Umweltwirkungspotentials verzichten können. Damit sind jedoch gewisse Fragestellungen nicht abschließend zu klären - so z.B. das Problem der Bilanzbewertung, wo der Anwender letztlich gezwungen ist, "Äpfel mit Birnen" zu vergleichen, beispielsweise den Beitrag zum globalen Treibhauseffekt (Global Warming Potential) mit dem eher regionalen Effekt der Versauerung durch sauren Regen oder aber das Problem der Ausbeutung nicht erneuerbarer Energieträger mit der Überdüngung von Gewässern.

Bei der Bestimmung der Umweltwirkungen zweier Verhaltensalternativen hat sich mittlerweile der kumulierte Energieaufwand als brauchbare Leitgröße erwiesen.

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Hier werden alle primärenergetisch bewerteten Energieaufwendungen, die sich bei der Herstellung selbst sowie der Gewinnung, Verarbeitung, Herstellung und Entsorgung der Fertigungs-, Hilfs- und Betriebsstoffe, einschließlich der Transportaufwendungen ergeben, berücksichtigt.

Seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt sich das Fraunhofer-lnstitut für Materialfluß und Logistik IML, Dortmund, intensiv mit Fragestellungen der Redistribution und ist als kompetenter Partner für die Industrie tätig. So wurden bereits im Jahr 1992 im Auftrag der Digital Equipment Corporation Europe die wesentlichen Randbedingungen für eine europaweite Rückführung gebrauchter luK-Geräte bestimmt und Lösungsmöglichkeiten für das zugehörige Redistributionskonzept als notwendige Voraussetzung für ein effektives Produktrecycling entwickelt.

Im Auftrag des Unternehmens Textar, Leverkusen, wurde ein Grobkonzept zur Redistribution von Reibbelägen erarbeitet. Ziel war die Konzipierung eines bundesweiten, flächendeckenden Redistributionssystems, das die Rücknahme von Reibbelägen sowohl der Firma Textar als auch anderer Hersteller bis einschließlich der Anlieferung zur Verwertungsanlage gewährleisten sollte. Zentrale Anforderungen waren eine sortenreine Sammlung von Scheibenbrems- und Trommelbremsbelägen sowie der Ausschluß asbesthaltiger Reibbeläge. Die auch unter dem Aspekt des "make or buy" modellierten Szenarien wurden u.a. mit Finanzierungskonzepten hinterlegt und abschließend ökonomisch bewertet. Hierbei ergaben sich zwischen den einzelnen Szenarien bei Gesamtkosten im zweistelligen Millionenbereich Kostenunterschiede von über 30 vH.

Ein anderes Projekt wurde für die Agfa-Gevaert AG durchgeführt, die im Jahr 1996 eine neuartige APS-Einweg Kamera auf den Markt gebracht hat. [Fn.12. Nach Auffassung des BDE hätte man auf die Entwicklung einer solchen Kamera aus Gründen der Nach haltigkeit und des Umweltschutzes besser verzichtet.] Bei der Entwicklung dieser Kamera mit Mehrwegkonzept, an der das Fraunhofer IML maßgeblich beteiligt war, wurde von Beginn an darauf geachtet, daß Bauteile und Komponenten der Alt-Kamera nach dem (Einmal)Gebrauch soweit wie möglich bei der Produktion von Neu-Kameras wiedereingesetzt werden können. So sind nach einer Qualitätskontrolle 89 bis 93 vH wiederverwendbar. Ein weiterer Teil wird stofflich verwertet.

Im Rahmen der Logistikplanung wurden unterschiedliche Szenarien erarbeitet, um die Kamera weltweit mit einer möglichst hohen Erfassungsquote zurückzuführen. Ausgangspunkt der Planung war eine möglichst genaue Bestimmung der Anzahl an rückzuführenden Produkten. Die notwendigen Planungsschritte dabei sind:

  • Bestimmung der Rücklaufquoten für Teilmärkte und

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  • Ermittlung der Umlaufzeiten pro Teilmarkt (Festlegung einer durchschnittlichen Umlaufzeit, Berücksichtigung von statistischen Verteilungen).

Bei der Ermittlung der Rücklaufmengen der Kamera ergab sich aufgrund der kurzen Verweilzeiten der Kamera im Markt die Besonderheit, daß eine Kamera bis zu zwölfmal wiederverwendet werden kann. Daher müssen im Vergleich zu anderen langlebigen elektronischen Produkten eine Reihe zusätzlicher Daten bestimmt werden. Zum Beispiel:

  • Bestimmung der möglichen Anzahl von Umläufen pro Kamera,
  • Festlegung der Demontagekapazität sowie
  • Rückkoppelung mit der Produktion, da die demontierten Kameras direkt wieder (re)montiert werden.

Wesentlicher Gegenstand der Sammlung ist die Erfassung des Sammelgutes an definierten Übergabeorten in einem definierten Ordnungszustand. Zentrales Kriterium der Auslegung ist der erforderliche bzw. gewünschte Sammelrhythmus. Im Verlauf der Sammlung erfolgt eine Zusammenfassung der Güter zu größeren Lade- und Transporteinheiten. Im Beispiel erfolgt die Erfassung der Kameras an der Stelle, an der den Kameras die Filme zur Entwicklung entnommen werden. Mittels ABC-Analyse sind die Anfallstellen klassifiziert und ein abgestimmtes Erfassungskonzept erarbeitet worden. Welches Sammelkonzept in welchen Ländern eingeführt wird, hängt dabei ganz entscheidend von der Struktur der Anfallstellen ab.

Die an den Anfallstellen erfaßten Produkte müssen anschließend direkt oder über Zwischenlager zu den Senken des Rückführsystemes transportiert werden. Dabei sind die Entscheidungen über die Auswahl des Transportmittels und der Ladehilfsmittel (z.B. Paletten, Gitterboxen, Container) zu treffen. Letztere bestimmen die Qualitätsanforderungen, die innerhalb des Redistributionssystems realisierbar sind. Insbesondere im Produkt- oder Bauteilrecycling stellt die Einhaltung dieser Qualitätsanforderungen eine wesentliche Voraussetzung für die nachfolgenden Arbeitsschritte dar. In der Regel erfolgt der Transport in einer mehrstufigen Transportkette, d.h., daß ein Wechsel des Verkehrsmittels vorgenommen wird. Eine Zwischenlagerung erfolgt, um größere Transporteinheiten bilden und die maximale Nutzlast der Transportmittel ausschöpfen zu können.

An größeren Sammelstellen bzw. an zentralen Sortierstellen werden die eingesammelten Produkte nach Herstellern und Typen getrennt und entsprechend des weiteren Bearbeitungsweges kommissioniert. Der hierfür benötigte Ordnungszustand und die Behältertechnik müssen optimiert werden.

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Die für das Kamerakonzept gewählten Organisationsformen der Sortierung können grundsätzlich sehr unterschiedlich sein. Die Organisationsform hängt entscheidend von der Frage ab, ob mit anderen Herstellern kooperiert oder ein eigenes Redistributionssystem betrieben wird. Für alle Organisationsformen ist die Überlegung wichtig, ob für die Sortierung der Kameras Dritte beauftragt werden können. Durch eine Untersuchung mit Hilfe eines auf der Ökobilanzmethodik basierenden Vergleichs konnte nachgewiesen werden, daß das erarbeitete Gesamtkonzept (Logistik und Wiederverwendung) einen ca. 30 vH niedrigeren kumulierten Energieaufwand hat gegenüber einem Vergleichssystem mit dezentralem werkstofflichen Recycling.

Die Wiederverwendung von Altteilen durch unterschiedliche Akteure ist wesentlicher Bestandteil des BMBF-Verbundforschungsvorhabens "Dienstleistung 2000plus". Dabei wird derzeit eine systematische Untersuchung umweltbezogener Dienstleistungen - focussiert auf das Handwerk und den Mittelstand und dargestellt am Beispiel des Kfz-Handwerks und -gewerbes - durchgeführt. Das Fraunhofer Institut für Materialfluß und Logistik analysiert in diesem Zusammenhang die Akteursgruppen Kfz-Entsorgung/Verwertung und die Kfz-Zulieferer. Ziel des Projektes ist die Identifikation von wirtschaftlichen, technologischen aber auch politischen, gesellschaftlichen, rechtlichen Entwicklungen und die Formulierung von konkreten Handlungsbedarfen und -empfehlungen zur Umsetzung neuer Dienstleistungen und Dienstleistungskonzepte im Kfz-Handwerk und -gewerbe.

Die Rolle der Werkstätten bei der Altautoverwertung wird um die Funktionen Altautoannahmestellen und Reparaturbetrieb unter Nutzung von gebrauchten Autoteilen erweitert. Die Funktion "Annahmestellen für Alt-Kfz" ist für die Akquisition neuer Kunden bzw. neuer Käuferschichten äußerst wichtig. Alle markengebundenen Werkstätten, aber auch zahlreiche freie Werkstätten sind als Potential für zukünftige Annahmestellen anzusehen, d.h. ca. 30.000 Betriebe.

Die Aufarbeitung von Ersatzteilen aus Altautos wird in der Regel wegen der hohen Lohn- und Investitionskosten von Kfz-Werkstätten und Kfz-Verwertern nicht vorgenommen. Eine gezielte Aufarbeitung von Bauteilen wird nach wie vor von speziellen Instandsetzungsbetrieben oder durch industrielle Austauscherzeugnisfertiger (Automobilhersteller oder Kfz-Zulieferer) durchgeführt. Industrielle Aufarbeiter (z.B. für Kupplungen) benötigen für den Aufbau von Geschäftsbeziehungen große Mengen an Altteilen (>10.000 Stück). Deutsche markengebundene Kfz-Werkstätten realisieren die notwendige Mengenbündelung durch die Rückgabe der defekt demontierten Bauteile über Großhändler und die Vertriebsorganisationen im Austausch. Die Mengenbündelung der Altteile durch die Verwer-

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terbetriebe über Altteilnetzwerke ggf. unter Einbeziehung des Austauschteilehandels ist denkbar, wird derzeit aber nicht praktiziert.

Die verstärkte Nutzung von Attteilen zur Instandsetzung und Reparatur wird von allen Beteiligten als ein potentielles neues Geschäftsfeld (Dienstleistung) angesehen. Unbedingte Voraussetzung für die Etablierung dieses Zukunftsmarktes ist die entsprechende Verfügbarkeit (Quantität) und gesicherte Qualität der gebrauchten Teile. Die hierfür notwendigen Netzwerke für gebrauchte Ersatzteile sollen nicht werkstattübergreifend aufgebaut werden, sondern von speziellen Kfz-Verwerter-und Kfz-Entsorgungsbetrieben.

Die zeitwertgerechte Reparatur, die die Versicherungswirtschaft zunehmend fordert, wird die Nutzung von Altteilen zusätzlich verstärken. Diese neue Art der Unfallreparatur ist im entscheidenden Maße abhängig von der Funktion eingespielter Altteilenetzwerke. Zunächst ist aber festzustellen, für welche Teile sich eine zeitwertgerechte Reparatur unter Berücksichtigung aller Parameter (z.B. erhöhter Aufarbeitungsaufwand, logistische Aufwendungen, etc.) lohnt. Die Etablierung der zeitwertgerechten Reparatur wird in entscheidendem Maße von den Automobilherstellern und der Versicherungswirtschaft abhängen. Aber auch bei der Verwendung von Altteilen bestimmt die Logistik den ökologischen Nutzen. Für das Demonstrationsprodukt Kotflügel ergaben sich folgende zentrale Aussagen:

  • Der alleinige Transport eines Kotflügels ist aus ökologischer Sicht nur regional sinnvoll. Bei einem Einzeltransport mit einem Kleintransporter bis zu einer einfachen Entfernung von etwa 35 km zwischen Werkstatt und Demontageanlage ist der gebrauchte Kotflügel dem Neuteil überlegen.
  • Werden die notwendigen Transporte sinnvoll miteinander verbunden, bspw. durch Abholen mehrerer Altteile oder Kombination mit der Anlieferung eines Altfahrzeuges, vergrößert sich der Radius. Bei einer Fahrzeugauslastung von 10 vH und dem Einsatz eines Kleintransporters beträgt er bereits mehr als 300 km.
  • Wird der werkstattgebundene Einzeltransport durch die Distribution von Altteilen über den Speditionsverkehr ersetzt, ist ein flächendeckendes Altteile-Netzwerk für Deutschland ökologisch sinnvoll.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, daß die Logistik für eine effiziente Kreislaufwirtschaft eine Schlüsselfunktion besitzt und dabei die potentiellen auf sinnvolle Verwertungs- und Verwendungskreisläufe limitiert. Ebenso wird deutlich, daß eine flächendeckende Altteileversorgung ökologisch einen wesentlichen Fortschritt darstellt, wenn es gelingt, effektive Logistiknetzwerke zu entwerfen und zu realisieren. Die Erfahrungen des Fraunhofer Instituts belegen auf der einen Seite, daß man bei der Entwicklung eines Redistributionssystems als wesentlichem Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft mit vielfältigen komplexen Aufgabenstellungen

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konfrontiert ist. Auf der anderen Seite bietet die Bewältigung dieser mit dem Umschwung von der Entsorgung zur Versorgung verbundenen Problemstellung die Chance der Aktivierung ökonomischer und ökologischer Potentiale. Es können innovative Strukturen aufgebaut werden, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Deutschland erhöhen.

Die in Forschungs- und Industrieprojekten des Fraunhofer IML entstandenen Ergebnisse, Erfahrungen und Lösungen werden im Dortmunder Demonstrationszentrum „Aufbau komplexer Logistiknetzwerke" aufbereitet und allen Interessengruppen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft praxisorientiert präsentiert. Dabei wird das Ziel verfolgt, einen intensiven Wissensaustausch zwischen Forschung und Praxis zu fördern und die für den Standort Deutschland wichtige Realisierung innovativer Konzepte zu beschleunigen. Schwerpunkte des Demonstrationszentrums sind u.a. die inner- und außerbetriebliche Vernetzung von Produktkreisläufen und Akteuren, die Bewertung von Kreislaufszenarien, der Einsatz von EDV-Systemen in der Kreislaufwirtschaft und nicht zuletzt die Vorstellung neuer logistischer Systeme zur Umsetzung zyklischer Stoff- und Produktströme.


Abbildung 9 / Entsorgung wird zur Versorgung


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5. Politische Flankierung betrieblicher Kreislaufwirtschaftsaktivitäten

Die deutschen Unternehmen haben ungeachtet der noch nicht bewältigten politischen Handlungserfordernisse mit ersten Schritten in Richtung eines nachhaltigen Abfallmanagements begonnen. Organisationen werden umgestellt, neue integrierte Managementsysteme entwickelt, die Gestaltung von Produkten, ihres Vertriebs und des Ablaufs ihrer Entsorgung wird verändert, neue Kooperationsformen und Logistiksysteme entwickelt. Um diese Initiativen nicht ins Leere laufen zu lassen, bedarf es jedoch einer politischen Flankierung. Neben einer politischen Unterstützung von Forschungsvorhaben und innovativen Kooperationen sind verläßliche Signale an die Akteure erforderlich, um ihnen Planungs- und Organisationssicherheit im nationalen und internationalen Wettbewerb zu gewähren. Viele Einzelfälle aus der Wirtschaft belegen, daß die Kreislaufwirtschaft in der Praxis der gesetzlichen Gestaltung deutlich voraus ist. Bereitschaft und Engagement für Veränderungen sind vorhanden. Solche erfolgreichen betrieblichen Aktivitäten gilt es auch durch geeignete abfallpolitische Rahmenbedingungen zu forcieren.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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