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2. Soziale Komponenten der Mieten- und Wohnungsbaupolitik

Das Produkt "Wohnung" hat eine Doppelnatur. Auf der einen Seite ist es ein Wirtschaftsgut, in das der Vermieter Kapital investiert und als Gegenleistung eine angemessene Kapitalverzinsung erwartet. Auf der anderen Seite ist die Wohnung aber auch ein Sozialgut, für dessen Nutzung der Mieter eine seinen Einkommensverhältnissen und Wohnansprüchen entsprechende Gegenleistung, den Mietzins erbringt.

Im beiderseitigen Interesse von Vermietern und Mietern erscheint es notwendig, den Instandsetzungsbedarf abzubauen, der sich während des DDR-Regimes auf den ostdeutschen Wohnungsmärkten angestaut hat. Derartige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen erfordern Mietpreise, die von vielen Haushalten nicht aufgebracht werden können. Die Verbesserungen des Wohnungsstandards in den neuen Bundesländern und der schrittweise Übergang der Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft lassen deshalb flankierende Ausgleichszahlungen, die die Mieter entlasten und für die Vermieter eine Investitionsdurchführung rentierlich machen, unverzichtbar erscheinen. Dabei sollte nach Auffassung des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft mit der Miete selbst keine Sozialpolitik betrieben werden. In der Miete ist vielmehr das Entgelt für die Überlassung des Wirtschaftsgutes Wohnung zu sehen. Der Funktion als Sozialgut sollte dagegen mit einer Subjektförderung in Form von Wohngeld entsprochen werden. Derartige öffentliche Zuschüsse zur Miete erhalten einkommensschwächere Haushalte auf Antrag, damit auch sie die Wohnkosten für angemessenen und familiengerechten Wohnraum tragen können. Die Höhe dieses Wohngeldes ist abhängig vom Einkommen, von der Haushaltsgröße und von den zuschußfähigen Wohnkosten.

Basis für die Wohngeldgewährung in den neuen Bundesländern ist das Wohngeldsondergesetz, das im Vergleich zu den westlichen Bundesländern günstiger ausgestaltet ist. Das Gesetz trägt den niedrigeren Einkommen in den Beitrittsländern Rechnung und unterstützt den im Einigungsvertrag vorgeschriebenen Weg in das marktorientierte Vergleichsmietensystem. Durch die zweite Änderung des Wohngeldsondergesetzes wurde der zeitliche Geltungsbereich für die Mietzuschüsse nochmals verlängert. Es

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wurde festgelegt, daß für Anträge, die bis Ende 1994 bewilligt werden, Wohngeldzahlungen bis einschließlich Juni 1995 nach den günstigeren Bestimmungen des Sondergesetzes erfolgen können.

Um die Sozialverträglichkeit der Mietbelastung zu gewährleisten, werden neben den Wohngeldzahlungen und mietrechtlichen Bestimmungen - vor allem hinsichtlich der Kappungsgrenzen für zulässige Mieterhöhungen -auch förderpolitische Maßnahmen im Sektor des Wohnungsbaus durchgeführt. Dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen, dienen der soziale Wohnungsbau und Anreize der öffentlichen Hand für Wohnungsbauinvestitionen privater Kapitalanleger. Auch in der Privatisierung von kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbeständen, die zugleich eine ordnungspolitische Funktion erfüllt, ist ein Instrument zu sehen, das durch seine Ausgestaltung den Übergang in eine soziale Wohnungsmarktwirtschaft in den neuen Bundesländern unterstützt. [ Fn.1: Einzelheiten hierzu enthält der Wirtschaftspolitische Diskurs Nr. 53 der Friedrich-Ebert-Stiftung "Privatisierung von Wohnungen in den neuen Bundesländern - Potentiale, Konflikte und Modellvorhaben", Bonn 1993.]

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2.1 Wohngeldleistungen

Mit den Wohngeldzahlungen werden die weniger verdienenden Haushalte subventioniert. Solche Unterstützungen der Wohnungsnachfrage haben den Nachteil, daß hiermit kein Wohnraum geschaffen wird. Sie sind vor allem dann ein sinnvolles Instrument, wenn sich beide Seiten des Wohnungsmarktes in etwa in der Waage befinden. In Zeiten von Wohnungsnot, wie sie auch gegenwärtig in den alten und neuen Bundesländern besteht, subventioniert das Wohngeld - abgesehen von den Leistungen an Eigentümer - primär die ohnehin hohen Mieten. Zusätzlich hat das Wohngeld nach Auffassung der SPD den Mangel, daß es zu niedrig ist, weil es zu selten der Inflations- und Einkommensentwicklung angepaßt wird, und weil die Höchstgrenzen, die die Leistungen beschränken, mit der wirklichen Entwicklung auf dem Mietenmarkt nichts mehr zu tun haben.

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In den neuen Bundesländern sind die Menschen stärker auf Wohngeld angewiesen als in Westdeutschland. Das spiegelt sich im Anteil der Wohngeldbezieher, der in den ostdeutschen Ländern wesentlich höher ausfällt. Nach den Angaben des Bundesbauministeriums bezogen Ende 1992 in Deutschland insgesamt 3,8 Mio. Haushalte Wohngeld. Hiervon lebten 1,8 Mio. in den alten Bundesländern - entsprechend einem Haushaltsanteil von 6%. In den neuen Bundesländern gab es 2,0 Mio. Wohngeldempfänger, und die entsprechende Haushaltsquote lag bei rund 30%. Dieser Wert deckt sich weitgehend mit den Ermittlungen des IFSS, nach denen Anfang 1993 im Osten 33% der Mieterhaushalte Wohngeld bezogen haben; weitere 6% der Haushalte waren zwar wohngeldberechtigt, hatten aber keinen Antrag gestellt. Bis Ende 1993 ist dann in den westlichen Ländern die Zahl der Empfänger in etwa konstant geblieben. Dagegen kann für die neuen Länder - trotz zwischenzeitlich erfolgter Mietanhebungen - eine Abnahme auf etwa 1,4 Mio. Haushalte festgestellt werden. Der Kreis der Wohngeldempfänger hat sich damit auf 24,5% verringert. Dabei sind vor allem Erwerbstätigenhaushalte aufgrund der Einkommensentwicklung aus dem Berechtigtenkreis herausgewachsen.

Durch die Wohngeldleistungen ergab sich eine deutliche Reduzierung der Wohnkostenbelastung der ostdeutschen Haushalte: Vor Wohngeld machte der Anteil der Bruttowarmmiete am Haushaltseinkommen 30,3% aus, nach Abzug des Wohngeldes lag die entsprechende Quote knapp unter 20%. Damit zugleich wurden durch die Wohngeldleistungen die Belastungsdifferenzen zwischen Nichtbeziehern von Wohngeld, deren entsprechende Quote 18,6% beträgt, und Wohngeldbeziehern erheblich abgebaut, teilweise sogar egalisiert bzw. überkompensiert.

Die Notwendigkeit von Wohngeld- bzw. Sonderwohngeldzahlungen zur sozialen Flankierung des Übergangs in eine marktwirtschaftliche Wohnungswirtschaft ist in der öffentlichen Diskussion weithin unumstritten. So plädiert der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer zwar für mehr Anreize zugunsten privater Investitionen in der Wohnungswirtschaft. Daneben wird jedoch eine soziale Komponente in Form des Wohngeldes für erforderlich und unverzichtbar gehalten, die in den neuen Bundesländern wegen der niedrigeren Einkommen durch ein Sonderwohngeld aufzustocken ist. Auf diesen Zuschuß muß jeder Haushalt einen Anspruch haben, der sich vom Einkommen her eine der

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Familiensituation angemessene Wohnung nicht leisten kann. Grundsätzlich vertritt der Zentralverband die Auffassung, daß Subjektförderungen über Wohngeld eine angemessene Problembewältigung gewährleisten, denn es wird ja nur solange gezahlt, wie eine Bedürftigkeit vorliegt. Dabei trägt dieses wohnungspolitische Instrument auch dadurch zu einer gerechteren Verteilung der öffentlichen Fördermittel für das Bauen und Wohnen bei, daß keine Fehlbelegungen induziert werden. Auf Kritik stößt dagegen, daß zur Zeit noch das Motto gilt: "Wer am längsten wohnt, wohnt am billigsten!" Hier helfen auch Fehlbelegungsabgaben wenig, denn sie sind im Grunde zu niedrig angesetzt. Anders wäre die Situation, wenn die Fehlbeleger eine Vergleichsmiete zahlen müßten. Dann käme mehr Mobilität in die Wohnungsbestände.

Der Mieterbund verweist darauf, daß auch das Wohngeldsondergesetz nicht verhindern konnte, daß bereits heute bei vielen Haushalten in den neuen Ländern die zumutbare Belastungsgrenze überschritten ist. Mit Blick auf das Auslaufen dieser Regelung Mitte 1995 wird eine gesamtdeutsche Wohngeldreform als dringend erforderlich eingestuft. Auch die Bundestagsfraktionen der Regierungsparteien erkennen einen prioritären Handlungsbedarf darin, daß die Wohngeldleistungen in einem absehbaren Zeitraum an die seit 1990 eingetretene Entwicklung der Wohnlasten und Einkommen angepaßt werden müssen und es zur notwendigen Angleichung des Wohngeldrechts in Ost und West kommt. Für unverzügliche Maßnahmen im Bereich Wohngeld spricht sich ebenfalls die SPD-Bundestagsfraktion aus. Nach ihren wohnungspolitischen Leitlinien soll das Sonderwohngeld in den neuen Bundesländern solange beibehalten werden, bis die Angleichung der Einkommens- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland vollzogen ist. Außerdem soll das Sonderwohngeld der tatsächlichen Situation bei den Einkommen und den Mietpreisobergrenzen angepaßt werden. Zu diesen und ähnlichen Forderungen erklärt das Bundesbauministerium, daß die Bundesregierung sich nicht in der Lage sieht, noch vor Ende dieser Legislaturperiode entsprechende Entscheidungen herbeizuführen. Mehr als ein Jahr im voraus und ohne gesicherte aktuelle Datenbasis könne kein verbindliches Konzept erstellt werden. Es obliegt deshalb der nächsten Bundesregierung, einen fundierten Gesetzentwurf zur Wohngeldreform vorzulegen und die gegebenenfalls notwendigen Haushaltsspielräume zu schaffen.

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2.2 Sozialer Wohnungsbau

Wohngeldleistungen haben den Nachteil, daß nur Haushalte in ihren Genuß kommen, die bereits eine Wohnung besitzen. Wohnungssuchende mit niedrigen Einkommen oder mit Eigenschaften - wie Nationalität und hohe Kinderanzahl -, die auf den Wohnungsmärkten zu zum Teil erheblichen Diskriminierungen führen, erfaßt das Instrument Wohngeld dagegen nicht. Auch für diese Haushalte werden mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen benötigt, ohne die die kommunalen Wohnungsprobleme nicht gelöst werden können. Unverzichtbares Instrument der Wohnungsbau- und Mietenpolitik bleibt deshalb die Objektförderung, die das Angebot auf den Wohnungsmärkten allgemein und speziell im sozialen Wohnungsbau unterstützt. Da bis zum Zeitpunkt, an dem die Ermächtigung der Bundesregierung zur Verordnung von Mietpreisen in den neuen Bundesländern ausläuft, nur wenige Sozialwohnungen fertiggestellt sein werden, spricht sich die SPD-Bundestagsfraktion für eine dauerhafte öffentliche Förderung bezahlbaren Wohnraums durch die Verstetigung der Mittel des sozialen Wohnungsbaus aus. Dies sei auch notwendig, um den Ländern und Kommunen Planungssicherheit zu verschaffen. Darüber hinaus wird eine Erhöhung der Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau für

unverzichtbar gehalten, damit auch der "normale" Arbeitnehmer wieder die Chance erhält, eine öffentlich geförderte Wohnung zu beziehen.

Auch das für Wohnungswesen zuständige Thüringer Innenministerium unterstützt die Forderung, daß durch den Bau neuer Sozialmietwohnungen ausreichender Wohnraum für diejenigen geschaffen werden muß, die sich nicht aus eigener Kraft am Markt mit Wohnraum versorgen können. An solchen Bauprojekten beteiligt sich dementsprechend die Landesregierung über spezielle Förderprogramme. Zusätzlich werden im sozialen Wohnungsbau auch Maßnahmen im Eigentumsbereich unterstützt, wobei sich hier die Förderung an die gleiche Klientel hinsichtlich der Einkommensgrenzen wie bei den Mietwohnungen wendet. Insgesamt wurden in Thüringen im sozialen Wohnungsbau für über 8.500 Wohneinheiten Fördermittel bewilligt, davon für 4.700 Eigenheime und 3.800 Mietwohnungen. Hiermit erfolgt nach Einschätzung der Thüringer Wohnungswirtschaft eine nicht vertretbare Konzentration des Wohnungsbaus auf den Sektor des zu teuren sozialen Wohnungsbaus.

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Wie auch die anderen Bundesländer verfügt das Land Thüringen nicht über die finanzielle Kraft, den sozialen Wohnungsbau allein aus eigenen Mitteln bestreiten zu können. Das Land ist deshalb auf eine stabile, kalkulierbare Mitfinanzierung des Bundes angewiesen. Für wichtig wird in diesem Zusammenhang erachtet, daß die Gestaltung der Förderregelungen der Landesregierung Thüringen überlassen bleibt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß man gerade im Mietwohnungsbau private Anleger und privates Kapital benötigt, weil nicht alles durch die öffentliche Hand finanziert werden kann. Hierfür müssen verläßliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch den Renditeerwartungen Rechnung tragen.

Der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer fordert den Vorrang für private Initiativen bei der Wohnungsversorgung. Marktbeobachtungen zeigen, daß die Bautätigkeit privater Investoren und institutioneller Anleger angesichts mangelnder Wirtschaftlichkeit deutlich nachgelassen hat. Nur durch mehr Anreize für private Investitionen ist die sich weiter öffnende Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt zu schließen. Gelingt dies nicht, muß mit zunehmendem sozialem Sprengstoff gerechnet werden.

Um die Investitionstätigkeit in der Wohnungswirtschaft zu beleben, spricht sich der Zentralverband für mehr Markt mit sozialer Flankierung aus. An den Staat wird appelliert, die Fördermittel gerechter zu verteilen. Sinnvoll sei eine verstärkte Subjektförderung, denn gerade in Zeiten mit engen finanziellen Spielräumen sind Wohngeldleistungen die gerechteste Problemlösung. Die Objektförderung im sozialen Wohnungsbau sollte dagegen zurückgeschraubt werden, da sie sich zunehmend als unbezahlbar erweist. Der Staat muß hier mit erheblichem Finanzaufwand die hohen Kostenmieten - der Zentralverband spricht in diesem Zusammenhang von über 40 DM/qm - auf die Einstiegsmiete heruntersubventionieren, die - je nach Bundesland und Standort der Wohnung - bei etwa 6 bis 8 DM/qm liegt. Dieses Plädoyer fand in der Diskussion im wesentlichen Zustimmung. Zweifel gab es aber hinsichtlich der Höhe des kostendeckenden Mietniveaus. Hier wurden Erfahrungswerte genannt, nach denen selbst in westdeutschen Städten die Kostenmieten im sozialen Wohnungsbau bei maximal 30 bis 35 DM/qm liegen - mit einem entsprechend niedrigeren Subventionsbedarf.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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