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TEILDOKUMENT:
2. Entwicklungsperspektiven, Chancen und Potentiale der "Plattenbausiedlungen" 2.1 Sozialräumliche und städtebauliche Potentiale Die meisten großen Neubau-Siedlungen in den östlichen Bundesländern zeichnen sich durch soziale und städtebauliche Merkmale aus, die gute Chancen für eine langfristig erfolgreiche Weiterentwicklung beinhalten. Dabei zählen zu den besonderen sozialräumlichen Chancen die folgenden Aspekte:
Daneben gibt es auch eine Reihe städtebaulicher Chancen:
Jedes planerische Eingreifen muß die besonderen sozialen und räumlichen Standortqualitäten erkennen und sie als Entwicklungspotential begreifen. Denn nichts wäre unklüger, als bereits bestehende, langjährig erprobte, funktionierende [Seite der Druckausgabe: 13] und taugliche Strukturen zu zerstören. Für den Planer sind daher folgende Entwicklungsziele abzuleiten:
Bei allen Planungen sind die angemessene Information über angestrebte Veränderungen und die Beteiligung der Bewohner an den sie betreffenden Planungsprozessen unerläßlich. Gerade in den Siedlungen, in denen sich die Bevölkerung in einem ambivalenten Zustand "paralysierter Motivation" befindet, muß von Seiten der verantwortlichen Behörden und Planer ein deutliches Signal gesetzt werden. Die Bewohner müssen sich sicher fühlen können, daß an Stelle weiterer Entwertungen ihrer Wohnquartiere ein Prozeß der gezielten Konsolidierung eingesetzt hat, für den sie täglich neue Anzeichen sehen.
2.2 Städtebauliche Entwicklungskonzepte und stadtplanerisches Vorgehen
Die Kommunen müssen sich der gesellschafts- und wohnungspolitischen Bedeutung bewußt sein, die die Großsiedlungen für ihre weitere Entwicklung übernehmen. Dies gilt in besonderem Maße für Berlin mit Großsiedlungen, die von der Einwohnerzahl her eigene Großstädte sind: In Marzahn leben 150.000, in Hellersdorf 105.000 und in Hohenschönhausen 75.000 Menschen. Etwa 40 % dieser Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre. Die Berliner Großsiedlungen haben städtebauliche Mängel, aber auch besondere Entwicklungsmöglichkeiten: Flächenpotentiale zum Weiterbau für ergänzende soziale und kulturelle Infrastruktur, für ein differenziertes Wohnungsangebot, für Arbeitsplätze und für ein ökologisch orientiertes Umfeld - und dies alles bei vorhandener technischer und sozialer Infrastruktur. Sie haben bauliche Mängel, die zu einem Drittel vergleichbarer Neubaukosten zu beheben sind. Es besteht die [Seite der Druckausgabe: 14] Chance, eine Destabilisierung der Großsiedlungen zu verhindern, wenn die städtebaulichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, umgehend erfahrbare Verbesserungen im Stadtbild und in der Versorgung erreicht werden und mit der Behebung der baulichen Defizite begonnen wird. Berlin ist seit Ende 1991 mit einem Landesförderungsprogramm in den Großsiedlungen tätig. Neben sofort wirksamen Maßnahmen zur Aufwertung von Großhöfen, Spielplätzen, zur Straßenbegrünung etc. wurden Planungsverfahren und Beteiligungsprozesse in die Wege geleitet, die nachfolgend am Beispiel Marzahn-Ost vorgestellt werden. Ein städtebaulicher Rahmenplan, wie er z.B. für Berlin/Marzahn-Ost erarbeitet wurde und in vielen anderen Siedlungen ebenfalls diskutiert wird, gibt für einen begrenzten und überschaubaren Stadtbereich eine zusammenfassende Darstellung von Ausgangsbedingungen, Problemstellungen und Mängeln. Er zeigt ebenfalls Veränderungsmöglichkeiten und Entwicklungspotentiale auf. Für Marzahn-Ost behandelt der Rahmenplan im einzelnen folgende Inhalte:
[Seite der Druckausgabe: 15]
[Seite der Druckausgabe: 16]
Alle kontinuierlich mit der Bewohnerschaft erarbeiteten Konzepte zu einzelnen inhaltlichen Teilaspekten müssen koordiniert und in einen konkreten Maßnahmenplan umgesetzt werden. Dabei wird von folgenden grundsätzlichen Überlegungen ausgegangen: Eine zukunftsträchtige Weiterentwicklung der Großsiedlungen - bei den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und dem sich daraus ergebenden Funktionswandel - erfordert zunächst ein Nachholen all derjenigen Investitionen, die bisher im öffentlichen Raum, bei den Grün- und Freiflächen, bei der sozialen und kulturellen Infrastruktur, bei der Instandhaltung der Wohngebäude oder für weitergehende stadtgestalterische Maßnahmen am Gebäudebestand nicht getätigt wurden. Es ist als eine öffentliche Aufgabe anzusehen, solche Maßnahmen nachzuholen. Erst dann wird eine Siedlung fähig, den normalen weiteren Prozeß der Stadtveränderung zu tragen. In Berlin ist daher ein Förderprogramm entwickelt worden, das für einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren Maßnahmen
koordiniert und finanziert. Nach einer schrittweisen Umsetzung des Förderprogramms sollten die Großsiedlungen dann dem normalen Stadtwerdungsprozeß übergeben werden. [Seite der Druckausgabe: 17] Jedes Eingreifen wird allerdings auch nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn die betroffenen Bewohner die Konzepte selbst mitentwickeln, wenn sie die Maßnahmen einordnen können, um sie mitzutragen. Eine Bewohnerbefragung in Marzahn-West ergab, daß die dort lebende Bevölkerung erst einmal weniger an großartigen Umgestaltungsmaßnahmen interessiert ist; vielmehr wünscht sie sich kleine Verbesserungen der alltäglichen Gebrauchstauglichkeit ihrer Wohnumgebung, wie z.B. die Sicherung von Schulwegen besonders an stark befahrenen Kreuzungen oder die Trockenlegung der am häufigsten benutzten Fußwege in der Siedlung und deren angemessene Beleuchtung. Die unverzügliche Realisierung dieser Wünsche hat einerseits das Vertrauen der Bewohner in den gemeinsamen weiteren Arbeitsprozeß gestärkt. Andererseits wurden aber auch die Planer in folgender Grundauffassung bestätigt: Eine Weiterentwicklung der Großsiedlungen kann nur dann zu positiven Ergebnissen führen, wenn alle Maßnahmen vor Ort und im Dialog mit der Bewohnerschaft und in Kooperation mit allen Verwaltungen und Institutionen stattfinden. Alle Akteure müssen frühzeitig eingebunden werden, um den gesamten Prozeß mit gestalten zu können, denn wichtiger als ein fertiger Plan ist oft der eigentliche Prozeß. Schon vor einer abgestimmten Gesamtplanung sind aber Sofortmaßnahmen einzuleiten, die j e t z t zu einer Stabilisierung der Siedlungen beitragen: Eine unverzügliche Weiterentwicklung und ergänzender Neubau müssen Vorrang haben vor abwartender Beobachtung oder gar Abriß. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |