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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 41 / Fortsetzung]


8. Telematikkonzepte in der Erprobungs- und Betriebsphase

8.1 Anwendungsreife Telematikbausteine für einzelne Verkehrsträger

Nach einer Bestandsaufnahme des Deutschen Verkehrsforums dominieren bei der Telematik im Verkehr zur Zeit noch die Ansätze, bei denen sich einzelne Verkehrsunternehmen oder auch einzelne Verkehrsteilnehmer mit entsprechenden Systemen ausstatten. Entsprechende technische Bausteine hat beispielsweise die Automobilindustrie bis zur Anwendungsreife entwickelt. Dabei geht es um die Ausschöpfung der in den Verkehrsabläufen liegenden Fortschrittspotentiale u.a. hinsichtlich der Aspekte Leistungsfähigkeit und Sicherheit. Ziel sind Innovationen im Systemverbund Straße mit seinen Teilkomponenten Fahrzeug, Infrastruktur und deren Zusammenspiel.

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Die institutionelle Trennung der Gestaltung von Fahrzeug und Fahrweg behinderte bislang weitergehende Ansätze zur besseren Auslastung des Straßennetzes und damit zur Erhöhung der Effizienz des Verkehrsablaufs. Die Fahrzeughersteller hatten nach Auffassung des Verbandes der Automobilindustrie VDA nur wenige Möglichkeiten, auf die Infrastrukturgestaltung direkt Einfluß zu nehmen. Dementsprechend bestehen unverändert hohe Diskrepanzen zwischen der verkehrstechnischen Ausgestaltung der Straßen einerseits und der Fahrzeugentwicklung andererseits. Selbst für große Teile des Autobahnnetzes gibt es nach wie vor keine Optimierung zwischen Fahrzeug-, Verkehrs- und Kommunikationstechnik. Trotz Ausbau der mit variablen Höchstgeschwindigkeiten sowie der mit Stau- und Nebelwarnung versehenen Strecken und der durch die Wechselwegweiser beeinflußten Strecken klaffen auch hier die Fortschrittsgrade von Auto und Straßennetz immer noch weit auseinander. Aufgabe und Chance der Telematiknutzung sind deshalb Infrastrukturverbesserungen für den Straßenverkehr, auf deren Grundlage dann auch die im Produkt Auto bereits realisierten Innovationen ihre Wirkungen voll entfalten können.

Die Automobilindustrie hat u.a. technische Lösungen für die kollektive und individuelle Verkehrsinformation entwickelt und erprobt. Seit 1992 wird kollektive Verkehrsleittechnik in Form von elektronisch gesteuerten Wechselverkehrszeichen, Warnzeichen und Hinweiszeichen systematisch auf Fernstraßen und dabei besonders an Engpässen in den Ballungsgebieten aufgebaut. Hierfür werden in einem 5-Jahres-Programm insgesamt 700 Mio. DM aufgewendet. Ergänzend und unterstützend wirken Verbesserungen des Verkehrsfunks. Hierzu gehört z.B. der in Kapitel 8.2.2 skizzierte Feldversuch BEVEI, der sich derzeit im Rhein-Ruhr-Raum in der Schlußphase befindet.

Individuelle Verkehrsleittechnik wird beispielsweise nach einer Erprobungsphase im Rahmen des Leit- und Informationssystems Berlin (LISB) von einer privaten Betreibergesellschaft in Stuttgart und Berlin angeboten. Die von einem Bakensystem am Straßenrand gesendeten Daten über die aktuelle Verkehrslage transformiert ein Endgerät im Auto in Empfehlungen für eine optimale Fahrtroute zum vorher eingegebenen Ziel. Die Mitteilungen erfolgen über Monitoranzeige oder Sprachausgabe. Umgekehrt geben die Fahrzeuge Informationen zum augenblicklichen Verkehrsgeschehen über die Baken an den Leitrechner. Zur Fahrtenplanung und Zielführung sind digitale Landkarten

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notwendig, die bereits von der Automobilindustrie in Verbindung mit Bordcomputern als fahrzeugautonome Leitsysteme angeboten werden.

Die Entwicklung von Telematikbausteinen beschränkt sich nicht allein auf das System Straße. Auch der ÖPNV verfügt schon seit längerem über Leit- und lnformationssysteme:

  • Die Ausrüstung der Fahrzeuge mit dem integrierten Bord-Informationssystem IBIS ist heute dank des VDV-Standards von 1984 für Bahnen und Busse möglich.

  • Dynamische Fahrgastinformationseinrichtungen geben individuell zugeschnittene, situationsbezogene Auskünfte über das Liniennetz, den Fahrplan und den Tarif des Verkehrsbetriebes. Solche aktuellen Informationen über den ÖPNV werden nicht nur während der Fahrt gegeben, sondern sind auch schon vor Fahrtantritt verfügbar. Wichtig sind in diesem Zusammenhang aktuelle Umsteigeempfehlungen innerhalb des ÖPNV, aktuelle Verspätungsmeldungen sowie Anschlußsicherungssysteme.

  • Die Informationssysteme der Nahverkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde sind über BTX nutzbar, Fahrpläne auf Diskette oder CD-ROM erhältlich.

Neben diesen beispielhaften Informationsangeboten, die den Fahrgästen die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel erleichtern, leistet die Telematik wichtige Beiträge zur Verbesserung des Betriebsablaufs im ÖPNV u.a. durch

  • Beschleunigungsmaßnahmen (z.B. Ampel-Vorrangschaltungen), die zugleich die Umweltbelastungen verringern,

  • rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme (RBL), mit deren Hilfe die Fahrzeiten zugunsten von Kunden und Verkehrsunternehmen reduziert und Kapazitäten eingespart werden können,

  • dynamische Fahrplaninformationen, die eine hohe Nutzerakzeptanz aufweisen, weil sie auf der Grundlage von Daten der RBL-Systeme über die echten Fahrzeiten (einschließlich Verspätungen) informieren,

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  • Erprobung des bargeldlosen Zahlens von Fahrscheinen durch "electronic cash" in mehreren Städten.

Hinzu kommen spezifische Telematikdienste für die anderen Verkehrsträger. Hier gehören z.B.

  • die Optimierung im europäischen Luftverkehr durch die Verkehrsflußmanagementzentrale bei EUROCONTROL in Brüssel,

  • telematikgestützte Frachtverfolgungssysteme bei der Schiffahrt,

  • die Steuerung der Betriebsabläufe der europäischen Bahnen mit Hilfe von Mobilfunk, bei der öffentliche Hand und Industrie in Kooperation Hindernisse beim grenzüberschreitenden Verkehr im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz beseitigen,

  • die Gefahrgut-Schnellauskunft beim Umweltbundesamt, mit deren Hilfe entsprechende Transporte rascher identifiziert und ihre Umweltrisiken verringert werden können, sowie

  • satellitengestützte Systeme für eine preisgünstige und genaue Navigation bei verschiedenen Verkehrsträgern.

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8.2 Verkehrsträgerübergreifende Telematikprogramme

Anders als bei den isolierten, verkehrsträgerbezogenen Telematikanwendungen bestehen bei den integrativen Innovationsansätzen für das gesamte Verkehrssystem zur Zeit noch Defizite. Aber mit den unternehmensübergreifenden, vernetzten und ökologischen, weil ressourcensparenden Systemen sind zweifellos die höheren Potentiale für Verkehrsoptimierungen verknüpft. Werden diese Potentiale mit Hilfe der Telematik genutzt, dann erscheint die drängende Doppelaufgabe der Sicherung der Mobilität bei gleichzeitiger Bewahrung der Umwelt lösbar. Dann besteht die Chance, daß alle Verkehrsträger zu einem Systemverbund für Mobilitätsdienstleistungen zusammenwachsen, in dem neben ökonomischen Kriterien auch soziale und ökologische Aspekte beachtet werden.

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Bei den entwickelten Systemansätzen für ein integriertes Verkehrsmanagement richtet sich die Aufmerksamkeit vor allen Dingen auf den Verkehrsträger Straße, auf dem etwa 80% der Transportvorgänge abgewickelt werden. Darüber hinaus darf der öffentliche Verkehr aber nicht vernachlässigt werden, da die alleinige Suboptimierung nur eines Verkehrsträgers die bestehenden Spielräume nur begrenzt auszuschöpfen vermag. Beim Einsatz der Telematik geht es um die effizientere Nutzung der verkehrsträgerspezifischen Infrastruktur und zugleich um die attraktivere Gestaltung des Personen- und Güterverkehrs mit Hilfe der entstehenden integrierten Verkehrsketten. Eine sinnvolle Vernetzung des Individual- und des öffentlichen Verkehrs kann der suboptimalen Ausgangslage vor allem im Stadtverkehr begegnen und einen Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme liefern.

Die inzwischen vorliegenden Konzepte für integrierte Telematikprogramme haben einerseits experimentelle Projekte zum Inhalt, die klären sollen, ob die verfügbare Technologie zur Lösung einer gestellten Aufgabe ausreicht. Andererseits soll durch Pilotprojekte und Feldversuche der Nutzen von telematischen Konzepten ermittelt und aufgezeigt werden, der Voraussetzung für die Akzeptanz der vorgeschlagenen Lösung durch die Industrie bzw. die Bevölkerung ist. Es kann unterschieden werden zwischen Konzepten, die Städte oder Ballungsräume betreffen, und Ansätzen für Verkehrskorridore und Regionen.

Alle Vorhaben sind eingebunden in die europäischen Programme PROMETHEUS und DRIVE, die beide im Rahmen des EUREKA-Projektes der EG-Kommission laufen. Dabei haben im inzwischen abgeschlossenen PROMETHEUS-Projekt (Program for a European Traffic with highest Efficiency and unprecedented Safety) deutsche Autofirmen seit 1986 mit ihren europäischen Konkurrenten an der Entwicklung neuer Verkehrstechnologien eng zusammengearbeitet. Im 1988 gestarteten europäischen Forschungs- und Entwicklungsprogramm DRIVE (Dedicated Road Infrastructure for Vehicle Safety in Europe) sollten Bausteine moderner Informations- und Kommunikationstechniken für die Fahrzeuge und die Straßeninfrastruktur zur Anwendungsreife fortentwickelt werden. Diese Telematikbausteine wurden dann zwischen 1992 und 1994 im Rahmen des Drive II-Programms in zahlreichen Feldversuchen und Pilotprojekten in über dreißig europäischen Städten sowie auf Fernstraßen innerhalb von dreizehn europäischen Korridoren mit einem Finanzaufwand von 140 Mio. ECU unter realen Verkehrsbedingungen auf ihre

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Kosten und Nutzen sowie auf ihre Einsatzreife hin überprüft. Die im Zuge der Pilotprojekte entwickelten Telematikdienste können im Rahmen eines kooperativen Verkehrsmanagements auch nach Versuchsablauf weiter genutzt werden.

Aus der Vielfalt der Feldversuche sollen anschließend einige skizziert werden. Dabei zeigen sich sowohl ergänzende, aber auch wiederholende und auf regionale Besonderheiten abhebende Zielsetzungen. Damit wird deutlich, daß ein Bedarf an Transparenz und übergreifenden Systemen besteht. Notwendig ist ein Konsens für die entschlossene und schnelle Umsetzung der bereits erprobten Verfahren, Strategien und Technologien zur Sicherung einer umweltgerechten Mobilität. Notwendig ist aber auch, daß der Nutzen von Telematikanwendungen im Rahmen des integrierten Verkehrsmanagements für die Betreiber der Verkehrssysteme und für die Verkehrsteilnehmer deutlich herausgestellt wird. Nur so läßt sich eine hohe Akzeptanz der modernen Kommunikations- und Informationstechnologie erreichen, ohne die eine breite Markteinführung von Telematikbausteinen im Verkehr nicht gelingen kann.

8.2.1 Feldversuche in Städten und Ballungsräumen

Mit VIKTORIA in Köln (Verkehrsinformationssystem Köln: Technik, Organisation, integrierende Anwendungen) wird ein integriertes städtisches Verkehrsmanagementsystem sowie ein Verkehrs- und Reiseinformationssystem erprobt. Hierbei sollen insbesondere Möglichkeiten der Verbesserung der Verkehrs- und Umweltsituation, der Verkehrsinformation und der Kooperation zwischen den zuständigen Ämtern für Verkehrssteuerung, -planung und -statistik unter Einbeziehung der Verkehrsbetriebe aufgezeigt werden. Das Projekt mit einem Gesamtumfang von etwa 12 Mio. DM fand insbesondere als Instrument zur Dynamisierung der Verkehrsinformationen und zur Stadt- und umweltverträglicheren Abwicklung des Verkehrs bei den Nutzern große Zustimmung.

Munich-COMFORT (Cooperative Management for Urban and Regional Transport) zielt auf eine Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl zugunsten des Umweltverbundes sowie auf eine verkehrsträgerübergreifende Steuerung des Verkehrsablaufs mit optimaler Ausnutzung der Verkehrsinfrastruktur. Zudem ist eine Erhöhung der Verkehrssicherheit und eine Verbesserung der

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Aufenthaltsqualität sowie der Umweltbedingungen im Stadt- und Umlandbereich beabsichtigt. Das "Kooperative Verkehrsmanagement" baut auf einem Datenverbund auf, der die aktuellen Informationen über die Verkehrslage dynamisch erfaßt und in Strategien und Maßnahmen zur Verkehrssteuerung transformiert. Im Bereich des ÖPNV sollen Fahrplan- und Anschlußinformationen für die Kunden, eine Steuerung des Stadtverkehrs mit differenzierter Priorisierung des öffentlichen Verkehrs und rechnergestützte Betriebsleitsysteme die Attraktivität steigern. Der Kooperation zwischen den Verkehrsträgern dient ein dynamisches Informationssystem, das einerseits bereits vor Reiseantritt und andererseits auf der Autobahn A9 Informationen über den Verkehrsfluß liefert und die Autofahrer auf Umsteigemöglichkeiten auf S- bzw. U-Bahn hinweist. Ein verbesserter Verkehrswarnfunk auf der Basis der RDS/TMC-Technologie übermittelt auch im Stadtbereich individuelle kleinräumige Empfehlungen an die Verkehrsteilnehmer und fördert dabei das Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr; außerdem wird der städtische Straßenverkehr entlastet. Darüber hinaus wird die Kommunikations- und Informationstechnologie als Dispositionshilfe für eine rationellere, umweltfreundlichere Abwicklung des Güterverkehrs eingesetzt.

Das Programm hat einen Etat von ca. 30 Mio. DM. Sein Nutzen spiegelt sich z.B. in einem Rückgang der Unfallzahlen um 36%, der Unfälle mit Personenschäden um 34% und der Anzahl der Verletzten um 31% durch den Einsatz von Wechselverkehrszeichen auf der A9 wider. Dieses günstige Ergebnis ist auf die hohe Akzeptanz zurückzuführen, die die Autofahrer diesem flexiblen System entgegenbringen. Weitere Verbesserungen stellt die Berücksichtigung der Informationen aus der elektronischen Verkehrsdatenerfassung auf dem Autobahnzulauf im Norden Münchens bei der Verkehrslenkung im Stadtgebiet in Aussicht. Würden beispielsweise die Signalanlagen im Stadtgebiet entsprechend verkehrsabhängig geschaltet, dann würde im Verkehrsmanagementsystem ein wichtiger Zu- und Abfahrtskorridor mit dem Ballungsraum verbunden.

Mit einem Umfang von über 60 Mio. DM stellt STORM in Stuttgart (Stuttgart Transport Operation by Regional Management) den derzeit größten und zugleich umfassendsten Feldversuch für ein integriertes Verkehrsmanagementsystem dar. Das Programm berücksichtigt den gesamten Verkehrsbereich. In einem zentralen Datenverbund werden Informationen über den öffentlichen und individuellen Verkehr zu einem aktuellen Bild des Verkehrszustandes und

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-angebotes in der Region und im Stadtgebiet zusammengefaßt. Der Schwerpunkt des Feldversuchs liegt in der Erprobung eines Leit- und Informationssystems, das die Mobilität der Verkehrsteilnehmer sichert und gleichzeitig hilft, die Umweltbelastungen zu vermindern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Hierzu bedient sich STORM mehrerer Teilprojekte:

  • Ein individuelles Zielführungssystem liefert den Autofahrern dynamische Informationen. Es werden Empfehlungen für die Verkehrsmittel- und Routenwahl gemacht und konkrete Umsteigemöglichkeiten auf den öffentlichen Verkehr aufgezeigt.

  • Bereits an den Einfallstraßen in die Innenstadt werden Parkrauminformationen an die Autofahrer weitergegeben. Angaben über den aktuellen Verkehrszustand in der Innenstadt, über die Auslastung der Parkhäuser und die Belegung der Park&Ride-Plätze sollen zur Entlastung des Stadtkerns von motorisiertem Individualverkehr beitragen.

  • Im Rahmen des Flottenmanagements für Gefahrguttransporte werden Informationen über die aktuelle Verkehrslage übermittelt und Empfehlungen über die individuelle Routenwahl gegeben. Bei Gefahrgutunfällen können die erforderlichen Maßnahmen schneller und präziser ergriffen werden, da auch Daten über die Art der beförderten Ladung und den Standort des Fahrzeuges unverzüglich zur Verfügung stehen.

  • Ein weiteres wichtiges Element stellt das Notrufsystem zur Beschleunigung von Rettungseinsätzen dar. Bei einem Unfall lösen im Fahrzeug eingebaute Aufprallsensoren eine Meldung an die Notrufzentrale aus, die Informationen über das verunglückte Fahrzeug und den Unfallort enthält. Damit entfällt die zeitaufwendige Anforderung des Rettungsdienstes durch Unfallbeteiligte. Ein Betriebsversuch mit Testfahrzeugen und 3.000 simulierten Notrufen zeigte, daß sich die Rettungszeiten um rund 40% senken lassen: innerorts von 13 auf 8 Minuten und in Umlandgebieten von 21 auf 12 Minuten.

  • Das Anschlußsicherungssystem schafft eine Verbindung von öffentlichem Fern- und Nahverkehr. Dabei sind die Weiterbeförderung im Nahbereich des Stadtgebietes auf die tatsächlichen Ankunftzeiten im Fernverkehr abgestimmt. Durch die Berücksichtigung von Verspätungen wird die Anschlußbeförderung ohne erhebliche zeitliche Verzögerungen

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    gesichert und damit die Beförderungsqualität des öffentlichen Verkehrs gesteigert.

  • Im Reise-Informationssystem werden einmal Reiserouten im Netz des Verkehrsverbundes vorgeschlagen. Zum anderen steht den Nutzern der Infotheken neben Routenempfehlungen für den Autoverkehr und den aktuellen Ankunft- und Abflugzeiten am Flughafen Stuttgart ein umfangreicher Überblick über kulturelle und sportliche Veranstaltungen in der Stadt zur Verfügung. Die Akzeptanz des Systems ist hoch: Beispielsweise werden am Hauptbahnhof etwa 500 Anfragen/Tag registriert.

Die positiven Effekte von STORM schlagen sich nicht nur bei den Verkehrsteilnehmern, sondern auch in einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Politik, Behörden und Wirtschaft nieder. Der Kommune ermöglichen die im Zentralrechner vorliegenden Informationen realitätsnahe Verkehrssimulationen. Die so gewonnenen Ergebnisse können Eingang in die städtische Verkehrsplanung und Verkehrspolitik finden.

Ergänzend soll in diesem Zusammenhang auf das ÖPNV-Leitsystem BON hingewiesen werden. Dieses Konzept faßt die einzelnen Verkehrsmittel (U-/S-Bahn, Bus, Straßenbahn) zu einem attraktiven leistungsfähigen Personennahverkehrssystem zusammen und nutzt dabei als Instrumente

  • Fahr- und Dienstplanprogramme,

  • Personaldispositionssysteme,

  • die Werkstatt-Serviceplanung und

  • die Liniennetzplanung.

Zum Einsatz kommen fahrzeuggebundene Bordcomputer, Betriebsleitrechner und die satellitengestützte Fahrzeugortung. Für die Verkehrsbetriebe ergeben sich Steigerungen der Effizienz und Effektivität. Diese positiven Effekte resultieren u.a. aus der Optimierung des Fahrzeugumlaufs und aus einer höheren Zuverlässigkeit der Betriebsführung. Hinzu kommen die schnelle Reaktion auf Betriebsstörungen und die dynamische Information der Fahrgäste über das aktuelle Verkehrsangebot. Die Verbesserung der Qualität macht sich für den Kunden auch in der Anschlußsicherung, in bei Bedarf rasch bereitgestellten Zusatzfahrzeugen und ergänzenden Hinweisen an Info-Säulen bemerkbar.

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Mit Hilfe dieser Attraktivitätserhöhungen kann der öffentliche Verkehr seine qualitativen Defizite gegenüber dem Individualverkehr abbauen.

8.2.2 Telematikprojekte für Verkehrskorridore und Regionen

Der Feldversuch BEVEI im Rhein-Ruhr-Raum (Bessere Verkehrsinformation) erprobte die Chancen und Potentiale eines verbesserten Verkehrswarnfunks. Hierbei werden alle verfügbaren Informationsquellen aus elektronischen und manuellen Verkehrsdatenerfassungen genutzt. Die gesammelten Daten sollen möglichst automatisch interpretiert werden. Die Verbreitung ermittelter Störungen erfolgt über den Traffic Message Channel des Radio-Data-Systems. Die Meldungen waren in den Sendebereichen des WDR- und SFB-Hörfunks während des Feldversuchs zu empfangen. Mehr als 100 Versuchsfahrer und etwa 50 weitere Projektbeteiligte wurden mit speziellen RDS-TMC-Empfängern ausgestattet. Derzeit befindet sich das Projekt in der Schlußphase. Die bundesweite Einführung des Regelbetriebes ist politisch beschlossen und für 1996 angestrebt.

Im Rahmen des Pilotprojektes RHAPIT in der Rhein/Main-Region (Rhein-Main Area Project for Integrated Traffic Management) wird untersucht, welchen Beitrag das Verkehrsleit- und Informationssystem SOCRATES (System of Cellular Radio for Traffic Efficiency and Safety) zu einem integrierten Verkehrsmanagement einer Region leisten kann. In einem Feldversuch werden Aspekte wie

  • dynamische Routenführung,

  • Fahrerinformation,

  • P&R/ÖPNV-lnformation,

  • Notrufmeldungen und

  • automatische Ortsbestimmung

auf ihre Wirksamkeit hin getestet. Der Schwerpunkt des RHAPIT-Systems liegt im Aufbau eines zentralen Datenverbundes. Ein Informations-Computer sammelt Daten u.a. von Verkehrs- und Parkleitrechnern. Der Zentralrechner empfängt aber auch Daten aus fahrenden Fahrzeugen (z.B. die Position im Straßennetz, Geschwindigkeit und Reisezeit). Auf dieser Basis können Informationen über die Angebote des öffentlichen Verkehrs, über die Auslastung

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der Parkhäuser und über den aktuellen Verkehrszustand des Straßennetzes zur Verfügung gestellt werden. Verkehrsprognosen und aktuelle Warnhinweise runden die Informationspalette ab. Die Datenübertragung erfolgt nicht über straßenseitige Hinweistafeln, sondern direkt in den Bordcomputer der Fahrzeuge. Damit wird eine dynamische individuelle Routenführung möglich.

Der Feldversuch CORE - Euro Triangle (Corridor über Rhein/Ruhr nach Europa) bezieht sich auf eine Verknüpfung von regionalen Verkehrsinformationszentralen in Belgien, in der Schweiz und in NRW. Ziel ist u.a. eine verstärkte Kooperation von motorisiertem Individualverkehr und öffentlichem Verkehr. Weiter werden moderne Verkehrsbeeinflussungssysteme und Zuflußregelungen an Autobahn-Auffahrten getestet. Die Ergebnisse haben wichtige Grundlagen für den Aufbau des künftigen transeuropäischen Verkehrsnetzes geschaffen.

Der mit einem Umfang von 34 Mio. DM ausgestattete Feldversuch MELYSSA in Stuttgart (Mediterranean-Lyon-Stuttgart Site for ATT) betont die internationale Bedeutung wichtiger Telematikpilotprojekte. Es wird die Anwendung von Steuerungs- und Informationsstrategien getestet und gleichzeitig die Anwendbarkeit neuer Technologien überprüft. Im einzelnen geht es dabei um die Erprobung des internationalen und interurbanen Verkehrsdatenaustausches. Weiter wird ein Verkehrsinformationssystem für den grenzüberschreitenden Güterverkehr entwickelt und getestet. Darüber hinaus werden Zielführungssysteme auf der Basis von RDS/TMC, Travelpilot und Euroscout sowie wetterabhängige Verkehrssteuerungen bewertet und erprobt.

Auch der Güterverkehr profitiert von Telematikanwendungen. Im Global Tracker Service können weltweit operierende Speditionen ihre Container mit Hilfe der Satellitenverfolgung orten, den Zustand der Containerladungen überprüfen und so den gesamten Transportvorgang transparenter und sicherer abwickeln. Hierbei können nicht zuletzt auch Kostensenkungspotentiale durch optimierte Umlaufplanung der großen Containermengen ausgeschöpft werden.

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8.3 Telematik als Bindeglied in der Transportkette

Auch im Straßengüterverkehr erfordern die prognostizierten Verkehrszuwächse die Vermeidung von unnötigem Verkehr und die bessere Nutzung der Infrastrukturpotentiale. Hier sind durchgängige Informationssysteme notwendig, die die logistischen Prozesse optimaler gestalten, eine effizientere Abwicklung gewährleisten und somit eine bessere Steuerung des Warenflusses sicherstellen. Diese Anforderungen können durch ein Sendungsverfolgungssystem (Sendungsmanagement) erfüllt werden, das den Spediteuren und Logistikern eine lücken- und papierlose Überwachung und Durchführung der Warentransporte vom Verlader bis zum Empfänger erlaubt. Derartige Systeme sind zur Zeit in der Industrie in der Entwicklungs- bzw. bereits in der Erprobungsphase.

Möchte ein Hersteller die Bestellung eines Kunden ausliefern, dann beauftragt er heute i.d.R. per Telefon oder Fax eine Spedition, den Transport von der Abholung bis zur Zustellung zu organisieren. Hierbei müssen die Auftragsdaten nicht nur beim Versender, sondern auch noch einmal beim Dienstleister (Spediteur) erfaßt werden. Dabei werden heute wegen fehlender oder unvollständiger Informationen 3 bis 5% aller Sendungen fehlverladen, d.h. sie kommen nur mit Verspätung oder gar nicht an. Die Suche nach fehlgeleiteten Sendungen verursacht erhebliche Kosten. Die Informationslücken haben weiter kostspielige Planungsmängel z.B. beim Flottenmanagement zur Folge. Vielfach müssen Fahrzeuge stundenlang auf eine Entladung warten oder kommen nach Warenannahmeschluß beim Besteller an - oft mit der Konsequenz von doppelten Kosten einer zweiten Anfahrt. Mangelhafte Informationen verhindern aber auch die Optimierung logistischer Prozesse. Güterströme werden immer noch nicht im möglichen Ausmaß gebündelt und organisiert. Es kommt zu erheblichen Leerfahrten, die weder ökonomisch, noch ökologisch akzeptierbar erscheinen.

Diese Defizite verdeutlichen, daß Güterverkehr heute zunehmend auf Telematik angewiesen ist, weil eine Materialflußoptimierung nur erreicht werden kann, wenn ein reibungs- und lückenloser Informationsfluß gewährleistet ist. Erforderlich ist eine moderne Datenkommunikation, bei der die Informationen den Waren vorauseilen und so ein optimales Management der gesamten Transportkette ermöglichen.

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In die Systeme der Distributions- und Beschaffungslogistik von Industrie und Handel sind verstärkt die Speditionen einzubeziehen. Alle an der Logistikkette beteiligten Unternehmen benötigen Informationsnetzwerke, über die sie ohne aufwendige Anpassung an vorhandene Systeme über eine Schnittstelle kommunizieren können. Ein entsprechendes Konzept für das Sendungsmanagement in der Transportkette hat EURO-LOG Deutschland entwickelt (vgl. Abb. 3). Dieses System umfaßt eine Sendungsdatenbank, mobile Scanner, lokale Büro- und Lagerarbeitsplätze sowie Mobilkommunikation in den Transportfahrzeugen. Der Versender speist die aus seinem Inhouse-System extrahierten Lieferdaten über einen speziellen Arbeitsplatz (PC) in ein Informationssystem ein, an das alle Partner der Logistikkette angeschlossen sind. Aus verschiedenen Bestellungen werden Aufträge zusammengestellt und elektronisch an das Speditionsunternehmen übermittelt. Dort spielt man die Auftragsdaten auf den Scanner eines Abholfahrzeuges auf. Damit sind die Daten gleich zu Beginn des Warenflußprozesses vergleichsbereit. Bei, der Abholung scannt der Fahrer die Packstück-Barcodes an der Rampe. Automatisch kommt es zu einem Soll/lst-Vergleich, bei dem die richtigen Sendungen durch ein akustisches Signal bestätigt und fehlende Packstücke

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festgestellt werden. Wenn die Güter dann am Umladeplatz der Spedition eintreffen, sind sie schon im Computer erfaßt. Sie brauchen nicht mehr manuell registriert zu werden. Vielmehr haben sie bereits eine Sendungsnummer, können also sofort weiterbefördert werden. So ist sichergestellt, daß die richtige Sendung auf dem richtigen Weg zum richtigen Empfänger ist. Nach Ankunft der Ware am Ziel sendet der Lkw-Fahrer den Ablieferungsnachweis über den Bordcomputer an das Informationssystem. Von dort erfolgt sofort Vollzugsmeldung an den angeschlossenen Lieferantenrechner, der automatisch die Fakturierung auslösen kann.

Alle für den Transport relevanten Daten werden also nur einmal erfaßt und bleiben dann als Solldaten im System. Bei jedem Handling - ob bei der Verladung, der Kommissionierung, beim Umschlag und bei der Ablieferung - kommt es über Barcoding zu einem Abgleich mit den Istdaten. Fehlerquellen werden dadurch von vornherein ausgeschaltet. Die Informationen sind immer auf dem neuesten Stand und können weder verlorengehen, noch verlegt werden. Zwischen Versender und Empfänger gibt es kein "Informationsloch" mehr. Vielmehr ist der gesamte Transportablauf einer Sendung über alle Stationen transparent. Alle an der Transportkette Beteiligten können sich jederzeit per Tastendruck anzeigen lassen, ob die Güter pünktlich auf den Weg gebracht und zugestellt wurden. Das erleichtert Dispositionsänderungen, vermeidet teure Lagerhaltung und reduziert die Kapitalbindung. Auf dieser Basis können Reaktionen durch Aktionen ersetzt werden:

  • Ein Disponent kann seine Auslieferungstouren besser planen und Güterströme wirtschaftlicher bündeln.

  • Ein Produktionsunternehmen kann sich bereits frühzeitig vor Ankunft des Spediteurs darauf einstellen, daß bestellte Rohstoffe oder Produkte von Zulieferanten nicht fristgemäß mit der nächsten Lieferung eintreffen werden.

  • Aufgrund der Bestätigung aus dem System kann eine Lebensmittelkette risikolos mit der Vorbereitung einer Sonderverkaufsaktion beginnen.

Sendungsmanagement-Systeme können noch weitere Funktionen übernehmen: Steckt beispielsweise ein Fahrzeug mit Just-in-time-Gütern im Stau und kann seine Termine nicht einhalten, dann muß dies nicht mehr als unabwendbares Ereignis hingenommen werden. Sobald der Fahrer nämlich über

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Mobilfunk der Systemdatenbank die Störung gemeldet hat, können die Beteiligten mit den Informationen aus dem Sendungsmanagement-System innerhalb von Sekunden handeln und über eine Art "Pannenhilfe" aus dem Rechner entsprechende Schritte einleiten.

Die aktive Sendungsverfolgung hat eine Reihe von Vorteilen. Die Soll/lst-Vergleiche an wichtigen Gefahrenübergängen in der Transportkette ermöglichen eine genaue Zuordnung von eventuell entstandenen Schäden. Positiv ist auch die Reduzierung der Fehlverladungen (aktive Qualitätssicherung), die zu Kostenersparnissen führt. Die automatische Informationsverteilung an alle Beteiligten der Logistikkette (insbesondere bei Abweichungen) ermöglicht eine einfache und schnelle Kommunikation. Sie bildet die Basis für rasche Korrekturen. Alle Partner verfügen jederzeit über den gleichen Informationsstand. Vollzugsmeldungen der Auslieferungen per Mobilfunk senken über die Einführung der Nachfakturierung den Bearbeitungsaufwand und damit die Kosten bei Rechnungskorrekturen.

Die Auswertung der gespeicherten Informationen der zentralen Datenbank läßt eine genaue Analyse und Behebung von Schwachstellen zu. Dies führt zu einer Erhöhung der Servicequalität und der Kundenzufriedenheit. Der Nutzen des Sendungsmanagements liegt also in der Qualitätsverbesserung bei gleichzeitiger Kosteneinsparung. Hinzu kommt als weiterer günstiger Effekt die Entlastung und Schonung der Umwelt, der sich aus der Vermeidung bzw. Verkürzung unproduktiver Wartezeiten ergibt: Durch den lückenlosen Informationsfluß entlang der Logistikkette müssen die Lkw nicht mehr einige Stunden an den Laderampen oder den Werkstoren "Schlange stehen", bis sie entladen werden. In die gleiche Richtung wirkt der Abbau von Leerfahrten auf unseren Straßen, der durch eine bessere Bündelung der Güterströme zustande kommt.

Derartige Sendungsmanagement-Systeme sind zur Zeit im Aufbau - so z.B. bei der EURO-LOG Deutschland. Sie basieren auf breit angelegten Marktstudien, die von der Verladerschaft und der Verkehrsbranche durchgeführt wurden und aufzeigen, welche Anforderungen heute an Informationsnetzwerke und darin integrierte Dienstleistungen gestellt werden. Inzwischen haben erste Pilotanwender mit der praktischen Umsetzung der entwickelten Konzepte begonnen. Hierzu gehört ein bayerischer Automobilkonzern, der zuvor mit zwei Zulieferern und einem Logistik-Dienstleister Möglichkeiten der

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Zulaufsteuerung zu einem seiner Montagewerke erprobt hatte. In der Umsetzungsphase sind auch Systeme zur Konsumgüter-Distribution bei einer aus 14 Unternehmen bestehenden Speditionskooperation und neue Serviceangebote bei einem europaweit agierenden Unternehmen aus dem Kurier-, Expreß- und Paketmarkt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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