FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:



6. Finanzierungsfragen

Nachdem die Entwicklung des Transrapid in der Vergangenheit vom Bundesministerium für Forschung und Technologie bereits mit 1,8 Mrd. gefördert wurde, einer Summe, die z.B. erheblich über der gesamten Förderung von regenerativen Energien lag, fallen jetzt für die geplante Referenzstrecke des Transrapid von Berlin nach Hamburg nach dem Finanzierungskonzept vom Dezember 1993 Gesamtkosten in Höhe von 8,9 Mrd. DM an. Dabei wurden diesem Finanzierungskonzept 5 Haltepunkte zugrundegelegt: Hamburg-Hauptbahnhof, Hamburg-Billwerder, Schwerin, Berlin-Spandau und Berlin-Westkreuz.

Für den benötigten Fahrzeugpark sind 720 Mio. DM veranschlagt worden. Bezogen auf die Trasse einschließlich der in den Fahrweg integrierten Trag-, Führ- und Antriebstechniken sowie der Energieanlagen ergibt sich damit ein Finanzvolumen von 8,2 Mrd. DM. Je Fahrwegkilometer bedeutet das bei einer Streckenlänge von 284 km einen Aufwand von 29 Mio. DM je Kilometer. Dabei ist es für den Kostenumfang unerheblich, ob die Magnetbahn ebenerdig oder aufgeständert geführt wird. Die Summe pro Streckenkilometer entspricht in etwa der Größenordnung von Kosten für den laufenden Kilometer bei Projekten des Rad/Schiene-Systems. Im Gegensatz zum Rad/Schiene-System und zum Bau von Autobahnen werden beim Transrapid bisher keine sogenannten Sprungkosten befürchtet, die aus Schutzvorkehrungen gegen Schall und Erschütterungen entstehen können.

Page Top

6.1 Öffentlich - private Mischfinanzierung

Bei der Finanzierung dieser Magnetbahnstrecke wollen sich neben den klassischen Finanziers der öffentlichen Hand auch private Kapitalgeber in erheblichem Ausmaß engagieren. Dieses ausgeprägte Interesse von Firmen und Banken, sich an der Finanzierung einer so umfangreichen öffentlichen Infrastrukturmaßnahme zu beteiligen, ist in Deutschland bisher einmalig.

Von den insgesamt kalkulierten Kosten in Höhe von 8,9 Mrd. DM sollen dem Finanzierungskonzept zufolge 3,3 Mrd. DM von einer privaten Betreibergesellschaft auf-

[Seite der Druckausgabe: 31]

aufgebracht werden. Dieses Konsortium, das hauptsächlich aus den Firmen Siemens, AEG, Thyssen, Preussen-Elektra, den Baukonzernen Holzmann, Dyckerhoff und Hochtief, aus Großbanken und Versicherungen sowie aus der Lufthansa und der Deutschen Bahn AG besteht, kommt für die Fahrzeuge, die Energietechnik, die Haltestationen und die Leittechnik auf. Ihre finanzielle Beteiligung liegt auf den Fahrwegkilometer bezogen bei etwa 9 Mio. DM. Dabei sollen die Haltepunkte überwiegend durch zusätzliche private Investoren finanziert werden, indem die Bahnhöfe ähnlich wie beim Rad/Schiene-System zu Kommunikationszentren ausgebaut werden. Dies gilt vor allem für die zentralen Zielpunkte in Berlin und in Hamburg, aber auch für einen möglichen peripheren Halt in Spandau, weniger für die übrigen peripheren Haltepunkte.

Der Bund tritt als Träger des Fahrweges auf und bezahlt je Fahrwegkilometer rund 20 Mio. DM. Insgesamt ergibt sich für den Bund und somit indirekt für den Steuerzahler ein Anteil von 5,6 Mrd. DM, d.h. einschließlich Zinseszins bis zur Fertigstellung über 7 Mrd. DM.

Während der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr die Forderung ausgesprochen hat, daß nach den erheblichen öffentlichen Fördermitteln, die bis zum Nachweis der technischen Einsatzreife aufgewendet wurden, die Herstellung der Exportfähigkeit des Produktes ausschließlich Sache der Privatwirtschaft sein muß, zeigt sich bei genauerer Prüfung, daß nicht nur die Trasse mit 5,6 Mrd. DM vom Bund finanziert werden soll, sondern daß auch die von der Betreibergesellschaft zu übernehmenden 3,3 Mrd. DM teilweise aus öffentlichen und quasiöffentlichen Mitteln stammen. Darüber hinaus müssen alle Zusatzkosten, die sich aus der Umweltverträglichkeitsprüfung und aus Schwierigkeiten bei Genehmigungsverfahren ergeben, vom Staat bezahlt werden. Letztlich wird demzufolge eine Summe von weniger als einer Milliarde echten Privatkapitals von der Industrie eingebracht, deren Risiko angesichts der gleichzeitig in Aussicht gestellten Gewinne damit eher niedrig ausfällt. Der Hauptanteil des Finanzierungsrisikos liegt folglich beim Bund.

Page Top

6.2 Kostensteigerungen

Auch wenn von der Magnetbahn-Planungsgesellschaft immer wieder behauptet wird, daß sich die Finanzierungssumme auch nach dem aktuellsten Stand, d.h. inclusive aller Erweiterungen des Projektes wie z.B. der Einführung des Transrapid in

[Seite der Druckausgabe: 32]


Argumente FÜR den Transrapid

Trasse

• Das System erlaubt eine flexiblere (und damit landschaftsangepaßtere) Trassierung, da z.B. größere Steigungen und kleinere Kurvenradien möglich sind.

• Aufgrund des berührungslosen Schwebens ist nur ein geringer Verschleiß zu erwarten.

Reisegeschwindigkeit

• Es kann eine Höchstgeschwindigkeit von 500 km/h (in Ballungsgebieten 200 km/h) erreicht werden.

• Das Beschleunigungs- und Bremsvermögen Ist hervorragend.

• Die Distanz zwischen Berlin und Hamburg kann innerhalb einer Stunde überbrückt werden.

Verkehrsaufkommen

• Das prognostizierte, stark wachsende Verkehrsaufkommen zwischen den Metropolen Hamburg und Berlin kann nur mit diesem zusätzlichen Verkehrssystem bewältigt werden.

Umweltfreundlichkeit

• Günstige Lärmwerte bei Geschwindigkeiten unter 200 km/h. • Keine Schadstoffbelastungen entlang der Trasse. • Eine vergleichsweise günstige Energiebilanz.

Stadtverträglichkeit

• Bei gründlicher Planung und dem Einsatz genügender finanzieller Mittel Ist eine stadtgestalterisch befriedigende Einführung in die Ballungsräume möglich.

Verflechtung mit anderen Verkehrssystemen

• Eine Verknüpfung an zentralen Bahnhöfen mit dem Nah-, Regional-und Fernverkehr ist technisch machbar.

Finanzierung

• Die Finanzierung der Fahrzeuge, der Energie- und Leittechnik sowie der Haltestationen erfolgt durch eine private Betreibergesellschaft.

Wirtschaftliche Bedeutung

• Infolge der Referenzstrecke Hamburg - Berlin kann der Transrapid möglicherweise gewinnbringend exportiert werden.

• Deutschland wird als Standort für Hochtechnologie gestärkt. Daraus werden positive Effekte auf den Arbeitsmarkt erhofft.

Abb. 2: Auswahl wichtiger Argumente für den Bau des Transrapid zwischen Hamburg und Berlin

[Seite der Druckausgabe: 33]


Argumente GEGEN den Transrapid

Trasse

• Es ist bisher ungeklärt, wie ein ausreichender Schutz vor Witterungseinflüssen (z.B. Schnee) und vor eventuellen Anschlägen gewährleistet werden kann.

• Im Fall von Betriebsstörungen oder notwendigen Reparaturen ist keine Ausweichtrasse vorhanden.

Reisegeschwindigkeit

• Vergleichbare Geschwindigkeiten können inzwischen auch mit der herkömmlichen Rad/Schiene-Technik erreicht werden.

• Die Strecke Hamburg - Berlin wäre mit einem ICE in immerhin 82 Minuten zu bewältigen.

Verkehrsaufkommen

• Die Wachstumsprognosen beruhen auf den optimistischen Annahmen der „Wendezeit" und müßten korrigiert werden.

• Die angestrebten 14,5 Mio. Fahrgäste stellen eine „Bestfallannahme" dar. Zudem ist diese Zahl kontraproduktiv zu dem Bestreben, physische Verkehre aus Umweltgründen zu vermeiden.

Umweltfreundlichkeit

• Hohe Lärmentwicklung bei Geschwindigkeiten über 200 km/h.

• Bei den jeweiligen Betriebsgeschwindigkeiten (270 bzw. 400 km/h) ist der ICE um 5 bis 7 d8(A) leiser als der Transrapid.

• Durch Umsteige- und Anbindungsverkehre ist zusätzlicher Energieaufwand erforderlich.

Stadtverträglichkeit

• Die stadtverträgliche Einführung in die Ballungsräume (vor allem Berlin) ist bisher nicht gelöst.

• Eine mangelnde Synchronisation der Planungen für den Transrapid (z.Zt. Raumordnungsverfahren) und für die zentralen Bereiche von Berlin (Planfeststellungsverfahren laufen) wirkt erschwerend.

Verflechtung mit anderen Verkehrssystemen

• Dem Transrapid als „Insellösung" mangelt es, u.a. im Hinblick auf das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz, an Netzbindungsfähigkeit.

• Die Anbindung an bestehende Zentralbahnhöfe erweist sich als problematisch, u.a. ist auch das durch Zubringerverkehre induzierte Kfz-Aufkommen weder Straßen- noch parkplatzseitig berücksichtigt.

Finanzierung

• Das privat aufgebrachte Kapital beträgt letztlich weniger als 1 Mrd. DM.

• Die Gesamtkosten sind bisher zu niedrig angesetzt. Die durch Fahrwegverlängerungen, Grunderwerb, Auflagen des Raumordnungsverfahrens etc. resultierenden Kosten sind nicht berücksichtigt.

• Der Bund hat ein erhebliches finanzielles Risiko zu tragen.

Wirtschaftliche Bedeutung

• Bei genauerer Betrachtung der jeweiligen Situation in potentiellen Abnehmerländern müssen die Exporthoffnungen relativiert werden.

• Im Ggs. zu Telekommunikations- und Schnittstellen-technologien gehört der Transrapid nicht zu den wirklich zukunftsträchligen Technologien.

• Die direkten Effekte auf den inländischen Arbeitsmarkt sind gering.

Abb. 3: Auswahl wichtiger Argumente gegen den Bau des Transrapid Hamburg - Berlin

[Seite der Druckausgabe: 34]

den zentralen Bereich Berlins, weiterhin auf 8,9 Mrd. DM beläuft, ist es doch äußerst umstritten, inwieweit das Finanzierungskonzept die anfallenden Kosten und Kostensteigerungen wirklich deckt. Eine mögliche „Kostenexplosion", die sich aus im Rahmen des Raumordnungsverfahrens gestellten Auflagen ergeben könnte, ist in keiner Weise berücksichtigt. Kritiker weisen zudem auf mehrere neuere Erkenntnisse und Entwicklungen hin, die ihrer Ansicht nach zu Kostensteigerungen führen müßten.

So ist es unglaubwürdig, daß durch die in dem ursprünglichen Finanzierungskonzept nicht enthaltene, städtebaulich schwierige Anbindung des Transrapid an die zentrale Achse des Pilzkonzeptes, keine erhebliche Kostensteigerung zu erwarten sei. Gerade in Städten und Ballungsgebieten sind die Kosten für Infrastrukturvorhaben besonders hoch. Selbst ohne Tunnelbau weichen sie hier bei Bahn- und Straßenprojekten um einen Faktor 2, 3 oder 4 von den Durchschnittswerten nach oben ab. Wenn die bisher veranschlagten durchschnittlichen Kosten je Kilometer Fahrweg etwa 29 Mio. DM betragen, dann liegt es nahe, für einen Fahrweg-Kilometer innerhalb Berlins eine Summe von rund 50 Mio. DM anzunehmen. Bei der knapp 10 km langen Verlängerung des Fahrwegs vom Westkreuz zur zentralen Achse des Pilzkonzeptes ergibt sich eine ungedeckte Summe von einer halben Milliarde DM.

Ein weiterer kostensteigernder Faktor dürfte die jetzt vorgesehene Anbindung an den Fern-, Regional- und Nahverkehr sein. Ursprünglich (Westkreuz) war nur eine Verknüpfung mit dem Nahverkehr geplant. Eine kostenneutrale Anbindung ist kaum vorstellbar, deshalb schreibt die Berliner Senatsverwaltung in der derzeit gültigen „Verkehrsplanung für Berlin" zum Thema Transrapid explizit: „Die Kostenübernahme, die sich aus der notwendigen Anbindung an den Fern-, Regional- und Nahverkehr ergibt, wird grundsätzlich nach dem Verursacherprinzip geregelt. Der Haushalt Berlins darf durch unmittelbare Planungs-, Bau-, Fahrwegs- oder Betriebskosten der Magnetschwebebahn nicht belastet werden, [...] und für eine leistungsfähige innerstädtische Anbindung durch den öffentlichen Personennahverkehr und den Individualverkehr dürfen weder Mittel aus dem GVFG-Landesprogramm noch zugesagte Mittel aus dem GVFG-Bundesprogramm in Anspruch genommen werden". Auch der bedeutende Finanzbedarf, der sich aus einer u.U. notwendigen Tieflage bei der Anbindung an den Lehrter Bahnhof ergibt, ist in den Kostenrechnungen nicht enthalten.

[Seite der Druckausgabe: 35]

Weitere erhebliche Kostenrisiken können aus einem bisher nicht einkalkulierten Grunderwerb resultieren. Wenn der Transrapid nicht direkt über, sondern neben vorhandenen Verkehrswegen geführt werden soll oder auch muß, stellt sich die Frage, ob die sich im Eigentum der öffentlichen Hand oder der Bahn befindlichen Trassen wirklich breit genug sind, um ohne nennenswerten zusätzlichen Grunderwerb auszukommen.

Es ist fraglich, ob all diese Zusatzkosten wirklich aufgrund der bisherigen Kalkulation mühelos absorbiert werden können. Gerade weil die Finanzierung politisch immer sehr umstritten gewesen ist, kann angenommen werden, daß die Kosten im Gegensatz zu den Erlösen stets besonders knapp kalkuliert wurden.

Page Top

6.3 Fahrgastprognosen

Bezüglich der Erlöse geht das Finanzierungskonzept davon aus, daß pro Personenkilometer 32,2 Pfennige eingenommen werden. Aus Sicht der Deutschen Bahn AG als der vorgesehenen Betreibergesellschaft handelt es sich hier um einen unrealistisch hohen Erlössatz. Zum Vergleich beliefen sich die Erträge des Rad/Schiene-Systems im Jahr 1993 auf 28 Pfennige. Während beim Transrapid ein Ticketpreis von 160 DM angenommen wird, kostet heute ein Intercity-Ticket für die Fahrt Berlin-Hamburg und zurück in der zweiten Klasse etwa 120 DM, mit der BahnCard sogar nur die Hälfte.

Trotz des relativ hohen Reisepreises bei Benutzung des Transrapid wird von extrem hohen Fahrgastzahlen ausgegangen. Angestrebt werden 14,5 Mio. Fahrgäste pro Jahr. Wirtschaftlich soll sich das System jedoch bereits bei 12 Mio. Passagieren tragen, gegebenenfalls wäre es nach Aussagen der Magnetbahn-Planungsgesellschaft sogar schon bei 10 Mio. jährlichen Fahrgästen überlebensfähig.

Die offiziell immer wieder genannten 14,5 Mio. Fahrgäste bedeuten ein tägliches Verkehrsaufkommen von 40.000 Menschen, wobei noch eine gewisse Variation in den Tagesganglinien zu erwarten ist: Die meisten Fahrgäste werden den Transrapid in den Morgenstunden und/oder am Abend benutzen. In Anbetracht des derzeitigen Verkehrsaufkommens zwischen den beiden Metropolen handelt es sich um ein beachtliches prognostiziertes Wachstum. Heute legen pro Tag etwa 8.000 Menschen die Strecke Berlin - Hamburg zurück. Das starke Verkehrswachstum wird insbesondere mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten begründet: in der

[Seite der Druckausgabe: 36]

Beziehung zwischen Hamburg als „Tor zur Welt" und Berlin als neuem Regierungssitz wird eine Zunahme des Personenverkehrs um das 6- bis 9-fache prognostiziert. Gleichzeitig wird angenommen, daß der Transrapid mit der extrem kurze Reisezeit von unter 60 Minuten schon unabhängig von direkten Verkehrsbedürfnissen Anziehungskraft besitzt und Kunden anlockt.

An dieser optimistischen Wachstumsannahme bestehen jedoch immense Zweifel:

Gänzlich andere Zahlen nennt der Bundesverkehrswegeplan von 1992 (BWVP '92). Hier ist die Rede von 9,6 Mio. Fahrgästen zwischen beiden Ballungsgebieten. Eine andere Schätzung geht von etwas über 10 Mio. aus. Eine Erklärung, die für diese Differenz seitens der Magnetbahn-Planungsgesellschaft u.a. unter Berufung auf ein aktuelles Intraplan-Gutachtan gegeben wird, basiert darauf, daß der Transrapid nicht nur zum Westkreuz geführt wird, sondern bis an die Achse des Pilzkonzeptes, also z.B. an den Lehrter Bahnhof, wodurch er entscheidend attraktiver wird.

Ein weiterer Grund, an der Zahl von 14,5 Mio. Fahrgästen zu zweifeln, ist die Tatsache, daß die Verkehrsprognosen, die der Bundesverkehrsminister 1992 vorgelegt hat, auf den wirtschaftlichen und perspektivischen Annahmen zur Wendezeit beruhen und mit sehr optimistischen Werten hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung vor allem in Ostdeutschland und in Osteuropa argumentieren. Bei den damaligen wirtschaftlichen wie demographischen Perspektiven betrugen die bis 2010 prognostizierten Wachstumsraten im Fernverkehr der Bahn für Deutschland ungefähr 70%. Heute läßt sich im Eisenbahnfernverkehr jedoch nur eine Steigerung von etwa 5 bis 10% diagnostizieren, d.h. aus heutiger Sicht müßte man die Eisenbahnprognosen, aus denen die Transrapid-Prognosen abgeleitet wurden, nach unten revidieren.

Auch ein Vergleich mit den Fahrgastzuwächsen beim französischen TGV führt zu einer Dämpfung der Erwartungen hinsichtlich des Verkehrsaufkommens beim Transrapid: Vor der Inbetriebnahme des TGV Atlantique im Jahr 1989 gab es auf der Strecke Paris - Lyon rund 10 Mio. Reisende, die den Zug in beiden Richtungen auf der alten Strecke über Dijon benutzten. Heute reisen auf derselben Relation gut 20 Mio. Menschen, davon allerdings nur 16 Mio. im TGV, da 4 Mio. weiterhin die Strecke über Dijon bevorzugen. Es läßt sich hier also bestenfalls von einer Verdoppelung des Verkehrsaufkommens sprechen. Enthalten ist in dieser Zahl von 20 Mio. jährlichen Fahrgästen auch der Anteil des weiterlaufenden Verkehrs in Richtung Valence und Marseille.

[Seite der Druckausgabe: 37]

Auch auf der Relation Hamburg - Berlin ist mit Reisenden zu rechnen, die sich trotz der Attraktivität des Transrapid für eine Fahrt mit der herkömmlichen Eisenbahn entscheiden. Ein wichtiges Kriterium könnte hier die bessere Netzbindungsfähigkeit im herkömmlichen Rad/Schiene-System und damit die Vermeidung umständlichen und zeitaufwendigen Umsteigens an den Schnittstellen der Systeme sein. Die im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft mögliche Konkurrenz durch Züge ausländischer Bahnen, die auf der Strecke Hamburg - Berlin zu einem günstigen Fahrpreis in herkömmlicher Rad/Schiene-Technik verkehren könnten, wird sich aber vermutlich infolge weniger Züge und entsprechend geringer Kapazitäten in sehr engen Grenzen halten.

Eine entscheidende Kritik am prognostizierten und angestrebten Verkehrsaufkommen von 14,5 Mio. Fahrgästen pro Jahr kommt zusätzlich aus einer eher grundsätzlichen Betrachtung. Dem aus ökonomischen wie ökologischen Gründen heraus geforderten Ziel, mehr physische Verkehre von der Straße bzw. aus der Luft „wegzubringen" und durch Informationsverkehr zu substituieren, steht die Vision von 14,5 Mio. jährlich verkaufter Tickets kontraproduktiv entgegen. Überhaupt ist der Transrapid nur in sehr geringem Ausmaß dazu geeignet auf dieser Route Verkehr zu substituieren. Von den heute vorhandenen 8.000 Reisenden auf dieser Strecke benutzen täglich weniger als 200 ein Flugzeug, etwa 6.000 reisen mit dem Auto und rund 2.000 reisen mit der Bahn. Selbst wenn man die sehr günstige Annahme trifft, daß 50% der Autofahrer auf den Transrapid umsteigen würden, dann sind das täglich insgesamt nur 3.000. Nimmt man weiterhin an, daß auch rund 50% der heutigen Bahnbenutzer dazu übergehen, den Transrapid zu benutzen, dann ergibt sich eine maximale Summe von 4.000 Personen, die ihre heutigen Wege auf den Transrapid verlagern können. Das ist genau ein Zehntel des pro Tag angepeilten Fahrgastaufkommens, welches damit überwiegend aus neuinduziertem Verkehr bestehen müßte.

Dies steht klar im Widerspruch zu der raumplanerischen Tendenz, Konzepte für kleinere Personen- und Warenströme zu entwickeln. Nach diesen Ansätzen sollte es möglichst vermieden werden, daß Personen ständig zwischen Berlin und Hamburg hin- und herpendeln. Schließlich ist es ein Problem unserer Zeit, daß die Distanzen zwar andauernd ausgeweitet werden, sich aber die Anzahl von erledigten Aktivitäten praktisch nicht erhöht hat.

[Seite der Druckausgabe: 38]

Page Top

6.4 Mittelbindung in den öffentlichen Haushalten

Insgesamt ergibt sich daraus, daß die Nachfrageprognosen, Erlösschätzungen sowie die Kalkulation der Investitions- und Betriebskosten im Finanzierungskonzept auf idealen Randbedingungen basieren und einen optimistischen Fall darstellen. Insbesondere die Zahlen zum Fahrgastaufkommen entstammen einer inkonsistenten Kombination von Bestfallannahmen. „Das Transrapidprojekt Hamburg - Berlin hat in der Anhörung durch die unabhängige Sachverständigenkommission ein vernichtendes Urteil erfahren. Das Finanzierungskonzept der Bundesregierung für diese Strecke ist von A bis Z haltlos. Über Enfädelung und Verknüpfung mit den übrigen Verkehrsträgern in Berlin gibt es bisher weder ein Konzept noch Vorstellungen über die Trassenführung noch belastbare Berechnungen. Hierauf eine betriebswirtschaftliche Berechnung aufzubauen ist die reine Illusion. Die Bundesregierung hat lediglich lauter Bestfallannahmen über Fahrzeiten und Fahrgäste zusammengewürfelt. Nichts davon hat Bestand. Die Auswirkungen auf den Steuerzahler sind gar nicht abschätzbar" [ Fn. 2: Klaus Daubertshäuser, früher MdB und Mitglied im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages, heute Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG für Nah- und Regionalverkehr; ähnlich haben sich Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesverkehrsminister geäußert.]

Die Kritiker des Finanzierungskonzeptes leiten aus der Überlegung, daß dieses mehr auf prognostischen Bestfallannahmen als auf realistischen Erwartungen basiert, eine hohe zukünftige Belastung der öffentlichen Haushalte ab. Von einem echten Privatfinanzierungsmodell kann keine Rede sein, da beim Bund auch alle Risiken liegen, die sich aus den Abweichungen von getroffenen Planungsannahmen ergeben, z.B. bezüglich der Fahrgastzahlen, den Fahrwegkosten oder auch in bezug auf Planverzögerungen.

Das hat nicht nur für den Bund sondern auch für die Länder erhebliche verkehrspolitische Konsequenzen, weil der Transrapid damit auf Kosten anderer, notwendiger Verkehrsinfrastrukturvorhaben insbesondere im Schienenbereich durchgesetzt wird. Der Transrapid geht zu ungefähr 56 bis 60% zu Lasten des Verkehrshaushaltes und zu 40% zu Lasten der anderen hochinvestiven Haushalte des Bundes. Damit hat er möglicherweise nicht nur einen „Staubsaugereffekt" für andere Verkehrsprojekte, sondern auch für den Wohnungs- und Hochschulbau oder für Forschungs- und

[Seite der Druckausgabe: 39]

Umweltinvestitionen. Die Gefahr einer Priviligierung der Transrapidfinanzierung im Bundeshaushalt kann daher nicht ausgeschlossen werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

Previous Page TOC Next Page