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4. Übergang in das Vergleichsmietensystem

Im Juni 1992 sind die Bundesbauministerin und die Wohnungsbauminister der Länder in Magdeburg übereingekommen, den ostdeutschen Wohnungsmarkt ab Mitte 1995 in das Vergleichsmietensystem zu überführen und bis dahin von weiteren Mieterhöhungsverordnungen nach 1994 abzusehen. Diese vorgesehene Entlassung aller Wohnungen aus der Preisbindung, die vor der Wiedervereinigung fertiggestellt waren, wird den Vermietern Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erlauben. Dazu werden marktmäßig zustande gekommene Mietwerte benötigt. Aufgrund der besonderen Ausgangssituation kann die Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern aber noch nicht nach Marktgesetzen funktionieren. Hieraus ergeben sich unmittelbar Probleme für die Gestaltung des angestrebten Übergangs zur Vergleichsmiete. Gefragt sind also spezifische, auf die ostdeutschen Wohnungsmarktverhältnisse abgestimmte Instrumente und Übergangskonzepte.

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4.1 Dritte Grundmietenverordnung oder Vergleichsmiete?

Es gibt in den ostdeutschen Bundesländern Überlegungen, ob vor einem Übergang in das Vergleichsmietensystem nicht doch zunächst eine dritte Grundmietenverordnung erlassen werden sollte. Damit würden zusätzliche Finanzierungsspielräume für die Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und privaten Vermieter eröffnet; zugleich könnte ein Ausgleich für die Zinsbelastung aus den Altschulden, die ab Mitte 1995 von den Vermietern zu tragen ist, erfolgen. In diesem Sinne argumentiert ein Vertreter einer sächsischen Wohnungsgenossenschaft. Eine weitere administrierte Mietpreiserhöhung um 1 DM/qm wird für erforderlich gehalten, um die Altschulden bedienen zu können, weil dies auf der Grundlage der bisherigen Mietverordnungen nicht finanzierbar ist. Darüber hinaus wird für gesetzliche Regelungen plädiert, die weitere Mietanhebungen von 2 bis 2,50 DM/qm für Instandsetzung und Modernisierung vorsehen. Diese Mittel sind für das Überleben des Unternehmens notwendig, denn sie sind die Voraussetzung dafür, daß der teilweise marode Wohnungsbestand der Genossenschaft in

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einem überschaubaren Zeitraum saniert werden kann. Erst auf diesem Niveau kann dann die Vergleichsmiete zur Mietpreisregulierung herangezogen werden.

Nach verbreiteter Auffassung würde eine dritte Grundmietenverordnung allerdings eine ganze Reihe von Problemen aufwerfen. Der Nachteil der bisherigen administrierten Mietenanhebungen besteht u.a. in der unzureichenden Differenzierung nach dem Wohnwert der einzelnen Wohnungen. Mit weiteren gesetzlich verordneten Preisanhebungen läßt sich das Ziel einer wohnwertgerechten und regionalen Differenzierung der Mieten nicht erreichen. Insbesondere ist nicht auszuschließen, daß es bei schlechteren Wohnungen und bei den Wohnungen im ländlichen Raum angesichts der bereits zu zahlenden Sockelmieten zu Überschreitungen der Marktmieten und in der Folge zu preisbedingten Leerständen kommt.

Die angestrebte Angleichung der Mietenstruktur in den östlichen und westlichen Bundesländern konnte mit den bisherigen Mietanpassungen nicht erreicht werden. Im Gegenteil, hinsichtlich der regionalen Unterschiede weist der Ost/West-Mietenvergleich bereits heute deutliche Verzerrungen auf. So hat sich in den ländlichen Räumen das Mietenniveau aufgrund der administrierten Preise schon sehr stark angeglichen, obwohl dies von den Einkommen her nicht gerechtfertigt ist. Nach Angaben des Bundesbauministeriums waren in den alten Ländern im Jahr 1992 die Bruttokaltmieten freifinanzierter Mietwohnungen durchschnittlicher Größe in Gemeinden mit mehr als 500.000 Einwohnern um ca. 44% höher als in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern. In den neuen Ländern lagen Mitte 1993 die Bruttokaltmieten in Gemeinden bis 100.000 Einwohner und mit mehr als 100.000 Einwohnern dagegen nur um rund 4% auseinander. Auch wenn die beiden Relationen nicht direkt vergleichbar sind, beleuchten sie doch das erhebliche Defizit an regionaler Differenzierung in den östlichen Bundesländern.

Untersuchungen des IFSS bestätigen dies. Hiernach sind die Mietunterschiede nach Gemeindegrößen im Westen viel stärker als in Ostdeutschland. Besonders in Großstädten ist der Abstand zwischen Ost- und Westmieten erheblich. 1993 lagen die Mieten ostdeutscher Großstädte (über 500.000 Einwohner) ca. 20% unter den entsprechenden Westmieten. In kleineren Gemeinden unter 100.000 Einwohner tendiert der Mieten-

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abstand jedoch bereits gegen Null. Ostdeutsche Mieter zahlen in ländlichen Regionen also oft ebensoviel für wesentlich schlechtere Wohnungen. Nach Erkenntnissen des Deutschen Mieterbundes wird in vielen Fällen - vor allem nach erfolgter Modernisierung - sogar das Mietniveau überschritten, das für vergleichbaren Wohnraum im Westen gilt.

Ergänzend wird von einer sächsischen Wohnungsgenossenschaft darauf hingewiesen, daß sich das Problem der Mietverzerrungen nicht nur im Ost/West-Vergleich, sondern bereits in den Wohnungsunternehmen selber stellt. So führen z.B. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen bei Altbauten zu Mieten, die um 2,50 DM/qm über den Werten für Wohnungsbestände liegen, in denen das gleiche Ausstattungsniveau bereits vorhanden ist, sich also entsprechende Investitionen erübrigen. Hier ist deshalb zunächst einmal eine Angleichung der Mieten im einzelnen Unternehmen zu vollziehen.

Nach Auffassung des Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GEWOS ist es dringend erforderlich, daß in den neuen Bundesländern Wohnungsmärkte entstehen, die Mieten also nicht weiter gesetzlich fixiert werden. Neben ordnungs- und rechtspolitischen Gesichtspunkten sind hierfür vor allem wohnungswirtschaftliche Gründe entscheidend, die einen baldigen Übergang in das Vergleichsmietensystem nahelegen:

  • Es darf nicht zu weiteren Abkoppelungen der Bestandsmieten von den Neubaumieten kommen. Der zunehmenden Unwirtschaftlichkeit des Altbaubestandes muß entgegengewirkt werden; damit entstehen zugleich Anreize für Bestandsinvestitionen.
  • Die erheblichen Nachteile der Wohnungssuchenden gegenüber den im Bestand wohnenden Mietern sind abzubauen. Wohnungssuchende mit geringeren Einkommen und Haushaltsgründer können in der Regel die hohen Neubaumieten nicht aufbringen; sie suchen deshalb preisgünstigere Wohnungen, die oft von Mietern mit höheren Einkommen belegt sind.
  • Ungenutzte Wohnraumreserven sind angesichts des Wohnungsmangels zu erschließen. So wird der Wohnflächen-Richtwert für Einpersonenhaushalte in den neuen Bundesländern deutlich überschritten. Angesichts der relativ niedrigen Bestandsmieten ist jedoch nicht zu

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    erwarten, daß die betroffenen Mieter bei einer Abnahme der Haushaltsgröße in eine kleinere, aber wesentlich teurere Wohnung wechseln.

Um die auch aufgrund der administrierten Mieterhöhungen bestehenden starken Mietverzerrungen nicht weiter fortzuschreiben oder noch zu verstärken, setzt die Bundesregierung bei der Gestaltung der künftigen Mietenpolitik auf den Übergang in das Vergleichsmietensystem. Mieterhöhungen durch weitere Grundmietenverordnungen oder analoge Regelungen soll es nicht geben, weil man zu differenzierten Mieten, die auch die Lage und den Wohnwert der Wohnungen ausreichend widerspiegeln, nur unter Marktbedingungen, nicht aber im Wege von Preisverordnungen gelangen kann. Auch der Deutsche Mieterbund tritt nicht für eine Verlängerung der Mietpreisbindung ein, weil nach seiner Auffassung eine dritte Grundmietenverordnung zu einer undifferenzierten und flächendeckenden Anhebung der Mieten in Ostdeutschland führen würde. Dies hätte mit Sicherheit eine Zunahme des jetzt schon vorhandenen Anteils ostdeutscher Wohnungen zur Konsequenz, für die höhere Mieten gezahlt werden als für westdeutsche Vergleichswohnungen. Das Ergebnis käme einer staatlich verordneten Mietverzerrung gleich, für die die Ostmieter wohl kaum Verständnis haben werden.

Allerdings kritisiert der DMB die Ankündigung der Einführung des Vergleichsmietensystems erst für Mitte 1995. Hiermit sei auf Kosten der Betroffenen eine unpopuläre Entscheidung bewußt auf einen Termin nach den Bundestagswahlen verschoben worden. Die Mieter im Osten haben nach Auffassung des DMB aber ein Recht darauf, daß die politisch Verantwortlichen in den Grundfragen der Mietenpolitik noch vor der Wahlentscheidung die Weichen stellen.

Für den Übergang in das Vergleichsmietensystem sind unterschiedliche Modelle denkbar. Nach Auffassung des Bundesbauministeriums liegen für eine sachkundige Entscheidung zur Zeit noch nicht die benötigten Daten vor. Erforderlich sind solide Kenntnisse über die bis 1995 erfolgte Einkommensentwicklung sowie über die absehbare gesamtwirtschaftliche und regionale Entwicklung in den neuen Bundesländern. Von besonderem Interesse ist auch der Umfang der Instandsetzungs- und Modernisierungsinvestitionen, dessen genaue Bestimmung in vielen Kommunen noch

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aussteht. Darüber hinaus erfordert ein den Mieter- wie auch den Vermieterinteressen gerecht werdendes Übergangskonzept intensive konzeptionelle Vorarbeiten. Dabei ist eine ganze Reihe schwieriger ökonomischer wie auch rechtlicher Fragen zu klären. Diesbezügliche Forschungsergebnisse und Vorschläge der Expertenkommission "Wohnungspolitik" werden aber erst Ende des Jahres vorliegen. Ohne diese gesicherte aktuelle Datenbasis kann nicht bereits heute ein verbindliches Konzept vorgelegt werden.

Weiter betont die Bundesregierung, daß sich auch ab Mitte 1995 die Mietenentwicklung an den Einkommen orientieren wird, und zwar - soweit erforderlich - mit sozialer Abfederung durch Wohngeld. Zu Überforderungen der Mieter soll es auch weiterhin nicht kommen. Befürchtungen, im Jahr 1995 könnte es zur Übertragung westlicher Miethöhen und Mietstrukturen auf die neuen Länder kommen, werden als unbegründet eingestuft. Das Vergleichsmietenprinzip wird keine Erhöhungsautomatik mit sich bringen. Nicht gerechtfertigt sind aber auch die Sorgen von Vermietern, die Bundesregierung lasse sich auf eine Daueradministrierung der Mieten in den neuen Bundesländern ein. Im übrigen liegen Mietstoppeffekte auch nicht im Interesse der Mieter, weil sie zwangsläufig die notwendigen Verbesserungen der Wohnqualität beeinträchtigen.

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4.2 Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete auf der Basis von Mietspiegeln

Nach dem Magdeburger Beschluß soll der Übergang in die Vergleichsmietenregelung zur Mitte des Jahres 1995 erfolgen. Dies bedeutet, daß der vor der deutschen Einigung fertiggestellte Wohnungsbestand dann nicht mehr einer Preisbindung unterliegt. Damit erhalten die Vermieter grundsätzlich die Möglichkeit, die Miete bis zur Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen.

Die ortsübliche Vergleichsmiete ist die gegenwärtig auf einem örtlichen Wohnungsmarkt tatsächlich gezahlte Miete für vergleichbare Wohnungen. Zentrales Element dieses Mietenbegriffs ist neben der örtlichen Differenzierung die Unterscheidung der betroffenen Wohnungen nach Art,

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Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage. Die bisher im Rahmen der Grundmietenverordnungen festgesetzten Mieten haben die wohnwertbezogenen Merkmale nur ansatzweise und den regionalen Aspekt gar nicht berücksichtigt.

Das Miethöhegesetz (MHG) sieht drei Möglichkeiten vor, ein Mieterhöhungsverlangen gegenüber dem Mieter durchzusetzen:

  • aufgrund einer Mietpreisübersicht bzw. eines Mietspiegels, der für ein Gemeindegebiet eine Orientierung über die ortsüblichen Mieten gibt;
  • aufgrund eines Sachverständigengutachtens, das der Vermieter erstellen läßt;
  • aufgrund des Nachweises durch den Vermieter, daß in der Gemeinde für mindestens drei Wohnungen eine vergleichbare Miete gezahlt wird.

In § 2, Abs. 5 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe heißt es:

"Gemeinden sollen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht und dies mit einem für sie vertretbaren Aufwand möglich ist, Mietspiegel erstellen. Bei der Aufstellung von Mietspiegeln sollen Entgelte, die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen an Höchstbeträge gebunden sind, außer Betracht bleiben. Die Mietspiegel sollen im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepaßt werden."

In den alten Ländern ist die Heranziehung eines Mietspiegels die häufigste Methode, die ortsübliche Vergleichsmiete zu belegen. Hier verfügen inzwischen zwei von drei Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern über solche Mietpreisübersichten. Sie informieren über die aktuellen Marktstrukturen, indem sie repräsentativ und differenziert nach Wohnwertkriterien die Mieten abbilden, die in einer Gemeinde am Wohnungsmarkt für nicht preisgebundene Wohnungen gezahlt werden. Damit leisten die Mietspiegel wichtige Orientierungshilfen und Rechtssicherheit für Vermieter und Mieter bei Mietvereinbarungen und Mieterhöhungsverlangen.

Mietpreisübersichten können nach unterschiedlichen Methoden aufgestellt werden:

  • Empirischen Mietspiegeln liegt eine umfangreiche repräsentative Befragung von Mieterhaushalten und Vermietern zu ihren Mietverträgen zugrunde. Große und differenzierte Wohnungsmärkte lassen sich mit

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    diesem Verfahren in der Regel gut abbilden. Für die Aktualität der Mietwerte ist allerdings eine regelmäßige Anpassung der Mietspiegel an die Marktentwicklung erforderlich.

  • Regressionsmietspiegel werden auf der Basis relativ kleiner empirischer Erhebungen erstellt und mittels komplexer statistischer Verfahren errechnet. Diese Art von Mietspiegeln, wie sie z.B. in München und Frankfurt angewandt werden, ist derzeit erheblicher Kritik ausgesetzt und von einigen Gerichten nicht akzeptiert, da Zweifel an ihrer Rechtssicherheit bestehen.

  • Ausgehandelte Mietspiegel finden sich häufig in kleineren und homogenen Wohnungsmärkten. Hier entstehen die Mietpreisübersichten durch Verhandlungen zwischen Mieter- und Vermieterverbänden sowie den Gemeinden.

Die Wahl des Verfahrens steht den Kommunen grundsätzlich frei. Solche Orientierungen über die Mieten in einer Region werden auch in ostdeutschen Städten und Gemeinden beim Übergang in das Vergleichsmietensystem als außerordentlich wichtig eingestuft, und zwar u.a. deshalb, weil derartige Vergleichsmietenübersichten ein geregeltes Verfahren bieten und eine wichtige Befriedungsfunktion für Mieter und Vermieter erfüllen.

Das MHG (§2, Abs. 5) ermächtigt die Bundesregierung, "durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über den näheren Inhalt und das Verfahren zur Aufstellung und Anpassung von Mietspiegeln zu erlassen." Von dieser Verordnungsermächtigung hat der Bund noch keinen Gebrauch gemacht. Für die alten Bundesländer hat sich dies bisher als unproblematisch erwiesen. In der Diskussion wurde jedoch gefordert, daß der Bund angesichts der besonderen Ausgangssituation in Ostdeutschland hier rechtsverbindliche Vorgaben zur Erstellung von Mietspiegeln erläßt.

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4.3 Lückenhafte Datenbasis für ostdeutsche Mietspiegel

Für die Wohnungen, die vor dem 3.10.1990 fertiggestellt worden sind, und damit für den weitaus größten Teil des Wohnungsbestandes in den neuen Bundesländern sind die Mieten zur Zeit preisgebunden. [ Fn.2: Dies gilt auch für öffentlich geförderte Neubauwohnungen, die im Zusammenhang mit der Erstellung von Mietspiegeln aber nicht relevant sind.]

Die Mietenverordnungen, die für die Grundmieten Höchstbeträge festlegen, haben schon zu einer deutlichen Anhebung des Mietniveaus und durch die Beschaffenheits- und Modernisierungszuschläge auch zu einer leichten Differenzierung nach Ausstattung, Zustand und Baualter der Wohnung geführt. In kleineren und mittleren Städten ist in bestimmten Bestandssegmenten schon ein Mietniveau erreicht, das nach der Freigabe der Mieten nicht mehr wesentlich steigen kann, denn unter Berücksichtigung von Ausstattung und Baualter entspricht dieses Niveau schon jetzt den Marktpreisen in den alten Bundesländern.

Dem Großteil des mietpreisgebundenen Wohnungsbestandes steht ein sehr geringes freifinanziertes Angebot gegenüber. Dieses Segment umfaßt die nach dem 3.10.1990 fertiggestellten Neubauwohnungen bzw. die nach diesem Datum grundlegend sanierten, zuvor nicht bewohnten Wohnungen. Dieser Bestand ist nicht preisgebunden, d.h. es gelten nach dem Miethöhegesetz zulässige Mieten. Diese Wohnungen sind in der Regel gut bis sehr gut ausgestattet, und eine hohe Nachfrage führt hier zu hohen Knappheitspreisen. Allerdings zeichnet sich für solche hochwertigen Neubauwohnungen nach Angaben von GEWOS bereits eine Trendwende ab. So hat eine Marktrecherche zum freifinanzierten Wohnungsbestand in Leipzig ergeben, daß bei Durchschnittsmieten von rund 17 DM/qm Wohnungen mit Mietpreisen über 20 DM/qm kaum noch zu vermieten sind.

Zur Zeit gibt es in Ostdeutschland noch keine funktionsfähigen Märkte für Wohnungen. Aus dieser Situation resultieren Probleme für den angestrebten Übergang in das Vergleichsmietensystem. Legt man der Ermittlung von Vergleichsmieten das große preisgebundene Marktsegment an Mieten, wie sie am 1.7.1995 gezahlt werden, in einem Mietspiegel zugrunde, dann würde hierdurch zunächst ein gesetzlich fixiertes Mietniveau weiter festgeschrieben. Differenzierungen nach den tatsächlich gegebenen Wohn-

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wertkriterien würden damit auch weiterhin nicht genügend berücksichtigt. Erhebliche Mietverzerrungen zwischen Alt- und Neubauwohnungen wären die Folge, da marktbezogene Maßstäbe zur Beurteilung von instandgesetzten oder modernisierten Wohnungen fehlen. Im Ergebnis würde das Mietniveau den tatsächlichen Wohn- bzw. Marktwert des Bestandes nicht zutreffend widerspiegeln.

Laut MHG sind bei der Bestimmung von Vergleichsmieten alle nicht preisgebundenen Mieten zu berücksichtigen, die in den letzten vier Jahren geändert oder neu vereinbart wurden. In die Aufstellung von Mietspiegeln dürfen also nur solche Mieten einfließen, die sich frei am Markt gebildet haben. Wird nur der freifinanzierte Bestand (bezugsfertig nach dem 3.10.1990) für einen Mietspiegel herangezogen, ist die empirische Basis für die ortsübliche Vergleichsmiete zu gering. Zahlreiche Mietspiegelfelder blieben unbesetzt, da im Neubau fast ausschließlich qualitativ hochwertige Wohnungen entstehen und damit nur ein bestimmter Marktausschnitt berücksichtigt wird. Ohne ausreichende Fallzahlen können keine Vergleichsmieten für andere Wohnungstypen bestimmt werden. Die Baualtersklassen vor 1990 bleiben völlig außer Betracht. Zudem verursacht der Nachfrageüberhang auf vielen Wohnungsmärkten der neuen Bundesländer Knappheitspreise, die die ortsüblichen Miethöhen nur verzerrt abbilden. Auch auf den ostdeutschen Wohnungsmärkten können Mietspiegel ihre Funktion im Vergleichsmietensystem erst dann erfüllen, wenn eine hinreichende Anzahl von unter Marktbedingungen gebildeten Mieten für das ganze Spektrum des Wohnungsbestandes vorliegen.

Eine auf den ersten Blick vergleichbare Problematik gab es in der Bundesrepublik schon einmal in den sechziger Jahren bei der Aufhebung der Preisbindungen für Altbaumieten. Damals wurden die Mieten auf der Basis von Tabellenmieten an Marktmieten herangeführt. Die Grundlage für die Abschaffung der Wohnraumbewirtschaftung war dabei das sog. "rechnerische Wohnungsdefizit". Überstieg die Nachfrage nach Wohnungen das Angebot um weniger als drei Prozent, so wurde dieser Wohnungsmarkt von der Bewirtschaftung befreit. Übergangslösungen sahen auf der Grundlage von Tabellenmieten prozentuale Erhöhungsmöglichkeiten der Mieten vor. Daneben gab es differenzierte Wohnwert- und Instandhaltungszuschläge. Dieser Übergang in das Vergleichsmietensystem verlief nicht problemlos. Insbesondere in Verdichtungsräumen zeichneten sich erhebliche Mietan-

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stiege ab. Hier wurde deshalb der Übergang den jeweiligen Marktbedingungen entsprechend zeitlich gestreckt. Als letzte Wohnungsmärkte wurden Hamburg und München 1977 bzw. Berlin-West 1988 liberalisiert.

Anders als bei der Aufhebung der Altbaumietenverordnung in den alten Bundesländern stehen in Ostdeutschland keine, am jeweils spezifischen Wohnungsmarkt unter "normalen" Marktbedingungen gebildeten Marktpreise als Vergleichswerte zur Verfügung. Die Frage, welche Mieten jeweils als ortsübliche Vergleichsmieten plausibel sind, ist folglich nicht durch Erfassung marktbedingter Preisbildungsprozesse zu beantworten. Damit läßt sich das im westdeutschen Vergleichsmietensystem zentrale Element des Mietspiegels nicht ohne weiteres auf die neuen Bundesländer übertragen. Hier besteht eine komplexe Ausgangssituation. In den kleinen und mittleren Städten der östlichen Bundesländer werden durch die Grundmietenverordnungen und Modernisierungszuschläge Mietpreise erreicht, die auch nach der Freigabe der Mieten keine großen Erhöhungsspielräume mehr lassen. Ein besonderer Handlungsbedarf zur sozialverträglichen Ausgestaltung des Übergangs ist dagegen in großen Städten gegeben. Bei dieser Konstellation wird ein differenziertes Instrumentarium für die Einführung des Vergleichsmietensystems benötigt.

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4.4 Übergang in das Vergleichsmietensystem mit Hilfe von "Orientierungsrahmen"

GEWOS hat mit dem "Orientierungsrahmen" ein Instrument entwickelt, das als Bindeglied zwischen den heute gesetzlich fixierten Mieten und den ab Mitte 1995 freien, marktorientierten Vergleichsmieten verwendet werden kann. Dieser "Orientierungsrahmen" ist ein synthetisch konstruierter Mietspiegel, der eine Mietenstruktur so abbildet, wie sie im jeweiligen Wohnungsmarkt unter Marktbedingungen zu erwarten wäre. Auf wissenschaftlich fundierter Basis werden für den Mitte 1995 nicht preisgebundenen Wohnungsbestand Richtwerte für Marktmieten berechnet, mit deren Hilfe der Übergang in das Vergleichsmietensystem gestaltet werden kann. Bei der Ermittlung dieser synthetischen Mietwerte werden Mietspiegelwerte aus den alten Bundesländern als Basis herangezogen, da nur so übliche

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Marktmietenniveaus erzeugt werden können. Die Vergleichsmietspiegel sind nach Kriterien auszusuchen, die für den jeweiligen Wohnungsmarkt unmittelbar von Bedeutung sind - wie Anzahl der in der Stadt wohnenden Menschen, Bevölkerungsdynamik, Arbeitslosigkeit u.a.. Außerdem sind sie zu vereinheitlichen, da oft unterschiedliche Stichtage oder abweichende Mietbegriffe zugrunde liegen. Notwendig erscheint auch eine Bereinigung der westdeutschen Berechnungsbasis, denn ohne eine Anpassung ergibt sich für die neuen Bundesländer ein zu hohes Mietenniveau.

Da die Mietspiegel in Westdeutschland für Wohnungen gelten, die sich in der Regel in einem guten Instandhaltungszustand befinden, besser ausgestattet sind und in einem intakten Wohnumfeld liegen, sind bei der Aufstellung synthetischer Mietwerttabellen für ostdeutsche Wohnungsmärkte weitere Korrekturen erforderlich. Nach Auffassung des IFSS liegt hier ein Kernproblem bei der Orientierung an westdeutschen Mietniveaus. Die im Durchschnitt erheblich niedrigeren Ausstattungsstandards der Ostwohnungen lassen sich mit den üblichen groben Merkmalsbeschreibungen (Sammelheizung, Bad, WC u.a.) nicht erfassen. Die Plattenneubauten in Ostdeutschland sind von der Ausstattung her am ehesten mit Sozialwohnungen im alten Bundesgebiet vergleichbar; für viele Plattenbauwohnungen müssen jedoch höhere Mieten als für ältere, überwiegend besser ausgestattete Sozialwohnungen im Westen gezahlt werden. Dementsprechend sind in einem weiteren Verfahrensschritt die typischen Wohnungsmerkmale ostdeutscher Städte u.a. hinsichtlich ortsspezifischer Baujahres- und Ausstattungsklassen (z.B. unterschiedliche Konstruktionsvarianten im Plattenbau) zu berücksichtigen.

Nach den Erfahrungen von GEWOS bilden derartige Quasi-Mietspiegel die Mietenstrukturen für Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern plausibel ab. Sie zeigen, wie ein aktuelles Mietniveau in dem spezifischen Wohnungsbestand unter marktwirtschaftlichen Bedingungen aussehen könnte, und bieten zum jetzigen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit zu verdeutlichen, daß sich auch bei Wohnungsknappheit die Mieten nicht unabhängig von objektiven Faktoren - wie Ausstattung, Baualter und Lage - entwickeln. Gleichzeitig wird ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion über Mieten geleistet und damit Konfliktpotential zwischen Mietern und Vermietern abgebaut.

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Die Anwendung von Orientierungswerten für synthetische Mietstrukturen in ostdeutschen Städten ist nach Auffassung von GEWOS ein Weg, der die Abkehr von politisch administrierten Mieten hin zu marktorientierten Vergleichsmieten ermöglicht. Der Ausgleich zwischen der Gewährleistung des Mieterschutzes und den betriebswirtschaftlichen Interessen der Vermieter kann hierbei aber nur gelingen, wenn beim anstehenden Übergang in das Vergleichsmietensystem folgende Punkte beachtet werden:

  • Berücksichtigung der spezifischen örtlichen und regionalen Besonderheiten der Wohnungsmärkte bei der Berechnung entsprechender Orientierungswerte,
  • sukzessive Heranführung der Mieten an das Marktmietenniveau, z.B. durch prozentuale Zuschläge zu den Orientierungswerten mit Kappungsgrenzen,
  • jährliche Aktualisierung der gekappten Orientierungswerte entsprechend der Wohnungsmarktentwicklung und der Preissteigerungsrate sowie regelmäßige Plausibilitätsprüfung des Orientierungsrahmens,
  • Ablösung des Orientierungsrahmens, wenn auf einzelnen Wohnungsmärkten das Marktmietenniveau erreicht ist,
  • Entwicklung spezifischer Übergangsbestimmungen für problematische Wohnungsmärkte (z.B. Großstädte), die durch ein knappes Wohnungsangebot und starke Mietsprünge charakterisiert sind.


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4.5 Synthetische Miettabellen in der Diskussion

Schwierigkeiten bereitet nach Einschätzung des Instituts für Stadtentwicklung und Wohnen (ISW, Potsdam) die Bestimmung des Zeitpunktes, an dem ein Wohnungsmarkt endgültig aus der Mietpreisbindung entlassen werden kann. Werden Wohnungsbestände strukturell überschätzt, dann kann es dazu kommen, daß einzelne Wohnungsmärkte zu Lasten der betroffenen Mieter schon freigegeben werden, wenn faktisch noch Wohnungsmangel herrscht. So besteht beispielsweise im Umland von Berlin Unklarheit über die Versorgungslage. Hier kann der Nachfragedruck aus der Metropole nicht beziffert, sondern nur geschätzt werden. Hilfskriterien wie die Ausgabe von Wohnberechtigungsscheinen sind ausgesprochen unzuverlässig. Beim Übergang in das Vergleichsmietensystem ist darüber hinaus

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stärker zu berücksichtigen, daß die Wohnungsbestände in den neuen Ländern eine ganz besondere Spezifik aufweisen: In einigen Städten sind 80% bis 90% der Bestände Platten- oder Blockbauten, die eigene Marktstrukturen entwickeln. Hier gibt es schon heute Leerstände, die rein rechnerisch einen ausgeglichenen Wohnungsbestand vortäuschen. Zudem verstärken Defizite in den Großsiedlungen hinsichtlich Wohnungsgröße und -qualität den Druck auf das Marktsegment des nicht preisgebundenen Wohnungsneubaus mit der Folge enormer Mietsteigerungen.

Für den Deutschen Mieterbund darf der Übergang in die Wohnungsmarktwirtschaft in den neuen Ländern nicht auf dem Wege einer vollständigen Übertragung des westdeutschen Vergleichsmietensystems erfolgen, weil dazu die sozialen und wohnungswirtschaftlichen Voraussetzungen fehlen. Vielmehr muß in Ostdeutschland eine "sozial kontrollierte Vergleichsmiete" gewährleistet sein. Das macht weitere Modifikationen der als Orientierungshilfen verwendeten westdeutschen Mietwerte erforderlich. So spielt für das Mietniveau eines regionalen Wohnungsmarktes das örtliche Einkommensniveau eine entscheidende Rolle. Von den westdeutschen Vergleichsmietwerten müssen deshalb Abschläge in Abhängigkeit von den Einkommensunterschieden gemacht werden. Solche Korrekturen sind nach Einschätzung des Mieterbundes über den rein marktwirtschaftlichen Zusammenhang zwischen zahlungskräftiger Nachfrage und Preis hinaus auch sozialpolitisch geboten, weil in den neuen Ländern eine geringere Mietbelastungsfähigkeit gegeben ist.

Darüber hinaus wird dafür plädiert, daß für Mieterhöhungen auf der Basis der synthetischen Miettabellen Kappungsgrenzen - z.B. in Form von konkreten Mietwerten als Obergrenzen oder in Form prozentualer Kappungsgrenzen oberhalb der Tabellenwerte für die jeweilige Wohnungskategorie - festgelegt werden. Solche Kappungsgrenzen sind erforderlich, um zu verhindern, daß Modernisierungsumlagen, Betriebskostensteigerungen und die zu befürchtenden Umlagen für Altschuldenzinsen zu Mieten führen, bei denen Westpreise für Oststandard gezahlt wird, obwohl die Einkommen nach wie vor niedriger sind.

Eine weitere Voraussetzung für die Einbeziehung westdeutscher Vergleichsmieten in Mietspiegel für ostdeutsche Städte und Gemeinden ist für den Deutschen Mieterbund, daß alle Mieten der westdeutschen Vergleichs-

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gemeinden berücksichtigt werden. Es dürfen also nicht nur die Mieten der westdeutschen Miettabellen zugrunde gelegt werden, in die ja lediglich die Neuabschlußmieten und erhöhten Mieten der letzten vier Jahre einfließen. Diese Mieten repräsentieren aber einen Marktausschnitt, der aufgrund der Vorgaben des MHG erheblich über dem tatsächlichen Mietendurchschnitt liegt. Ein solches Mietniveau, das dem oberen Bereich der Mietenskala in Westdeutschland entspricht, ist in den neuen Bundesländern weder wohnungspolitisch gerechtfertigt noch sozialpolitisch zu verantworten.

Nach Ansicht des Brandenburger Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr führt die Übertragung von westdeutschen Miettabellen wieder zu staatlich verordneten Preisen und auch zu überhöhten Mieten in Ostdeutschland. Während einer Übergangszeit werden weiter Steuerungen mit Hilfe von Orientierungsrahmen vorgenommen. Das bedeutet zugleich, daß das Ende des administrierten Mietensystems noch nicht erreicht ist. Festgestellt wird weiter, daß es keine flächendeckende Lösung für das flächendeckende Problem des Übergangs zu marktorientierten Mieten gibt. Im Instrument eines synthetischen Mietspiegels wird angesichts der überwiegend ländlichen Struktur der neuen Länder jedenfalls kein geeignetes Hilfsmittel für den Übergang in das Vergleichsmietensystem gesehen. Beispielsweise gibt es im Land Brandenburg 1.800 Kommunen, darunter sehr viele Gemeinden mit nur geringen Einwohnerzahlen. Es erscheint kaum machbar, daß innerhalb kurzer Zeit flächendeckend durch eine Übertragung von Vergleichsmieten aus den Altländern eine neue tragfähige Grundlage für ein marktwirtschaftliches Mietensystem in Ostdeutschland geschaffen werden kann. Hinzu kommt - so ein Ergebnis der Diskussion -, daß die Konstruktion von Miettabellen nur für Städte ab einer gewissen Größenordnung als sinnvoll und kurzfristig realisierbar eingestuft wird.

Auch GEWOS vertritt die Auffassung, daß eine flächendeckende Erarbeitung von Orientierungsrahmen für jede Gemeinde der neuen Bundesländer kurzfristig nicht möglich ist. Es lassen sich aber Orientierungsrahmen für verschiedene Wohnungsmarkttypen nach siedlungsstrukturellen Gesichtspunkten erstellen. Diese Modellfälle können dann bei hinreichender regionaler Differenzierung als Grundlage für synthetische Marktmietenstrukturen für ostdeutsche Städte und Gemeinden verwendet werden. Es ist also durchaus möglich, zur Erzeugung synthetischer Marktmieten in Ost-

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deutschland westdeutsche Mieten heranzuziehen. Dabei geht es nicht darum, westliche Strukturen zu übertragen, sondern sie als Basis zu nehmen und dann an die spezifischen ostdeutschen Strukturen und Verhältnisse anzupassen.

Diese optimistische Einschätzung rief im Verlauf der Diskussion Widerspruch hervor. Es wurde als außerordentlich problematisch beurteilt, künstliche Mietpreisübersichten für die Kommunen in den neuen Bundesländern mit dem Hintergrundwissen von westlichen Strukturen zu schaffen. Aber selbst wenn Versuche gelingen, regionale Besonderheiten bei der Konstruktion solcher Orientierungsrahmen zu berücksichtigen, besteht nach Einschätzung des Potsdamer Wohnungsministeriums die Gefahr, daß wiederum staatlich gelenkt ein höheres Mietniveau vorgegeben wird, als es den tatsächlichen regionalen Gegebenheiten entspricht. In Brandenburg ist bereits heute in einzelnen Städten bei Neuvermietungen die nach der Zweiten Grundmietenverordnung erreichte Miete auf dem Markt nicht mehr erzielbar, und zwar unabhängig von Ausstattung und Lage der Wohnungen. Dies hat bereits zu einer Zunahme der Wohnungsleerstände in bestimmten Problembereichen geführt. Deshalb wird dafür plädiert, daß bei der Einführung der ortsüblichen Vergleichsmiete anstelle von verordneten synthetischen Mietspiegeln Übergangsregelungen zur Vermeidung von Mietpreisexplosionen angewandt werden. Über die Regelungen des MHG hinaus werden dabei Kappungsgrenzen bei Neuvermietungen, bei Modernisierungsumlagen und bei Mieterhöhungen im laufenden Mietverhältnis für erforderlich gehalten.

Auch im Bundesbauministerium bestehen Vorbehalte gegenüber einem Vergleichsmietensystem, das sich an Mieten vergleichbarer Weststädte orientiert. Dabei richtet sich die Kritik einmal auf die Auswahl der Vergleichsstadt. Festgestellt wird, daß es den Vergleichsmarkt für Wohnungen nicht gibt. Auch in den alten Bundesländern bestehen zwischen Städten gleicher Größenordnung zum Teil erhebliche Mietdifferenzen. Jede Entscheidung für eine Vergleichsstadt oder auch für Mieten aus mehreren Städten ist letztlich willkürlich und trägt den Wohnungsbedingungen in den neuen Bundesländern kaum Rechnung. Die Struktur des Wohnungsbestandes, die Angebots- und Nachfragebedingungen weisen erhebliche Abweichungen auf. Zum anderen ist auch die Berücksichtigung unterschiedlicher Einkommensniveaus und -Strukturen nicht verläßlich

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möglich. Solche Unterschiede können nur über mehr oder weniger willkürliche Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden. Auf diesem Wege lassen sich aber die Marktwirkungen kaum zuverlässig erfassen. Es besteht die Gefahr, daß Einkommens- und Marktentwicklungen letztlich zu Lasten der Mieter unter- bzw. überschätzt werden.

Nicht zuletzt ist bei dem für Mitte 1995 in den neuen Ländern angestrebten Übergang in das Vergleichsmietensystem ein Rechtsproblem zu beachten. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, wie denn die Vergleichsmiete unter den besonderen Bedingungen des ostdeutschen Wohnungsmarktes zu definieren ist. Mitte 1995 muß verbindlich festgelegt sein, welcher Wohnungsbestand unter die Vergleichsmiete fällt. In dessen Bestimmung dürfen nach dem derzeit geltenden MHG nur diejenigen Mieten einfließen, die in den letzten vier Jahren marktmäßig verändert oder neu abgeschlossen worden sind. Ein konstruierter Mietspiegel berücksichtigt dieses maßgebliche Kriterium aber nicht automatisch. Hinzu kommt, daß nach der deutschen Einigung praktisch die Mieten aller ostdeutschen Wohnungen geändert wurden. Im Ergebnis würde sich deshalb die Vergleichsmiete eng am Durchschnitt der Bestandsmieten orientieren, und qualitative Aspekte des Wohnwertes blieben weitgehend unberücksichtigt. Bestehende Ungleichgewichte würden fortgeschrieben mit der Konsequenz, daß sich die Mietverzerrungen zwischen Alt- und Neubauwohnungen eher verschärfen als abbauen, weil marktbezogene Maßstäbe zur Bewertung von instandgesetzten oder modernisierten Wohnungen fehlen. Dieser Effekt liegt aber nicht im Interesse der ostdeutschen Mieter.

Problematisch ist also einmal, daß die administrativ erhöhten Mieten in den neuen Bundesländern qualitative Wohnungsaspekte kaum und regionale Differenzen gar nicht berücksichtigen. Zum anderen sind berechtigte Zweifel daran angebracht, ob dem MHG entsprechende Vergleichsmieten aus westdeutschen Städten allein als zuverlässige Basis für die Aushandlung von Marktmieten für alle Wohnungstypen in den östlichen Bundesländern ausreichen. Deshalb wird es für dringend notwendig gehalten, daß der Bund von seiner Ermächtigung Gebrauch macht und durch Rechtsinterpretation oder Rechtsergänzung bestimmt, nach welchem Verfahren in den neuen Ländern Mietspiegel aufzustellen sind.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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