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TEILDOKUMENT:
6. Aspekte des Mieterschutzes bei Instandsetzung, Sanierung und Modernisierung Bei den notwendigen Instandsetzungs-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in den Großsiedlungen, erst recht bei der vorab erwähnten Umwandlung von Mietwohnungen in Privateigentum sind die Mieter die Hauptbetroffenen. Die Anzahl dieser Betroffenen ist keineswegs gering. Allein im Land Brandenburg wurden seit 1960 340.000 Wohneinheiten in industrieller Bauweise errichtet, in denen etwa Viertel der Einwohner Brandenburgs lebt. In den anderen neuen Bundesländern ist die Situation ähnlich. Die Mieter - zu DDR-Zeiten in dem Status als Quasi-Eigentümer - haben nicht selten in Eigeninitiative Verbesserungen und Renovierungen an ihren Wohnungen vorgenommen. Die veränderte Rechtslage hat zu vielen Verunsicherungen geführt, und das Engagement an der gemieteten Wohnung läßt deutlich nach. Die Mieter haben bereits erste Mietsteigerungen hinnehmen müssen. Bei einer monatlichen Kaltmiete von fast DM 4,- pro Quadratmeter zuzüglich der Betriebs-, Heiz- und Warmwasserkosten beträgt die Gesamtmiete inzwischen annähernd DM 10,- pro Quadratmeter. Viele Mieter in Plattenwohnungen zahlen heute mehr Miete als die Mieter in vergleichsweise günstigen Sozialwohnungen der westlichen Bundesländer. Die Sorge um weitere Mietsteigerungen bei Modernisierung durch neue Eigentümer ist berechtigt. In diesem Zusammenhang sind die neuen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die Regelungen zum Mieterschutz zu beachten. Nachfolgend sollen im Einzelnen die Mieterschutzbestimmungen
Die laufende Instandhaltung sowie die Instandsetzung der Wohnung obliegt grundsätzlich dem Vermieter. Dabei sind unter Instandhaltung vorbeugende Maßnahmen zu verstehen, die den bestehenden ordnungsgemäßen Zustand erhalten, während Maßnahmen der Instandsetzung dazu dienen, einen ordnungswidrigen Zustand wieder in einen ordnungsgemäßen zu überführen. Häufig werden aber die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht im Mietvertrag anders [Seite der Druckausgabe: 40] geregelt. So wird beispielsweise die Durchführung von Schönheits- und Bagatellreparaturen auf die Mieter übertragen. Der Mieter hat die Pflicht, Mängel und Schäden an der Wohnung dem Vermieter anzuzeigen. Die Beseitigung obliegt dann dem Vermieter. Die Instandhaltungspflicht des Vermieters entfällt nur dann, wenn die Wohnung bewußt in Kenntnis der Mängel zu einem geringeren Mietpreis angemietet wurde oder wenn der Schaden durch den Mieter selbst verschuldet wurde. Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, die der Vermieter durchführen möchte, sind vom Mieter zu dulden. Die Räume dürfen dabei allerdings nicht gegen den Willen des Mieters umgestaltet werden. Wenn die Wohnung während der Arbeiten nicht bewohnt werden kann oder der Gebrauch erheblich eingeschränkt wird, kann der Mieter eine entsprechende Mietminderung geltend machen oder unter Umständen weiteren Schadensersatz beanspruchen, zum Beispiel auch für Kosten zur Unterbringung in einem Hotel bei Unbewohnbarkeit der Wohnung. Nach Beendigung der Arbeiten hat der Vermieter die Pflicht, den vertragsgemäßen Zustand auf seine Kosten wieder herzustellen; er muß z.B. Schmutz beseitigen oder Malerarbeiten ausführen lassen. Beabsichtigt der Vermieter, Modernisierungsmaßnahmen vorzunehmen, so hat er den Mieter zwei Monate vor Beginn der Arbeiten schriftlich von seiner Absicht in Kenntnis zu setzen. Der Mieter kann dann detaillierte Auskunft zu Art und Umfang der Arbeiten, zur voraussichtlichen Dauer und zu den zu erwartenden Mieterhöhungen verlangen. Als Modernisierungsmaßnahmen sind solche Arbeiten definiert, die den Gebrauchswert des Hauses oder der Wohnung verbessern - z.B. eine Verbesserung des Wohnungszuschnitts, der Belichtung und Belüftung, des Schallschutzes, der Energieversorgung, der Wasserversorgung, der Entwässerung, der sanitären Einrichtungen, der Beheizung und der Kochmöglichkeiten, der Funktionsabläufe in den Wohnungen und der Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt. Eine Modernisierung liegt auch dann vor, wenn Maßnahmen zur Verminderung des Energieverbrauchs und des Energieverlustes vorgenommen werden. Dazu können Verbesserung der Wärmedämmung gehören oder eine Umrüstung der Heizungs- und Warmwasseranlage, Änderungen für einen Anschluß an die Fernwärmeversorgung, Maßnahmen zur Rückgewinnung von Wärme und zur Nutzung von Energie. Bei einer anstehenden Modernisierung kann der Mieter konkrete Einwände erheben. Eine Ablehnung ist nur möglich, wenn das Vorhaben eine nicht zu rechtfertigende Härte für den Mieter darstellt. § 541 b BGB zählt vier mögliche Härtegründe auf: [Seite der Druckausgabe: 41]
Anders als bei den Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten muß der Mieter nicht jede Modernisierung akzeptieren. Stimmt der Mieter den Arbeiten nicht zu, muß die Duldung gerichtlich erwirkt werden. Ein Gericht muß dann die Interessen des Mieters und seiner Familie den berechtigten Interessen des Vermieters und der übrigen Hausbewohner gegenüberstellen und gegeneinander abwägen. Zu entscheiden ist, ob die angekündigten Maßnahmen eine Wertverbesserung darstellen, und ob sie dem Mieter zugemutet werden können. Auch die möglichen Mieterhöhungen nach Modernisierung sind gesetzlich geregelt: Eine Modernisierungsumlage von 11 % der aufgewandten Kosten kann nur dann eingefordert werden, wenn sich der Gebrauchswert der Wohnung auch tatsächlich nachhaltig erhöht hat oder die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert wurden oder nachhaltige Energieeinsparungen möglich werden. Zu den umlegungsfähigen Kosten zählen auch die Baunebenkosten (z.B. Architektenhonorare, Gerüstkosten), nicht aber Kapitalkosten, Mietausfall, Kosten für Verwaltungsleistungen und Ausgleichszahlungen an den Mieter. Wenn der Vermieter öffentliche Förderungsmittel in Anspruch genommen hat, muß er diese auf die umlegungsfähigen Kosten anrechnen. Immer wieder ist feststellbar, daß Vermieter in eine Modernisierungsumlage auch Instandsetzungsarbeiten hineinrechnen, die sie selbst zu tragen haben. Gerade bei den Großsiedlungen mit der vorab skizzierten Schadensbilanz und den veränderten Wohnansprüchen wird eine gleichzeitige Durchführung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen häufig vorkommen. Hierbei ist auf eine strikte Trennung zu achten. Die schriftliche Mitteilung der Mieterhöhung muß für jede Wohnung eine Aufstellung der durchgeführten Arbeiten und der entstandenen Kosten enthalten. Auch im Fall der Modernisierung besteht das Recht auf Mietminderung, wenn nur eine eingeschränkte Nutzung der Wohnung während der Arbeiten möglich ist. Außerdem [Seite der Druckausgabe: 42] hat der Mieter Anspruch auf Aufwendungsersatz - z.B. für zusätzliche Renovierungen, Reinigungskosten und Beaufsichtigung der Wohnung. Wenig genutzt wird das Kündigungsrecht des Mieters bei Renovierungsarbeiten. Aufgrund der derzeitigen Wohnsituation in den neuen Bundesländern kommt einer Modernisierung durch den Mieter in den Großsiedlungen besondere Bedeutung zu. Nicht selten haben die Mieter bereits früher Investitionen getätigt und sind auch in Zukunft bereit, selbst etwas für ihre Wohnung zu tun. Es sollte aber unbedingt vor Beginn der Eigenleistungen des Mieters eine schriftliche Vereinbarung mit dem Vermieter getroffen werden. Hierin sollte festgehalten werden, welche Art von Arbeiten in welchem Umfang ausgeführt werden, welche Einbauten möglicherweise im Eigentum des Mieters verbleiben, wie lang die Abwohndauer ist, welcher zusätzliche Kündigungsschutz eingeräumt wird, welche Mieterhöhungen während der Abwohndauer ausgeschlossen sind und wie bei vorzeitigem Auszug der Mieter zu verfahren ist. In einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet sind die Eingriffsmöglichkeiten in bestehende Mietverhältnisse zur Verwirklichung der Ziele und Zwecke der Sanierung wesentlich größer. Hier ist eine Kündigung mit einer Frist von mindestens sechs Monaten möglich. Allerdings muß dann die Kommune für angemessenen Ersatzwohnraum sorgen, der dem Mieter und den zum Haushalt gehörenden Personen zu zumutbaren Bedingungen bei Beendigung des Mietverhältnisses zur Verfügung steht. Es muß ein schriftlicher Sozialplan ausgearbeitet werden. Wenn die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine besondere Härte in seinen persönlichen Lebensumständen darstellt, können unter Umständen Entschädigungs- und Härteausgleichsansprüche zum Tragen kommen. Die Privatisierung bisheriger Mietwohnungen führt häufig zu einer besonderen Verunsicherung der Mieter. Der Deutsche Mieterbund weist hier nachdrücklich auf die Mieterschutzbestimmungen im Falle einer Umwandlung vermieteter Wohnungen in Privateigentum hin. Zunächst steht fest, daß der abgeschlossene Mietvertrag weiterhin Gültigkeit hat, auch wenn das Haus insgesamt verkauft wird, oder wenn eine Aufteilung in mehrere Eigentumswohnungen vorgenommen wird, die dann einzeln verkauft werden. Der neue Eigentümer der Wohnung wird automatisch Vermieter zu den Bedingungen des alten Vertrages. Bei einer Umwandlung gelten Kündigungssperrfristen, wenn der neue Eigentümer eine Eigenbedarfskündigung ausspricht. Wichtig ist, daß die Sperrfristen erst mit [Seite der Druckausgabe: 43] Eintragung in das Grundbuch zu laufen beginnen. Vorher ausgesprochene Kündigungen sind unwirksam. Für die neuen Bundesländer gilt in diesem Zusammenhang eine Sonderregelung: Bis Ende 1995 sind Eigenbedarfs- und Einliegerwohnungskündigungen nur in Ausnahmefällen zulässig, zum Beispiel dann, wenn der Vermieter unzumutbar untergebracht ist oder wenn der Mieter sich die Wohnung durch unredliches Verhalten verschafft hat. Eine weitere Besonderheit gilt für die neuen Bundesländer bezüglich der Sozialwohnungen, die nach dem 3.10.1990 errichtet wurden. Mieter dieser Wohnungen brauchen auch nach einer Umwandlung in Privateigentum nur die gesetzliche Kostenmiete zu zahlen. Der Käufer kann keine Eigenbedarfskündigung aussprechen, und dem Mieter wird ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Im Zuge der Privatisierungsvorgänge würde man sich auch einen Mieterschutz vor unseriösen Finanzberatern wünschen. Nicht selten wird den Mietern suggeriert, sie könnten sich den Kauf ihrer Wohnung leisten. Hinzu kommen vielfach auch Unkenntnis der Rechtslage und Angst vor Kündigung, die die Mieter zum Kauf veranlassen, obwohl sie eigentlich nicht kaufen können oder wollen. Der Deutsche Mieterbund spricht sich nicht grundsätzlich gegen Privatisierungen aus, weist aber darauf hin, daß eine umfassende Information der Kaufinteressenten dringend geboten ist. Hierbei sind auch die Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften aufgerufen, noch bestehende Informationsdefizite bei den Bewohnern auszugleichen und ihrerseits alle gesetzlichen Bestimmungen des Mieterschutzes zu beachten. Insbesondere muß gewährleistet werden, daß es nicht zu ungerechtfertigten Mieterhöhungen oder zu überhöhten Mieten kommt. Ein Mieterschutz gerade für die Großsiedlungen kann sicherlich leichter gewährleistet werden, wenn kommunale Gesellschaften oder Genossenschaften nicht zuviel Wohnungsbestand an Dritte verkaufen. Mieterschutz könnte sehr wirkungsvoll auch dort praktiziert werden, wo die Entscheidungen über Sanierung, Modernisierung und Instandsetzung getroffen werden. Wenn von vornherein mit den Mietern als den Hauptbetroffenen Einvernehmen erzielt werden kann über die anstehenden Maßnahmen, so erleichtert dies in der Regel auch die Durchführung und schafft insgesamt mehr Akzeptanz im Verhältnis von Vermieter und Mieter. Mieterschutz bedeutet einerseits die [Seite der Druckausgabe: 44] Wahrnehmung der Rechte durch den Mieter, aber andererseits auch die frühzeitige Beachtung der Gesetze durch Vermieter, öffentliche Planungs- und Entscheidungsträger und sonstige Beteiligte. In diesem Sinne kann angewandter Mieterschutz ein Stück praktizierte Demokratie sein. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |