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TEILDOKUMENT:


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Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Zwischen den Finanzdienstleistungsunternehmen und ihren Kunden bestehen heute vielfältige Geschäftsbeziehungen, deren Palette vom Girokonto und der Baufinanzierung bis zur Haftpflicht- und Lebensversicherung reicht. Aus ihrer existentiellen Bedeutung für die betroffenen Haushalte ergibt sich zunehmend, daß das Schicksal des einzelnen immer stärker bank- und versicherungsgeprägt ist. Das Potential, in dem sich die Macht der Finanzdienstleistungsunternehmen auswirken kann, ist somit so groß wie nie zuvor. Vor diesem Hintergrund kommt der Frage nach der Rechtsposition des Verbrauchers und seinem Schutz vor eventuellem Machtmißbrauch durch die Finanzdienstleistungsunternehmen eine wachsende Bedeutung zu. Denn die Verbraucher befinden sich gegenüber den Banken und Versicherungen strukturell in einer Position der Abhängigkeit und Unterlegenheit.

Die Situation in der Kreditwirtschaft

Die Kreditwirtschaft unterliegt nach Einschätzung des Vorstandsmitglieds einer Privatbank und des Geschäftsführers des Bayerischen Bankenverbandes schon heute einem umfangreichen gesetzlichen Regelwerk, das den Schutz der Kundeninteressen auf hohem Niveau sicherstellt. In Kombination mit den von den privaten Banken freiwillig eingerichteten Verfahren wie dem Ombudsmann seien die Interessen der Verbraucher ausreichend gewahrt. Nach Einschätzung des Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (BAKred) resultieren die heutigen Probleme in der Kreditwirtschaft nicht aus einem Mangel an Gesetzen, sondern überwiegend aus der nicht korrekten Umsetzung bestehender Gesetze durch einzelne Institute.

Im Gegensatz hierzu verweisen der Vertreter eines Verbraucherschutzverbandes, der Geschäftsführers des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen und der SPD-Politiker auf erhebliche strukturelle Problembereiche innerhalb der Kreditwirtschaft, bei denen der bestehende Rechtsrahmen zum Schutz der Kundeninteressen nicht ausreiche. Auch das Ombudsmannsystem habe hier zu keinen Verbesserungen geführt, da es lediglich zur diskreten Lösung von Einzelfällen, nicht aber zur Beseitigung struktureller Defizite beitrage. Als Beispiele für die Problembereiche in der Kreditwirtschaft wird dabei insbesondere auf folgende Aspekte verwiesen:

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Mangelnde Transparenz: Nach Einschätzung des Vertreters einer Verbraucherschutzorganisation ist die Transparenz bei Konditionen- und Preisgestaltung in der Kreditwirtschaft unzureichend. Angesichts der Vielzahl von Begriffen und Berechnungen sei die Vergleichbarkeit der Produkte und damit der Wettbewerb faktisch eingeschränkt. Zur Stärkung der Position der Verbraucher plädiert der SPD-Politiker für die Ausweisung standardisierter Modellkonten.

Girokonto für jedermann: Die Problematik der Kontoverweigerungen ist seit Jahren ein zentraler Kritikpunkt an der Kreditwirtschaft. Im Sommer 1995 verabschiedeten die Bankenverbände eine freiwillige Selbstverpflichtung, wonach jeder Kunde einen Anspruch auf ein Konto auf Guthabenbasis haben soll. Nach Einschätzung der Vertreter der Kreditwirtschaft und des Präsidenten des BAKred ist das Problem des Kontozugangs damit befriedigend gelöst. Dagegen sieht der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation eine flächendeckende Versorgung aller Bürger mit einem Girokonto auch heute keineswegs sichergestellt. Der SPD-Politikers hält daher die Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung für unumgänglich.

Mitfelstandsfinanzierung: Mittelständische Unternehmen sehen sich seit Jahren mit wachsenden Problemen bei der Kreditvergabe konfrontiert. Der Geschäftsführer des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen sieht die Banken in der Praxis als Grundpfandrechtsverleiher und nicht als cash-flow-Finanzierer. Bei vielen Instituten fehle es zudem am notwendigen know-how zur Bewertung der Unternehmen. Der Vertreter eines Privatbank weist diese Kritik zurück; die Banken würden sich bei der Mittelstandsfinanzierung in erheblichem Umfang engagieren.

Festzinsverträge im Hypothekenkreditgeschäft: Der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation kritisiert, daß die Kunden auch in akuten Notsituationen gar nicht oder nur unter Leistung einer Entschädigung aus 10-Jahres-Verträgen austeigen könnten. Daher sollte ein Kündigungsrecht aus triftigen Gründen geschaffen werden. Ein Vertreter einer Privatbank hält eine solche Regelung dagegen für unnötig, da die langfristige Festzinshypothek in der jetzigen Form ein exzellentes Verbraucherschutzprodukt sei, das dem Kunden die Gelegenheit biete, sich langfristig vor Zinserhöhungen zu schützen.

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Umsetzung der Rechtsprechung: Als teilweise arrogante Machtausübung der Banken kritisiert der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation den Umgang der Kreditinstitute mit Urteilen des Bundesgerichtshofes. So würden sich einige Banken weigern, BGH-Entscheidung auch in die Praxis umzusetzen und ihren Kunden die entstandenen Schäden freiwillig zu ersetzen.

Vor diesem Hintergrund wird kritisiert, daß das BAKred derzeit keine Verbraucherschutzfunktionen hat. Der Präsident des BAkred hält diese Beschränkung für gerechtfertigt, da die Geschäftsbeziehungen zwischen den Kreditinstituten und ihren Kunden zivilrechtlicher Art seien. Der SPD-Politiker plädiert dagegen für eine Ausweitung der Aufgaben des Amtes auf den Bereich Verbraucherschutz. Der Geschäftsführer des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen betont, daß eine Ausweitung der Aufgaben der staatlichen Aufsicht alleine kein geeignetes Mittel sei, die Probleme in der Kreditwirtschaft wirksam zu beseitigen. Die wirksamste Kontrolle erfolge in einer Marktwirtschaft nicht mittels staatlicher Institutionen, sondern durch die Öffentlichkeit und die Kunden. Es sei jedoch ein Trugschluß zu glauben, der Wettbewerb könne alle Probleme lösen. Vielmehr gebe es Bereiche, bei denen der Wettbewerb grundsätzlich versage.

Die Vertreter der Kreditwirtschaft verweisen darauf, daß der harte Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten schon heute als wirkungsvolles Korrektiv zugunsten der Verbraucher fungiere. Der Präsident des BAkred unterstreicht die positive Wirkung des Wettbewerbsdrucks auf das Verhalten der Institute gegenüber ihren Kunden. Schließlich sei das wirksamste Sanktionsmittel gegenüber einer Bank der Wechsel zu einem Konkurrenten. Der Geschäftsführer des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen gibt zu bedenken, daß ein intensivierter Wettbewerb unter den Kreditinstituten für den Verbraucher noch keinen erkennbaren Wert an sich darstelle, solange der Wechsel der Bank durch die Kreditinstitute systematisch erschwert werde.

Die Situation in der Versicherungswirtschaft

Der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft bezeichnet die Versicherungswirtschaft als Branche mit einem durch eine umfassende Gesetzgebung auf hohem Niveau geregelten Verbraucherschutz. Dies zeige sich auch an dem großen Vertrauen, daß

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die Versicherungskunden der Branche entgegenbrächten. Der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (BAV) hält die Einschätzung einer generellen Ohnmacht der Versicherten für nicht gerechtfertigt, da dem Kunden der Wechsel zu einem anderen Anbieter offenstehe. Es sei jedoch verständlich, daß sich bei Versicherungskunden in einzelnen Versicherungssparten wie der Privaten Krankenversicherung angesichts erheblicher Prämiensteigerungen ein Gefühl der Ohnmacht entwickle. Dagegen bezeichnet der Geschäftsführer des Bundes der Versicherten die Versicherungskunden als ohnmächtig gegenüber einer Branche, die sich mittels einer beispiellosen Intransparenz jeder Kontrolle entzogen und ihre Kunden faktisch entrechtet habe. Als Beispiele für die Problembereiche in der Versicherungswirtschaft wird insbesondere auf folgende Aspekte verwiesen:

Mangelnde Transparenz: Der Geschäftsführer des Versichertenverbandes kritisiert die erhebliche Intransparenz bei Produkten und Leistungen. Die Branche habe diese Intransparenz gezielt erzeugt, da die Uninformiertheit der Kunden ihr Erfolgsrezept sei. Der Wettbewerb werde zudem durch das Fehlen von Wettbewerbssanktionen behindert, da die Gesellschaften entstehende Defizite durch einen Griff in den Topf mit dem Versichertengeld ausgleichen könnten. Ermöglicht werde dies, weil Versicherer in Deutschland die von den Kunden geleisteten Prämien im Gegensatz zu anderen Ländern nicht in ihre unterschiedlichen Bestandteile (Dienstleistungs- und Risikoanteil, sowie bei Kapitallebensversicherungen auch der Sparanteil) aufschlüsseln müßten. Nach Einschätzung des Vertreters der Versicherungswirtschaft ist die Forderung nach einer Aufschlüsselung der Versicherungsprämie nicht sachgerecht; in der Branche sei zudem schon heute ein Höchstmaß an Transparenz erreicht.

Probleme bei der Beratung: Als Folge der Intransparenz bei den angebotenen Produkten kommt dem Beratungsgespräch heute eine zentrale Bedeutung zu. Da in Deutschland die Beratung nahezu ausschließlich durch Vertreter der Unternehmen erfolge, sind die meisten Deutschen nach Einschätzung des Geschäftsführers des Versichertenverbandes heute fehlversichert. Gefördert werde diese Entwicklung dadurch, daß es in der Praxis nicht möglich sei. Falschberatung einzuklagen. Um die Position der Kunden zu stärken, müsse deshalb die Anfertigung von Beweismitteln in Form eines Protokolls vorgeschrieben

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werden. Der Vertreter der Versicherungswirtschaft weist die Einschätzung einer fehlenden Haftung als unzutreffend zurück, da die Unternehmen natürlich für ihre Vertreter hafteten.

Kapitallebensversicherung: Der Geschäftsführer des Versichertenverbandes sieht die Hauptnachteile der Kapitallebensversicherung in der mageren Rendite, der geringen Transparenz und der faktischen Rechts-losigkeit der Kunden. Er wirft den Versicherern vor, die eingezahlten Beiträge in einem Topf zu vermengen, aus dem sich die Unternehmen nach Gutdünken bedienten. Nach Einschätzung des SPD-Politikers hat die steuerliche Privilegierung der Kapitallebensversicherung zu einer gigantischen Fehlallokation der Mittel geführt. Der Vertreter der Versicherungswirtschaft weist die Kritik zurück und verweist auf die hohe Akzeptanz des Produktes, das heute eine zentrale Funktion in der individuellen Altersvorsorge einnehme. Die durch die Steuerfreistellung der Kapitalerträge aus Kapitallebensversicherungen verursachten Steuerausfälle seien politisch gewünscht. Der SPD-Politiker unterstreicht die Notwendigkeit positiver Anreize für die private Altersvorsorge. Angesichts der Defizite der Kapitallebensversicherung sollte deren Steuerprivileg jedoch beseitigt und durch einen Wettbewerb der Anlageformen ersetzt werden.

Kritik wird auch an der Funktion der staatlichen Aufsicht geäußert, die durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) ausgeübt wird. Der Präsident des BAV räumt ein, daß das Amt außer in Grenzfällen nichts zu entscheiden habe. Zur Klärung konkreter Fälle müßten Beschwerdeführer daher auf den Weg über die ordentlichen Gerichte verwiesen werden. Der SPD-Politiker plädiert dafür, auch die Aufgaben des BAV um den Bereich Verbraucherschutz zu erweitern.

Folgerungen für die Politik

Der SPD-Politiker sieht erheblichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Verbesserung des Schutzes der Verbraucher gegenüber Banken und Versicherungen. Hierzu sollte insbesondere ein umfassendes Verbraucherschutzgesetz bei Finanzdienstleistungen geschaffen werden, in dem die Rechte und der Schutz der Bank- und Versicherungskunden grundlegend sichergestellt werden. Die Aufgaben der Aufsicht sollten um den Bereich Verbraucherschutz erweitert werden; zudem sollte geprüft werden, ob eine Zusammenfassung von BAKred und BAV in

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einem Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen sinnvoll sei. Dieser Vorschlag wird von dem Vertreter des BAKred zurückgewiesen, da die Zusammenlegung der beider Ämter ihren unterschiedlichen Aufgaben nicht gerecht werden würde.

Einigkeit besteht bei den Vertretern der Kredit- und der Versicherungswirtschaft, daß in beiden Branchen keine neuen Gesetze notwendig seien. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz betont, daß sich das bestehende Rechtssystem bewährt habe. Zudem habe der Grad der Regulierungen in beiden Branchen schon heute ein Maß erreicht, das für die Institute zu erheblichen Belastungen führe. Der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation verweist darauf, daß es nicht um die Schaffung neuer komplizierter Regelungen gehe, sondern um Bestimmung und Sicherung materieller Schutzrechte. Wegen der Probleme bei der Umsetzung der Rechtsprechung müßte zudem die Klagemöglichkeiten der Verbraucherverbände erweitert werden. Der Vertreter des Bundesministeriums der Justiz lehnt dies ab, da sich aus Sicht der Bundesregierung die Verbandsklage nicht bewährt habe.

Der CDU-Politiker hält die Diskussion über die Schaffung neuer Gesetze bei Banken und Versicherungen angesichts der bereits bestehenden Regulierungsdichte für unzeitgemäß. Zudem widersprächen solche Vorschläge dem Ansatz der Regierungskoalition für eine weitgehende Deregulierung. Von der Schaffung neuer Gesetze dürfe man sich außerdem kein Mehr an Sicherheit und Klarheit erwarten. Der SPD-Politiker betont dagegen, daß es Bereiche gibt, die der Wettbewerb alleine nicht zu regeln vermöge, und die deshalb gesetzlich geregelt werden müßten. Grundsätzlich setze Wettbewerb eine Chancengleichheit der Anbieter voraus; hierzu müßten bestehende Wettbewerbsverzerrungen zugunsten einzelner Anbieter wie das Steuerprivileg der Kapitallebensversicherung beseitigt werden, um überhaupt erstmal zu einem funktionstüchtigen Wettbewerb zu kommen. Zudem sei Deregulierung um der Deregulierung willen kein Allheilmittel zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland sei. Im Sinne von Karl Schiller bedürfe es vielmehr des Grundsatzes: "Soviel Regulierung wie nötig, soviel Wettbewerb wie möglich".


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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