FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 3]

1. Sind die Mieten bezahlbar?

In der ehemaligen DDR waren die Mieten auf dem Niveau von 1936 eingefroren. Warmmieten von 100 Mark waren keine Seltenheit. Diese Mietenpolitik hatte eine im Vergleich zu westlichen Standards sowohl quantitativ als auch qualitativ unzureichende Wohnungsversorgung zur Folge, weil die niedrigen Mieten in DDR-Zeiten kaum Investitionen in die Bauerhaltung erlaubten. Der Einigungsvertrag sieht deshalb für die neuen Bundesländer eine schrittweise Überführung der staatlich kontrollierten Mieten in ein marktorientiertes Vergleichsmietensystem vor. Die Reformen des Mietrechts betreffen einmal die neuerrichteten, privatfinanzierten Wohnungen: hier gilt - wie in den alten Bundesländern -, daß bei Erstvermietung die Mieten frei vereinbart und künftige Mieterhöhungen nach dem im Miethöhegesetz vorgesehenen Vergleichsmietenprinzip unter Beachtung der Kappungsgrenze vorgenommen werden können. Zum anderen betreffen die Neuregelungen des Mietrechts die Anhebung der Mieten für Wohnungen, die vor dem 3. Oktober 1990 bezugsfertig waren. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, für diese Bestandswohnungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates sowohl die Mieten unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung anzuheben, als auch die Umlage der Betriebskosten auf die Mieter festzulegen. Von dieser Ermächtigung, durch die ausufernde Mieterhöhungen bei den Altwohnungen verhindert werden sollen, wurde bisher zweimal Gebrauch gemacht.

Die Mietenreformschritte der Ersten und Zweiten Grundmietenverordnung vom 1. Oktober 1991 bzw. vom 1. Januar 1993, der sog. Beschaffenheitszuschläge zu Anfang 1993 und 1994 sowie die Möglichkeit zur Umlage von Modernisierungskosten haben bereits zu beträchtlichen Mieterhöhungen in den östlichen Bundesländern geführt. Einerseits sind Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter auf steigende Mieteinnahmen angewiesen, um vor allem die dringend notwendigen Sanierungs- und Modernisierungsinvestitionen vornehmen zu können. Auf der anderen Seite darf durch die Mietsteigerungen die finanzielle Belastbarkeit der Mieter nicht überschritten werden. So sehen auch die mietrechtlichen Regelungen im Einigungsvertrag vor, daß bei der schrittweisen Anhebung der Mieten die Einkommensentwicklung berück-

[Seite der Druckausgabe: 4]

sichtigt werden muß. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die bisherige Mietenpolitik dem Erfordernis einer sozialverträglichen Mietbelastung der ostdeutschen Haushalte gerecht wird.

Page Top

1.1. Mieten- und Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern

Nach den Ergebnissen einer Mieterbefragung des Instituts für soziale Stadtentwicklung (IFSS, Berlin) betrug die durchschnittliche Warmmiete im Januar 1993 - also noch ohne Berücksichtigung der ein Jahr später gültigen Beschaffenheitszuschläge - monatlich 506 DM oder 7,55 DM/qm. Durch die Zweite Grundmietenverordnung sind die Mieten im Durchschnitt aller Mietwohnungen in den neuen Ländern gegenüber Oktober 1991 um 2 DM/qm gestiegen. Dem entspricht eine monatliche Mehrbelastung von 136 DM. Die neue Grundmiete belief sich auf 271 DM bzw. gut 4 DM/qm. Hinzu kommen 131 DM (1,95 DM/qm) Heizkostenanteil sowie 104 DM (1,55 DM/qm) kalte Betriebskosten.

Zu anderen Ergebnissen über die Mietenentwicklung in Ostdeutschland kommt das Bundesbauministerium. Hierbei wird die Mietensituation Ende 1990 und Anfang 1994 - also einschließlich der zusätzlichen Beschaffenheitszuschläge - verglichen. Danach resultiert aus den bisherigen Mietenreformschritten eine Anhebung der monatlichen Grundmieten von ca. 0,80 DM/qm Ende 1990 auf knapp 4,50 DM/qm in diesem Jahr. Einschließlich modernisierungsbedingter Mieterhöhungen liegen die Grundmieten gegenwärtig bei etwa 4,60 DM. Die Warmmieten stiegen von ca. 1,30 DM/qm auf fast 8 DM/qm; davon entfallen rund 1,50 DM/qm auf die kalten Betriebskosten und 2 DM/qm auf die Heizkosten. Noch höher sind die Heiz- und Warmwasserkosten in den mit Fernwärme versorgten Wohnungsbeständen. Hier fallen die entsprechenden Belastungen mit knapp 2,50 DM/qm etwa doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern aus.

In diesem Zusammenhang ist für die Vermieter und Mieter gleichermaßen bedeutsam, daß zum 1. Januar 1994 die Heiz- und Warmwasserkosten einer zentralen Anlage nicht mehr mit maximal 3 DM/qm umgelegt werden

[Seite der Druckausgabe: 5]

können. Die Grenze wurde vielmehr auf DM 2,50 reduziert. Dies bedeutet für die Mieter eine Entlastung. Der Wohnungswirtschaft werden dagegen beachtliche Einnahmen entzogen. Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft beziffert diesen Betrag auf etwa eine Milliarde DM, mit dem die Unternehmen die Energiewirtschaft subventionieren, ohne an der Höhe des Energiepreises im Zusammenhang mit einer rationellen Energieerzeugung wirklich etwas ändern zu können.

Die Berechnungen des BMBau und des IFSS konstatieren beide einen erheblichen Nebenkostenanteil. Der sog. "zweiten Miete" kommt also eine wichtige und weiter zunehmende Bedeutung zu. Besonders für die Betriebskosten, also für Wasser, Abwasser, Müllabfuhr und Straßenreinigung gelten enorme Verteuerungen. Für viele Mieter in den neuen Bundesländern sind diese Nebenkosten heute schon höher als die Grundmiete; die "zweite Miete" ist hier also der Kostenfaktor Nummer 1.

Zwar können die steigenden Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden. Sie stellen aus der Sicht der Vermieter aber ein besonderes Problem dar. Einerseits sind die Nebenkosten für die Wohnungswirtschaft nur ein durchlaufender Posten. Andererseits müssen sie als Bestandteil der Bruttomiete gegenüber den Mietern, für die letztlich die Gesamtbelastung und nicht die Unterscheidung zwischen Grundmiete und Nebenkosten, zwischen Warm- und Kaltmiete zählt, durchgesetzt werden. Der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer schlägt deshalb eine deutlichere Abgrenzung bei den Mietnebenkosten vor. So könne zum Beispiel in jede Wohnung eine Wasseruhr eingebaut werden. Damit werden Wasser und Abwasser direkt mit dem einzelnen Mieter abrechenbar. Außerdem werden von den Städten und Gemeinden transparentere und nachvollziehbare Gebührenbescheide gefordert.

Daß den Betriebskosten ein zunehmender Stellenwert zukommt, verdeutlichen auch die Angaben aus einer kommunalen Wohnungsgesellschaft. Hiernach sind von 1990 bis 1994 die Bruttomieten im Altbau von 0,79 auf 5,98 DM/qm und im Neubau von 1,48 auf 9,63 DM/qm gestiegen. Diese Verteuerungen sind in einem wesentlichen Ausmaß auf die Entwicklung der Betriebskosten zurückzuführen, deren Anteil an der Gesamtmiete von 10% (alle Wohnungsbestände) auf 27% (Altbau) bzw. 45% (Neubau) expandierte. Solche Preissteigerungen im Betriebskosten-

[Seite der Druckausgabe: 6]

bereich haben die Wohnungsunternehmen nicht zu verantworten, müssen sie aber an ihre Mieter weitergeben mit der Konsequenz, daß deren Belastungsquote sich erhöht. Problematisch ist in diesem Zusammenhang für die Wohnungswirtschaft, daß nach den Erfahrungen der Wohnungsgesellschaft mit den steigenden Mieten gleichzeitig auch der Erwartungshorizont der Mieter hinsichtlich der Beschaffenheit und Ausstattung ihrer Wohnungen gewachsen ist. Mietminderungsbegehren, der Wunsch nach wärmedämmenden Maßnahmen, Sanierung und Wohnumfeldgestaltung u.a. sind an der Tagesordnung.

Ob die bisherigen Mietsteigerungen - sei es wegen der Grundmietenerhöhungen, sei es aufgrund zunehmender Betriebs- bzw. Heizkosten oder wegen Beschaffenheits- und Modernisierungszuschlägen - für die ostdeutschen Haushalte sozial verkraftbar sind, läßt sich nur mit Blick auf die Einkommensentwicklung beantworten. Für die Mieter ist nicht die absolute Höhe der Kalt- bzw. Warmmieten ausschlaggebend. Vielmehr kommt es auf die relative Position der Miete im Haushaltsbudget an. Entscheidend ist also die Frage, ob die Mieten mit der Einkommensentwicklung Schritt gehalten haben. Hierzu stellt das Bundesbauministerium fest, daß im Zeitraum Februar/März 1992 bis Juli 1993 eine Steigerung der verfügbaren Einkommen von durchschnittlich 1.912 DM auf 2.446 DM, also um 28% zu verzeichnen ist. Die Realeinkommen - nach Bereinigung um die Preisentwicklung - haben sich dabei immerhin noch um 17% erhöht. Diese Einkommensentwicklung erstreckte sich auch auf die Bezieher von Sozialeinkommen, wie zum Beispiel die Arbeitslosen- und Rentnerhaushalte. Eingeräumt wird allerdings auch, daß damit die ostdeutschen Realeinkommen immer noch deutlich unterhalb des Niveaus in den alten Bundesländern liegen. In diesem Zusammenhang kritisiert die stellvertretende wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion die Argumentation mit Durchschnittswerten zur Einkommensentwicklung. Hingewiesen wird darauf, daß die große Gruppe der Arbeitslosen, Vorruheständler und der Personen, die sich in Umschulungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befinden, nur unterdurchschnittlich an den allgemeinen Einkommenssteigerungen beteiligt ist und nach wie vor nur über niedrige Einkommen verfügt.

[Seite der Druckausgabe: 7]

Bestätigend wirken in diesem Zusammenhang Zahlen zur Entwicklung der Einkommensstruktur, die das IFSS ermittelt hat. Danach hat sich im Zeitraum Oktober 1991 bis Januar 1993 der Anteil der Haushalte

  • im unteren Einkommensbereich bis 1.500 DM wesentlich verringert
    (Abnahme von 43% auf 28%),
  • im oberen Einkommensbereich von mindestens 3.000 DM mehr als verdoppelt (12% gegenüber 27%) und
  • im mittleren Einkommensbereich fast nicht verändert (etwa 45%).

Diese Ergebnisse basieren zwar nur auf Ermittlungen in Ost-Berlin. Für die neuen Bundesländer insgesamt sind nach Auffassung des IFSS aber keine wesentlich anderen Werte zu erwarten. Damit zeigt sich, daß sich das Einkommensniveau zwar tendenziell erhöht hat. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, daß mehr als jedem vierten Befragten auch Anfang 1993 nur ein sehr geringes Einkommen zur Verfügung stand.

Page Top

1.2 Mietbelastung ostdeutscher Haushalte

Die Frage, ob die Mieterhöhungen für die Mieter in den östlichen Bundesländern sozial verkraftbar sind, läßt sich auf der Grundlage der Mietbelastungsquoten beurteilen. Diese Quoten beziffern den Anteil der Miete - abzüglich Wohngeld - am verfügbaren Einkommen. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die Mietanhebungen in den Jahren 1991 bis 1994 im Einklang mit der Einkommensentwicklung erfolgt sind. Die Mietenschritte seien sozial ausgewogen gewesen und in der Regel von den Mietern aufgrund der Erhöhung der Lohn- und Gehaltstarife sowie der Abfederung der Mietreformen durch das Sonderwohngeld gut verkraftet worden. Bei dieser Einschätzung stützt sich das Bundesbauministerium auf die Ergebnisse einer Mieterbefragung des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS, Berlin). Danach stieg die Warmmietbelastung aller Haushalte von 1992 bis Mitte 1993 von 17,2% auf 18,6%, und auch nach der Mietanhebung zum 1. Januar 1994 bleibt die durchschnittliche Mietbelastung in Ostdeutschland unter der 20%-Grenze.

Der Deutsche Mieterbund kritisiert diese Bewertung der Mietbelastung durch das Bundesbauministerium, weil sie aus einer "Mehrheitsperspektive" erfolgt. Die Argumentation mit Durchschnittswerten unterschlage, daß die

[Seite der Druckausgabe: 8]

auf die Gesamtheit der Haushalte bezogenen Einkommenssteigerungen mit einer Zunahme der Einkommensunterschiede und einer Verschärfung der sozialen Probleme für viele ostdeutsche Mieter einhergehen. Ausgegrenzt würden so die Probleme der einkommensschwächeren Mieter, die zwar nur eine Minderheit darstellen, der aber in einer solidarischen Wohnungspolitik die größte politische Fürsorge und Aufmerksamkeit zu gelten hat. Schon im Frühjahr 1993 hat der Deutsche Mieterbund als Ergebnis einer eigenen Auftragsstudie festgestellt, daß in Ostdeutschland ein Drittel der Mieter am Rande oder unterhalb der Armutsgrenze lebt und damit unter großem sozialen Druck steht. Dies gilt besonders für kleine Haushalte - vor allem von Rentnern und Arbeitslosen - und zwar insbesondere dann, wenn diese in Wohnungen leben, die größer sind als die beim Wohngeld vorgesehenen Richtflächen. Nach Auffassung des Deutschen Mieterbundes hat sich für eine große Gruppe von Mietern - trotz aller Verbesserungen im statistischen Durchschnitt der Einkommen - die Situation verschlechtert. Der Spielraum für weitere Mieterhöhungen wird deshalb als äußerst gering angesehen. Auch das Wohngeldsondergesetz konnte nicht verhindern, daß bei vielen Haushalten die zumutbare Belastungsgrenze inzwischen bereits überschritten ist.

Auch nach Auffassung des IFSS darf eine sozial angemessene Mietenpolitik nicht allein mit Durchschnittswerten argumentieren, da eine beachtliche Anzahl von Haushalten weit überdurchschnittliche Mietbelastungen zu tragen hat. Eigene Ermittlungen haben ergeben, daß der mittlere Warmmietenanteil nach Wohngeld bei 20,8% liegt. Hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich jedoch deutliche Belastungsdifferenzen:

  • Während knapp die Hälfte der Haushalte bis zu 20% des Einkommens für die Warmmiete zahlt,
  • müssen 29% der Haushalte trotz Wohngeld mehr als 25% für die Warmmiete aufbringen. Davon haben 14% der Befragten sogar monatliche Mietzahlungen von mehr als 30% ihres Einkommens zu tragen. Solche hohen Belastungen gelten besonders häufig in den Ballungszentren wie Berlin, Dresden oder Leipzig.
  • Schließlich weist die Restgruppe der Haushalte (22%) eine Miete/Einkommens-Relation von 20% bis 25% auf.

[Seite der Druckausgabe: 9]

Betrachtet man die verschiedenen Haushaltstypen, dann kann man für folgende Gruppen überdurchschnittliche Belastungen feststellen:

  • Der Zweipersonen-Rentnerhaushalt ist mit 18% der häufigste Haushaltstyp. Er hat eine durchschnittliche Wohnfläche von knapp 70 qm und zahlt eine Warmmiete von 518 DM. Das Einkommen des Rentnerehepaars liegt bei 2.112 DM. Daraus ergibt sich eine Mietbelastung nach Wohngeld von 23%.

  • Der Einpersonen-Rentnerhaushalt (15% aller Haushalte) zahlt im Durchschnitt für eine Wohnung von fast 55 qm Größe eine Warmmiete von 427 DM. Bei einem Einkommen von 1.200 DM beträgt die Mietquote unter Berücksichtigung von Wohngeld 26,4%.

  • Überdurchschnittliche Mietbelastungen gelten schließlich für drei Typen von Einpersonenhaushalten mit 22,8% (1 Erwerbstätiger), mit 22,4% (1 Arbeitsloser) und 34,4% (1 sonstige Person).

Geht man davon aus, daß Mietbelastungen bis zu einem Viertel des verfügbaren Einkommens sozial verträglich sind, dann hat nach den Ermittlungen des IFSS die Mehrheit der ostdeutschen Mieter die Mieterhöhungen verkraftet - allerdings nur bei Berücksichtigung von Wohngeld. Eine bedeutende Minderheit ist trotz Wohngeld von stärkeren Belastungen betroffen, die jenseits der sozialen Verträglichkeit liegen. Insbesondere viele kleine Haushalte ohne Erwerbseinkommen - darunter vor allem Rentner und Arbeitslose - weisen überdurchschnittliche Mietbelastungen auf.

Neben den niedrigen Einkommen tragen auch die Wohnungsgrößen zu Belastungen bei, die selbst nach Wohngeld kritisch ausfallen. So unterstellen die Modellrechnungen für das Wohngeld für den Einpersonenhaushalt eine Richtfläche von 48 qm. Wie Mieterbefragungen zeigen, haben die Haushalte aber im Regelfall größere Wohnungen und insofern auch höhere Mietbelastungen, weil ein oft beträchtlicher Anteil der Wohnfläche und der Miete bei den Wohngeldberechtigten nicht berücksichtigt wird.

[Seite der Druckausgabe: 10]

Page Top

1.3 Mieten in alten und neuen Bundesländern im Vergleich

Nach Einschätzung des Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer sind die Mietbelastungen in den östlichen Bundesländern nach wie vor sehr niedrig. Dabei hat sich gegenüber der Situation in der ehemaligen DDR, in der die Kosten des Wohnens durch erhebliche Subventionen völlig verschleiert wurden, die Belastungsquote zwar inzwischen vervierfacht - von 3% auf 12% des Einkommens bei der Kaltmiete. Diese Verteuerungen sind überwiegend psychologisch aber nur schwer vermittelbar, denn an den meisten Wohnungen hat sich noch nichts geändert - sie wurden weder saniert, noch modernisiert. Dies muß - so der Hauseigentümerverband - bei einem Vergleich der Belastungsquoten von Ost und West berücksichtigt werden. Dementsprechend werden in den alten Bundesländern auch höhere Anteile der Miete am Einkommen (20% bis 25%) für gerechtfertigt gehalten.

Die Ergebnisse eines Vergleichs der Mietbelastungen zwischen östlichen und westlichen Bundesländern hängen auch stark davon ab, ob man die Berechnungen auf der Basis der Kalt- oder der Warmmieten vornimmt. Nach Angaben des IFSS zeigt ein Vergleich der Kaltmieten eine erheblich größere Differenz zwischen den west- und ostdeutschen Belastungen. Diese Werte sind aber wenig aussagekräftig, da die Heizkosten in den neuen Bundesländern einen wesentlichen Bestandteil der Wohnkostenbelastung ausmachen. Deshalb ist nur die Gegenüberstellung der Warmmieten sinnvoll, denn für die Mieter zählt einzig die Gesamtbelastung. Ein Warmmietenvergleich kommt aber zumindest für die ostdeutschen Sammelheizungswohnungen zu nicht viel tieferen Ausgaben als für öffentlich geförderte westdeutsche Wohnungen. Dies bestätigen Ermittlungen des EMNID-lnstituts zur Situation in Berlin 1993. Hiernach lagen die Bruttokaltmieten im sozialen Wohnungsbau West bei 8,34 DM/qm und bei den Plattenbauten Ost bei 6,71 DM/qm. Für die Bruttowarmmieten lauten die entsprechenden flächenbezogenen Werte 9,97 DM gegenüber 9,39 DM.

Nach Angaben des Bundesbauministeriums macht die Warmmietbelastung in den ostdeutschen Bundesländern Anfang 1994 in allen Mieterhaushalten knapp 20%, in Westdeutschland aber etwa 25% aus. Für die Wohngeldbezieher kann ein deutlicher Entlastungseffekt festgestellt werden: Ihre Mietbelastung betrug in Ostdeutschland Mitte 1993 vor Abzug des

[Seite der Druckausgabe: 11]

Wohngeldes 30,3% und nach Abzug 19,9%. Für Westdeutschland wird der Anteil der Miete am Nettoeinkommen bei den Wohngeldbeziehern mit etwa 30% deutlich höher eingeschätzt.

Der Deutsche Mieterbund bemängelt, daß solche Vergleiche die nach wie vor deutlichen Einkommensdifferenzen zwischen Ost- und Westhaushalten vernachlässigen. Für den Mieter ist das Resteinkommen entscheidend, das ihm nach der Mietzahlung bleibt. Dementsprechend ist eine 25%ige Mietquote bei einem monatlichen Einkommen von 4.000 DM wesentlich leichter zu verkraften als bei 1.000 DM, weil das Resteinkommen erheblicher höher ausfällt. Von daher sind in den ostdeutschen Bundesländern niedrigere Mieten auch angemessen und sozialpolitisch geboten, weil hier die Mietbelastungsfähigkeit einfach geringer ist. Aber auch marktwirtschaftliche Gründe rechtfertigen günstigere Mieten in Ostdeutschland, denn einer weniger zahlungskräftigen Nachfrage entsprechen auch tiefere Preise für das Wohnen. Das bedeutet nach Auffassung des Deutschen Mieterbundes allerdings nicht, daß sich in den alten Bundesländern die Mietbelastung durchgehend innerhalb der zumutbaren Grenzen bewegt. Informationen über die Wohngeldempfänger lassen vielmehr erkennen, daß hier die Situation zwar differenzierter ist, aber mindestens soviel wohnungspolitischer Handlungsbedarf wie in den östlichen Bundesländern besteht.

Ein weiterer problematischer Aspekt des Ost/West-Vergleichs hinsichtlich der Mietbelastungen ist darin zu sehen, daß die wichtigen qualitativen Merkmale keine Berücksichtigung finden. Bei wohnungspolitischen Entscheidungen müssen aber die qualitativen Differenzen beachtet werden, weil die gleiche Mietbelastungsquote in den östlichen Bundesländern aufgrund des niedrigeren Wohnungsstandards eine ganz andere Dimension aufweist als in Westdeutschland. Den Abweichungen im Qualitätsniveau müssen deshalb Abweichungen im Mietenniveau entsprechen. Will man zu vergleichbaren Belastungsquoten kommen, dann müssen in den neuen Bundesländern die Werte den Qualitätsmerkmalen entsprechend korrigiert werden. Ohne solche Anpassungen ist ein Vergleich wenig aussagekräftig.

[Seite der Druckausgabe: 12]

Page Top

1.4 Mieterverdrängung durch Modernisierung?

Nach Auffassung des Deutschen Mieterbundes ist die Mietenentwicklung in Ostdeutschland nicht nur durch Mietsteigerungen, Beschaffenheitszuschläge, Betriebskostenerhöhungen und die Verschlechterung bei der Wohngeldbemessung von Oktober 1993 gekennzeichnet. Als besonders bedrohlich für die Mieter kommen vielmehr die modernisierungsbedingten Mietsprünge hinzu. In den Beratungen der Mietervereine ist die Modernisierung derzeit das häufigste Thema. Die Mieterhöhungen aufgrund von Modernisierungen liegen nach den Erfahrungen des Mieterbundes teilweise weit über 2,50 DM/qm, und in Einzelfällen führen sie zu einer Verdoppelung der Nettokaltmiete. Häufig wird sogar das Mietenniveau überschritten, das man für vergleichbaren Wohnraum im Westen zahlt. Gefordert wird deshalb, die unumgänglichen Mehrbelastungen der Mieter zeitlich zu strecken. Nur dann können sie nach Meinung des Deutschen Mieterbundes sozial verträglich gestaltet werden. Das geltende Recht der Modernisierung gewährleistet dies jedoch nicht. Ohne Kappung der Modernisierungsumlagen werden Verdrängungsprozesse von Mietern für unvermeidlich gehalten.

Eine andere Einschätzung nimmt das Bundesbauministerium vor. Danach hat sich die Sorge, Modernisierungen könnten zu einer Vertreibung der bisherigen Mieter führen, nicht bestätigt. Bis Mitte 1993 wirkten sich Modernisierungsmaßnahmen nur in 13% der Mietwohnungen auf die Miete aus. Die Modernisierungsumlage beträgt für diese Fälle im Durchschnitt 1,30 DM/qm und liegt für über 80% der modernisierten Wohnungen unter 2,12 DM/qm monatlich. Dabei wird die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen offensichtlich von der Einkommensentwicklung gesteuert mit der Konsequenz, daß die modernisierungsbedingten Mieterhöhungen in der Regel keine finanzielle Überforderung der Mieter zur Folge haben, zumal einkommensschwächere Mieter Wohngeld auch für Modernisierungsumlagen erhalten.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß bei Modernisierungen auch für die Mieter in den neuen Bundesländern ein wirksamer Schutz besteht. Entsprechende Erhöhungen des Mietzinses sind nur unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen zulässig. Luxusmodernisierungen werden dadurch verhindert. Außerdem werden die finanziellen Auswirkungen von

[Seite der Druckausgabe: 13]

Modernisierungen dadurch begrenzt, daß maximal 11% der Investitionskosten auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden dürfen. Werden zinsgünstige Kredite in Anspruch genommen, dann verringert sich diese Obergrenze für Umlagen (bei Mitteln aus dem Normalprogramm der KfW auf 9%, bei Krediten des Programms für Plattenbausiedlungen sogar auf 8%). Damit kommen diese Kreditprogramme des Bundes unmittelbar den Mietern zugute und dämpfen den Mietanstieg.

Der Forderung von Kappungsgrenzen für die Modernisierungsumlagen hält das Bundesbauministerium entgegen, daß solche Begrenzungen unmittelbar Auswirkungen auf den Umfang der Modernisierungsinvestitionen hätten. Auf solche Beschränkungen muß verzichtet werden, wenn sich der Wohnungsstandard in den neuen Ländern zügig den westdeutschen Verhältnissen anpassen soll. Angesichts leerer öffentlicher Kassen ist die Miete in den neuen Ländern ein unverzichtbares Finanzierungsinstrument, um den Wohnwert für den Mieter zu verbessern.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert Zuschüsse und verbilligte Darlehen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Hierdurch könne preiswerter Wohnraum langfristig gesichert werden. Im Modell einer Modernisierung durch den Mieter wird ein geeignetes Instrument gesehen, mit dem die Wohnqualität verbessert und zugleich die Verdrängung von Mietern verhindert werden kann. Dies wirkt sich auch auf die Finanzsituation der Wohnungsunternehmen positiv aus. Ein derartiges Engagement des Mieters muß durch einen verbesserten Kündigungsschutz belohnt und bei künftigen Änderungen des Mietpreises berücksichtigt werden. Weiter wird dafür plädiert, die Investitionen des Mieters ebenso öffentlich zu fördern wie die des Vermieters. Diese Maßnahme stellt einen sparsamen und produktiven Einsatz öffentlicher Mittel in Aussicht, denn die Mieter haben ein starkes Eigeninteresse, derartige Gelder möglichst effizient und nur für solche Modernisierungen einzusetzen, die sie wirklich benötigen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

Previous Page TOC Next Page