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Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

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Mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz KrW-/AbfG von Oktober 1996 wurde ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine nachhaltige Abfallwirtschaft getan. Das Gesetz soll in erster Linie die Vermeidung, die Verwertung und die Beseitigung von Abfällen regeln sowie die Produktverantwortung der Produzenten herstellen. Primäres Ziel ist die mengenmäßige bzw. qualitative Vermeidung; bei deren Durchsetzung besteht allerdings noch erheblicher Handlungsbedarf. Die Verwertung hat Vorrang vor der Beseitigung. Sie muß aber technisch möglich, wirtschaftlich zumutbar und am Markt realisierbar sein. Differenziert wird zwischen stofflicher und energetischer Verwertung, wobei dem umweltverträglicheren Verfahren Priorität einzuräumen ist. Die Verwertung von Abfällen soll in allen Produktionsprozessen stattfinden. Hierfür fehlen bislang konkrete materielle Anforderungen. Es kann aber auch nicht Ziel sein, für alle Produktionsprozesse Rechtsverordnungen zu erlassen. Der Verwertungsvorrang entfällt, wenn die Beseitigung die umweltfreundlichere Lösung darstellt. Dann können die Produkte auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Durch die Produktverantwortung über den gesamten Lebenszyklus bis zur Abfallentsorgung sollen die Hersteller in die Entscheidungsprozesse über Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen einbezogen werden. Dieser Aspekt der Kreislaufwirtschaft kann über freiwillige Selbstverpflichtungen, über Rechtsverordnungen oder über ökonomische Instrumente umgesetzt werden.

Beklagt wird, daß viele Details des neuen Abfallrechts unklar formuliert sind. Insbesondere wird über die Begriffe „Abfälle zur Verwertung" und „Abfälle zur Beseitigung" kontrovers diskutiert. Diese Abgrenzung ist aber entscheidend für die Überlassungspflicht von Abfällen an öffentliche Entsorgungsträger. Zur Klärung dieser unscharfen Begriffe soll ein Katalog von Beispielfällen entwickelt werden, der mögliche Formen der Verwertung und Beseitigung beschreibt und eine Einordnung von Abfällen ohne zeitaufwendige Einzelfallprüfung erlaubt.

Die Verringerung der Abfallmengen in den letzten Jahren wurde als deutliches Indiz für einen Richtungswechsel zum nachhaltigen Wirtschaften gewertet. Ein besonders deutlicher statistischer Rückgang um 1 Mio. t seit 1993 ist dabei im Bereich der Sonderabfälle zu registrieren. Dieses Ergebnis kommt allerdings weitgehend durch sog. Öko-Dumping, d.h. durch Verstöße gegen gültige Standards einer dauerhaft umweltgerechten Verwertung und Beseitigung von Abfällen zustande: Sonderabfälle werden z.B. zunehmend in in- und ausländischen Zementanlagen thermisch verwertet oder landen verstärkt auf Deponien im In- und Ausland. Durch den Export von Abfällen wurden die heimischen Märkte entlastet und Preiseinbrüche ausgelöst. Es kommt zu Beeinträchtigungen sämtlicher Umweltstandards bei der endgültigen Entsorgung, die es durch intensiveren Vollzug bestehender und den Erlaß zusätzlicher Regelungen einzugrenzen gilt. Notwendig erscheint u.a.

  • eine eindeutige und bundes- bzw. EU-weit akzeptierte Abgrenzung von Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung

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  • der Ausschluß bzw. die Eingrenzung der Zwischenlagerung von Abfällen als Basis zur Anerkennung von Entsorgungsnachweisen
  • Selbstverpflichtung der Zementwerksbetreiber zur ausschließlichen Verwertung von Abfällen mit geringem Schwermetall- und Quecksilbergehalt
  • Einschränkung der Vermischung von Abfällen.

Seit dem Inkrafttreten des KrW-/AbfG klagen viele Städte, Gemeinden und Kreise über rückläufige Abfallmengen. In der Umsetzung der Privatisierungsansätze des Gesetzes sehen sie die Hauptursache für die gravierenden Auslastungsprobleme, mit denen insbesondere kommunale Entsorgungsanlagen konfrontiert sind, die in den letzten 10 Jahren angesichts eines sich abzeichnenden „Entsorgungsnotstandes" errichtet wurden, und die den hohen Umweltstandards entsprechen. Hierauf reagieren viele Kommunen mit noch nicht verfüllten Deponien bzw. mit gering ausgelasteten Verbrennungsanlagen mit Preissenkungen für gewerbliche Abfälle. Gleichzeitig werden die Fixkosten der Anlagen stärker auf die übrigen Abfallerzeuger - primär die privaten Haushalte - verlagert. Im Zuge eines verschärften Wettbewerbs um Abfälle kommt es zu Beeinträchtigungen eines nachhaltigen Abfallmanagements und ressourcenschonender Entsorgungsverfahren.

Fest steht, daß die kritische Auslastungssituation nicht allein den im KrW-/AbfG angelegten Privatisierungstendenzen zugeschrieben werden kann, zumal die Privatisierungspotentiale der Abfallwirtschaft nach Auffassung der privaten Entsorgungswirtschaft bislang erst unzureichend ausgeschöpft werden können. Vielmehr spielen hierfür die seit einer Reihe von Jahren rückläufigen Abfallmengen auch eine wichtige Rolle. Weiter ist durch die Verpackungsverordnung für die Kommunen seit 1991 ein relevantes Abfallsegment weggefallen. Hinzu kommt, daß die Wirtschaft schon länger verstärkt auf Vermeidung, Aufbereitung und Verwertung von Produktionsabfällen setzt. Zur Abfallverringerung im kommunalen Sektor leistet schließlich auch die TASi einen Beitrag. Da deren verschärfte Umweltstandards erst ab Mitte 2005 erfüllt werden müssen, bestehen Anreize, während der langen Übergangsfrist mit niedrigen Preisen Abfälle an modernen kommunalen Anlagen vorbei in Altdeponien mit Substandard zu lenken. Parallel zu diesen Veränderungen beim Abfallaufkommen wurden zusätzliche Entsorgungskapazitäten aufgebaut und neue Entsorgungswege (Einsatz als Energiequelle in Stahl-, Zement- und Kraftwerken, Verbringungen im Bergbau) genutzt.

Zur Entschärfung dieser Entwicklung werden unterschiedliche Konzepte diskutiert, so z.B. eine vorgezogene Verwirklichung der Anforderungen der TASi. Als weiteren Lösungsweg für Probleme von Kommunen im Bereich der Abfallentsorgung schlägt der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft BDE zusätzliche Deregulierungen und Privatisierungen vor. Dieses ordnungspolitische Konzept wird vom Städtetag abgelehnt, da es darauf ziele, die kommunale Abfallwirtschaft zu verdrängen. Es drohe eine Privatisierung der Chancen und eine Sozialisierung der Risiken. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, Details des neuen Abfallrechts zu präzisieren und mit transparenten, Planungssicherheit schaffenden und umweltgefährdende Entsorgungswege auszuschließenden Marktregeln Anreize für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft auszulösen. Darüber hinaus muß ein

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Vertrauensschutz für die Entsorgungsinvestitionen sichergestellt werden, die die Kommunen während der Geltung des Abfallgesetzes ab 1986 vorgenommen haben.

Bei vielen großen Stoffströmen gibt es bislang erhebliche Defizite bei den Regelungen, die ein nachhaltiges Abfallmanagement und eine Produktverantwortung der Hersteller über die Nutzungsphase hinaus sicherstellen sollen. Es fehlt beispielsweise noch eine Elektronikschrottverordnung für die sog. weiße und braune Ware (elektrische und elektronische Groß- und Kleingeräte sowie Geräte der Unterhaltungselektronik), die die Hersteller und Vertreiber u.a. verpflichtet, Geräte aus umweltverträglichen (primär Sekundärrohstoffen recyclinggerecht herzustellen. Nachbesserungsbedarf besteht auch bei der Altautoverordnung. In diesem Bereich kann bislang kaum von einer Produktverantwortung der Industrie die Rede sein. Hier erscheinen insbesondere verbraucherfreundlichere Regelungen hinsichtlich der Rücknahmepflichten der Hersteller unumgänglich. Notwendig ist weiter eine Novelle der Verpackungsverordnung, die das „Trittbrettfahren" im System des Grünen Punktes bekämpft, die Mehrwegsysteme stärker präferiert und das werkstoffliche Recycling festschreibt. Auch für den Bausektor kann trotz der Selbstverpflichtung des Baugewerbes nach wie vor ein Verordnungsnotstand festgestellt werden. Für den mengenmäßig größten Abfallstrom der Baustoffe muß aber mehr Nachhaltigkeit erreicht werden.

Abfallvermeidung ist zwar der oberste Grundsatz einer nachhaltigen Kreislauf- und Abfallwirtschaft. Ihre Umsetzung in die Praxis ist bislang aufgrund der politischen Interessenkonstellationen aber nur unzureichend. Eine tragfähige materielle Basis für die deutsche Wirtschaft bedarf dringend eines umfassenden Stoffstrommanagements, bei dem neben den Output-Strömen auch die Input-Ströme reduziert werden. Das Wuppertal-Institut fordert hier Verringerungen des Materialinputs um 75 bis 95 %. Eine solche Zielsetzung macht auch den Einsatz neuer finanz- und wirtschaftspolitischer Instrumente notwendig, die den Materialeinsatz relativ verteuern, und mit deren Hilfe sich sowohl die Verbrennung als auch die Ablagerung von Abfällen verringern lassen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang der neue Ordnungsrahmen, den das Kreislaufwirtschaftsgesetz vorschreibt. Mit der Produktverantwortung für den gesamten Produktlebenszyklus werden Anforderungen aus der Entsorgungsphase bereits in die Produktentwicklung hineingetragen. Integrierte Managementsysteme können dabei sicherstellen, daß bei der Herstellung, beim Gebrauch und bei der Rücknahme von Produkten am Ende ihrer Nutzung möglichst wenig Abfälle zur Beseitigung anfallen.

Zahlreiche praktische Beispiele verdeutlichen, daß Wirtschaft und Wissenschaft bereit und in der Lage sind, bestehende Hemmnisse einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft abzubauen. Es gibt z.B. Selbstverpflichtungen von Unternehmen über eine recyclinggerechte Produktgestaltung sowie über den Ausschluß von Schadstoffen in Produkten (über gesetzliche Regelungen und Vorhaben hinaus). In anderen Fällen wird ein ganzheitliches Ressourcenmanagment praktiziert, das von der Beschaffung über Produktion, Distribution und Lager bis hin zum Endkunden

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reicht. Dabei zeichnet sich ein Trend zu herstellerbezogenen, vom Produkt unabhängigen Verwertungsstruktur ab. Handlungsbedarf besteht in bezug auf die bislang fehlenden Ausbildungsstrukturen zur Kreislaufwirtschaft.

Flankiert werden abfallpolitische Veränderungen von Produkten und Produktionsstrukturen durch neue Dienstleistungen und Kooperationsformen. Dabei geht es beispielsweise um die Bildung von Herstellerpools für die Organisation und den Betrieb der Produktentsorgung. Wichtig ist auch die Entwicklung von Lösungen für logistische Probleme, die bei der Realisierung der Kreislaufwirtschaft durch die Redistribution von gebrauchten Produkten entstehen. Diese Lösungen sind so zu strukturieren, daß die Umweltentlastungen durch das Recycling nicht von den ökologischen Belastungen durch zusätzlich notwendige Transportprozesse aufgezehrt werden. Andere Innovationen stellen die Software bereit für den Ausstieg aus dem traditionellen Abfallmanagement und für den Einstieg in das Stoffstrommanagement mit nachhaltiger Produkt- und Prozeßgestaltung.

Die betrieblichen Beispiele zeigen, daß das KrW-/AbfG wichtige Akzente für eine Abkehr von der Wegwerfgesellschaft und Durchflußwirtschaft gesetzt hat. Deutlich wird aber auch, daß die Ziele einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Abfallvermeidung, Abfallverwertung und Abfallbeseitigung nur erreicht werden können, wenn die notwendigen Nachbesserungen des Gesetzes und seines Vollzuges vorgenommen werden. Dabei geht es vor allem um die Definition unscharfer Rechtsbegriffe (Wie sind z.B. „Abfälle zur Verwertung" und „Abfälle zur Beseitigung" zu unterscheiden?) und um den Erlaß von Rechtsverordnungen, die die Wirtschaft zur Umsetzung der Produktverantwortung benötigt. Darüber hinaus muß eine Gesamtoptimierung im Sinne der Reduktion der Stoffströme sichergestellt werden. Das erfordert eine grundsätzliche Umstellung der Formen des Wirtschaftens und des gesellschaftlichen Zusammenlebens, bei der durch ökonomische Anreizmechanismen Impulse zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen sowie zur Veränderung der ressourcenintensiven Konsumstrukturen gegeben werden.

In der relativ kurzen Zeitspanne seit dem Inkrafttreten des KrW-/AbfG haben sich zwar eine Reihe von Schwächen dieser Regelung gezeigt. Trotzdem besteht aber kein Grund zu Pessimismus. Werden die Defizite beseitigt, die derzeit z.T. kontrovers geführten abfallpolitischen Diskussionen versachlicht und die Rahmenbedingungen verbessert, bestehen gute Chancen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Dann kann Deutschland zum weltweiten Technologieführer bei der Abfallvermeidung und Abfallverwertung werden, was auch zusätzliche Arbeitsplätze in Aussicht stellt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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