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1. Verkehrspolitischer Handlungsbedarf angesichts von drohendem "Umweltkollaps" und "Verkehrsinfarkt"


Die starke Zunahme des Verkehrsaufkommens bringt Belastungen für Mensch und Umwelt mit sich, die eine aktive umweltverträglichere Verkehrsgestaltung immer dringlicher machen. Neben den negativen Auswirkungen des drastisch angeschwollenen Pkw-Bestandes werden die Beeinträchtigungen durch den Straßengüterverkehr von vielen Menschen als besonders gravierend empfunden. Lärm, Gestank, Abgase und Unfälle bedrohen zunehmend Gesundheit und Lebensumwelt. Die Grenzen der Belastbarkeit des Ökosystems durch Schadstoffe aller Art scheinen erreicht.

Die Konflikte zwischen Verkehr und Umwelt betreffen unterschiedliche Problemfelder. [Die zentralen Angaben über die Umweltbelastungen durch den Verkehr sind folgendem EG-Bericht entnommen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die künftige Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik – Globalkonzept einer Gemeinschaftsstrategie für eine auf Dauer tragbare Mobilität, KÖM (92) 494 endg., Brüssel 1992, S. 15 f.]
Neben den Lärmemissionen sind besonders die Abgasbelastungen zu nennen. Daß der Straßenverkehr wesentlich zur Luftverschmutzung beiträgt, zeigt sich vor allem an dem von Kfz verursachten Ausstoß an Kohlendioxid, der im Zeitraum von 1970 bis 1990 um 76 Prozent anstieg. Rund 20 Prozent dieses Treibhausgases werden durch Transportvorgänge erzeugt. Stickoxide, die indirekt den Treibhauseffekt begünstigen und unmittelbar am sauren Regen und der Erhöhung der Ozonkonzentration in der Troposphäre beteiligt sind, nahmen um fast 70 Prozent zu. Allein 30 Prozent der Stickstoff- und 70 Prozent der Rußpartikelemissionen entfallen auf den Lkw. Kohlenwasserstoff-Emissionen, die ebenfalls zum Treibhauseffekt und zur Ozonanreicherung beitragen und die krebserregend sein können, erhöhten sich von 1970 bis 1990 um über 40 Prozent. Seit Anfang der 70er Jahre ist der Verkehrssektor einer der größten Verbraucher an nicht erneuerbarer Energie; hier ist allein im Straßenverkehr mehr als eine Verdoppelung zu verzeichnen. Die Verkehrsinfrastruktur beansprucht in erheblichem Ausmaß Flächen. Beim Infrastrukturausbau kommt es zur Flächenversiegelung und zu Beeinträchtigungen des Landschafts- und Stadtbildes.

Aber nicht nur ökologische Schadensbilanzen setzen die Frage nach den Möglichkeiten einer umweltbewußten Gestaltung des Güterverkehrs auf die

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Tagesordnung. Angesichts des starken Verkehrswachstums stößt vor allem die Straße allmählich an die Grenze ihrer Kapazitäten. Ein weiterer Ausbau des Straßennetzes ist nur eingeschränkt möglich, zumal er auf zunehmende Akzeptanzprobleme stößt. Seit einigen Jahren wird der drohende "Verkehrsinfarkt" beschworen. Von Mobilität auf den Autobahnen kann nur noch begrenzt die Rede sein. Selbst Vertreter der Transportwirtschaft befürchten inzwischen, daß der geplante Abbau von Warenbeständen in den Lägern mit dem ungeplanten Aufbau von Fahrzeugschlangen auf den Straßen teuer bezahlt wird. Zunehmende Verkehrsstaus zwingen damit auch aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Sicht zu einer Wende in der Organisation von Gütertransporten.

Von 1972 bis 1992 gab es eine Zunahme der gesamten Binnenverkehrsleistungen in den alten Bundesländern um 48 Prozent. Dabei hat sich der Straßenverkehr mehr als verdoppelt (plus 119 Prozent). Die Prognosen über die Verkehrsentwicklung in den kommenden Jahren erwarten weitere enorme Wachstumsraten und eine Verschärfung der Umweltbelastungen. Der Bundesverkehrswegeplan 1992 geht für den Sektor des Güterverkehrs bis zum Jahr 2010 von einer Zunahme der Verkehrsleistungen auf der Straße um 95 Prozent, auf der Schiene um 55 Prozent und auf dem Wasserweg um 84 Prozent aus.

Verschiedene Faktoren sind für die bisherige und die erwartete Zunahme des Straßengüterverkehrs verantwortlich: Die Einführung neuer Logistikkonzepte wie "Just in time", die einen weitgehenden Abbau von Lägern beabsichtigen, und ein sehr kurzfristiges Orderwesen (24-Stunden-Service) haben dazu geführt, daß der Warenbestand durch die Warenbewegung ersetzt wurde. Neben dem "rollenden Lager" sind neue Produktionskonzepte, geringere Fertigungstiefen und abnehmende Sendungsgrößen für das Verkehrswachstum auf der Straße mitverantwortlich. Hinzu kommt die allgemeine Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung und veränderte Marktbedingungen aufgrund der Wiedervereinigung Deutschlands, der Vollendung des Europäischen Binnenmarktes sowie der politischen und wirtschaftlichen Öffnung Osteuropas.

Auch wenn versucht wird, die Beeinträchtigungen der Umwelt durch den Verkehr mit Hilfe des technischen Fortschritts und durch bereits eingeleitete

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Maßnahmen zu verringern, muß es als wahrscheinlich gelten, daß sich die Umweltbelastungen weiter verschärfen, wenn nicht zusätzliche und verstärkte Maßnahmen ergriffen werden.

Dabei richtet sich die Frage nach Gestaltungsmöglichkeiten zum einen an die Politik, insbesondere die Verkehrspolitik, die die richtungweisenden Rahmenbedingungen der Verkehrsorganisation zu setzen hat. Andererseits sind die Verkehrsträger selbst gefordert, Beiträge zu einer umweltverträglicheren Gestaltung des Güterverkehrs zu leisten. Aber auch die einzelnen Unternehmen – Speditionen, Logistikunternehmen, verladende Wirtschaft – sind aufgerufen, aus der Praxis heraus Ideen und Eigeninitiativen für ein umweltbewußtes Transportmanagement zu entwickeln.

Daß der Güterverkehr umweltverträglicher organisiert werden muß, darüber besteht weitgehende Übereinstimmung. Teilweise beträchtlich voneinander abweichende Vorstellungen gibt es jedoch hinsichtlich der Ziele, Strategien und notwendigen Maßnahmen. Unterschiedliche Interessenlagen, Problemwahrnehmungen und Ursachenzuschreibungen führen zu spezifischen Lösungsansätzen. Um so wichtiger erscheint daher ein intensiver Dialog, ein kontinuierlicher Austauschprozeß mit dem Ziel, die verschiedenen Perspektiven der am Verkehrsgeschehen Beteiligten in einem realisierbaren und konsensfähigen, integrierten Gesamtkonzept zusammenzuführen.

Vor diesem Hintergrund sind im folgenden einzelne Strategien einer umweltverträglicheren Güterverkehrsgestaltung – wie Verkehrsverlagerung und Verkehrsvermeidung – zu erörtern. In der Diskussion stehen aber auch konkrete verkehrspolitische Entscheidungen – der EG-Verkehrsministerratsbeschluß vom 19.6.93 und die von der Bundesregierung beschlossene Aufhebung der Frachttarife zum 1.1.94 – hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Güterverkehrs und der damit verbundenen ökologischen Effekte. Schließlich sollen betriebliche Beispiele einer umweltbewußten Transportgestaltung vorgestellt werden, die neue Ideen aufzeigen, konzeptionelle Entwürfe auf ihre Realisierbarkeit hin überprüfen und zugleich wichtige Anhaltspunkte für die erforderlichen politischen Rahmensetzungen liefern können. In diesem Zusammenhang untersucht ein abschließend darzustellender verkehrswissenschaftlicher Beitrag Bereit-

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schaft und Motive für ein Umweltengagement von Spediteuren und Verladern und stellt Elemente eines umweltbewußten Transportmanagements vor.

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2. Möglichkeiten und Grenzen der Verkehrsverlagerung



2.1 Ökologische Ausgangslage der Verkehrsträger und offensive Umweltschutzstrategien der Schiene

Aufgrund ihrer individuellen Umweltbelastungen haben die verschiedenen Verkehrsträger ein unterschiedliches ökologisches Image. So ist der Lkw-Verkehr ein Infrastruktur-, energie- und schadstoffintensives Transportsystem, das zunehmend unter öffentlichen Druck gerät. Die bisherigen Ansprüche im Güterverkehr nach Schnelligkeit, geringen Kosten, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit werden zunehmend durch die Ansprüche nach Umweltverträglichkeit und Übernahme der sozialen Kosten ergänzt. Eine Lösung verspricht man sich deshalb von einer Übertragung von Transporten auf umweltfreundlichere bzw. umweltverträglichere Verkehrsträger.

Der schlechten Bewertung des Lkw steht die Einschätzung der Bahn als Verkehrsträger mit hohem ökologischen Niveau gegenüber. Die systembedingten Umweltvorteile der Bahn basieren im wesentlichen auf der Möglichkeit zu einer energie- und schadstoffarmen Durchführung der Transportleistungen, die aus ihrer Spurführung sowie dem geringen Rollwiderstand Rad/Schiene resultiert.

Neben den bestehenden ökologischen Vorteilen gibt es weitere Möglichkeiten zum Ausbau der Umweltverträglichkeit der Bahn. So sieht sich das Unternehmen Bahn veranlaßt, zu einer "offensiven Umweltschutzstrategie" überzugehen, statt wie bisher immer nur auf ordnungspolitische Maßnahmen zu reagieren. Dieses Umdenken vollzieht sich vor dem Hintergrund der Bahnstrukturreform. [Weitere Informationen über die Bahnstrukturreform enthält der wirtschaftspolitische Diskurs Nr. 48 der Friedrich-Ebert-Stiftung "Die deutschen Eisenbahnen vor einem Neubeginn – Gelöste Sanierungsaufgaben und notwendige Ergänzungen der Bahnstrukturreform", Bonn 1993.]
Mit der Umwandlung der

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Deutschen Bahnen in die Deutsche Bahn AG sollen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, um als wettbewerbsorientiertes Unternehmen auf dem Verkehrsmarkt zusätzliche Marktanteile zu gewinnen. Aufgrund ihrer "Umweltfreundlichkeit" sieht die Bahn hier große Chancen. In diesem Zusammenhang wurde im Oktober 1993 von den Vorständen von Bundesbahn und Reichsbahn ein Beschluß zur Neuordnung des Umweltschutzes gefaßt. Darin ist neben dem betrieblichen Umweltschutz im Sinne der Reinhaltung von Boden, Wasser und Luft eine "Hinwendung zum produktbezogenen Umweltschutz" festgeschrieben. Der komparative Konkurrenzvorteil der Bahn – ihre Umweltverträglichkeit – soll auf diese Weise wirksam in den Wettbewerb eingebracht werden.

Eine Analyse der bisherigen Umweltschutzpraxis bei der Bahn hat ergeben, daß es an einer zentralen Koordinierung der umweltschutzbezogenen Aktivitäten der einzelnen Mitarbeiter und Fachbereiche fehlt. Die Einrichtung eines "Bahn-Umwelt-Zentrums" soll diesen Mangel beheben. Seine Aufgabe liegt in der Initiierung und Steuerung der Umweltstrategie der Bahn, in Koordinierungs- und Controlling-Aufgaben. Der Aufbau eines "Umwelt-Informations-Systems" zielt auf die Bereitstellung der Datenbasis, die für die Entscheidungsbildung des Managements erforderlich ist.

Neben der Durchführung von strukturellen und organisatorischen Maßnahmen werden auch konkrete Umweltziele formuliert. Mit einem "Energiesparprogramm" soll

  • über eine höhere Auslastung der Fahrzeuge,

  • über einen flüssigeren Betriebsablauf und

  • über Verbesserungen der Fahrzeugstruktur

eine Senkung des spezifischen Energieverbrauchs um 25 Prozent bis zum Jahre 2005 erreicht werden. Weitere Zielsetzungen für eine umweltverträglichere Transportgestaltung sind:

  • Minderung von Schadstoffemissionen, insbesondere CO2;

  • Minderung der Lärmemission um 5 dB, insbesondere im Güterverkehr;

  • Senkung des Abfallaufkommens, insbesondere Reduzierung des Sondermülls um 50 Prozent;

  • Erhöhung der Recyclingrate bei Schienenfahrzeugen auf 90 Prozent.

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Verstärkte Orientierungen der bahninternen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf umweltrelevante Themen unterstützen diese Bemühungen.

Mit diesen aktiven Beiträgen zu einem umweltverträglicheren Gütertransport, die ergänzend zu den Infrastrukturinvestitionen, dem Kapazitätsausbau und der Bahnstrukturreform geplant sind, soll die Wettbewerbsposition der Bahn gestärkt werden. Dementsprechend zielt die "Hinwendung zum produktbezogenen Umweltschutz" auf die Wahrnehmung von Marktchancen. Die aktive Nutzung systembedingter Umweltvorteile kann zugleich aber auch als Beitrag zur umweltbewußten Gestaltung des Verkehrs vermarktet werden.

Auch die nichtbundeseigenen Eisenbahnen berufen sich auf ihre Umweltvorteile. Fahrzeug, Fahrweg und Technik am Fahrweg bieten in Verbindung mit der rechnergestützten Organisations- und Kommunikationstechnik des Fahrbetriebes aus Sicht der NE-Bahnen "ökologisch günstigste Voraussetzungen" für den Gütertransport auf der Schiene. Zusätzliche technische Maßnahmen für eine umweltbewußte Transportgestaltung werden im Rahmen von Rationalisierungsmaßnahmen, vor allem bei der Einsparung von Primärenergie, erbracht. Dazu der Vertreter des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen VDV: "Der Nutzen dieser Aufwendungen wird im eingesparten Dieselkraftstoff deutlich, d.h. Ökologie und Ökonomie schließen sich hier nicht aus, sondern ergänzen sich äußerst vorteilhaft."

Die Bemühungen hinsichtlich Schadstoffreduzierung und Alternativenergien müssen aus Sicht des VDV als "zur Zeit erfolglos" angesehen werden. Technische Vorkehrungen am Fahrzeugpark können aber bisher wassergefährdende Schmierstoffe und andere Betriebsmittel ersetzen. Ebenso wird auf diesem Wege die Reduzierung von Lärmemissionen erreicht.

Durch Technik am Fahrweg in Gestalt von Weichenstell- und Signaltechnik, Zug- und Rangiersprechfunksystemen sowie Funkfernsteuereinrichtungen wird eine Verminderung der Fahrten bzw. Fahrzeugbewegungen erzielt, wodurch neben anderen Unverträglichkeiten Lärm- und Abgasemissionen vermieden werden.

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Nicht nur bei der Schiene, sondern auch bei der Binnenschiffahrt lassen sich ökologische Vorteile gegenüber dem Verkehrsträger Straße anführen: Das Binnenschiff weist die geringsten Lärm- und Schadstoffemissionen auf, bietet eine hohe Sicherheit bei Gefahrguttransporten, und der Ausbau der Wasserstraße ist umweltverträglicher (keine Flächenversiegelung, geringerer Flächenverbrauch). Darüber hinaus kann das Binnenschiff große Mengen kostengünstig transportieren; das Wasserstraßennetz ist zwar am weitmaschigsten, jedoch verfügen drei Viertel aller Großstädte über einen Anschluß an den Wasserweg; und vor allem ist das Binnenschiff der einzige Verkehrsträger, der erhebliche Kapazitätsreserven – 25 bis 30 Prozent – hat. Statt schnell ist es zuverlässig und pünktlich. Damit eignet es sich für just-in-time-Belieferungen, bei denen die Pünktlichkeit wichtiger ist als die Transportschnelligkeit. Bei entsprechender logistischer Disposition ließe sich also viel Verkehr von der Straße holen.

Solchen Vergleichen hält der Bundesverband des Deutschen Güterfernverkehrs (BDF) entgegen, daß Vorurteile in der Öffentlichkeit gegenüber dem Lkw ausgeräumt werden müßten. Einen umweltfreundlichen Verkehrsträger a priori gebe es nicht. Es komme darauf an, was wann in welcher Menge wohin transportiert werde. So kämen etwa die Vorteile der Schiene erst durch Bündelung von Einzelladungen in Ganzzügen im Fernverkehr zum Tragen. Zudem verbrauche laut "Grünbuch" der EG-Kommission ein 38-Tonnen-Lkw nach EG-Umweltnormen bei 70prozentiger Auslastung nicht mehr Energie als die Eisenbahn. Im übrigen müsse eine Umweltbilanz der Bahn den unerläßlichen Vor- und Nachlauf mit dem Lkw miteinbeziehen.

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2.2 Substitution versus Kooperation im Güterverkehr

In fast allen Konzepten zur Verringerung der Umweltbelastungen durch den Güterverkehr wird der Verkehrsverlagerung eine zentrale Bedeutung beigemessen. Ausgangspunkt ist dabei die zunehmende Überlastung der Straße, die sich in der Verschiebung des modal split, d.h. der Anteile der einzelnen Verkehrsträger am gesamten Güterverkehrsaufkommen, widerspiegelt: Im Zeitraum 1972 bis 1992 ist bei den Eisenbahnen ein

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Rückgang von 30 auf 18 Prozent und bei der Binnenschiffahrt von 20 auf 17 Prozent festzustellen. Demgegenüber stieg der Anteil des Straßengüterverkehrs von 40 auf 60 Prozent. Daß die traditionellen Massengutverkehrsträger Eisenbahn und Binnenschiff an Transportanteilen verlieren, hängt eng mit neuen Produktionskonzepten und logistischen Rationalisierungsstrategien zusammen. Die mit dem ökonomischen Strukturwandel verbundenen qualitativ neuen Transportansprüche scheint der Lkw besser zu erfüllen.

Der Geschäftsführer eines ökologisch orientierten Logistikunternehmens unterstreicht, daß umweltfreundlicher Transport erst durch die Verdichtung der Ladungen und durch Vernetzung der Verkehrsträger zu erreichen sei, und fügt hinzu: "Ohne Lkw ist gar nichts möglich." Auch der Vertreter der deutschen Binnenschiffahrt bestätigt: "Der Lkw ist unverzichtbar für die deutsche Binnenschiffahrt." Im Vor- und Nachlauf bediene sich das Binnenschiff zu 85 Prozent des Lkw.

Diese Position läßt bereits die Grenzen von Verlagerungsstrategien erkennen. Deutlich werden solche Beschränkungen vor allem mit Blick auf den Güternahverkehr. Drei von vier in Deutschland beförderten Tonnen laufen im Nahverkehr, bei dem es in der Regel keine Alternative zum Lkw gibt. Während die Verlagerung auf die Schiene und insbesondere auf den Kombi-Verkehr im Güterfernverkehr ein großes Potential darstellt und heute bereits wirtschaftlich ist, sind im Nahverkehr die Möglichkeiten zur Verlagerung von der Straße eng begrenzt. Den systembedingten Umweltvorteilen von Bahn und Binnenschiff im Fernverkehr stehen im Nahverkehr die Stärken des Lkw – Schnelligkeit und Flexibilität – gegenüber. Der Güterverkehr in den Ballungsräumen muß mit anderen Konzepten der Umweltentlastung effizienter gestaltet werden. Unter Einsatz von integrierten Systemen der Citylogistik ist die Kapazitätsauslastung und damit die Vermeidung überflüssiger Fahrten anzustreben. [Vgl. Kapitel 3.1] Der Leiter der verkehrspolitischen Grundsatzabteilung im Bundesministerium für Verkehr sieht hier die Grenzen der Verlagerung besonders eng gezogen: "Ich warne davor, nur über Verlagerungsstrategien zu reden. Wer sich morgens für das frische Brötchen entscheidet, entscheidet sich für den Lkw."

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Verkehrsverlagerungsstrategien müssen sich also im wesentlichen auf den Güterfernverkehr konzentrieren. Hier werden die Verlagerungspotentiale im Transitverkehr besonders augenfällig. Pro Jahr rollen – nach Angaben des BDF – von und nach Skandinavien ca. 590.000 Lastzüge über die deutschen Fernstraßen, ganze 5 Prozent davon fahren im kombinierten Verkehr Straße/Schiene. Im Transit mit den Benelux-Staaten sind es pro Jahr rund 800.000 Lastzüge, und nur 3 Prozent fahren im kombinierten Verkehr.

Die Verschiebung von Gütertransporten von der Straße auf Bahn und Wasserweg ist nicht im Sinne eines "entweder-oder" zu verstehen, sondern sollte immer unter dem Aspekt der Kooperation aller Verkehrsträger erfolgen. Dabei sind die jeweiligen Transporterfordernisse und die spezifische Eignung der Träger aufeinander abzustimmen.

Daß die Vertreter von Bahn und Binnenschiffahrt von der Politik den vorrangigen Ausbau der Infrastruktur für ihre Verkehrsträger fordern, um damit eine wichtige Voraussetzung für die Güterverlagerung zu schaffen, versteht sich. Die Investitionen des Straßengüterfernverkehrs in den Ausbau des kombinierten Verkehrs Straße/Schiene machen aber deutlich, daß auch dieser Verkehrsträger Vorteile in Verkehrsverlagerungen auf die Schiene sieht. Nach Angaben des BDF konnten 1992 knapp 800.000 Lastzugeinheiten von der Straße auf die Schiene gebracht werden. In diesem Zusammenhang werden die begrenzten Kapazitäten der Bahn beklagt: "Wir kriegen in den kombinierten Verkehr nichts mehr rein." Wenn auch einschränkend darauf hingewiesen wird, daß der Schienenverkehr in einer "rationalen Bestandsaufnahme" keine grundlegenden ökologischen Vorteile gegenüber dem Straßenverkehr aufzuweisen habe, so zeigt sich der BDF einer "ökonomisch und gleichermaßen ökologisch sinnvollen Aufgabenteilung" keineswegs abgeneigt. Nur wenn ein Konsens aller Verkehrsträger gefunden werde, könne auch mit Umweltentlastungen gerechnet werden.

Demgegenüber sieht sich die Binnenschiffahrt in einer bisweilen scharfen Konkurrenz zur Bundesbahn. Diese Wettbewerbssituation resultiert daraus, daß beide Verkehrsträger über ähnliche Systemvorteile verfügen, die in der Beförderung von Massengütern über lange Strecken zum Tragen kommen. In diesem Zusammenhang kritisiert der Vertreter der Binnenschiffahrt die

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letztlich für beide Seiten "ruinöse Wettbewerbspolitik" der Bahn. Jedesmal wenn ein Kanal fertiggestellt wurde, habe die Bundesbahn ihre Frachttarife – nicht kostendeckend – auf das Niveau der Binnenschiffahrt gedrückt. Von einer reformierten Deutschen Bahn AG, die ihre Transportkosten durch Erlöse decken soll, erhofft man sich eine größere Bereitschaft zu einer für beide Partner nützlichen Kooperation.

Eine solche Zusammenarbeit ist vor dem Hintergrund der Kapazitätsengpässe unausweichlich. Insbesondere im Container-Verkehr bestehen hierfür bereits heute, vor allem aber in Zukunft große Chancen. Auch mit dem Lkw gibt es eine Zusammenarbeit in Gestalt des "Huckepackverkehrs" bzw. der "schwimmenden Landstraße". Insgesamt ist die Binnenschiffahrt aber der Auffassung, daß eine – grundsätzlich zwar "hilfreiche" – Kooperation zwischen den Verkehrsträgern weder zur Lösung von Stauproblemen auf der Straße noch zur Entlastung der Umwelt führe. Wirksamer wäre es, das Verlagerungspotential insbesondere von der Bahn auf das Binnenschiff zu nutzen. Hierdurch entstünden bei der Bahn frei Kapazitäten, die dann zur Übernahme von Straßentransporten eingesetzt werden könnten. Damit entspreche diese Strategie der verkehrspolitischen Forderung nach einer Entlastung von Schiene und Straße. Solche Verlagerungen sind unter den derzeitigen Marktbedingungen bisher aber noch nicht in größerem Umfang erfolgt – weder von der Straße auf die Schiene, noch von Schiene und Straße zum Binnenschiff. Ausschlaggebend hierfür ist nach Auffassung des Bundesverbandes der Binnenschiffahrt, daß bislang der Verkehrsinfarkt der Straße noch nicht stattgefunden hat und jeder Lkw immer noch sein Ziel erreicht. Solange dies der Fall sei und die Transportkosten in Relation zum Wert der beförderten Güter kaum eine Rolle spielen, könne nicht mit einer Änderung des modal split gerechnet werden.

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2.3 Stärkung der Wettbewerbsposition der umweltverträglicheren Verkehrsträger

Obwohl also durchaus zum einen Verlagerungspotentiale – insbesondere im Fernverkehr – bestehen und andererseits bei allen Verkehrsträgern Interesse an der Verlagerung sowie Bereitschaft zu einer verstärkten

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Zusammenarbeit festzustellen ist, werden die Verlagerungsmöglichkeiten nur in Ansätzen genutzt, oder es ist gar die gegenläufige Entwicklung im Sinne einer weiteren Verschiebung des modal split zugunsten der Straße zu beobachten.

Die Hauptursache dafür wird allgemein in der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit von Bahn und Binnenschiff erkannt. Der Lkw bietet neben nahezu universaler Ersetzbarkeit mehr Flexibilität und Schnelligkeit, die das ungünstigere Abschneiden bei den Transportpreisen mehr als aufzuwiegen scheinen. Nach Angaben eines Logistikunternehmers betragen die Kosten für eine Tonne beförderter Ware beim Schiff 3,5 Pfennig pro Kilometer, bei der Bahn 12,5 Pfennig, und für die Straße muß man 23,5 Pfennig veranschlagen. Die Leistungsangebote von Bahn und Schiff sind also offensichtlich nicht so attraktiv, daß sie sich gegen die teurere, aber attraktivere Straßenbeförderung durchsetzen könnten. Neben längeren Laufzeiten vor allem beim Binnenschiff, die jedoch, wie schon erwähnt, durch eine längerfristige Warenein- und -ausgangsplanung keinen Nachteil darstellen müssen, erweisen sich vor allem Defizite in den infrastrukturellen Voraussetzungen – insbesondere nicht ausreichende Kapazitäten bei der Bahn – als qualitativer Mangel. Aber auch fehlende Verkehrsträger-Schnittstellen in Form von Güterverkehrszentren und fehlende Schienenanbindungen von Produktionsstätten und Gewerbegebieten fallen bei der Entscheidung zugunsten des Verkehrsträgers Straße ins Gewicht.

Es besteht weitgehende Übereinstimmung darüber, dass es allein mit zusätzlichen Investitionen bei den umweltverträglicheren Verkehrsträgern nicht getan ist. Die Stärkung ihrer Wettbewerbsposition mit dem Ziel der Übernahme von mehr Gütertransporten erfordert weitere Maßnahmen. Auch vom Preis her muß ein deutlicher Anreiz bestehen, sich für die Bahn oder das Binnenschiff als Transportmittel zu entscheiden. Durch die Anlastung nicht nur der Wegekosten, sondern auch der jeweils verursachten Umweltkosten bei den Verkehrsträgern kann das Preisgefüge für Gütertransporte zugunsten von Bahn und Binnenschiff korrigiert werden.

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2.3.1 Ausbau der Infrastruktur von Schiene und Wasserstraße, Bahnstrukturreform

Zur Schaffung von infrastrukturellen Voraussetzungen für eine Verkehrsverlagerung von der Straße sollen die investitionspolitischen Maßnahmen zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsträger im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 1992 beitragen. Nach den Angaben des Vertreters des Bundesverkehrsministeriums sind zum Ausbau der Schieneninfrastruktur erstmals mehr Investitionen als für Bundesfernstraßen geplant. Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen für den Aus- und Neubau der Bundesverkehrswege im "vordringlichen Bedarf" bis zum Jahre 2012 rund 242 Mrd. DM. Davon entfallen auf das Schienennetz von Deutscher Bundesbahn und Reichsbahn rund 118 Mrd. DM, auf Bundesfernstraßen 108 Mrd. DM, und für Bundeswasserstraßen sind rund 16 Mrd. DM vorgesehen. Daneben stellt die Vernetzung der Verkehrsträger einen neuen Schwerpunkt des Bundesverkehrswegeplans dar: Ausbau des kombinierten Verkehrs zur Verlagerung im Fernverkehr, Errichtung von Güterverkehrszentren an der Nahtstelle vom Nah- zum Fernverkehr sowie die Einbeziehung in das Terminalnetz des kombinierten Verkehrs.

Nach Auffassung der stellvertretenden verkehrspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion reichen diese Infrastrukturentscheidungen bei weitem nicht aus, um die angestrebte Güterverkehrsverlagerung zu fördern. Im Gegenteil setze der Bundesverkehrswegeplan 1992 die Begünstigung der Straße weiter fort. Nur massive Investitionen in die Schiene könnten die jahrelange Bevorzugung der Straßen bei den staatlichen Infrastrukturinvestitionen ausgleichen. Auch der Vertreter des BUND kann im Bundesverkehrswegeplan nur ein "Fortschreiben des tradierten autoorientierten Mobilitätsmodells" erkennen.

Über die investitionspolitischen Maßnahmen hinaus soll die Strukturreform der Bahn neue Marktanteile sichern. Das bisher als öffentlich-rechtliche Behörde organisierte Unternehmen wird in ein privates Unternehmen überführt. Hinzu kommt die Öffnung der Schienenwege für private Anbieter, was mehr Wettbewerb bringen soll. Durch die Trennung von Fahrweg und Betrieb und die Abgeltung der Infrastrukturkosten über Nutzungsentgelte

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wird der Betrieb des Systems Schiene vom Fixkostenblock der Infrastruktur befreit; dies soll zu einer deutlichen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Bahn beitragen.

Auch die Vertreterin der SPD erhofft sich von der Verknüpfung von Privatisierung und öffentlicher Infrastrukturverantwortung, daß mehr Güter mit der Bahn befördert werden können. Dabei gelte es auch, die Chancen von schienengebundenen Gütertransporten im Nahbereich zu prüfen. Die Möglichkeiten, hier Güter von der Straße zu nehmen, werden jedoch insgesamt als gering eingeschätzt.

2.3.2 Anlastung der externen Kosten nach dem Verursacherprinzip

Aus der Sicht von Umweltschutzverbänden und auch der SPD ist der Verkehrssektor allgemein und insbesondere der Güterverkehr noch weit von einer objektiven Kostenanlastung entfernt. Die Preise für Verkehrsdienstleistungen spiegeln vor allem die indirekt vom Güterverkehr erzeugten Folgekosten, die durch die vielfältigen Umweltbelastungen, aber auch durch Verkehrsunfälle entstehen, bisher noch nicht wider. Dies hat auch die EG-Kommission in ihrem "Weißbuch" zur künftigen Entwicklung der Gemeinsamen Verkehrspolitik anerkannt.

Ein Vertreter des Verbandes der Automobilindustrie ist dagegen der Auffassung, daß im Straßenbereich heute bereits die externen Kosten gedeckt werden. Für den Straßenverkehr würden 30 Mrd. DM ausgegeben, denen Steuereinnahmen von 70 Mrd. DM gegenüberstünden. Mit 40 Mrd. DM trage der Straßenverkehr also zur Deckung der externen Kosten bei. Demgegenüber werde die Bahn bereits bei den internen Kosten subventioniert. Ein Mitglied der Gesellschaft für rationale Verkehrspolitik macht dagegen eine gänzlich andere Rechnung auf: Allein die Unfallfolgekosten im Straßenverkehr betrügen jährlich 30 Mrd. DM. Darüber hinaus seien aber auch Parkplatzkosten bei Bauvorhaben in die Kostenbilanz einzubeziehen. Hierfür zahle der Steuerzahler über 100 Mrd. DM. Hinzu kämen noch die ökologischen Folgekosten. Insgesamt betrachtet gehöre der Straßenverkehr also zu den am höchsten subventionierten Bereichen.

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In der "Kostenwahrheit", d.h. in der Anlastung aller Kosten beim jeweiligen Verkehrsträger nach dem Verursacherprinzip erkennt die Vertreterin der SPD den "zentralen Dreh- und Angelpunkt einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Verkehrspolitik". Dies gelte insbesondere für den Gütertransport. Nur bei voller "Kostenwahrheit" könne der Transportfaktor zu einem wirklichen Faktor bei Wirtschaftsentscheidungen werden. Nur dann könnten alle Verkehrsträger in einen gleichberechtigten Wettbewerb miteinander treten, bei dem jeder seine Möglichkeiten und Vorteile optimal anbieten könne. Richtig sei zwar einerseits, daß kein Verkehrsträger bei voller Anlastung der externen Kosten billiger würde. Auf der Basis eines alle Kosten berücksichtigenden Preisgefüges würde andererseits aber auch die Schiene gegenüber der Straße konkurrenzfähig.

Nach Ansicht der SPD-Bundestagsfraktion muß die Realisierung der "Kostenwahrheit" ergänzt werden durch eine besondere Förderung von Bahn und Binnenschiff, um eine Verkehrsverlagerung zu erreichen. Dabei ist man sich durchaus bewußt, daß dies zunächst im Widerspruch zur Forderung nach voller Kostenanlastung steht. Ein zeitlich befristeter Verzicht auf die volle Kostendeckung bei Schiene und Wasserstraße wird aber als nötig erachtet, um den modal split aktiv zugunsten dieser Verkehrsträger zu verschieben.

Während sich die Einsicht in die Notwendigkeit einer Internalisierung der durch die Umweltbelastungen entstehenden ökologischen Folgekosten allmählich durchsetzt, gibt es tiefgreifende Meinungsunterschiede darüber, was im einzelnen als externe Kosten anzurechnen ist, sowie darüber, ob die Folgekosten zuverlässig zu ermitteln bzw. wie hoch sie anzusetzen sind. In wissenschaftlichen Gutachten werden Beträge in der Größenordnung zwischen 50 und 223 Mrd. DM jährlich genannt. Die von Lkw, Bahn oder Binnenschiff ausgehenden Umweltbelastungen sind unterschiedlich hoch. Nach einer Studie des Planco-Instituts/Essen belaufen sich die externen Kosten der Umweltbeanspruchung bezüglich Luftverschmutzung, Umweltschäden, Lärm-, Boden- und Wasserbelastung beim Binnenschiff auf 0,35 DM, bei der Eisenbahn auf 1,15 DM und beim Lkw auf 5,01 DM je 100 Tonnenkilometer.

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Für den Vertreter des Bundesverkehrsministeriums sind die Schwierigkeiten bei der Quantifizierung ein Grund dafür, warum eine konsequente Kostenanlastung derzeit nicht machbar sei. Im übrigen erfordere sie ebenso die Quantifizierung des externen sozialen Nutzens des Straßenverkehrs. Erst die Abwägung von beidem könne die fundierte Basis für eine politische Entscheidung bieten. Doch auch hier gebe es keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse.

Die stellvertretende verkehrspolitische Sprecherin der SPD kann in den Quantifizierungsproblemen keinen Hinderungsgrund für die Anlastung der externen Kosten erkennen. Man müsse sich nur zusammensetzen und einigen, was dabei anzurechnen sei. Es komme nicht auf eine wissenschaftlich exakte Bezifferung der Folgekosten an, die wohl nie zu erreichen sei – wichtiger sei, daß angesichts der sich verschärfenden Verkehrs- und Umweltprobleme endlich ein Anfang gemacht werde.

Auch der Vertreter des BDF wendet sich nicht gegen eine Anlastung der Wegekosten bei den Verkehrsträgern, zieht aber einem "ökonomisch ziellosen Preiskampf um die Tonne" eine "volkswirtschaftlich sinnvolle Arbeitsteilung und die optimale Koordination der Verkehrsträger" vor. Eine extreme Verteuerung der Verkehrsleistungen sei letztlich eine Politik gegen den Bürger, weil allein er die erhöhten Kosten zu tragen hätte.

Die Vertreter von Bahn und Binnenschiffahrt gehen davon aus, daß die Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene bzw. auf den Wasserweg bei der gegenwärtigen Preisgestaltung nicht zu realisieren sei. Bei der Auswahl des Transportmittels spiele die Umweltverträglichkeit gegenüber Schnelligkeit und geringen Kosten nur eine sehr untergeordnete Rolle. Vorteile wie Sicherheit, Zuverlässigkeit und Umweltfreundlichkeit könnten aufgrund der verzerrten Preise nur unzureichend auf dem Verkehrsmarkt geltend gemacht werden. Denn Umwelt habe noch nicht ihren Preis. Insbesondere der Straßenverkehr, von dem der Großteil der Belastungen für die Umwelt ausgehe, sei zu billig. Von daher schließen sich die Vertreter beider Verkehrsträger der Forderung an, daß die tatsächlichen Kosten, also auch die Wegekosten und andere externe Kosten den Verkehrsträgern anzulasten seien, sonst würden weiterhin betriebswirtschaftliche zu volkswirtschaftlichen Kosten umgewandelt.

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Eindringlich wird an die Politik appelliert, den Einsichten endlich Taten folgen zu lassen. Die flankierenden Maßnahmen zur Verteuerung des Straßenverkehrs im Sinne einer Anlastung der externen Kosten müßten endlich ergriffen werden, um die Güterströme in die Richtung zu lenken, die von der Politik für richtig erkannt werde. Dazu der Vertreter der Binnenschiffahrt: "Wir hören jeden Tag neue Sonntagsreden, in denen die Binnenschiffahrt gelobt wird als umweltfreundlicher Verkehrsträger."

Demgegenüber richtet die Bundesregierung ihre preispolitischen Maßnahmen auf eine behutsame "marktverträgliche" Erhöhung der Mineralölsteuer. Damit sollen die Finanzierung der Bahnreform ermöglicht und Anreize für die Entwicklung umweltfreundlicher Kraftfahrzeuge mit geringerem Kraftstoffverbrauch gegeben werden.

Zugleich bringt der Vertreter der Bundesregierung deutliche Vorbehalte zum Ausdruck. Es sei durchaus fraglich, inwieweit die Mineralölsteuererhöhung eine konsistente Strategie bei der Umsetzung ökologischer Ziele im Güterverkehr sein könne. Da die Entwicklung der Mineralölpreise aufgrund nicht kontrollierbarer Einflußfaktoren bisher in heftigen Sprüngen verlaufen sei, könne der Kraftstoffpreis keine auf Dauer verläßlichen Rahmendaten setzen. Dennoch sei in der Zukunft tendenziell mit einer Verteuerung des Kraftverkehrs zu rechnen, um den Zielkonflikt zwischen Verkehr und Umwelt längerfristig zu lösen.

Daneben sieht die Bundesregierung die Umwandlung der Kfz-Steuer für Lkw in eine emissionsbemessene Steuer vor. Diese Abgabe soll in Abhängigkeit von der Schadstoffintensität unterschiedlich stark gegenüber dem derzeitigen Niveau abgesenkt werden.

Die Einführung einer zeitbezogenen Autobahnbenutzungsgebühr [Auf die Einbindung der preispolitischen Maßnahmen der Bundesregierung in die Verkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaft geht Kapitel 4 ein.] für schwere Lkw ab 1995 werde erstmals den Einstieg in eine gerechte Anlastung der Wege- und damit auch der Umweltkosten für ausländische Lkw ermöglichen. Die Einführung von elektronisch erhobenen, nutzungsabhängigen Straßenbenutzungsgebühren (road-pricing) ab 1998 führe dann

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durch eine Anlastung der wirklich gefahrenen Kilometer zu einer noch konsequenteren Umsetzung des Verursacherprinzips im Bereich des Straßenverkehrs.

Die SPD-Vertreterin bezweifelt, ob das road-pricing vom Investitions- und Verwaltungsaufwand her vertretbar ist. Darüber hinaus sei hier mit Datenschutzproblemen zu rechnen. Als die bessere Lösung empfiehlt sie einen Maßnahmen-Mix: Mineralölsteuererhöhung und für Lkw zusätzlich eine detaillierte Erfassung aller Fahrten mit Hilfe elektronischer Fahrtenschreiber als Basis für eine individuelle Anlastung der externen Kosten. Angesichts der sich verschärfenden Verkehrs- und Umweltprobleme sei entscheidend, daß diese Instrumente wesentlich schneller zur Verfügung stünden.


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