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Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Globalisierung und technologischer Wandel stellen die deutschen Unternehmen heute vor dramatisch gewandelte Anforderungen. Vor diesem Hintergrund wird seit Jahren intensiv über den Reformbedarf des Wirtschaftsstandortes diskutiert. Der Vorstandsvorsitzende der Unicor Holding AG, "Entrepreneur des Jahres 1997", bedauert es, daß die politische Standortdiskussion bislang zu keinerlei konkreten Maßnahmen geführt habe. Statt dessen würden sich die Verantwortlichen in Politik, Unternehmerverbänden und Gewerkschaften in wechselseitige Schuldzuweisungen flüchten. Da von ihnen derzeit nichts Produktives zur Lösung der Probleme zu erwarten sei, müßten sich Deutschlands Unternehmen auf sich selbst verlassen und den Schwierigkeiten am Standort Deutschland stellen.

Diejenigen, denen dies gelingt, gelten als Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft. Nach Einschätzung des .SPD-Bundestagsabgeordneten mangelt es in Deutschland nicht an innovativen Köpfen und Ideen. Es mangelt jedoch oftmals an den entsprechenden Rahmenbedingungen, um Ideen in die Praxis umzusetzen und am Markt erfolgreich zu sein. Die Veränderung dieser Rahmenbedingungen sei eine der zentralen Aufgaben, denen sich die Politik zur Lösung der aktuellen Probleme des Strukturwandels und des Arbeitsmarktes stellen müsse. Denn die Arbeitsplätze der Zukunft werden in Unternehmen entstehen, die es heute noch nicht oder erst seit wenigen Jahren gibt. Um so wichtiger sei es daher, Menschen für den Schritt in die Selbständigkeit zu gewinnen.

Mit einer Selbständigenquote von 9,7 Prozent im Westen und 7,1 Prozent in den neuen Bundesländern besteht in Deutschland ein deutlicher Nachholbedarf gegenüber anderen europäischen Ländern. Die zentrale Ursache für den Mangel an Unternehmern sieht der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Mittelstandsberatung mbH (DGM) darin, daß Unternehmer in der von Angestellten- und Beamtenmentalität geprägten Gesellschaft unverändert kritisch betrachtet werden. Zudem beständen Defizite in der Schul- und Hochschulausbildung; hier müsse viel stärker für den Schritt in die Selbständigkeit geworben werden. Nach Einschätzung des Vorstands der PA Power Automation bedarf es zur Entwicklung einer neuen Kultur der Selbständigkeit erheblicher Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld. So sei es in Deutschland unverändert verpönt, offen zuzugeben, daß ein Unternehmer reich werden wolle. Solange sich diese Einstellung nicht ändere, werde es schwer werden, Menschen für die Selbständigkeit gewinnen zu können.

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Die Erfolgsstories mittelständischer Unternehmen sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie begründet haben, oder die Branchen, in denen sie erfolgreich sind. Daher kann es das Erfolgsrezept für Mittelständler nicht geben; zumindest keines, das ohne weiteres von einer Firma auf die andere, von einem Produkt auf ein anderes übertragen werden könnte. Fest steht nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Unicor Holding AG lediglich, daß sich derjenige, der heute am Standort Deutschland erfolgreich sein will, besonderer Methoden bedienen muß. So lautet das Erfolgskonzept von Unicor. "Anderswerden" in Bezug auf neue, innovative Produkte, "Anderssein" in Bezug auf die Motivation der Mitarbeiter, und schließlich "Andersbleiben".

Der Geschäftsführer der DGM berichtet, daß mittelständische Unternehmen ihren Erfolg teilweise mit Maßnahmen begründet haben, die den bei Großunternehmen üblichen Konzepten und Krisenrezepturen diametral zuwiderliefen. Gleichwohl dürfe hieraus nicht geschlossen werden, daß der "Verstoß" gegen allgemeingültige Regeln das Erfolgsrezept für den Mittelstand sein könne. Unabdingbare Bedingung für den Unternehmenserfolg sei eine klare Markt- und Kundenorientierung. Hinzukommen müsse der Wille zu absoluter Transparenz, die Bereitschaft zu Kooperationen und Allianzen mit anderen Firmen und die Entwicklung einer langfristig orientierten Unternehmensstrategie. Außerdem müsse in den Unternehmen dazu übergegangen werden, Prozesse zu gestalten, statt Funktionen zu zementieren. Entscheidend sei jedoch, sich von dem veralteten Ansatz zu verabschieden, lediglich "besser, billiger und schneller" sein zu wollen als die Konkurrenten. Heute komme es vielmehr darauf an, neue Herausforderungen zu meistern. Das unternehmerische Selbstverständnis müsse vom klassischen Branchenspezialisten über den branchenübergreifend tätigen Systemveränderer bis zum Gesellschafts- und Kulturveränderer weiterentwickelt werden. Nur wer den Wettbewerbern durch Rollenwechsel und Perspektivenerweiterung voraus sei, werde auf Dauer am Markt erfolgreich sein können. Diesen Weg hat die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel GmbH nach Einschätzung ihres Geschäftsführenden Gesellschafters erfolgreich eingeschlagen. Inzwischen habe sich das Consulting-Unternehmen aus der Baubranche vom klassischen Branchenspezialisten zum branchenübergreifend tätigen Generalisten entwickelt. Dem Unternehmen sei es dadurch möglich gewesen, nicht nur auf die gravierenden Veränderungen innerhalb der Branche zu reagieren, sondern neue Betätigungsfelder zu erschließen.

In der alltäglichen Praxis sind es vor allem drei Faktoren, die für den Erfolg des Unternehmens eine entscheidende Rolle spielen: die Finanzierung, die Innovationsfähigkeit des Unternehmens sowie die Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter:

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Eine gute Geschäftsidee und selbst die Erfindung einer marktfähigen Produktinnovation sichern noch lange nicht den Erfolg eines Unternehmens. Hierzu bedarf es vor allem auch der notwendigen finanziellen Ausstattung, ohne die Investitionen und Innovationen nicht möglich sind. Unverändert ist in Deutschland der klassische Bankkredit die Hauptfinanzierungsquelle für Unternehmen. Doch gerade bei Existenzgründern und jungen Unternehmen sind die Kreditinstitute zurückhaltend und knüpfen die Kreditvergabe oftmals an besonders hohe Anforderungen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete hält die Risikoscheu der deutschen Kreditinstitute für einen der Hauptgründe, warum in Deutschland viele Unternehmensgründungen und Innovationen scheitern.

Angesichts der wachsenden Probleme bei der Fremdkapitalaufnahme gewinnen Finanzierungsalternativen an Bedeutung. Nach Einschätzung der Vertreterin der BGI AG hat sich die Kreditfinanzierung für schnell wachsende innovative Unternehmen generell nicht bewährt. Banken seien weder willens noch in der Lage, risikoreiche Entscheidungen zur Finanzierung von Technologieunternehmen zu übernehmen. Die BGI AG plane daher den Gang an die Börse, um sich dort das für das weitere Unternehmenswachstum notwendige Kapital zu besorgen. Bereits 1998 soll der Börsengang der PA Power Automation stattfinden. Damit will sich das Unternehmen das Eigenkapital beschaffen, das zur optimalen Ausschöpfung des Unternehmenspotentials notwendig sei. Mit den konventionellen Möglichkeiten der Kreditfinanzierung wäre dies nicht möglich gewesen.

Als chancenreichste Finanzierungsmöglichkeit für junge wachstumsstarke Unternehmen gilt die Finanzierung mittels Venture Capital (VC). Während diese Finanzierungsform in den USA seit Jahrzehnten mit großem Erfolg praktiziert wird, ist sie in Deutschland noch sehr selten. Dabei erlebt der Markt für Venture Capital nach Einschätzung des Mitglieds der Geschäftsführung der TVM Techno Venture Management III GmbH derzeit einen regelrechten Boom. Der Mittelzufluß habe ein für deutsche Verhältnisse enormes Volumen erreicht. Wichtig sei jetzt, daß diese vielversprechende Entwicklung nicht von der Politik durch die Auflage neuer Förderprogramme beschädigt werde. Der Boom bei den bereits etablierten VC-Gesellschaften kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der VC-Markt in Deutschland insgesamt unterentwickelt ist.

Risikokapital und Börse bedingen einander. Um die Finanzierungsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen zu verbessern hält der Vertreter der Baader Wertpapier GmbH

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gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung des Börsenmarktes und der Aktienkultur für notwendig. Sinnvolle Maßnahmen hierfür seien die steuerliche Gleichstellung aller Formen der privaten Altersvorsorge, die Einführung kapitalgedeckter Systeme in der gesetzlichen Rentenversicherung und eine verstärkte Information über die Anlageform Aktie bereits in den Schulen.

Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen hat heute angesichts des verschärften Wettbewerbs und immer kürzer werdender Produktzyklen eine zentrale Bedeutung für ihre Marktposition und Zukunftschancen. Nach Einschätzung des Leiters des Steinbeis-Transferzentrums in Villingen-Schwenningen haben heute viele mittelständische Unternehmen in Deutschland Defizite in der Innovationskraft. Häufig werden Chancen und Risiken einer Innovation nicht ausreichend beleuchtet und die falschen Entscheidungen getroffen. Zentrale Bedeutung hierfür habe das bei vielen Unternehmen anzutreffende typische Ingenieursdenken. Ein Ideenimpuls werde in die Realität umgesetzt, ohne vorher zu überprüfen, ob die Idee überhaupt für eine marktfähige Innovation tauge. Ein solcher Ansatz führe jedoch zu einer höchst problematischen Risikokonzentration im letzten Schritt, dem Vertrieb. Um Risiken frühzeitig zu erkennen sei ein stärkeres Marketingdenken in den Entscheidungsprozessen notwendig. Außerdem müsse bei Innovationen ganzheitlich vorgegangen werden, d.h. die Produktanforderungen müßten gleichzeitig aus den Blickwinkeln der Technik, des Marktes und der Organisation gesehen werden. Beim Einstieg in ein neues Produkt sei die Frage entscheidend, welche Chancen es habe und welche zentralen Anforderungen zu erfüllen seien. Danach sollten die Kapazitäten insbesondere finanzieller Art geprüft und ein systematischer Projektplan erstellt werden.

Die Innovationskraft einer Volkswirtschaft insgesamt hängt entscheidend davon ab, ob die bestehenden Rahmenbedingungen Innovationen fördern oder behindern. Notwendig ist nach Einschätzung des Geschäftsführers von CD One, Studio für interaktive Medien vor allem ein innovationsförderndes gesellschaftliches und betriebliches Klima. Menschen, die Innovationen schaffen sollen, brauchten hierfür die nötigen Freiräume. Querdenken müsse erlaubt sein, stromlinienförmige Entwicklung unter dem Diktat ökonomischer Zwänge stehe diesem Anspruch in der Praxis oft entgegen.

Der Geschäftsführer der ZMM Zeitmanagement München GmbH sieht im Steuersystem das mit Abstand gravierendste Innovationshindernis in Deutschland. Der hohen Steuerbelastung könnten sich zwar die großen international operierenden Konzerne entziehen, nicht jedoch die mittelständische Wirtschaft, das Handwerk und die Dienstleistungsunternehmen. Hauptbetroffen seien damit genau die Unternehmen, von

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denen im besonderen Maße ein Beitrag zur Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaft erwartet werde. Zudem werde die Stoßrichtung der Innovationsbereitschaft in den Bereich Rationalisierung gelenkt. Damit Deutschland nicht nur Vorreiter bei den Rationalisierungsinnovationen sei, sondern auch im Bereich der arbeitsplatzschaffenden Innovationen, müsse das innovationsfeindliche System durch eine intelligente Form der Regulierung abgelöst werden. Ein Weg hierfür sei die ökologische Steuerreform, in der schrittweise der Faktor Arbeit entlastet und der Faktor Energie verteuert werden.

Der wichtigste Erfolgsfaktor für kleine und mittlere Unternehmen sind jedoch die Mitarbeiter, das sogenannte Humankapital. Nach Einschätzung des Vertreters der Schitag, Ernst & Young Unternehmensberatung wird das Potential motivierter Mitarbeiter heute zunehmend von den Unternehmern erkannt. In erfolgreichen Unternehmen sei es längst üblich, die Mitarbeiter intensiv in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Der Aufbau eines qualifizierten Mitarbeiterstammes beginnt bei der sorgfältigen Auswahl neuer Mitarbeiter. Der Vorstand der PA Power Automation erläutert, daß bei seinem Unternehmen die soziale Kompetenz der Mitarbeiter wichtiger sei als deren fachliche Qualifikation. Die motivierte Belegschaft sei der zentrale Erfolgsfaktor der PA Power Automation. Wichtig sei zudem der Aufbau einer motivationsfördernden Unternehmenskultur. Hierbei sei entscheidend, daß die Führungsspitze absolut zielorientiert zum Wohle der Firma und der Mitarbeiter arbeite. Ausserdem bedürfe es einer sehr großen Offenheit bezüglich der Firmenziele und der individuellen Interessenlage von Führungsmannschaft und Mitarbeitern. Ehrlichkeit sei die grundsätzliche Voraussetzung für die Motivation und damit für den Unternehmenserfolg.

Zentrale Bedeutung mißt der Vorstandsvorsitzende der Unicor Holding AG der Initiierung einer "Langzeitmotivation" der Mitarbeiter bei. Effektivstes Mittel hierfür sei die Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital und damit am Erfolg des Unternehmens. Der Erfolg dieses Ansatzes lasse sich anhand eines Eisenbahnzuges illustrieren: Das klassische Unternehmen gleiche einem Zug, bei dem eine Lokomotive (der Unternehmer) eine Vielzahl von Waggons ziehen müsse. Mache man die Mitarbeiter durch eine Beteiligung zu Mit-Unternehmern, würde aus jedem einzelnen Waggon eine eigenständige Lokomotive, wodurch die Leistungskraft des Zuges erheblich erhöht werde. Das Mitglied der Geschäftsführung der TVM bestätigt die motivationsfördernde Bedeutung der Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen. Bei den Firmen, in die die TVM investiere, sei es Voraussetzung, daß die Mitarbeiter über Aktienopti-

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ons-Modelle beteiligt würden und mindestens 30 Prozent der Anteile von Mitarbeitern gehalten würden.

Neben der Motivation ist die Qualifikation der Mitarbeiter ein entscheidender Baustein für den Unternehmenserfolg. Der Vertreter der Mann + Hummel Holding GmbH erläutert, daß das Unternehmen seit 1992 konsequent den Weg der Mitarbeiterqualifikation und -involvierung eingeschlagen hat. In einem langfristigen Umstrukturierungsprozeß sei eine Unternehmenskultur etabliert worden, die eine starke Einbeziehung und Selbständigkeit der Mitarbeiter vorsieht. Um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können, würden die Mitarbeiter kontinuierlich weitergebildet und geschult. Entscheidend für den Erfolg solcher Maßnahmen sei jedoch, daß die Unternehmensphilosophie nicht nur von oben vertreten werde, sondern daß die Führungskräfte in diesem Prozeß vorangingen. Wer von seinen Mitarbeiter Änderungen verlange, dürfe sich selbst von diesem Prozeß nicht ausnehmen.

Nach Auffassung der Vertreterin der IG Metall muß in den Unternehmen ein Perspektivenwechsel initiiert werden. Statt "Shareholder value" müsse "Employee value", also die Mehrung des Wertes der Belegschaft, zum Unternehmensziel avancieren. Dies setze die Einsicht des Managements voraus, daß das Humankapital nicht allein ein Kosten- oder gar Störfaktor sei, sondern als ein Potential entdeckt werde, dessen Qualifizierung und Weiterentwicklung sich für das Unternehmen lohne. Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß den Mitarbeitern oftmals sehr viel im Hinblick auf Flexibilität und Bereitschaft abverlangt werde. Auch die Weiterbildung der Mitarbeiter müsse als Prozeß entwickelt werden, der die Persönlichkeitsbildung und die berufliche Qualifikation nicht nur als Produktivitäts- und Innovationsreserve begreife, sondern auch an den Bedürfnissen der Mitarbeiter orientiert sei.

Die Vertreterin der Advance Bank bezeichnet qualifizierte und motivierte Mitarbeiter als das entscheidende Kapital einer Direktbank. Entsprechend intensiv würden die Mitarbeiter nach Eintritt in die Bank betreut. Ein wichtiger Baustein sei dabei die kontinuierliche Schulung der Mitarbeiter, die bei der Bank die Möglichkeit zur inhaltlichen und beruflichen Weiterentwicklung erhielten. So sei im Call Center ein Teil der Arbeitszeit ausdrücklich als Lernzeit vorgesehen; zudem hätten die Mitarbeiter regelmäßig die Möglichkeit, andere Bereiche der Bank kennenzulernen. Das Qualifizierungskonzept der Bank setze dabei auf eine weitgehende Selbständigkeit der Mitarbeiter bei der Ausgestaltung ihrer individuellen Weiterbildungsstrategie.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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