FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 53]


10. Zusammenfassung

Allgemein besteht Einigkeit darüber, daß die Technik der Magnetschwebebahn interessant ist, und daß der Transrapid in bestimmten Einsatzbereichen durchaus Vorteile gegenüber traditionellen Verkehrsmitteln hat. Es muß aber klar unterschieden werden zwischen der Magnetschwebebahn-Technologie als solcher, die wertfrei betrachtet werden kann, und der Bewertung eines konkreten Vorhabens unter ganz spezifischen Konditionen in einem ökonomischen, ökologischen und sozialen Umfeld.

Im zentraleuropäischen Bereich einschließlich der Bundesrepublik Deutschland kommt es bei einer Fernbahn nicht allein auf die Höchstgeschwindigkeit an, sondern vielmehr auf die Systemgeschwindigkeit im Netz. Aufgrund ihres dichten und leistungsfähigen Netzes sind die herkömmlichen Eisenbahnen einer Einzelstrecke des Transrapid deshalb in den meisten Fällen überlegen.

Die fehlende Netzintegration und Netzfähigkeit betrifft auch die in Planung befindliche Referenzstrecke Hamburg - Berlin, die daher aus verkehrlicher Sicht in Frage gestellt werden muß. Problematisch ist vor allem die Einführung der Trasse in die zentralen Bereiche des Ballungsraumes Berlin, d.h. eine Hinführung der Trasse an einen der innenstadtnahen Bahnhöfe und eine Verknüpfung mit den vorhandenen Systemen des Nah- und Fernverkehrs.

Während viele der auftretenden Schwierigkeiten rein ingenieurtechnisch mit großer Wahrscheinlichkeit zu bewältigen sind, wobei sich durchaus auch gestalterisch ansprechende Lösungen vorstellen lassen, erweist sich - u.a. wegen der städtebaulich aufwendigeren Trassierung in den verstädterten Bereichen der Metropolen - die Finanzierung als zentrales Problem. In einer Situation, in welcher der Druck auf die öffentlichen Haushalte allgemein anwächst (z.B. sollen im Haushalt des Bundesverkehrsministeriums für das Jahr 1996 bei den Ausgaben für die Bahn 22% eingespart werden), erscheint es gewagt, ein solch kostspieliges bzw. risikobehaftetes Projekt wie den Transrapid finanzieren zu wollen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der private Finanzierungsanteil beim Transrapid relativ gering ausfällt und alle Kostenrisiken zu Lasten des Bundes und damit aufgrund gebundener Haushaltsmittel indirekt zu Lasten der Länder und der Bahn gehen.

[Seite der Druckausgabe: 54]

Erschwerend kommt hinzu, daß über die kalkulierten Kosten von 8,9 Mrd. DM hinaus erhebliche Kostensteigerungen befürchtet werden, da viele Aspekte, wie eben die Integration der Magnetschnellbahn in den innerstädtischen Bereich Berlins, im Finanzierungskonzept nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. In diesem Zusammenhang kann ergänzt werden, daß die im Verlauf der Tagung immer wieder zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen inzwischen durch den Bundesrechnungshof bestätigt wurden, der aufgrund von nachgewiesenen Mängeln in den bisherigen Kostenberechnungen schon vor Kenntnis der Auflagen aus dem Raumordnungsverfahren von einer hundertprozentigen Steigerung der Gesamtkosten auf 18 Mrd. DM ausgeht.

Seitens der Bundesregierung bzw. des Verkehrsministers wird allerdings wegen der angeblichen Unverzichtbarkeit dieser Technologie für die langfristige Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland weiterhin am Transrapid festgehalten. Da aber den modernen Schnittstellentechnologien im Verbund mit Telematik ein viel höherer Innovationswert beigemessen wird als dem Transrapid (z.B. auch im Hinblick auf den Güterverkehr), und weil zudem die Exportchancen angesichts der gegenwärtigen Situation im osteuropäischen Raum niedriger anzusetzen sind als dies allgemein der Fall ist, muß gefragt werden, ob die wirtschaftliche Bedeutung des Transrapid nicht überschätzt wird.

Es besteht das Risiko, daß die Debatte um das konkrete Projekt der Anwendungsstrecke Hamburg - Berlin zu einer Symboldebatte wird, die eine erforderliche nüchterne Abwägung erschwert. Insgesamt leidet die sachliche Auseinandersetzung unter den widersprüchlichen Aussagen, nach denen der Transrapid die Spannweite zwischen einem „Selbstläufer" und einer „Investitionsruine" abdeckt. Es offenbaren sich zwei bisher nicht vereinte Sichtweisen: Der Transrapid als faszinierende und hoffnungweckende Technologie, zum anderen die Stellungnahmen, die - ohne an der Technik selbst zu zweifeln - den vorgesehenen Einsatz der Magnetschnellbahn zwischen Hamburg und Berlin aufgrund der damit verbundenen ökologischen, gestalterischen und finanziellen Probleme negativ bewerten.

Bei einer Gesamtbetrachtung aller Aspekte müßten die Alternativen im Bereich der herkömmlichen Rad/Schiene-Technik stärker als bisher mitberücksichtigt werden. Gerade die Tatsache, daß kostengünstige und kompatible Alternativen, deren Ka-

[Seite der Druckausgabe: 55]

pazitätsreserven noch längst nicht ausgeschöpft werden, durchaus gegeben sind, spricht gegen den Bau des Transrapid auf der Strecke Hamburg - Berlin.

Gleichzeitig ergaben die aus Anlaß der Tagung geführten Diskussionen, daß es durchaus auch aus Sicht der Kritiker denkbare Einsatzmöglichkeiten für den Transrapid auf bundesdeutschem Boden gibt. Lohnend könnte eine intensivere Auseinandersetzung mit der Frage sein, inwieweit der Transrapid seine unbestreitbaren Vorteile auf kürzeren Anwendungsstrecken erfolgreicher demonstrieren kann. Neben Flughafenanbindungen wäre dabei aufgrund der günstigen Beschleunigungseigenschaften und der geringen Lärmentwicklung bei niedrigeren Geschwindigkeiten eine Verwendung als öffentliches Nahverkehrsmittel in Betracht zu ziehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

Previous Page TOC Next Page