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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 18 / Fortsetzung]


4. Sanierungsplanung und Sanierungsziele

4.1. Erfahrungen aus Brandenburg

4.1.1. Stärken und Potentiale der Region

Bis 1989 war die Entwicklung der Region fast ausschließlich von der Energieerzeugung geprägt. Diese monostrukturierte Ausrichtung wurde schon zu Zeiten der ehemaligen DDR den geoökologischen und sozioökonomischen Gegebenheiten der Lausitz nicht gerecht. Die heutigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen erfordern den Aufbau einer diversifizierten und damit krisensichereren Wirtschaftsstruktur. Trotz des Förderrückgangs seit 1989 bleibt die Kohle- und Energiewirtschaft ein wesentlicher Faktor für Wirtschaft und Arbeitsmarkt der Lausitz. Der sinkende Absatz bei der Braunkohle erfordert künftig eine Konzentration von Braunkohlenbergbau und -veredelung auf wenige leistungsfähige und wirtschaftlich arbeitende Betriebe. Dabei müssen Fehlentwicklungen der Raum- und Siedlungsstruktur sowie die Entstehung neuer Altlasten von Beginn an vermieden werden.

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Die Region weist im Hinblick auf das Entwicklungspotential für Gewerbe und Industrie folgende Stärken auf:

  • Ein beachtliches Angebot an Arbeitskräften mit guter Grundausbildung, eine industriefreundliche Bevölkerungs- und Verwaltungsstruktur, ausreichende Flächen auch für flächenintensive Wirtschaftszweige;

  • über die Braunkohle hinausgehende Rohstoffressourcen wie Baustoffe, Spezialtone und -sande;

  • eine dreifache Randlage zu den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, der Bundesrepublik Deutschland und der EG im Grenzbereich zu den mittelosteuropäischen Staaten (insbesondere die dem Osten zugewendete Lage birgt die Chance, das Wirtschaftsgefälle zwischen beiden Seiten im Interesse der Lausitz auszunutzen);

  • eine einzigartige naturräumliche Ausstattung mit weitläufigen Landschaften, die nicht nur für den Tourismus genutzt werden können, sondern auch die Attraktivität des Wohnumfeldes steigern.

4.1.2. Rechtsgrundlagen und Organisation der Sanierung

Die Rechtsgrundlagen der Braunkohlen- und Sanierungsplanung wurden im Land Brandenburg mit

  • dem Vorschaltgesetz zum Landesplanungsgesetz und Landesentwicklungsprogramm für das Land Brandenburg vom 6. Dezember 1991,

  • dem Gesetz zur Einführung der Regionalplanung und der Braunkohlen- und Sanierungsplanung im Land Brandenburg vom 13. Mai 1993 (RegBKPlG) und

  • der Verordnung über die Bildung des Braunkohlenausschusses des Landes Brandenburg vom 8. April 1992 (BbgBKAusV)

geschaffen.

Die Grundsätze und Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind im Vorschaltgesetz zum Landesplanungsgesetz und im Landesentwicklungsprogramm formuliert. Wichtig ist demnach, in den vom Braunkohlenbergbau erfaßten Gebieten:

  • den Gefahren der Monostruktur der Wirtschaft durch Förderung einer vielfältig strukturierten Gewerbeansiedlung entgegenzuwirken,

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  • eine abwechslungsreiche und vielfach nutzbare Bergbaufolgelandschaft als Ausgleich für das devastierte Gebiet zu schaffen;

  • den ökologischen Schaden durch umfassende Rekultivierungsprogramme zur Wiederherstellung der langfristigen Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes abzubauen;

  • bei Flächeninanspruchnahme sicherzustellen, daß der Abbau und die Rekultivierung zu jedem Zeitpunkt ökologisch und sozial verträglich durchgeführt werden;

  • bei unvermeidbaren Umsiedlungen hinsichtlich neuer Wohnstandorte und Wohnformen sicherzustellen, daß die begründeten Interessen der Betroffenen berücksichtigt werden und vom Verursacher gleichwertiger Ersatz angeboten wird.

Die Braunkohlen- und Sanierungsplanung ist überörtliche, fachübergreifende und zusammenfassende Landesplanung. Auf der Grundlage des Landesentwicklungsprogramms, der Landesentwicklungspläne und der Abstimmung mit der Regionalplanung werden die Braunkohlen- und Sanierungspläne aufgestellt. Sie legen Ziele der Raumordnung und Landesplanung fest, soweit dies für eine geordnete Braunkohlen- und Sanierungsplanung erforderlich ist. Das Ziel des Braunkohlenplanes ist die Ermöglichung einer langfristig sicheren und gleichzeitig umwelt- und sozialverträglichen Energieversorgung. Demzufolge kommt es dem Sanierungsplan zu, bergbauliche Folgeschäden in den Gebieten, in denen der Braunkohlenabbau mittelfristig ausläuft oder schon eingestellt ist, soweit wie möglich auszugleichen. Gegenwärtig werden für das Land Brandenburg das Landesentwicklungsprogramm und die Landesentwicklungspläne erarbeitet, in Vorbereitung befinden sich die Regionalpläne. Aufgrund dieser parallel verlaufenden Planverfahren ist es notwendig, die einzelnen Verfahren besonders eng abzustimmen. Die Braunkohlen- und Sanierungspläne legen dabei Rahmenbedingungen im Sinne der oben genannten Zielstellungen fest. Dem bergrechtlichen Betriebsplanverfahren sowie den nachfolgenden Fachplanungen kommt dabei die konkrete Ausgestaltung des vorgegebenen Abbau- bzw. Sanierungsrahmens zu.

In den Braunkohlen- und Sanierungsplänen müssen unter Berücksichtigung sachlicher, räumlicher und zeitlicher Abhängigkeiten entsprechend § 12 Abs. 3 RegBKPlG insbesondere folgende Sachverhalte, Ziele und Maßnahmen dargestellt werden:

  1. Braunkohlenpläne:

    • Gegenwärtiger Zustand von Siedlung und Landschaft, Bau- und Bodendenkmale,

    • Minimierung des Eingriffs während und nach dem Abbau,

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    • Abbaugrenzen, Sicherheitslinien des Abbaus, Haldenflächen und deren Sicherheitslinien,

    • unvermeidbare Unisiedlungen und Flächen für die Wiederansiedlung,

    • Räume für Verkehrswege und Leitungen,

    • Bergbaufolgelandschaft.

  1. Sanierungspläne:

    • Oberflächengestaltung und Rekultivierung oder Renaturierung,

    • Überwindung von Gefährdungspotentialen, Darstellung zeitweiliger Sperrgebiete,

    • Wiederherstellung von Verkehrswegen und Leitungen,

    • Wiederherstellung eines ausgeglichenen Wasserhaushaltes.

Die Pläne erstrecken sich räumlich über Gemeinde-, Kreis- und Landesgrenzen hinweg auf die durch Abgrabungen, Aufschüttungen und bauliche anlagenbedingte bergbauliche Flächeninanspruchnahme sowie auf die im Einwirkungsbereich der Grundwasserabsenkung liegende Landschaft. Die zeitliche Dimension der Braunkohlen- und Sanierungspläne wird vom Umfang des genannten Abbaugebietes, der Dauer des Sümpfungsvorganges und dem Zeitraum der Wiedernutzbarmachung bestimmt. Der Braunkohlenausschuß des Landes Brandenburg mit Sitz in Cottbus ist der Träger der Braunkohlen- und Sanierungsplanung. Er trifft die sachlichen und verfahrensmäßigen Entscheidungen zur Erarbeitung der Braunkohlen- und Sanierungspläne und beschließt ihre Aufstellung, Feststellung, Änderung und Ergänzung. Der Braunkohlenausschuß (BKA) hat seit der Verordnung über die Bildung des Braunkohlenausschusses vom 8. April 1992 27 stimmberechtigte Mitglieder, darunter 15 gewählte Abgeordnete aus den von der Braunkohlen- und Sanierungsplanung betroffenen Landkreisen und der kreisfreien Stadt Cottbus. Die Stimmenverteilung für die Großkreise wird gegenwärtig per Rechtsverordnung neu geregelt.

Nach der Geschäftsordnung des BKA besteht die Möglichkeit zur Bildung regionaler und sachbezogener Arbeitskreise. Die Arbeitskreise wirken an der Erarbeitung der Braunkohlen- und Sanierungspläne mit, geben dem BKA Empfehlungen zur Beschlußvorbereitung und ermöglichen den Beteiligten ihre Vor-Ort-Kenntnisse unmittelbar einzubringen. Sie setzen sich aus Vertretern der Landkreise, Gemeinden, des Bergbauunternehmens und des Sanierungsträgers, von in der jeweiligen Region tätigen Bürgerinitiativen und Umweltgruppen, von Verbänden und Vereinen zusammen.

Bei der Erarbeitung der Braunkohlen- und Sanierungspläne sind die Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald, die Landkreise und kreisfreien Städte, die Ämter und die Gemeinden der Region, die kommunalen Spitzenverbände, die übrigen öffentlichen Planungsträger, die Nachbarländer und Nachbarstaaten, die sonstigen Träger öffentlicher Belange, soweit sie von der Planung berührt sein können, zu beteiligen. Nach Abschluß des

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Beteiligungsverfahrens werden die Pläne durch Beschluß des Braunkohlenausschusses bestellt und der Landesplanungsbehörde vorgelegt. Die Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald übermittelt der Landesplanungsbehörde ihre Stellungnahme über die Vereinbarkeit des Braunkohlen- und Sanierungsplanes mit der Regionalplanung.

Durch Rechtsverordnung der Landesregierung werden schließlich die Braunkohlen- und Sanierungspläne verbindlich erklärt, soweit sie nach Maßgabe des RegBKPlG aufgestellt sind und sonstigen Rechtsvorschriften nicht widersprechen. Im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Brandenburg folgt die Veröffentlichung.

Bei allen weiterführenden Planungen durch die Behörden des Landes sind die rechtsverbindlichen Braunkohlen- und Sanierungspläne als Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu beachten. Die bergrechtlichen Rahmenbetriebs-, Betriebs- und Abschlußbetriebspläne sind mit den Braunkohlen- und Sanierungsplänen in Einklang zu bringen.

4.1.3. Stand der Braunkohlen- und Sanierungsplanung

Nach dem Bergrecht der ehemaligen DDR war für die Wiedernutzbarmachung und die Rekultivierung der Folgenutzer und nicht wie nach dem Bundesberggesetz der Bergbautreibende zuständig. Deshalb mußten in den Jahren 1990/91 vorrangig die nach DDR-Recht genehmigten Braunkohlentagebaue auf die Rechtsgrundlage des Bundesberggesetzes gestellt werden. Bis Ende 1993 wurden in intensiven Beratungsgesprächen zwischen Braunkohlenausschuß, regionalen Arbeitskreisen, Landesund Kommunalbehörden, den übrigen Trägern öffentlicher Belange und dem Unternehmen Lausitzer Braunkohle AG die Planungsentwürfe erarbeitet, die notwendigen Bereinigungsverfahren und Erörterungen abgeschlossen. Feststellungsbeschlüsse im Braunkohlenausschuß gefaßt und die Pläne per Rechtsverordnung der Landesregierung beschlossen.

Mit Rechtsverordnungen der Landesregierung Brandenburg wurden für verbindlich erklärt:

  1. Die Braunkohlenpläne

    • Tagebau Welzow Süd, Teil I,

    • Tagebau Cottbus-Nord

    • Tagebau Jänschwalde,

  2. die Sanierungspläne

    • Gräbendorf,

    • Schlabendorfer Felder,

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    • Meuro,

    • Seese-Ost/-West,

    • Lauchhammer Teil I,

    • Restlochkette Sedlitz, Skado, Koschen.

Der Entwurf des Sanierungsplanes Greifenhain befindet sich gegenwärtig im Beteiligungsverfahren. Durch die Braunkohlenpläne wird dem Bergbauunternehmen die notwendige Planungssicherheit für die nächsten 30 Jahre gegeben. Sie umfassen Abbaugebiete mit gewinnbaren Kohlenvorräten in Höhe von ca. 1.140 Mio. t. Parallel werden die maximale Flächeninanspruchnahme und die Anforderungen an die Wiedernutzbarmachung vorgegeben. Der Diskussionsprozeß über die Braunkohlenpläne löste tiefgreifende soziale und ökologische Interessenskonflikte aus. Hierzu gehörten einerseits die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region und andererseits die Umsiedlung von Ortslagen und die Inanspruchnahme ökologisch besonders wertvoller Landschaftsteile. Mit den Sanierungsplänen wurden die landesplanerischen Voraussetzungen für die Sanierung der ökologischen Altlasten geschaffen. Dabei kommt

  • der Beseitigung von Gefährdungspotentialen die den gegenwärtigen Landschaftszustand kennzeichnen (sichere Böschungen, tragfähige Kippen, Sanierung der Deponien und Altablagerungen vor Aufgang des Grundwassers),

  • der Gestaltung einer den verschiedenen Anforderungen gerecht werdenden lausitztypischen, vielfach nutzbaren Bergbaufolgelandschaft,

  • der Schaffung eines sich weitgehend wieder selbstregulierenden Wasserhaushalts und

  • der Herstellung eines leistungsfähigen Naturhaushalts eine besondere Bedeutung zu.

Die Neuordnung bzw. Wiederherstellung eines sich selbst regulierenden Wasserhaushaltes im Einzugsgebiet von Spree und Schwarzer Elster müssen Schwerpunkte der Sanierung sein. Dabei bestehen zwischen der standsicheren Gestaltung setzungsfließgefährdeter Kippenböschungen mittels Sprengverdichtung und der Wasserstandsentwicklung in Restlöchern und Kippen unmittelbare Abhängigkeiten. Die wasserwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmen den Zeitpunkt der in Etappen durchzuführenden Verdichtungssprengungen und damit gleichzeitig den möglichen Zeitraum bis zur Wiedernutzbarmachung sicherer Bergbaufolgelandschaften.

Generell sind mit der Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften Voraussetzungen zu schaffen, die einerseits die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes sichern und

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zum anderen eine wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes ermöglichen. Als wesentliche Landschaftsbestandteile sind in den Sanierungsplänen vorgesehen:

  • Forstflächen (Wirtschafts- und Erholungswald),

  • Agrarbereiche (am Bedarf orientiert, vorrangig für extensive Nutzung)

  • Tagebauseen (Nutzung für Wasserwirtschaft, Tourismus und Erholung, Biotop- und Artenschutz),

  • Renaturierungsflächen (Flächen, die von Bewirtschaftung bzw. intensiver Nutzung freizuhalten sind, vorrangig für Biotop- und Artenschutz, aktive und stille Erholung, Sukzession),

  • Straßen, Wege, Fließgewässer,

  • Gewerbeflächen (vorrangig ehemalige Tagesanlagen, Werkstätten, Montageplätze u.a.)

4.1.4. Finanzierung und Arbeitsmarkt

Zur Beseitigung der ökologischen Altlasten und zur Umsetzung der mit den sieben Sanierungsplänen vorgegebenen Ziele der Raumordnung und Landesplanung werden Finanzmittel in Höhe von ca. 5 Mrd. DM bis zum Jahr 2020/30 erforderlich. Hiervon werden auf der Grundlage des Verwaltungsabkommens über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten vom 1. Dezember 1992 bis Ende 1997 ca. 1,7 Mrd. DM einzusetzen sein. Für das Jahr 1994 genehmigte die Steuerungsgruppe des Büros Braunkohlensanierung im Land Brandenburg Sanierungsprojekte und -maßnahmen in einer Höhe von ca. 650 Mio. DM. Diese Summe kann in der Region Lausitz-Spreewald für ca. 6.900 Arbeitnehmer sichere Arbeitsplätze schaffen. 1994 verteilen sich die eingesetzten Finanzmittel zu etwa 70 % auf die Sanierung der Tagebaugebiete und zu etwa 30 % auf die von Industriebrachen.

Mit dem Verwaltungsabkommen vom 1.12.1992 wurde von Bund und Ländern der finanzielle Rahmen für die Beseitigung ökologischer Altlasten im Braunkohlenbereich der neuen Länder geschaffen. Die Regelung beinhaltet die Bereitstellung von jährlich 1,5 Mrd. DM im Zeitraum 1993 bis 1997, also insgesamt 7,5 Mrd. DM, für Sanierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen. An der Mittelbereitstellung sind nach Abzug eines Anteils der Bundesanstalt für Arbeit gemäß § 249 h Arbeitsförderungsgesetz und eines Anteils der Treuhandanstalt aus Privatisierungserlösen der Bund mit 75 % und die Länder mit 25 % beteiligt. Auf das Land Brandenburg entfallen entsprechend der anteiligen Belastung mit Sanierungs- und Rekultivierungsdefiziten ca. 650 bis 700 Mio. DM jährlich. Derzeit laufen zwischen Bund und Ländern die Verhandlungen über die Fortschreibung der Finanzierungsvereinbarungen bis zum Abschluß der Sanierungsmaßnahmen, wobei zunächst eine Verlängerung der Regelung um weitere 5 Jahre bis 2002 beabsichtigt ist.

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4.1.5. Ausblick

Für das Land Brandenburg stellt die Sanierung und Rekultivierung der Bergbauflächen eine der umfangreichsten und gleichzeitig schwierigsten Aufgaben der kommenden Jahre dar. Die Entwicklung der Regionalstruktur hängt im wesentlichen davon ab, wie diese Aufgaben wahrgenommen und durchgeführt wird. Die Entwicklung einer vielseitigen Wirtschaftsstruktur in der Region Südbrandenburg setzt voraus, daß das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften sowie freistehende Flächen für Industrie und Gewerbe genutzt werden. Die bereitgestellten öffentlichen Finanzmittel für die Sanierung sollten hierbei als Entwicklungsimpulse für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen genutzt werden. Eine ergänzende Funktion können die naturräumliche Ausstattung mit dem Spreewald, den Heide- und Teichgebieten sowie die durch die Rekultivierung und Renaturierung der Tagebaue entstandenen Seen für den umweltverträglichen Tourismus übernehmen.

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4.2. Exkurs: Erfahrungen aus dem Rheinischen Braunkohlenrevier

4.2.1. Geschichte der Rekultivierung

Die Rekultivierung der vom Braunkohlenbergbau in Anspruch genommenen Flächen kann im Rheinischen Revier auf eine mehr als 200jährige Tradition zurückblicken. Bereits in einem Pachtvertrag von 1766 über die Nutzung der Roddergruppe bei Brühl wurden erste Kriterien für die Wiedernutzbarmachung der Bergbaulandschaft festgelegt. 1784 erließ Kurfürst Maximilian Friedrich die älteste bekannte Rekultivierungsverordnung. Durch das "Allgemeine Berggesetz" für Preußen von 1865 wurden die Sanierungsgesichtspunkte der Rekultivierungsverordnung wieder aufgegriffen. Im Zuge zunehmender Brikettierung und Verstromung der Braunkohle wurde zur Wende unseres Jahrhunderts eine derartige Dimension des Braunkohlenabbaus erreicht, daß sich die Notwendigkeit der Rekultivierung verschärfte. Aus diesem Grund wurde 1929 die Vorschrift des Allgemeinen Berggesetzes in § 13a vom Oberbergamt Bonn konkretisiert: "Abraummassen müssen so in die ausgekohlten Tagebaue eingebracht werden, daß möglichst große land- und forstwirtschaftlich nutzbare Flächen entstehen." Das Braunkohlengesetz der Bundesrepublik von 1950 regelte verfahrensrechtliche Grundlagen für den Ablauf des Braunkohlenbergbaus. Konkrete Vorschriften zur Bodenherstellung für forstliche Flächen wurden in den bergbehördlichen Richtlinien von 1967 und 1973 erstmals erfaßt.

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4.2.2. Landschaftsplanung als Voraussetzung für erfolgreiche Sanierung

Nur sorgfältige Planungsverfahren mit entsprechendem Zeitvorlauf für die Genehmigung können derart große Eingriffe in die Erdoberfläche, wie sie der Braunkohlentagebau mit sich bringt, gestalten. Im Rheinischen Revier wurden bis 1992 etwa 24.000 ha Fläche für den Braunkohlenabbau in Anspruch genommen, in den neuen Bundesländern waren es bis dahin 140 000 ha. In kaum einem anderen Abbauverfahren werden derart gravierende Eingriffe in Landschaft, Besiedlung, Verkehrswege und Grundwasser vorgenommen wie in der Braunkohlenförderung.

Im Rheinland setzt die planerische Arbeit auf zwei Ebenen an, zum einen am Braunkohlenplan als Instrument der Landesplanung und zum anderen an den Betriebsplänen, die aus dem Bergrecht hervorgehen. Bereits nach dem 2. Weltkrieg wurde im Rheinland ein Planungsgesetz (Braunkohlengesetz) erarbeitet, das die vielfältigen Interessen zusammenführte. So konnte 1950 auf eine gesetzliche Grundlage zurückgegriffen werden, die den enormen Eingriffen in die Landschaft eine unmittelbare Rekultivierung folgen ließ. Die Braunkohlenpläne haben einen Planungsvorlauf von bis zu 50 Jahren. Ob es allerdings möglich ist, die Bedürfnisse der Gesellschaft soweit im voraus zu planen, bleibt fraglich. Mit Braunkohlen- und Betriebsplänen kann wenigstens ein Teil der Interessen einzelner Bürger und Gruppen berücksichtigt werden.

4.2.3. Zielsetzungen im Wandel der Zeit

Allein in den letzten 30 Jahren hat sich das Leitbild der Tagebau-Rekultivierung mehrfach verschoben. Zunächst stand die Wiederherstellung land- und forstwirtschaftlich nutzbarer Flächen im Vordergrund, dem folgte die Anlage von Erholungsräumen, und in der Gegenwart liegt das Schwergewicht bei der Sanierung auf einer ganzheitlichen Entwicklung von Lebensräumen. Dieser Wandel der Zielsetzungen zeigt deutlich, wie sich die Ansprüche der Gesellschaft an die Landschaft im Laufe der Zeit verändert haben: Der heutige Wunsch nach Naturerleben und gesunder Umwelt in Ballungsräumen hat die einseitige Orientierung auf hohe Rohstoffproduktion abgelöst. Demzufolge steht heute der Akzent auf der Gestaltung einer vielfältigen Bergbaufolgelandschaft und nicht mehr auf der Herstellung land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen. Es wäre aber illusionär, anzunehmen die erheblichen Eingriffe in den Landschaftshaushalt unsichtbar machen zu können. Regional werden nicht nur das Relief, sondern auch die Verhältnisse von Sonneneinstrahlung, Wind und Niederschlagen sowie das Mikroklima und der Bodenbewuchs verändert.

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4.2.4. Möglichkeiten der Landschaftsgestaltung und natürliche Entwicklungspotentiale

  1. Waldentwicklung

    Die forstliche Rekultivierung orientiert sich an folgenden Zielen:

    • Schaffung vielfältig nutzbarer zusammenhängender Waldflächen;

    • Gestaltung einer abwechslungsreichen Landoberfläche;

    • Wiederbelebung seltener Waldgesellschaften, die der früheren Vegetation ähnlich sind;

    • Förderung einer Strukturvielfalt durch schnell wachsende Baumarten in Gruppen.

    Hierzu muß das jeweils geeignete Bodenmaterial sorgfältig ausgewählt und schonend verkippt werden. Fehler sind in dieser Phase der Rekultivierung schwer korrigierbar. Blieben die verfüllten Tagebaue vom Menschen unbeeinflußt, so entwickelte sich im Laufe einiger Jahre bis Jahrzehnte eine Pionierwaldgesellschaft, geprägt von Weiden, Espen und Birken. Da die natürliche Wiederbesiedlung erhebliche Zeiträume in Anspruch nehmen würde, wird mit der Anpflanzung von BuchenwaldgeseIIschaften, Stiel- und Traubeneichengesellschaften, das dem herrschenden Großklima entsprechende Endstadium der Vegetationsentwicklung eingeleitet. Im rheinischen Revier hat es sich als vorteilhaft erwiesen, auch Pappeln als Schutz vor Sonne und Wind mit anzupflanzen. Gerade diese schnellwüchsigen Bäume lassen sich nach etwa 15 Jahren Sägen, und ihr verfallendes Holz fördert dann die Humusbildung. Wichtig ist eine früh einsetzende Waldpflege, die die Stabilität des Einzelbaumes auf den geschütteten Böden stärkt und die Struktur der altersgleichen Bestände verbessert. Ein zeitiges Durchforsten wirkt sich darüber hinaus positiv auf die Umsetzungsprozesse am Boden aus.

  2. Wasserflächen

    Die Zahl der Wasserflächen wurde in den Braunkohlenbergbaugebieten, durch den Abbau und die anschließende Rekultivierung um ein Vielfaches erhöht. Viele größere Restflächen, die durch das Massendefizit der abgebauten Braunkohle entstanden, wurden durch das wiederansteigende Grundwasser gefüllt. Darüber hinaus plant man heute außerdem Tümpel, Teiche und Seen an Stellen, die eigentlich ausreichend mit Abbaumaterial zur Oberfläche verkippt werden könnten. Sowohl im rheinischen Revier, als auch in den ostdeutschen Braunkohlengebieten sind die Seen augenfällig. Beispielsweise in der Kölner Region sind sie intensiv genutzte Naherholungszentren. Im Gegensatz zu den künstlich angelegten Seen im Lausitzer Revier sind sie im Rheinland mehr oder weniger nährstoffreich und gesund. Im ostdeutschen Braunkohlenrevier sind sie dagegen stark versauert, weil sich aus freigesetztem Pyrit schwefelhaltige Verbindungen bilden. Dies erfordert in vielen Fällen Meliorationsmaßnahmen. Durch modernere Tagebautechniken läßt sich die Versauerung von vornherein durch Tonabdichtungen vermeiden.

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  1. Biotop- und Artenschutz

    Die Wiederbesiedlung der zunächst völlig zerstörten Bergbaufolgelandschaften setzt in der Regel sehr rasch ein. Die stark versauerten Sande im ostdeutschen Braunkohlengebiet hingegen bieten ungünstige Voraussetzungen für die Ansiedlung von Pflanzen- und Tierarten. Gerade hier muß der Mensch durch nachträgliche Melioration eingreifen. Bei zukünftigen Bergbauvorhaben müssen vorsorgliche Maßnahmen derartige Negativentwicklungen ausschließen. Besonders wichtig bei der Biotop-Entwicklung ist die Mannigfaltigkeit, damit verschiedenartigsten Tier- und Pflanzenarten ein Lebensraum geschaffen wird. Die künstlichen Wasserflächen können gerade für vom Aussterben bedrohte Amphibienarten eine neue Heimat werden. Um von vornherein Konflikte zwischen Naturschutz und Erholungsnutzung auszuschließen, ist eine vorausschauende, alle Interessen einbindende Planung der Bergbaufolgelandschaften unablässig.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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