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TEILDOKUMENT:
3. Auswirkungen der Mietenpolitik auf Ertragslage und Investitionsmöglichkeiten der Wohnungsunternehmen Neben verschiedenen Investitionsförderprogrammen und der Altschuldenregelung, nach der erst ab Mitte 1995 Kapitalkosten fällig werden, verfolgen auch die Mietenreformschritte einschließlich der möglichen Umlage von Modernisierungskosten das Ziel, eine grundlegende Verbesserung der Ertragssituation der Wohnungsunternehmen herbeizuführen, damit Investitionen in die Wohnungsbestände zügig durchgeführt werden können. In Ostdeutschland liegt der Investitionsschwerpunkt eindeutig bei den Ausgaben für Baumaßnahmen im Wohnungsbestand. Nach Angaben des DIW gingen 1992 fast drei Viertel (72% gegenüber 47% in den alten Ländern) des Wohnungsbauinvestitionsvolumens in den Bestand, 28% der Mittel flössen in den Neubau (alte Länder: 53%). Der Instandsetzungsbedarf wird auf mindestens 200 Mrd. DM geschätzt. Für Modernisierungsmaßnahmen ist zumindest der gleiche Betrag zu veranschlagen. Hinzu kommen die erforderlichen Investitionen für Wohnumfeldverbesserungen und Infrastrukturmaßnahmen, die das Investitionsvolumen nach Schätzungen auf 1 bis 1,5 Bio. DM hochschnellen lassen. Mit der deutschen Einigung gingen die Grundstücke sowie das sonstige Wohnungsvermögen einschließlich der anteiligen Verbindlichkeiten zunächst auf die Kommunen über und wurden dann an rechtlich selbständige Wohnungsunternehmen übertragen. Die unternehmerische Wohnungswirtschaft, vertreten von kommunalen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, verwaltet derzeit rund 3,2 Mio. Wohnungen. Die Unternehmen sehen sich in einem Spannungsfeld zwischen sozialer Verantwortung und dem Zwang zu wirtschaftlichem Handeln. Auf der einen Seite gilt es, durch Mietpreisbegrenzungen sich an der finanziellen Belastbarkeit der Mieter zu orientieren; andererseits müssen die Mieteinnahmen zur Bestandssicherung des Wohnraums beitragen, die für das wirtschaftliche Überleben der Unternehmen notwendig ist.
3.1 Ausreichende Ertragslage oder finanzieller Notstand?
Nach Auffassung des Bundesbauministeriums eröffnet das mittlerweile erreichte Mietniveau den Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und privaten Vermietern erhebliche Investitionsspielräume, um den Instandsetzungsstau abzubauen und notwendige Modernisierungen vorzunehmen. Schon mit der jetzigen Grundmiete ließen sich "beachtliche" neue Investitionen finanzieren. Eine Modellrechnung zeigt, daß bei einer Grundmiete von 4,50 DM/qm - unter Berücksichtigung des ab Mitte 1995 für die Altschulden fällig werdenden Betrags von etwa 1 DM/qm - ohne Förderung ein Investitionsvolumen von ca. 400 DM/qm angestoßen werden kann. Bei Inanspruchnahme eines zinsverbilligten KfW-Kredits aus dem Normalprogramm erhöht sich das finanzierbare Investitionsvolumen auf über 600 DM/qm und bei einem Kredit aus dem besonders zinsgünstigen Plattenprogramm auf knapp 700 DM/qm. Mit diesen Beträgen - so das Bundesbauministerium - können "durchgreifende Dinge bewirkt werden". Aus der Sicht der Wohnungsgesellschaften reichen die Mietanhebungen und Förderinstrumente jedoch nicht aus, um die dringend erforderlichen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zügig durchführen zu können. So wird für den Bereich der unternehmerischen Wohnungswirtschaft in Thüringen, der etwa die Hälfte des Wohnungsbestandes in diesem Bundesland umfaßt, mit einem Investitionsbedarf von ungefähr 30 Mrd. DM gerechnet. 1993 wurden bei relativ günstigen Bedingungen effektiv aber nur ca. 1,5 Mrd. DM eingesetzt. Vertreter verschiedener Wohnungsunternehmen übten deutliche Kritik an der Darstellung des Bundesbauministeriums hinsichtlich der Kapitalausstattung der Unternehmen. Die Übereinstimmung der Modellrechnung mit den tatsächlichen Verhältnissen wurde grundsätzlich in Abrede gestellt. So rechnet eine Thüringer Wohnungsgesellschaft nicht mit einer Grundmiete von 4,50 DM/qm, sondern nur mit 4 DM/qm. Andere Unternehmen haben aufgrund ihrer ungünstigen Bestände sogar nur Mieteinnahmen von unter 3 DM/qm. Doch auch diese Mittel können nicht voll zur Finanzierung von Investitionen eingesetzt werden, da etwa 2 DM/qm an Verwaltungskosten anfallen. Weiterhin sind von den Mieteinnahmen der demnächst fällige Kapitaldienst für die Altschulden, Abschreibungen sowie die notwendigen [Seite der Druckausgabe: 22] Aufwendungen für laufende Instandhaltungen aufzubringen. Das potentielle Investitionsvolumen, das über die Miete finanziert werden kann, erweist sich damit als erheblich kleiner als vom Bundesbauministerium kalkuliert. Die Finanzierungsmöglichkeiten werden nach den Erfahrungen einer Wohnungsgesellschaft aus Dresden weiter dadurch eingeschränkt, daß nicht die Modernisierung, sondern die Instandsetzung im Vordergrund der Investitionen steht. Zu 60% werden nicht umlagefähige Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. Diese Investitionen können nicht über - für die Unternehmen zu teure - Kredite finanziert werden. Längerfristige Rentabilitätsberechnungen der Modernisierungsinvestitionen über einen Zeitraum von fünf Jahren, bei denen eine Mieterhöhung ab 1.1.1996 von 1,50 DM zugrunde gelegt wurde, haben ergeben, daß bei 60% Instandhaltung und nur 40% Modernisierung nicht eine einzige Investition rentierlich ist. Zudem wurde bemängelt, daß sich die Kapitalausstattung der Wohnungsunternehmen auch aufgrund der knapper werdenden Fördermittel sowohl aus Bundes- als auch aus Landesprogrammen zunehmend verschlechtert. Mit Verringerungen der Investitionsspielräume rechnet der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (GdW) ab der zweiten Jahreshälfte 1995 infolge des Altschuldenkapitaldienstes. Ca. 1 DM/qm stehen dann nicht mehr als Finanzierungsmittel für Investitionen zur Verfügung. Wenn die Ertragsseite sich nicht verbessert - sei es durch eine Mehrbelastung der Mieter oder über den Umweg sozialpolitischer Entlastungsmaßnahmen -, sind bei wirtschaftlicher Unternehmensführung keine Investitionen mehr möglich. Konsequenz wäre ein Einbruch in Baugewerbe und Bauindustrie, und die Wohnbedingungen der Mieter verschlechterten sich, weil dringend notwendige Verbesserungen der Wohnqualität ausbleiben. Das Bundesbauministerium räumt ein, daß die Ertragssituation von Gesellschaft zu Gesellschaft sicherlich unterschiedlich ist. Insgesamt wird die Situation aber "nicht so dramatisch" eingeschätzt, daß die vorhandenen Mietenspielräume keine nennenswerten Investitionen mehr erlauben. Angesichts der Forderungen der Vermieter nach höheren Mieteinnahmen stellt sich die entscheidende Frage nach der Bezahlbarkeit. Weitere öffentliche Mittel zur Mietenfinanzierung stehen nicht zur Verfügung, und die [Seite der Druckausgabe: 23] notwendige Sozialverträglichkeit der Mietbelastungen erfordert es, daß sich die Ertragsseite der Wohnungsunternehmen an der Einkommensseite der Mieter orientiert. Die Kreditwirtschaft erwartet, daß die Wohnungsgesellschaften - unter der Voraussetzung, daß sie die Bedienung der Altschulden ab Mitte 1995 über eine Mieterhöhung von 1 DM/qm finanzieren können, - in der Lage sein werden, in langsamen Schritten ihre Gesamtinvestitionen kontinuierlich weiter auszubauen. Dies wird möglich durch Umschichtung der für Investitionen eingesetzten Eigenmittel hin zur Bedienung von Kapitalmarktdarlehen, Krediten bei der KfW oder anderen Geldinstituten, denn mit 1 Mrd. DM Mieteinnahmen - umgesetzt in die Bedienung von Fremdmitteln - können 10 Mrd. DM an Investitionen ausgelöst werden. Diese günstige Einschätzung der Investitionsspielräume stützt sich auf die Prognose steigender Mieteinnahmen bei den kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften. Nach weiteren Mietsteigerungen wird erwartet, daß sich das Mietaufkommen, das sich nach Berechnungen des GdW 1993 auf 8,9 Mrd. DM belief, im laufenden Jahr auf über 10 Mrd. DM erhöht. Den Zahlen des GdW ist weiter zu entnehmen, daß 1992 die Investitionen für Instandsetzungen und Instandhaltungen von 5 Mrd. DM überwiegend (zu 63%) mit eigenen Mitteln, also über die eingegangenen Mieten finanziert wurden. In nur relativ geringem Ausmaß (1,3 Mrd. DM) wurden Fördermittel oder zinsverbilligte Darlehen eingesetzt, und vom Kapitalmarkt kamen lediglich 350 Mio. DM. Für die Modernisierung mit Aufwendungen von 2,6 Mrd. DM lauten die entsprechenden Anteile: 33% Eigenmittel/Mieteinnahmen, 53% Fördermittel und 14% Kapitalmarktkredite. Insgesamt hat die unternehmerische Wohnungswirtschaft 1992 damit ca. 4 Mrd. DM aus Mieteinnahmen für Investitionen zur Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung eingesetzt. Der Vertreter einer Großbank geht davon aus, daß die Kreditwirtschaft nach Regelung des gesamten Komplexes Altschuldenhilfe-, Vermögensübertragungs- und Sachenrechtsänderungsgesetz weniger Zurückhaltung bei der unternehmensbezogenen Finanzierung der Wohnungswirtschaft üben wird, weil dann die Voraussetzungen für eine Investitionsoffensive in den ostdeutschen Wohnungsbestand erfüllt sind. Für noch bestehende Schwierigkeiten (Grund und Boden noch nicht übertragen, noch nicht [Seite der Druckausgabe: 24] vermessen, ungeklärte Restitutionsansprüche) müssen Übergangslösungen gefunden und auch genutzt werden. Dann kann die Wohnungswirtschaft ein Investitionsvolumen in Auftrag geben, das weniger von den möglichen Krediten als von den Kapazitäten der Bauwirtschaft, insbesondere im Ausbaugewerbe begrenzt wird. Bei dieser Konstellation muß darauf geachtet werden, daß die verbesserten Rahmenbedingungen nicht nur zu Preisschüben bei den Baukosten führen.
3.2 Investitionsbedarf und Finanzierungsmöglichkeiten
Die großen nutzbaren Investitionsspielräume, von denen das Bundesbauministerium ausgeht, werden weitgehend der betrieblichen Praxis in der ostdeutschen Wohnungswirtschaft nicht gerecht. Dies machen Details zur Ertragslage sowie zum Sanierungs- und Modernisierungsaufwand aus einer Thüringer Wohnungsgesellschaft deutlich, die tendenziell auch auf andere Wohnungsunternehmen der neuen Bundesländer übertragbar sind. Hiernach gilt für die Verwendung der Mieteinnahmen folgende Verteilung:
Eine Analyse zum Niveau der Wohnungsbestände, die sich im wesentlichen auf Plattenbausiedlungen konzentrieren, hat ergeben, daß die charakteristischen Mängel an Wänden, Fassaden und Dächern, Wohnungstrenndecken, Hauseingängen und der Haustechnik - hier insbesondere bei der [Seite der Druckausgabe: 25] Heizung - unverzügliche Instandsetzungsmaßnahmen erfordern. Bisher wurden 4% des Gesamtbestandes umfassend modernisiert. 12% der Wohnfläche erhielten Teilmodernisierungen. Die große Masse des Wohnungsbestandes hat demnach die vollständige Instandsetzung bzw. Modernisierung noch vor sich. Ausgehend von den Finanzierungsmöglichkeiten und den Erwartungen der Mieter wurde hierfür ein Konzept entwickelt, das die notwendigen Investitionen in drei Stufen aufteilt: Hiernach ergeben sich für die dringendsten Instandsetzungsarbeiten ausschließlich im gemeinschaftlichen Bereich außerhalb der eigentlichen Wohnungen (Außenfassade, Hauseingangsbereich, Treppenhaus, Dach, Keller, Grundleitungen, Aufzüge, Heizung, Lüftung) Kostenansätze je nach Geschoßzahl zwischen 540 und 780 DM/qm. Unter zusätzlicher Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen in den Wohnungen selber (Fenster, Wohnungseingangstür, Heizung, Elektroinstallation, Balkon) sind schon Gesamtkosten von 1.400 bis über 1.800 DM/qm aufzubringen. Hinzu kommen noch notwendige Verbesserungen des Wohnumfeldes (Grünzone, Mülltonnenplätze, Spielplätze, Parkbereiche usw.) mit Sanierungskosten von etwa 100 DM je qm Wohnfläche. Doch hier sind die Finanzierungsmöglichkeiten der kommunalen Wohnungsgesellschaft bereits bei weitem überschritten. Realistische Kostenansätze mit entsprechenden Abstrichen bei den Verbesserungsmaßnahmen beziffern den verkraftbaren durchschnittlichen Sanierungsaufwand auf etwa 1.200 DM/qm. Angesichts der bisherigen Mieterhöhungen mit Steigerungen bis zu 750% lastet von seiten der Mieter ein erheblicher Erwartungsdruck auf der Wohnungsgesellschaft. Da feststeht, daß nicht alle betriebswirtschaftlich und technisch sinnvollen Maßnahmen bei Beibehaltung der Wohnungsbestände verwirklicht werden können, konzentriert sich die Unternehmenspolitik auf die Verhinderung weiterer Bauschäden sowie auf eine möglichst schnelle, flächendeckende Durchführung der dringendsten Instandhaltungen und Modernisierungen. Die Mieter müssen wenigstens erkennen können, "daß tatsächlich irgend etwas passiert". Besonders wichtig ist die beispielhafte Sanierung einzelner Objekte auch mit Wohnumfeldverbesserungen in den Plattenbausiedlungen, weil hierdurch die Akzeptanz dieser Wohnungen bei den Mietern verbessert werden kann. [Seite der Druckausgabe: 26] Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt, mit welchen Nettomieten die Mieter rechnen müssen und mit welchen Erträgen die Wohnungsunternehmen rechnen können, wenn die dringendsten Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden:
Bei einem Aufwand von 1.200 DM/qm ergibt sich also eine Mieterhöhung von knapp 4 DM/qm. Hiervon wird ein großer Teil für den Kapitaldienst fällig, so daß nach den Schätzungen des Unternehmens je nach Inanspruchnahme von Fremdkapital 1,36 bis 0,30 DM/qm effektiv in der Wohnungsgesellschaft verbleiben. Legt man eine niedrigere Mietobergrenze fest (z.B. 7,50 DM/qm), dann müssen entsprechende Abstriche im Instandsetzungs- und Modernisierungsprogramm vorgenommen werden.
3.3 Notwendige Maßnahmen für einen beschleunigten Abbau des Instandhaltungsstaus
Nach den Ermittlungen der Thüringer Wohnungsgesellschaft kann der bestehende Instandsetzungsstau unter Berücksichtigung der Entwicklung der Nettomieten erst in 12 bis 15 Jahren völlig abgebaut sein. Dieser Zeithorizont ist den Mietern gegenüber aber wohl kaum durchsetzbar. Die politisch Verantwortlichen müssen berücksichtigen, daß besonders im Bereich der Plattenbausiedlungen bei der Durchführung der notwendigen Investitionen Eile geboten ist. Nur dann kann dem bereits bestehenden Trend der Entmischung der Mieterstruktur entgegengesteuert werden. [Seite der Druckausgabe: 27] Damit die dringenden Investitionen zur Verbesserung der Wohnqualität zügiger - als den Wohnungsunternehmen unter den gegebenen Bedingungen möglich - vorgenommen werden können, wird mehr Unterstützung von seiten der Politik insbesondere im Hinblick auf die folgenden Maßnahmen für erforderlich gehalten:
In der Frage der Rangigkeit der Altschulden deuten sich nach Angaben aus der Kreditwirtschaft Übergangslösungen an. In diesem Zusammenhang sind drei Gruppen von altschuldenbelasteten Wohnungsunternehmen zu unterscheiden: [Seite der Druckausgabe: 28]
Diese Übergangslösungen können, wenn sie seriös konstruiert werden, zugleich Modellcharakter für eine entsprechende Handhabung bei Geschäftsbanken haben. Mit dieser Konstruktion kann der Weg freigemacht werden für die Mitfinanzierung anderer Banken. Für die Hypothekenbanken reicht diese Konstruktion allerdings nicht aus, denn für diese ist die Eintragung im Grundbuch unerläßlich. Als weitere Maßnahme für einen beschleunigten Abbau des Instandsetzungsstaus fordert die kommunale Wohnungsgesellschaft, daß die Abführung an den Erblastentilgungsfonds im Rahmen der Privatisierungsauflage des Altschuldenhilfegesetzes auf einen festen Satz von 20% bis 30% festgelegt wird, sowie eine zinslose Stundung dieses Betrages für die nächsten 10 Jahre. Die bestehende progressive Staffelung der Abführung an den Erblastenfonds wird bemängelt, da sie der Privatisierung entgegenwirkt, indem sie den Wohnungsgesellschaften Mittel für die vor [Seite der Druckausgabe: 29] einem Verkauf der Wohnungen notwendigen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen entzieht. Derartige Effekte müssen aber in dem äußerst sensiblen Bereich der Mieterprivatisierung vermieden werden. Grundsätzlich sieht das Thüringer Wohnungsunternehmen in der Realisierung der 15%igen Privatisierungsauflage im Rahmen der Altschuldenregelung ein Instrument, das einerseits kurzfristige Liquidität schafft und andererseits zusätzliche private Sanierungspotentiale erschließt, die zugleich zu einer Entlastung der Wohnungsgesellschaften beitragen. Diese Aussage steht im Widerspruch zu der Auffassung des Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, nach der die städtischen Wohnungsunternehmen gar nicht an einer Privatisierung interessiert sind, weil hierdurch die eigenen Wohnungsbestände verkleinert würden. Im Gegensatz hierzu plädiert die Wohnungsgesellschaft aus betriebswirtschaftlicher Sicht sogar dafür, mehr als 15% der Bestände zu privatisieren. Es muß aber durch entsprechende Regelungen - Mietbindung, Übernahme der Mietverträge, langes Mietrecht usw. - auf eine sozialverträgliche Gestaltung geachtet werden. Und wenn die Wohnungen unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht direkt an die Mieter verkauft werden können, muß letztendlich auch ein Erwerb durch Investoren zulässig sein. Die progressive Gestaltung der Abführung von Verkaufserlösen an den Erblastentilgungsfonds ist auch nach Auffassung der SPD problematisch. Die Umsetzung der zentralen Forderung bei der Mieterprivatisierung, daß vor dem Verkauf zunächst das Gemeinschaftseigentum saniert wird, beansprucht ausreichende Zeiten. Durch progressiv gestaffelte Abführungen werden die Wohnungsunternehmen jedoch unter zeitlichen Druck gesetzt mit der Konsequenz, daß es zu Fehlentscheidungen kommen kann. Auf Kritik stößt weiter, daß die 15%ige Privatisierungspflicht keine Rücksicht auf unterschiedliche Voraussetzungen bei den Wohnungsunternehmen nimmt. So wird das großstädtische Unternehmen mit einem überwiegenden Bestand an Plattenbauten genauso bewertet wie das ländliche Wohnungsunternehmen, dessen kleinteiliger Bestand für den Erwerb durch die Mieter wesentlich attraktiver ist. Vor allem aber finden unterschiedliche Mieterstrukturen keine Beachtung. Von den diese Struktur prägenden Faktoren - wie Lebensalter und sozialer Status - hängt es aber entscheidend ab, ob es einem Wohnungsunternehmen überhaupt gelingen kann, 15% seines Bestandes an die Mieter zu verkaufen. Erschwerend für [Seite der Druckausgabe: 30] die Realisierung der Privatisierungsauflagen kommt in Thüringen hinzu, daß hier bereits die höchste Eigentumsquote der neuen Bundesländer zu verzeichnen ist.
Auch von seiten der Kreditwirtschaft wird die Erfüllung der 15%igen Privatisierungsauflage angesichts der wirtschaftlichen Situation in Ostdeutschland für eine sehr schwierige Aufgabe gehalten. Die meisten Haushalte verfügen hier nicht über genügend Kreditpotential, um die Investitionen im Zusammenhang mit der Privatisierung finanzieren zu können. Dabei spiegeln die Arbeitslosenquoten die Lage nur unzureichend. Hinzuzuzählen sind auch die Menschen, die sich in Umschulungsmaßnahmen und im Vorruhestand befinden. Einschließlich der Angehörigen kommt man so auf aussagekräftigere Betroffenenquoten von 40% und mehr. In einem solchen Markt kann eine Bank aber keine Kredite für selbstgenutztes Wohnungseigentum gewähren. Die unzureichende Kreditfähigkeit ergibt sich einmal aus den im Vergleich zu den alten Bundesländern niedrigeren Bruttolöhnen und -gehältern. Ebenso müssen die Vermögensverhältnisse sowie die Sicherheit der Arbeitsplätze in die Betrachtung mit einbezogen werden. Ein Vergleich dieser Indikatoren führt zu einer hohen Kreditfähigkeit in Westdeutschland und zu einer geringen, nicht ausreichenden im Osten. Das bedeutet zugleich, daß eine Privatisierung von vielen Haushalten in den neuen Bundesländern nicht verkraftet werden kann. Zu den Aufgaben der Banken gehört es deshalb auch, gegebenenfalls vom Kauf einer Wohnung abzuraten. Die Privatisierung darf also nicht aus politischen Gründen um jeden Preis erfolgen. Besonders deutlich macht ein Kaufkraftvergleich das ungenügende Kreditpotential der ostdeutschen Haushalte: So beträgt die Kaufkraft in Rostock 66% des bundesdeutschen Durchschnitts, in Dresden sind es 75%. Insgesamt liegen die Kaufkraftkennziffern in den Städten der alten Bundesländer alle deutlich über den entsprechenden Werten der [Seite der Druckausgabe: 31] ostdeutschen Kommunen. Bei der Wertermittlung von Immobilien ist diese Kaufkraftkomponente aber die entscheidende Größe. Es zählt nicht das, was in eine Immobilie investiert worden ist, sondern was private Haushalte bei einer Veräußerung bereit und fähig zu zahlen sind. In diesem Zusammenhang werden die Wohnungsunternehmen zu einer realistischen Preisbildung aufgefordert. Bei der Festsetzung von Verkaufspreisen der zu privatisierenden Wohnungen muß zunächst festgestellt werden, mit welcher Kaufkraft in der jeweiligen Region unter Berücksichtigung der Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung langfristig gerechnet werden kann. Dabei können sich unter Beachtung der notwendigen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie der zu bedienenden Altschulden Immobilienpreise herausstellen, die am Markt nicht erzielbar sind. Werden solche Preise aufgrund des politischen Drucks aber vereinbart, dann hat dies bei den überforderten Haushalten keine Vermögensbildung, sondern eine Vermögensvernichtung zur Folge. Angesichts des ungenügenden Kreditpotentials der meisten ostdeutschen Haushalte muß über Sonderformen der Mobilisierung privaten Kapitals zur Wohneigentumsfinanzierung nachgedacht werden, die die Gegebenheiten in den neuen Bundesländern - insbesondere die Entwicklung der Kaufkraft - besser berücksichtigen. So gibt z.B. das Fonds-Leasing-Modell dem Mieter die Möglichkeit, heute zu investieren und erst in einigen Jahren Eigentum zu bilden. Dabei erhält der Mieter die Option, zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach 12 Jahren und noch einmal nach 20 Jahren die Wohnung zu einem bereits heute festgelegten Preis kaufen zu können. Erst wenn der Mieter auch nach Ablauf dieser Frist nicht erwerben will, sollte auch ein Verkauf an Dritte zulässig sein. Ein denkbares Modell zur Kapitalmobilisierung können auch Objektgenossenschaften sein. Ohne Änderung des Genossenschaftsgesetzes kann das Verhältnis zwischen den Beteiligten, also zwischen den Kapitaleignern und der Geschäftsführung anders gestaltet werden, als dies bei den in den neuen Bundesländern in der Regel anzutreffenden Vermietungsgenossenschaften zur Zeit der Fall ist. Dabei ist es möglich, die Übertragbarkeit des Eigentumanteils unterschiedlich zu regeln. Einerseits kann man die Interessen des einzelnen Genossenschaftlers stärker berücksichtigen, indem man ihm die Möglichkeit einräumt, zusammen mit seinem [Seite der Druckausgabe: 32] Genossenschaftsanteil die Nutzung der Wohnung an einen Dritten zu einem Marktpreis zu veräußern. Umgekehrt kann die Satzung aber auch festlegen, daß einem Genossen beim Auszug nur sein Auseinandersetzungsguthaben ausgezahlt wird, ohne daß es für die Wohnung eine Entschädigung gibt und auch nicht die Möglichkeit besteht, den Genossenschaftsanteil und den Nutzungsvertrag zu einem am Markt eventuell erzielbaren höheren Preis zu veräußern. Im Zusammenhang mit dem Modell der Objektgenossenschaften stellt sich die Frage der Anerkennung von Genossenschaften als juristische Form privaten Eigentums. Nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion sind die Genossenschaften bereits eine Form des Privateigentums. Die Neu- bzw. Ausgründung von Genossenschaften muß deshalb als Form der Privatisierung anerkannt werden. Auch die Thüringer Landesregierung hält eine Förderung von Genossenschaftsanteilen über Landesprogramme im Rahmen der Unterstützung der Wohneigentumsbildung für sinnvoll, Bedingung ist jedoch eine Anerkennung als zulässige Privatisierungsmaßnahme. Schließlich wurde im Verlauf der Diskussion von Problemen der Privatisierung in Genossenschaften auch bemängelt, daß es zwar eine starke steuerliche Förderung von individuellem Eigentum gibt, die genossenschaftliche Eigentumsform, die sich auch an die mittleren Einkommensschichten wendet, aber von der steuerlichen Förderung völlig ausgenommen ist. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999 |