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1. Der Braunkohlenbergbau im Lausitzer Revier

1.1. Geographische Einordnung

Das Lausitzer Revier liegt im östlichen Teil der Bundesrepublik in der Grenzregion zu Polen und wird durch die Landesgrenze Brandenburg/Sachsen in einen brandenburgischen und einen sächsischen Teil getrennt. Vier Großlandschaften zeichnen das Landschaftsbild der Lausitz: das ostbrandenburgische Heide- und Seengebiet, der Spreewald, das Lausitzer Becken- und Heideland und die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Eiszeitliche Ablagerungen prägen die Böden und Oberflächenformen dieser Region. Auf den Sand- und Lehmböden, die neben Sumpf- und Moorböden die Niederlausitz bestimmen, war nur extensive Landwirtschaft möglich.

1.2. Entwicklung des Braunkohlenbergbaus

Seit ca. 200 Jahren werden im Lausitzer Revier die Braunkohlevorkommen, zunächst in kleineren Gruppen zur Gewinnung von Heizmaterial und ab 1871 zur Brikettierung, genutzt. Die im Tertiär entstandenen Braunkohlelager stehen in der Niederlausitz im wesentlichen in drei Flözen an, von denen das fünf- bis fünfzehn Meter mächtige Unterflöz den derzeitigen Abbau trägt. Das Deckgebirge weist im Durchschnitt eine Mächtigkeit von 30 m auf, was vor allem in der Niederungszone der Schwarzen Elster günstige Abbaubedingungen zur Folge hat.

Die ab 1890 einsetzende konsequente Förderung machte die Braunkohle zu dem dominierenden Energieträger des damaligen mitteldeutschen Raumes und die Lausitz zum Hauptenergielieferanten Mittel- und Ostdeutschlands. Hand in Hand mit dem Abbau der Braunkohle wurde die wirtschaftliche Struktur dieser Region durch die Entstehung von Bergbau- und Maschinenbauindustrien und Veredelungsbetrieben geprägt. Mit der Energie aus der Kohle und auf der Grundlage anderer heimischer Rohstoffe wurden u.a. auch Ziegel, Keramik, Glas und Eisen produziert. Gerade die Ziegel-, Keramik- und Glasherstellung gelten als besonders energieintensiv. Die Industrialisierung der Niederlausitz war nahezu ausschließlich auf den Rohstoff Braunkohle ausgerichtet - eine Entwicklung, die nach 1945 noch verstärkt wurde.

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1.3. Energieerzeugung in der ehemaligen DDR

Steinkohlemangel, minimale Erdölreserven und geringe Erdgasvorkommen führten dazu, daß der Braunkohle mit Entstehen der ehemaligen DDR eine besondere Bedeutung zukam. Bereits in den 50er Jahren zeichnete sich ab, daß die Braunkohle die wesentliche Grundlage der Energieversorgung darstellte. Wenngleich der Energiebedarf nach 1970 rasant zunahm und zu 30 % aus Importenergie gedeckt werden mußte, war die Energiepolitik der SED von Autarkiebestrebungen getragen. Wollte die rohstoffarme ehemalige DDR ihre ehrgeizigen Modernisierungs- und Industriealisierungspläne realisieren, so war sie auf die Förderung der Braunkohle angewiesen. Anfang der 80er Jahre wurden zudem die Öllieferungen aus der damaligen UdSSR knapper. Eine äußerst aggressive Braunkohlenförderung im Lausitzer Revier war die Folge. 1988 wurden in der ehemaligen DDR 310 Mio. t Braunkohle aus 17 Tagebauen im durchgehenden Drei-Schicht-Betrieb gefördert, für die 90er Jahre war eine jährliche Förderung von 335 Mio. Tonne geplant. Damit hatte die Braunkohle einen Anteil von 70 % am Primärenergieaufkommen.

In Lübbenau, Vetschau, Boxberg und Jänschwalde wurden Kraftwerke auf Braunkohlebasis errichtet, die mit 12.000 MW installierter elektrischer Leistung Hauptlieferanten an Elektroenergie und Wärme wurden. Ein Schwerpunkt im Energiezentrum Niederlausitz war das Gaskombinat Schwarze Pumpe. Nach vierjähriger Bauzeit ging das Werk 1950 in Betrieb und war mit ca. 20.000 Beschäftigten der größte Betrieb in der Region Cottbus. Neben dem Betrieb von drei Druckvergasungsanlagen und drei Wärmekraftwerken wurden Koks, Teer und Briketts produziert. Täglich sollten 120.000 t Rohbraunkohle zu 14 Mio. m³ Gas, 13 Mio. kWh Strom, 9.000 t Brikett und 5.000 t Koks veredelt werden. Der enorme Arbeitskräftebedarf konnte erst im Laufe der Zeit durch Neubürger aus vormalig landwirtschaftlichen Gebieten gedeckt werden. Insgesamt waren in der Energieerzeugungsindustrie im Bezirk Cottbus über 60.000 Menschen beschäftigt.

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1.4. Eingriffe in den Landschaftshaushalt

Der Ausbau der Lausitz als Energiezentrum der ehemaligen DDR hatte Vorrang vor allen anderen wirtschaftlichen Aktivitäten. Die monostrukturierte Ausrichtung der Region sowie die enormen Fördermengen hatten einschneidende Veränderungen in der Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur zur Folge. Einer ökologisch verträglich geführten Braunkohleförderung, soweit überhaupt möglich, wurde in keinster Weise Rechnung getragen. Die Eingriffe in den Naturhaushalt waren schwerwiegend, aber aus Sicht der SED unvermeidlich. 40 Jahre konsequente Nutzung der Lausitz bedeuten heute Umweltbelastungen und Landschaftszerstörungen in nur schwer abschätzbaren Größenordnungen:

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Der großflächige Kohleabbau hatte erhebliche Veränderungen des Wasserhaushalts zur Folge. Die Grundwasserabsenkungen beeinträchtigten Vegetation und landwirtschaftliche Nutzung, dabei entstand auf einer Fläche von ca. 2.100 km2 ein Grundwasserdefizit von ca. 9,5 Mrd. m³.

Der Abbau der Deckgebirge erforderte eine großflächige Abholzung von Kiefernwäldern. Die Rekultivierung konnte jedoch mit der Landinanspruchnahme bei weitem nicht Schritt halten. Die Aufforstung, die erst in den 70er Jahren forciert wurde, blieb unzureichend und, da in der Regel mit Kiefern aufgeforstet wurde, wenig effektiv. Darüber hinaus wurden jährlich ca. 30 % der rekultivierten Fläche für eine landwirtschaftliche Folgenutzung vorbereitet.

Das jährliche Defizit zwischen den von der Braunkohleförderung in Anspruch genommenen Flächen und den wieder nutzbar gemachten Flächen betrug in den 80er Jahren über 1.000 ha. Riesige Auskohlungsflächen und mehr als 300 Tagebaurestlöcher, in denen sich Wasser sammelt, bestimmen das Bild des Braunkohlereviers. Halden und Abraumkippen wurden nur in unzureichendem Maße beseitigt, und viele einzelne Verkippungsflächen behinderten eine landwirtschaftliche Nutzung.

Wenig Aufmerksamkeit widmete die ehemalige DDR der Beseitigung von Rückständen aus der Braunkohleveredelung. Die Kapazitäten, vor allem zur Weiterverarbeitung von Teerprodukten, waren vollkommen unzureichend. Im Einzugsgebiet der Schwarzen Pumpe schuf man beispielsweise zwei Lagerstätten, Zerre und Terpe. Es entstanden so zwei riesige Teerseen, die mit insgesamt ca. 300.000 m³ Staubdickteerprodukten aufgrund mangelnder Abdichtung die Umwelt gefährden. Eine gängige Praxis, Abfälle aus der Braunkohleindustrie zu beseitigen, bestand darin, sie zum Auffüllen von Restlöchern zu verwenden. Vor allem Kraftwerksaschen, die bei der Verbrennung von Braunkohle anfallen, wurden in großen Mengen eingespült. Beispielsweise existieren im Einzugsbereich der LAUBAG (Lausitzer Braunkohle AG) ca. 73,2 Mio. m³ Ascheablagerungen bei einer Fläche von 396 ha. Die Aschen wurden zu Zeiten der ehemaligen DDR ebenfalls bei der Rekultivierung als Bodenhilfsstoff nutzbar gemacht. Saure Kippenböden wurden mit Aschen, die einen relativ hohen Kalkgehalt aufweisen, neutralisiert. Da die stoffliche Zusammensetzung der Kohle und damit auch der Aschen in der Vergangenheit wenig detailliert geprüft wurden, ist die Gefahr, die heute von diesen Flächen auf die Umwelt (z.B. auf das Grundwasser) ausgeht, kaum abschätzbar.

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1.5. Veränderungen nach 1990

Im Jahre 1990 begann in der Lausitz ein als dramatisch zu bezeichnender Umstrukturierungs- und Anpassungsprozeß. Veränderungen in der Energiepolitik und in der Energieträgerstruktur fundieren einen rasanten Strukturwandel, der die einseitige Ausrichtung auf die Braunkohle gegen einen ausgewogeneren Energiemix in der Energieversorgung eintauscht.

Innerhalb von vier Jahren halbierte sich die Förderquote im Lausitzer Revier um ca. 50 %. Wurden 1991 noch 116,8 Mio. t Braunkohle gefördert, so werden es 1994 lediglich 75 Mio. t sein. Langfristig werden Förderquoten zwischen 40 Mio. t und 60 Mio. t erwartet.

Die Beschäftigtenzahl sank auf weniger als 30 % der vormals in der Braunkohleförderung und -verarbeitung tätigen Arbeitnehmer.

Am Beispiel der LAUBAG können diese Veränderungen konkretisiert werden: Zwischen 1989 und 1993 sank die Rohkohleförderung in der LAUBAG auf ca. 45 %. Dabei verringerte sich die Brikett- und Staubproduktion auf je 26 % und die in Kraftwerken verströmte Menge sank um ca. 47 %. Im Lausitzer Revier mußten bisher acht Tagebaue (alle zur LAUBAG gehörend), 15 Brikettfabriken (davon 8 LAUBAG) und 7 Kraftwerke (davon 6 LAUBAG) geschlossen werden. Die Belegschaft im Bereich der LAUBAG verringerte sich innerhalb von knapp 3 Jahren von ca. 67.950 um 42.625 auf ca. 25.325 Belegschaftsangehörige.

Alle Verantwortlichen sowohl in den Sanierungsgesellschaften wie auf politischer Ebene sind sich einig, daß dieser Anpassungsprozeß noch nicht abgeschlossen ist.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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