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1. Gesellschaftspolitische Hintergründe und aktuelle Problemlage der "Plattenbausiedlungen"



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1.1 Zur Ideologie des industrialisierten Bauens in der DDR

Will man Entwicklungsperspektiven und Entwicklungspotentiale für die industriell gefertigten Plattenbausiedlungen in den neuen Bundesländern aufzeigen, so mag es hilfreich sein, sich zunächst noch einmal die Entstehungsbedingungen zu vergegenwärtigen, die in der ehemaligen DDR zu dieser Art von staatlicher Wohnungsversorgung geführt haben.

In der Verfassung der DDR war das Recht eines jeden Staatsbürgers auf Wohnraum verankert. Demzufolge sahen es Partei- und Staatsführung als ihre Aufgabe an, Wohnungen vorwiegend auf staatlicher Basis zu bauen und diese auch prinzipiell als Mietwohnungen unter staatlich/kommunaler oder genossenschaftlicher Verwaltung zu vergeben. Seit 1950 wurden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ca. 2,4 Millionen Wohnungen in industrieller Bauweise errichtet. Die Industrialisierung des Bauens wurde als einzig gangbarer Weg zur Realisierung des sozialen Wohnungsbaus von Moskau vorgezeichnet. Sie begründete sich aus der Notwendigkeit, die Wohnungsnot zu beheben.

Im folgenden sollen drei Elemente näher erläutert werden, die das industrialisierte Bauen in der DDR charaterisieren. Zu nennen sind hier:

  • die Technikgläubigkeit des Marxismus-Leninismus
  • die Fixierung auf die sozialistische Kleinfamilie sowie
  • die Ideologie sozialer Gleichheit.

* Technikgläubigkeit des Marxismus-Leninismus

Das Ziel der Industrialisierung des Bauwesens entsprach seit Lenin der Grundannahme des Sozialismuskonzeptes, der Sozialismus müsse zuerst und vorrangig die Produktivkräfte voll entfalten, um die Grundlagen für den Übergang zum Kommunismus zu schaffen. Gerhard Herholdt, dessen Aussagen als einer der führenden Mitarbeiter der Deutschen Bauakademie einen offiziellen Charakter hatten, definierte 1963 die "Grundsätze der industriellen Bauproduktion" wie folgt: "Industrialisierung bedeutet die Ablösung der handwerklichen Fertigung durch maschinelle Großproduktion mit modernen Produktionsanlagen, Transport- und Hebemaschinen. Dabei ist der gesamte Produktionsprozeß in einzelne, unterein

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ander in Verbindung stehende Teilprozesse aufzugliedern, der Produktionsablauf kontinuierlich und gleichmäßig zu gestalten und die Arbeit in allen Fertigungsphasen maximal gleichzeitig durchzuführen." Dahinter steht der theoretische Anspruch, daß eine maschinelle Großproduktion fortschrittlicher sei als eine primitive, manuelle Fertigung, und daß eine Modernisierung der Gesellschaft mit einer Industrialisierung einhergehe.

Industrialisierung galt aber auch international als durchaus probates Mittel der Weiterentwicklung des Bauens. Diese Auffassung wurde u.a. in den USA, Frankreich, den Skandinavischen Ländern wie auch in der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Hier differierten die "westlichen" Vorstellungen zur Weiterentwicklung des Bauens in den Nachkriegsjahren nur unwesentlich von denen in der DDR. Aus verschiedenen Gründen fanden diese Konzepte beispielsweise in Westdeutschland aber nur eine geringe Umsetzung, obwohl es in den 60er und 70er Jahren seitens der Regierung und Teilen der Bauindustrie starke Bestrebungen hierzu gab.

In der fachwissenschaftlichen Literatur wurde nachgewiesen, daß das Wesen der sozialistischen Industrialisierung in der Typisierung, in der Erarbeitung von Typenprojekten bestehe. Auf dieser Basis wurde dann gerade im Wohnungsbau die Typenfertigung mit allen staatlichen und politisch-ideologischen Mitteln durchgesetzt. Als Grundbedingung der Industrialisierung wurde die Produktion in Serie angesehen. Daß diese serielle Bauweise dann aber zu einer eingeschränkten Typisierung der Bauten führte, wurde von Bauingenieuren und Architekten kritisiert, weil alternative, flexiblere Industrialisierungsmöglichkeiten ausgegrenzt wurden. Gegenstand der Kritik waren dabei eher die architektonisch-ästhetischen Folgen der Typisierung denn der Industrialisierungsprozeß selbst.

* Fixierung auf die sozialistische Kleinfamilie

Die staatliche Wohnungspolitik orientierte sich an der sozialistischen Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft. Die sozialistische Familie war eine Kernfamilie, die zwei Geschlechterfolgen umfaßte, d.h. aus dem Elternpaar bzw. einem Elternteil mit dem/den Kindern bestand. In der DDR entsprachen über 90 % aller Mehrpersonenhaushalte der Struktur einer solchen Kernfamilie.

Ausgehend von dieser Standard-Familienstruktur wurden standardisierte Wohnungsgrundrisse entwickelt. Eine "klassische" Neubauwohnung besteht aus 1 bis 4 Räumen mit innenliegender Küche und einer Badzelle. Das größte Zimmer ist als

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Wohnzimmer konzipiert, das mittlere als Elternschlafzimmer - meist zur verkehrsberuhigten Seite gelegen - und die kleinsten Räume sind die Kinderzimmer.

Die heute so problematischen Grundrißtypen aller Wohnungsbauserien - von der Q3A bis zur WBS 70 - orientieren sich an den gleichartig definierten Ansprüchen der Zweigenerationenkleinfamilie. Raumgrößen und Wohnungszuschnitt waren bei allen Serien von den Deckenspannweiten und der Lage von Bad und Küche abhängig. Obwohl theoretisch eine wesentlich größere Anzahl von Wohnungszuschnitten möglich war, wurden aus betriebswirtschaftlichen Gründen und der technologischen Organisation der Bauprozesse - z.B. bei der WBS 70 - nur sieben Grundrißvarianten hergestellt.

Die Differenzierung der DDR-Gesellschaft in unterschiedliche Lebensformen war kaum ausgeprägt. Da das sozialistische Familienmodell auch mit der gesellschaftlich notwendigen Berufstätigkeit der Frau vereinbart werden mußte, ergaben sich Konsequenzen für die Ausstattung des Wohngebietes mit Infrastruktur. Die gesellschaftlichen Einrichtungen zur Entlastung der Familien - Kindereinrichtungen, eine Kaufhalle und ein Dienstleistungszentrum - waren eine Grundanforderung an jede Neubausiedlung. Mit dieser Minimal-Infrastruktur sollte allen Personen im erwerbsfähigen Alter die Verwirklichung des kommunistischen Lebensideals vom "Arbeiten als erstem Lebensbedürfnis" ermöglicht werden.

* Ideologie sozialer Gleichheit

Die Entwicklung der sozialen Strukturen in der DDR war geleitet von dem Anspruch der Partei- und Staatsführung, hinsichtlich wesentlicher Lebensbedingungen - wie Einkommen, Bildung und Wohnen - eine "Annäherung der Klassen und Schichten" zu erlangen. Für die Wohnungs- und Städtebaupolitik hieß dies nach Siegfried Grundmann (Stadtsoziologie an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften), daß nicht "die Existenz sich bekämpfender Klassen und die Vertiefung sozialer Gegensätze, sondern ... die schrittweise Verringerung von sozialen Unterschieden von nun an das grundlegende Gesetz in der Sozialstruktur von Städten ist". Dementsprechend sollte es in den Wohnbereichen der sozialistischen Städte keine Differenzierungen nach Einkommensklassen, Berufsständen oder anderen Unterschieden mehr geben.

Für die städtebauliche Umsetzung folgt hieraus: Es sind gleiche und komfortable Wohnungen für alle zu schaffen. Was das im einzelnen bedeutet, bringt ein

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Autorenkollektiv 1972 in seinem Bericht "Plan und Bau der Chemiearbeiterstadt Halle-Neustadt" plastisch zum Ausdruck. "Jeder wohnt unter gleichen Bedingungen in gleichen Wohnungen: Es wohnen der Generaldirektor im gleichen Haus wie der Fahrer aus dem großen Chemiekombinat, die Oberbürgermeisterin im gleichen Block mit dem Schaltwart aus der Wärmeversorgungszentrale und dem Städtebauer, der die Stadt mitgeplant hat."

* Zusammenfassung

Die Wiedervereinigung Deutschlands führte auch dazu, daß neue Rahmenbedingungen für die Wohnungspolitik in den östlichen Bundesländern gelten. Dabei werden die notwendigen Veränderungen im Wohnungssektor mit verschiedenen Hypothesen belastet, die aus den gesellschaftspolitischen Bedingungen und den tatsächlichen Entwicklungen des Wohnungsbaus in der ehemaligen DDR resultieren:

  • Die ausschließliche Orientierung des Wohnungsbau auf industrialisierten Neubau hat letztlich den Wohnungsbestand verringert. Die völlige Vernachlässigung des Altbaubestands hat zu noch größeren Wohnraumverlusten geführt. Die neugeschaffenen Wohnungen in den Großsiedlungen sind somit nur als (unzureichender) Ersatzwohnraum zu werten.

  • Die Diskussion um Flexibilität im industrialisierten Bauen ist in der DDR nicht geführt worden. Die Wurzeln der Wohnungsbausysteme 70 und ihrer Vorläufer liegen in der sogenannten "Wohnung für das Existenzminimum" der 20er Jahre. Damals hatte sich ein Wohnungsgrundriß von etwa 45 qm durchschnittlicher Fläche für das Raumprogramm der sozialen Kleinstwohnung des staatlich bzw. genossenschaftlich subventionierten Wohnungsbaus herausgebildet. Das aber auch bei dieser Wohnfläche und erst recht bei der WBS 70 mit einer Durchschnittsgröße von 59 qm ein relativ breiter Spielraum für die Aufteilung der Wohnung besteht, wurde in der DDR ignoriert. Hier ist vielmehr eine Grundrißaufteilung gewählt worden, die sich an den notwendigen Möbelstellflächen und an den normalen Bewegungsabläufen in einer Wohnung orientierte. So kam es zu einer klaren Nutzungsfestschreibung einzelner Räume. War die Funktionalisierung der Wohnung nach betriebtechnischen Abläufen (Gropius) in den 20er Jahren als eine soziale Errungenschaft anzusehen, weil sie eine Wohnform ablöste, in der alle Abläufe in einem Raum stattfinden mußten, so erfolgte in der DDR der Entwurf von Wohnung, Wohngebäude und Wohngebiet nach dem Konzept des "reibungslosen Funktionierens". Hierdurch muß z.B. die

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    geforderte Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mutterschaft gewährleistet werden.

  • Man vertrat die Auffassung, auch soziale Probleme mit Technik lösen zu können. Während sich die DDR-Gesellschaft jedoch entgegen der ursprünglichen Gleichheitspostulate differenzierte und damit auch differenzierte Wohnbedürfnisse entstehen ließ, war es gerade die Technik des industrialisierten Bauens, die mit immer gleichen, beliebig stapelbaren Norm-Wohneinheiten diese Entwicklung behinderte. Die Reduzierung der Wohnstrukturen auf wenige, prinzipiell verwandte Grundrißtypen, die ein entsprechend undifferenziertes Wohnverhalten provoziert haben, hat innovative Impulse verhindert, die von einem differenzierten Sozialmilieu ausgehen können. Es war in der DDR gerade die "moderne" Technik des Bauens, die eine Modernisierung der Gesellschaft durch Differenzierung gebremst hat.


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1.2 Differenzierung der Wohnstrukturen als zukünftige Aufgabe

Immer wieder waren die in industrieller Bauweise errichteten Großsiedlungen Gegenstand soziologischer Untersuchungen. Deren Ergebnisse sind bei den derzeitigen Wandlungsprozessen von besonderem Interesse. Sie können als wesentliche Grundlage für die Steuerung der notwendigen Veränderungen genutzt werden.

Die durchgeführten Erhebungen zeigten beispielsweise eine hohe Wohnzufriedenheit der Bewohner von Großsiedlungen auf. Mit der Verschlechterung der Wohn- und Lebenssituation nach der Wiedervereinigung ist allerdings eine Verringerung der Akzeptanz der Wohnbedingungen zu registrieren. Positive Aspekte des Wohnens in Neubaukomplexen werden vor allem im hohen Wohnkomfort, in günstigen Spielmöglichkeiten für Kleinkinder und in der Verkehrsberuhigung gesehen. Bemängelt werden vor allem die Infrastrukturausstattung sowie die uniformen Wohngrundrisse und die für Familien mit Kindern zu geringen Wohnungsgrößen.

Weiter bleibt festzuhalten, daß die staatliche Vergabepolitik für die Neubauwohnungen bei jeder Großsiedlung zu einer weitestgehend homogenen Altersstruktur

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der Bewohner geführt hat. Das Baualter bestimmt also weitgehend das Bewohneralter. Die Familien, die zu Beginn in die Siedlungen eingezogen sind, wohnen auch heute noch dort. So leben inzwischen in den Siedlungen, die in den 50er und 60er Jahren von jungen Familien bezogen wurden, vorwiegend Menschen, die jetzt schon das Rentenalter erreicht haben oder es in naher Zukunft erreichen werden. Hier entstehen wahre Seniorenhochburgen. Die Großsiedlungen aus den 70er Jahren sind dagegen von einer Bevölkerung mit wesentlich jüngerem Durchschnittsalter und einer hohen Kinderzahl geprägt. So sind z.B. in Berlin Hellersdorf die erwachsenen Bewohner überwiegend zwischen 30 und 40 Jahre alt. Diese Bevölkerung ist noch wesentlich mobiler, wenn es darum geht, eine neue Arbeit und damit oft auch eine neue Wohnung zu suchen.

Auch im Hinblick auf berufliche Qualifikationen sind von Siedlung zu Siedlung unterschiedliche Profile zu erwarten. Beispielsweise wird vermutet, daß in Jena-Lobeda ein hoher Anteil von Wissenschaftlern und Ingenieuren lebt. In den Ostberliner Neubaugebieten dürfte ein großer Teil der Bewohner aus Angehörigen ehemals staatlicher Institutionen und Verwaltungen bestehen, und in Hoyerswerda ist eine homogene Arbeiterstruktur zu erwarten. Jede dieser Bevölkerungsgruppen hat eigene Bedürfnisse und Interessen sowie unterschiedliche Entwicklungsperspektiven auf den neuen Arbeitsmärkten. Dies ist zu berücksichtigen, wenn man an eine angemessene Weiterentwicklung der Großsiedlungen denkt. Es kann also nicht von den Plattenbausiedlungen und nur einem allgemein gültigen Konzept zur Lösung aller bestehenden Probleme geredet werden. Vielmehr muß sich die bauliche Instandsetzung und Aufwertung des Wohnungsbestandes aus soziologischer Sicht jeweils daran messen lassen, ob und inwieweit es dabei gelingt, auf die jeweiligen Eigenheiten der Sozialstruktur und spezifischer Bedürfnisstrukturen einzelner Siedlungen einzugehen und so differenzierte Nutzungspotentiale freizusetzen. Wenn eine Anhebung des Wohnungsstandards gelingt - z.B. durch eine flexiblere Gestaltung der Grundrisse und Verbesserungen der Infrastruktur sowie des Wohnumfeldes -, dann können die Großsiedlungen gerade für Haushalt mit Kindern attraktiv werden.

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1.3 Sozio-kulturelle Konflikte nach der Wende

Die soziale Konzeption, die den großen Neubaugebieten zugrunde liegt, war unter DDR-Verhältnissen von folgenden Aspekten geprägt:

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  • Möglichst viele Wohnungen waren nach ähnlichem Standard zu bauen, um die Wohnungsnot zu lindern.
  • Eine hohe Wohnsicherheit wurde durch ausgeprägte Mieterrechte garantiert.
  • Die Planung des Lebensalltags ging von dem Fakt einer vollbeschäftigten Gesellschaft aus.
  • Demzufolge war die soziale Grundversorgung und -betreuung für alle als Voraussetzung einer hohen Beschäftigungsrate zu gewährleisten.
  • Die DDR-typische Kleingarten- und Datschenkultur war als Ausgleich für öffentliche Defizite im Wohngebiet unausgesprochen von vornherein geplant.

In die Bereiche Arbeitsstätte, Wohnung und Datsche wurde investiert, ohne daß Stadtkultur, Stadtöffentlichkeit, Vielfalt des öffentlichen Stadtraumes entstehen konnten. Rückblickend wird die Zwiespältigkeit des sozialen Ansatzes in der Konzeption der großen Neubaugebiete deutlich:

  • Einerseits bestand ein planerischer Totalitätsanspruch bzw. eine fertig entworfene Konzeption des sozialen Lebens (Motto: "Wir wissen, was die Bewohner brauchen").
  • Andererseits wurden ausgewählte Alltagsbedürfnisse sorgfältig beachtet: Grundversorgung und -betreuung, Weg-Zeit-Beziehungen zwischen Wohnung und Kindereinrichtung etc.

Im Spannungsfeld von Sozialdiktat und Beachtung wirklicher Bedürfnisse konnte sich aber dennoch eine sozial abgesicherte, für den Einzelnen überschaubare Lebensweise durchaus auf hohem Wohlstandsniveau entwickeln, in der das Wohngebiet als Stätte des lokalen Lebens jedoch keine übermäßige Bedeutung hatte.

Diese Konstellation hat sich drastisch geändert. Mit der Wende ist die soziale Sicherheit des DDR-Alltags zerbrochen, ohne daß die neuen Mechanismen der Sozialplanung bereits zufriedenstellend greifen:

  • Durch den wirtschaftlichen Strukturwandel gingen viele Arbeitsplätze verloren bzw. sind hierdurch noch bedroht.
  • Viele Gärten und Datschen sind durch Rückübertragungsansprüche, ungeklärte Eigentumsverhältnisse und Kostensteigerungen gefährdet.

In dem Maße, in dem diese ehemaligen Pole des sozialen Netzes in Frage gestellt werden, entwickeln sich Wohnung und Wohngebiet zum Lebenszentrum für viele Menschen - ein Anspruch, für den diese Gebiete niemals konzipiert wurden.

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Nach der Wiedervereinigung zeichnete sich auch sehr schnell die Gefahr einer kulturellen Entwertung der Großsiedlungen ab. Verschiedene Seiten kritisierten massiv das monotone Erscheinungsbild der Neubaugebiete. Abrißdiskussionen aufgrund vermeintlich geringer Wohnqualität und großer bautechnischer Mängel wurden in den Medien verbreitet. Es kam zu einer Stigmatisierung der Plattensiedlungen, die ihre Bewohner lähmte und in den Rang der Zweitklassigkeit verwies. Will man aber Formen einer langfristig erfolgreichen Weiterentwicklung dieser Siedlungen diskutieren, so ist es unter Stadtplanern, Soziologen und Politikern unumstritten, daß ein Aufhalten eben dieser Stigmatisierung unerläßlich ist und sofort mit einer bestandsorientierten Qualitätsverbesserung begonnen werden muß. Das um so mehr, da mittelfristig der Konkurrenzdruck durch revitalisierte Innenstadtbereiche und Eigenheimprogramme auf die großen Neubaugebiete wachsen wird. Die soziale Entmischung durch den Wegzug von Besserverdienenden kann gedämpft werden, wenn das Image der Gebiete wächst bzw. zumindest erhalten bleibt.

Man sollte nicht allzu sicher sein, daß die Nostalgie der Innenstädte und der Run auf das Eigenheim ewig anhält. Der Städtebau hat nicht wenige Wandlungen in diesem Jahrhundert erlebt. Es ist vorstellbar, daß die großen Neubaugebiete künftig eine vergleichbare neue Wertschätzung erfahren wie zur Zeit die Wohnviertel aus der Gründerzeit. Nach einer massiven Sozialkritik und der Betonung städtebaulicher Mängel setzten sich in diesen Wohnvierteln aus dem 19. Jahrhundert zunächst Abrißkonzepte durch; Flächensanierungen waren die Folge. Mit einer Wiederentdeckung der urbanen Qualitäten dieser Gebiete kam es dann auf der Grundlage völlig gewandelter sozialer Lebensinhalte und mit entgegengesetzten städtebaulichen Strategien zu einer behutsamen Stadterneuerung.

In Fachkreisen wird bereits von einer absehbaren Renaissance der großen Neubaugebiete gesprochen - ihre städtebauliche Weiterentwicklung vorausgesetzt. Notwendig ist, daß man diese Neubaugebiete aus anderer Perspektive betrachtet. Viele Großsiedlungen in Ost und West markieren eine wichtige historische Etappe europäischer Bau- und Stadtgeschichte, die nicht verdrängt werden sollte. Unübersehbar liegen derzeit zwar erhebliche städtebauliche Mißstände vor, diese sind aber keineswegs auf ewig festgeschrieben. Neubaugebiete sind nicht "per se" schlecht und Altstädte "per se" gut. Bei genauer Betrachtung erschließen sich nämlich eine Reihe von Qualitäten, die eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung der Großsiedlungen bieten. Eine sozial verantwortungsbewußte

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Antwort auf die Frage "Was soll aus den großen Wohnungsbeständen und vor allem aus ihren Bewohnern werden?" kann deshalb nur lauten: Anstelle von weiteren kulturellen Entwertungen dieser Wohnform ist mit bestandsorientierten Qualitätsverbesserungen zu beginnen!


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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