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3 Eckpunkte der Reformansätze der Bundesregierung




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3.1 Ziel und Inhalt der Reform

Durch die Reform wird das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 aufgehoben und soll durch ein neues Gesetz ersetzt werden. Die Sonderregeln für Strom und Gas im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 103 und 103 a GWB) werden gestrichen. Strom und Gas werden damit ebenfalls den für die übrigen Wirtschaftszweige geltende Wettbewerbsregeln unterworfen. Es wird kein spezieller Durchleitungstatbestand geschaffen.

Hauptziele der Reform sind

  • Beitrag zu wettbewerbsfähigen Preisen für Strom und Gas durch verschärften Wettbewerb,
  • Beitrag zu Deregulierung und Abbau von Bürokratie (insbesondere durch Abschaffung der speziellen energiewirtschaftlichen Investitionsaufsicht),
  • Vorteile für Umweltschutz durch höhere Effizienz und Erleichterung insbesondere der industriellen Eigenerzeugung von Strom in Kraft-Wärme-Kopplung.


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3.2 Diskussion der Reform für den Strombereich

Nachfolgend sollen die Auswirkungen der Reform für den Strombereich diskutiert werden. Die Beschränkung auf den Strombereich ist sinnvoll, da die Elektrizitätswirtschaft eindeutig im Vordergrund steht. Es ist aber auch einfacher, die Diskussion auf einen Energieträger zu reduzieren. Diese Reduzierung der Diskussion darf aber nicht darüber hinweg täuschen, daß auch bei Gas erhebliche Rationalisierungsreserven vorhanden sind. Diese Reserven liegen besonders auf der Verteilerstufe, wenn man die Grenzübergangspreise und die Kosten für den Verbraucher gegenüberstellt.

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3.3 Unternehmensstruktur der Elektrizitätswirtschaft

Die überregionale Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland wird von neun Verbundunternehmen, die sich in der Deutschen Verbundgesellschaft (DVG) zusammengeschlossen haben, durchgeführt. Eine große Zahl von Regionalversorgern, Stadtwerken und Lokalunternehmen sind für die weitere Verteilung des Stroms verantwortlich. Alle diese Unternehmen sind Monopolisten, d.h. sie haben einen geschützten Bereich bzw. ein geschlossenes Versorgungsgebiet, rechtlich abgesichert durch Gebietsabgrenzungen, Gebietsabsprachen und durch ausschließliche Wegerechte. In einer Gemeinde darf jeweils nur ein Unternehmen, Stadtwerke oder Regionalversorger oder Verbundunternehmen, die Versorgung durchführen. Für den Verbraucher bedeutet dies ausgeliefert sein an einen Lieferanten, der ohne staatliche Aufsicht mit ihm machen könnte was er wollte. Die staatliche Aufsicht ist jedoch in ihrer Funk-

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tionsfähigkeit als schwach und unvollkommen zu bewerten. Sie ist in den jeweils zuständigen Institutionen der Länder personell nur schwach ausgestattet und kann das Ziel Verbraucherschutz nur bedingt erreichen.

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3.4 Verbraucherschutz als Ziel der Reform

Das Ziel der Reform ist es, im Interesse der Abnehmer die Monopolstrukturen aufzubrechen und den Grundsatz des geschlossenen Versorgungsgebietes zu beseitigen. Im Gegensatz zu der aktuellen Situation soll zukünftig jeder die Möglichkeit haben sich alternativ versorgen zu lassen. Diesem Ziel dient die Abschaffung der § 103 und 103a GWB, das bedeutet die Etablierung eines Verbotes für Gebietsabsprachen und ausschließliche Wegerechte. Zukünftig wird ein Versorgungsgebiet nicht mehr rechtlich geschützt sein, sondern kann sowohl über das vorhandene Netz als auch über Direktleitungen durch Dritte erreicht werden. Der Verbraucher erhält mehr Auswahlmöglichkeiten.

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3.5 Abbau der Länderaufsicht

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung beinhaltet also die Abschaffung der beiden genannten GWB-Bestimmungen bzw. eine Modernisierung des Energiewirtschaftsgesetzes durch Deregulierung.

Gleichzeitig soll durch die Abschaffung von § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes die Aufsicht der Länder reduziert werden. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Steuerung der Länder im Bereich Energieträger nicht das geeignete Mittel z. B. zur Reduzierung der CO2Belastung. Die Bundesregierung setzt hier auf Regulierungsmöglichkeiten in einem generelleren Rahmen.

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3.6 Zukünftige Wettbewerbsinstrumente

Zwei Instrumente sollen in der Zukunft den Wettbewerb gewährleisten:

  • die Durchleitung, d.h. die Benutzung des vorhandenen Netzes durch Dritte
  • der freie Leitungsbau, d. h. die Anlage ganz neuer Leitungen.

Hierbei soll der freie Leitungsbau allerdings mehr als Anreiz dienen, die Nutzung des Netzes durch Dritte auf freiwilliger Basis zu ermöglichen. Der Bau neuer Leitungen über größere Entfernungen ist völlig unwirtschaftlich, u.a. da häufig keine optimale Nutzung dieser neuen Leitung gewährleistet wäre. Die Bundesregierung rechnet lediglich mit dem Bau einiger neuer Stichleitungen.

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3.7 Kostensenkung als Ziel des Wettbewerbes

Ausdrückliches Ziel des Wettbewerbes ist die Kostensenkung. Obwohl es bereits heute umfangreiche Kostensenkungsprogramme gibt, bleiben angesichts der Bilanzen der großen Unternehmen Zweifel, ob diese Kostenvorteile tatsächlich in ausreichendem Maß dem Kunden zugute kommen. Die Politik dieser Unternehmen erweckt eher den Eindruck, daß die Gewinne ihre Rücklagen bzw. ihre Rückstellungen aufblähen, d.h. die Rationalisierungserfolge erreichen nicht den Kunden. Für den internationalen Wettbewerb sind niedrige Energiepreise eine unbedingte Voraussetzung. Die Behauptung, daß der Energiekostenanteil eines durchschnittlichen Industrieunternehmens nur zwei oder vielleicht drei Prozent beträgt, ist kein Gegenargument. Zur Verbesserung des Produktionsstandortes Deutschland sind alle Kostennachteile zu verhindern. Schließlich gibt es wichtige Wirtschaftszweige wie die Petrochemie bzw. die chemische Industrie allgemein, die einen erheblich höheren Anteil an Strom- und Gaskosten haben.

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3.8 Energiesteuern

Durch die Einführung des Wettbewerbes könnten die Strompreise so niedrig werden, daß der Wille zur Einsparung deutlich sinkt. Energie-Einsparung ist aber der Weg zur Reduzierung von Emissionen, besonders von CO2. Eine Möglichkeit dieser Entwicklung gegenzusteuern ist die Einführung von Energiesteuern. Hierbei kann es sich sowohl um differenzierte oder generelle Steuern als auch eine besondere Umsatzsteuer auf Energie handeln. Eine solche Besteuerung hätte das Ziel, dasjenige Strompreis- oder Gaspreisniveau einzustellen, das für politisch sinnvoll gehalten wird.

Obwohl das Thema Energiesteuern zur Zeit mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage und den Arbeitsmarkt in der aktuellen Diskussion zurückgestellt wurde, wird es wahrscheinlich in der nächsten Legislaturperiode erneut eine Rolle spielen.

Die Selbstverpflichtungserklärung der Industrie zur Reduzierung von CO2-Emissionen bietet einen aktuellen Anreiz zur Einsparung von Energie. Wird das Ziel dieser Erklärung nicht erreicht, so fühlt sich auch die Bundesregierung nicht an ihre Zusagen, z. B. von der Einführung einer Wärmenutzungsverordnung abzusehen, gebunden.

Die Bundesregierung favorisiert weiterhin das Prinzip der Deregulierung, wenn auch die Frage der Kontrolle des Durchleitungsentgeltes in der weiteren Diskussion um die Gesetzesnovelle eine wichtige Rolle spielen wird.

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3.9 Berücksichtigung von Umweltbelangen

Die Änderung des Gesetzes soll zugunsten der Umwelt wirken. So wird damit gerechnet, daß relativ kurzfristig über 5000 MW Kraft-Wärme-Kopplung zu installieren sind. Hierbei handelt es sich um einen Beitrag nicht nur zur Ressourcenschonung sondern aufgrund der hohen Ausnutzung der Primärenergie auch zur Verminderung der

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CO2-Belastung. Selbstverständlich sind unter dem Aspekt Umweltschutz die industrielle und die kommunale Kraft-Wärme-Kopplung gleich. Ob in den Kommunen tatsächlich noch große Reserven für die Kraft-Wärme-Kopplung vorhanden sind, ist fraglich. Es gibt jedoch noch eindeutig Reserven aus Sicht der Blockheizkraftwerke. Ob es noch in hohem Maße neue Fernwärmegebiete geben wird, muß aus Sicht des Bundes der Markt entscheiden. Hier stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, in einem bereits mit Gas versorgtem Gebiet noch mit Fernwärme konkurrieren zu wollen.

Schließlich wird der schärfere Wettbewerb auch zu Innovationen im Kraftwerkssektor führen.

Die Bundesregierung lehnt jedoch eine Detailregelung für viele Umweltbelange wie die Einführung und Überwachung von Emissionsstandards und die Gestaltung des Raumordnungs- und Naturschutzrechtes im Rahmen des Energiewirtschaftsrechtes nach wie vor ab.

Allerdings sollen einige, jedoch eher marginale Änderungen im Gesetz aufgenommen werden. Ein Beispiel ist die Anerkennung von least-cost-planning Maßnahmen im Rahmen der Preisaufsicht.

Eine dirigistische Steuerung der Energiepolitik auch nach Ökologieaspekten durch die einzelnen Länder lehnt die Bundesregierung jedoch entschieden ab und favorisiert auch unter diesem Aspekt die Abschaffung von § 4 EnWG.

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3.10 Die Position der Kommunen

Eine Strukturgarantie, d. h. die Zusage, daß alle Unternehmen erhalten werden, ist ausgeschlossen. Vielmehr müssen sich zukünftig die gegenwärtig existierenden Strukturen im Wettbewerb bewähren. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß sich auch hier leistungsfähige Unternehmen im Wettbewerb gut behauptet können.

Auf Dauer ist die Position, daß die kommunale Ebene vom Wettbewerb ausgenommen werden könnte, aus Sicht der Bundesregierung nicht haltbar. Ein erheblicher Teil der Großkunden im Strombereich liegt im Bereich von Großstädten. Selbstverständlich ist es ausgeschlossen, zum Schutz der Stadtwerke diese Kunden von den Vorteilen es Wettbewerbes auszuschließen.

Es gibt die Vorschläge, das Modell des Single-Buyers für die Kommunen einzuführen, jede Gemeinde das von ihr favorisierte Modell "Durchleitung" oder "Single-Buyer" wählen zu lassen oder diese Entscheidung sogar auf Vertragsebene zu treffen. Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt und wird noch zwischen der Bundesregierung und den Kommunen diskutiert.

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3.11 Abschließende Betrachtung

Es sind im Rahmen der Bundesrats- und Bundestagsdiskussionen noch Ergänzungen geplant. Hierzu zählen möglich Vorschriften über

  • die Trennung im Management bei vertikal organisierten Unternehmen
  • die Trennung der Rechnungslegung
  • Transparenz bei den Durchleitungsentgelten.

Die für die Bundesregierung mögliche Alternative zur Durchsetzung der Novelle, nämlich die Trennung des Energieteils von dem GWB-Teil der Novelle und die Änderung des Kartellrechtes ohne Zustimmung des Bundesrates, wird zur Zeit nicht in Betracht gezogen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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