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5. Die Referenzstrecke von Berlin nach Hamburg


Der Bau einer Referenzstrecke des Transrapid ist aus mehreren Gründen politisch gewollt: Neben beschäftigungs-, regional- und industriepolitischen Erwägungen spielen dabei exportpolitische Erwartungen eine wesentliche Rolle.

Anfangs waren bei der Suche nach einer geeigneten Referenzstrecke für den Transrapid mehrere Alternativen im Gespräch. Zunehmend kristallisierte sich dann aber die Realisierung einer Verbindung zwischen Hamburg und Berlin als erste Anwendungstrasse heraus. Damit können zwei wichtige Ballungsgebiete, die etwa 300km voneinander entfernt sind, besser miteinander verbunden werden. Das Hamburger Einzugsgebiet liegt in der Größenordnung zwischen 2 und 3 Mio. Menschen und verfügt über einen national bedeutenden Seehafen. Der Ballungsraum um Berlin beherbergt 4 bis 5 Mio. Menschen und gewinnt darüber hinaus sowohl durch seine neue Funktion als Bundeshauptstadt als auch durch die politische Öffnung nach Osten zunehmend an Einfluß. Zwischen beiden Zentren wird deshalb das Verkehrsaufkommen sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr stark anwachsen, weshalb als Alternative zum Transrapid nur eine Kapazitätsanpassung des klassischen Schienensystems möglich wäre, d.h. ein drittes oder sogar viertes Gleis zusätzlich zu den bestehenden und inzwischen durchgehend elektrifizierten zwei Gleisen.

Der Transrapid ermöglicht es, diese beiden Zentren mit einer Fahrzeit von weniger als 60 Minuten zu verknüpfen, wobei während der Spitzenstunden ein Taktverkehr zwischen 10 und 12,5 Minuten angestrebt wird. Vorgesehen ist dabei ein 6-Sektionen Zug, der die gleiche Kapazität wie ein 400 m langer ICE hat.

Von diesem Projekt sind fünf Länder direkt betroffen: Die Stadtstaaten Hamburg und Berlin, sowie die Flächenländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Die Einstellungen seitens dieser Länder gegenüber dem Transrapid waren von Anfang an sehr unterschiedlich: Die Ballungsräume Hamburg und Berlin als potentielle Nutznießer dieser Verbindung verhielten sich ausgesprochen aufgeschlossen, Mecklenburg-Vorpommern eher zurückhaltend-neutral, und sowohl Brandenburg als auch Schleswig-Holstein sahen sich als Transitländer und standen dem neuen System skeptisch gegenüber.

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5.1 Trassenfindung Flächenverbrauch und Zerschneidungseffekte als raumordnerische Probleme


Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß mit der Trasse ein erheblicher zusätzlicher Flächenverbrauch, massive landschaftliche Zerschneidungseffekte und deutliche landschaftliche und städtebauliche Eingriffe verbunden sind. Ein solcher Eingriff in die Landschaft ergibt sich grundsätzlich beim Bau neuer Strecken, auch bei klassischen Schienensystemen wie dem ICE. Die ersten beiden deutschen Neubaustrecken für den ICE, Hannover - Würzburg und Mannheim - Stuttgart, benötigten im Mittel einen Flächenverbrauch von 3,2 ha/km. Bei diesem Wert sind allerdings alle Tunnelabschnitte - rund ein Drittel der gesamten Streckenlänge - mitgerechnet. Wären die Tunnelstrecken bei der Berechnung des Flächenverbrauchs pro Streckeneinheit nicht mitgezählt worden, müßte der Flächenverbrauch entsprechend höher beziffert werden. Ein vergleichsweise hoher Flächenverbrauch ist auch bei westdeutschen Autobahnen üblich: Er liegt hier bei 9,3 ha/km, und damit deutlich höher als sich das auf der Basis der Regelquerschnitte zunächst vermuten läßt.

In welcher Größenordnung der Flächenverbrauch beim Transrapid letztlich liegen wird, ist noch unklar, da bisher noch nicht bekannt ist, welcher Abstand zwischen den beiden Richtungstrassen eingehalten werden muß, damit Begegnungen von entgegenkommenden Zügen mit einer Geschwindigkeit von jeweils 500 km/h möglich sind. Als Mindestwert werden für die gerade Strecke 17,70 m genannt, bei höheren Geschwindigkeiten und bei Kurvenfahrten muß dieser Abstand jedoch höher ausfallen. Auf der seit 1984 in Lathen im Emsland existierenden Versuchsstrecke konnte die Situation mit Gegenverkehr nicht real erprobt werden, da hier nur eine Spur mit einer Gegendruckwand vorhanden ist, nicht aber ein zweispuriger Abschnitt.

Außerdem müssen die Erdmassen beachtet werden, die sich infolge von Erdbauten wie Einschnitten oder Tunnelanlagen ergeben. Diese Erdmassen gilt es auf geeigneten Deponien unterzubringen, und auch damit ist Flächenverbrauch verbunden. Schon allein der Transport der überschüssigen Erdmassen von der Baustelle zu den Lagerstätten kann größere Flächen beanspruchen: Im Zusammenhang mit dem Neubau der ICE-Strecke Mannheim - Stuttgart wurden beispielsweise für Transporte während der Bauzeit mehr Straßenkilometer gebaut als die Neubaustrecke lang ist.

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Eine Minderung sowohl des Flächenverbrauches als auch der Trennwirkungen insgesamt kann sich durch die Bündelung von Verkehrswegen ergeben. Hier gibt es eine Reihe von Beispielen, u.a. an der ICE-Neubaustrecke Mannheim - Stuttgart, teilweise auch an der Neubaustrecke zwischen Hannover und Würzburg. Auch französische TGV-Strecken sind mit Straßen gebündelt, z.B. die Strecke von Paris nach Lille, die über eine Distanz von 135 km parallel zu einer Autobahn verläuft. Auch für den Transrapid wäre eine solche Bündelung grundsätzlich vorteilhaft.

Der Vorgang der konkreten Trassenfindung

Um die genaue Trasse für eine Transrapidstrecke zwischen Hamburg und Berlin zu finden und zwischen den Ländern abzustimmen, wurde Ende des Jahres 1994 auf freiwilliger Basis ein Arbeitskreis gebildet, der alle fünf Bundesländer umfaßte. In diesem Arbeitskreis wurde auf Vorschlag der Magnetschwebebahn-Planungsgesellschaft anhand von vorgegebenen natürlichen Grenzen ein Raum definiert, innerhalb dessen die zukünftige Trasse verlaufen sollte. Die genannten natürlichen Grenzen waren im Süden die Elbe und im Norden die Mecklenburgische Seenplatte. Insgesamt hatte der so definierte Raum eine Länge von 300 km und eine Breite zwischen 40 und 80 km.

Bei der weiteren Trassenfindung konnte die Magnetbahn-Planungsgesellschaft auf bestehende Informationen zurückgreifen, die großenteils EDV-gestützt und digitalisiert vorlagen. Es erwies sich in diesem Zusammenhang als Vorteil, daß aufgrund der Planungen des Großflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) und aufgrund der Autobahn A 20 in den Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bereits Untersuchungen existierten.

Auf der Grundlage dieser Informationen konnten verschiedene „Raumwiderstandskarten" über die zur Diskussion stehende Fläche bzw. über den vom länderübergreifenden Arbeitskreis ausgewiesenen Planungsraum gelegt werden: Zunächst eine Karte mit Informationen über bestehende Infrastrukturen wie Siedlungen, Straßen und Schienen. Mit Hilfe dieser Karte konnten Siedlungsgebiete mit 200 m breiten Schutzzonen umgeben werden. Weitere überlagernde Karten berücksichtigen anschließend zuvor mit den beteiligten Ländern abgestimmte Kriterien wie Fauna und Flora (Kraniche, Seeadler, Amphibien), Wasserhaushalt (Wasserschutzgebiete,

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Grundwasserstand, Überschwemmungsgebiete) und Bodenstruktur (Abbaugebiete, Moorgebiete).

Aus diesen, einander überlagernden Widerstandskarten wurden schließlich zwei Grobkorridore abgeleitet, die sich beide an bestehender Infrastruktur orientieren. Der nördliche Grobkorridor verläuft vollständig parallel zur Autobahn A 24, der südliche Korridor hat seinen Verlauf abschnittsweise entlang der Autobahn A 25, der Bundesstraße B 5, einer Eisenbahnlinie und entlang einer vorhandenen 220 kV Überlandleitung. Beide Korridore sind durch insgesamt 6 Verbindungsstellen miteinander verknüpft, an denen von einem Korridor auf den anderen gewechselt werden könnte.

Es erfolgte im Länderarbeitskreis eine Einigung, sich bei der weiteren Planung auf diese jeweils mindestens 4 km breiten Korridore zu konzentrieren. U.a. sollten für diese Korridore Schwerpunktkriterien der Umwelt vertieft untersucht werden, so Amphibien und Vögel, die durch Nistflächen und Futterplätze von der Bodenbeschaffenheit abhängig sind. Diese Untersuchung ist im Jahr 1995 mit erheblichem personellen Aufwand (120 Personen) durchgeführt worden. Gleichzeitig wurden in diesen Korridoren weitere Studien im Bereich der Verkehrsplanung unternommen.

Derzeit werden von diversen Gutachtern zahlreiche Untersuchungen zur Vorbereitung der Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren durchgeführt, deren wichtigste Inhalte im folgenden genannt sind:

  • Trassierungskorridore und konkrete Trassierung (ebenerdig, auf Stelzen, Tunnel),

  • Einführungskorridore in die Städte einschließlich Haltepunkten,

  • Verknüpfungen mit den übrigen Verkehrsträgern (Fernverkehr der Bahn, ÖPNV, Individualverkehr) und Kreuzungsproblematik (Unter- oder Überführung),

  • ökologische Implikationen (Umweltverträglichkeit),

  • Optimierung des Verkehrsaufkommens,

  • Kosten.

Daneben sind alle betroffenen Länder zur Abgabe einer Landesplanerischen Beurteilung aufgefordert, deren Argumente im Rahmen der Planfeststellung aufgenommen und erörtert werden. Inzwischen wurden die Raumordnungsverfahren in den betreffenden Bundesländern mit den Antragskonferenzen eröffnet. Im Anschluß an

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diese Konferenzen soll 1996 in allen Bundesländern gleichzeitig das eigentliche Raumordnungsverfahren aufgenommen werden. Sobald Ende 1996 die Ergebnisse der Landesplanerischen Beurteilungen vorliegen, erfolgt intern bei der Magnetschwebebahn-Planungsgesellschaft die sogenannte Rahmenentwurfsplanung. Bei dieser Rahmenentwurfsplanung wird aufgrund der im Verlauf des Raumordungsverfahrens vorgenommenen Ergänzungen nochmals anhand der Investitions- und Betriebsführungskosten sowie der Ertragsaussichten überprüft, ob sich das ganze System wirtschaftlich trägt oder ob das Vorhaben eingestellt werden sollte. Die Überprüfung findet dabei sowohl aus Sicht des Bundes als auch aus Sicht der Firmen und Banken als Investoren statt.

Bei Bestätigung des Finanzierungskonzeptes soll eh erstes Teilstück des Transrapid in Mecklenburg-Vorpommern gebaut werden, u.a. um hier die notwendigen Abstände zwischen Richtungstrassen endgültig bestimmen zu können. Insgesamt ist bisher geplant, die gesamte Verbindung von Berlin nach Hamburg bis zum Jahr 2005 fertiggestellt zu haben. Vor dem Baubeginn muß allerdings noch geklärt werden, welche Zielpunkte vom Transrapid innerhalb der Ballungsgebiete angefahren werden sollen.

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5.2 Bestimmung der Zielpunkte

Den Endpunkt in Hamburg betreffend, waren sich alle Beteiligten der Senatsverwaltung und auch das benachbarte Bundesland Schleswig-Holstein einig, daß nur der Hamburger Hauptbahnhof als Zielpunkt in Frage kommt, da sich hier alle Verkehrsarten - Bus, Taxi, Radverkehr, Fußgänger, U-Bahn, S-Bahn, spurgebundener Zugverkehr einschließlich IC und ICE - treffen und miteinander verknüpft sind.

Die ersten Überlegungen, die Transrapidtrasse an den Hamburger Hauptbahnhof anzubinden, gingen zunächst von der ungünstigeren Situation aus, nach welcher Umsteiger zwischen den Systemen einen etwa 200 m weiten Weg quer über eine Straße zurücklegen hätten müssen. Durch einen Glücksfall konnten die Planungen wesentlich verbessert werden. Da die Post ihre Verladestelle für Briefe und Päckchen, den sogenannten Hühnerposten, in direkter Nachbarschaft zum Hauptbahnhof aufgibt, kann der Transrapid durch das Gebäude hindurch direkt an bestehende Gleise des Rad/Schiene-Systems herangeführt werden, womit eine direkte Umsteigebeziehung möglich wird.

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Ein Problem ergibt sich aus der Anzahl der täglichen Fahrgäste des Transrapid. Unter den prognostizierten 40.000 Personen wird trotz der guten Erschließung des Hauptbahnhofes durch die Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs ein nicht unerheblicher Anteil mit dem eigenen Kraftfahrzeug anfahren wollen. Einerseits wird deshalb seitens der Hamburger Senatsverwaltung erwogen, eine größere Parkierungsanlage mit 500 bis 600 Stellplätzen in direkter Bahnhofsnähe zu realisieren, andererseits wird die Notwendigkeit gesehen, einen zweiten, peripheren Haltepunkt im Hamburger Einzugsgebiet unterzubringen.

Als periphere Haltepunkte sind im Raum Hamburg bzw. im angrenzenden Schleswig-Holstein drei Orte in der Diskussion: Geesthacht, Reinbek und Billwerder-Moorfleeth. Für Billwerder-Moorfleeth werden dabei sogar zwei Varianten untersucht: Einmal mit Anbindung durch eine S-Bahn, einmal ohne eine solche Anbindung.

Am Berliner Endpunkt war dem Finanzierungskonzept zufolge der Bahnhof Westkreuz als Zielpunkt vorgesehen. Aufgrund seiner peripheren Lage wuchsen jedoch die Zweifel an dieser Lösung. Vor allem die Notwendigkeit, hier auf jeden Fall auf innerörtliche Verkehrsträger wie Straßenbahn oder S-Bahn umsteigen zu müssen, um Berlins City einschließlich der dort gelegenen Fernbahnhöfe zu erreichen, führte zu der Überlegung, den Transrapid doch bis an die zentrale Achse des öffentlichen Verkehrs, an die Achse des sogenannten Pilzkonzeptes heranzuführen. Mögliche Anknüpfungspunkte an dieses Pilzkonzept sind die Bahnhöfe Gesundbrunnen im Norden, Lehrter Bahnhof in der Mitte und Südkreuz bzw. Papestraße im Süden.

Eine verkehrliche Untersuchung dieser drei an der Achse gelegenen Bahnhöfe im Vergleich zum Bahnhof Westkreuz wies ein klares Gefälle bezüglich der ermittelten Nutzerzahlen auf. Der Bahnhof Gesundbrunnen ist demzufolge schon ein günstigerer Endpunkt als Westkreuz, noch besser aber wäre eine Anbindung an die Bahnhöfe Papestraße und Lehrter Bahnhof. Im Sinne einer benutzerfreundlichen Anbindung an die Zentralpunkte des Personennah- und -fernverkehrs werden die zwei letztgenannten Bahnhöfe deshalb in den aktuellen Planungen favorisiert. Bei einer Heranführung der Transrapidtrasse würde sich die Länge der Gesamtstrecke unabhängig von der Trassenführung in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg um knapp 10 km verlängern.

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Um die endgültige Entscheidung für einen der zentralen Bahnhöfe in Berlin treffen zu können, müssen die jeweiligen Bahnhöfe in bezug auf eine möglichst unkomplizierte Verknüpfung des Transrapid mit den übrigen Verkehrsträgern untersucht werden.

Am Bahnhof Papestraße gäbe es die Möglichkeit, den Transrapid in gleicher Ebene direkt an die S-Bahn anzubinden. Auch die Integration in das geplante Bahnhofsgebäude, für welches derzeit das Planfeststellungsverfahren läuft, scheint unproblematisch zu sein. Hier wäre die Möglichkeit gegeben, über eine witterungsgeschützte Rolltreppe direkt vom Bahnsteig des einen Verkehrssystems zum Bahnsteig des anderen Verkehrssystems zu gelangen.

Am zentraler gelegenen Lehrter Bahnhof stellt sich die Situation schwieriger dar. Einerseits besteht hier die Überlegung, den Transrapid direkt vor dem Gebäude in der 1. oder 2. Ebene anzubinden. Damit ergäbe sich allerdings ein erheblicher Nachteil, weil so ein Stumpfgleis entstünde und eine zukünftige Weiterführung kaum realisierbar wäre. Bessere Varianten wären zum einen die Anbindung auf dem jetzigen Gelände des Containerbahnhofes, der sich bis zum Jahr 2005 auf jeden Fall verändern wird. Zum anderen besteht die Möglichkeit, in Anlehnung an die Trasse der S-Bahn-Linie S 21 eine Annäherung an den Lehrter Bahnhof in Tieflage vorzunehmen. Bei allen Alternativen werden die bestehenden Planungen für den bereits planfestgestellten Bahnhof nicht angetastet.

In Abhängigkeit von beiden Zielpunkten wird zudem untersucht, ob ein zweiter Haltepunkt in Berlin gerechtfertigt ist. Ein solcher zusätzlicher Haltepunkt an der Peripherie des Ballungsraumes könnte entweder in Wustermark, Veiten oder Hennigsdorf liegen, genauso sind aber auch Westend und Spandau zu erwägen. Ein Argument, möglichst mehrere Haltepunkte im Stadtgebiet anzuordnen, ergibt sich schon aus Gestaltgründen, damit die Wahrnehmung eines derartigen Verkehrssystems sich nicht ausschließlich auf einen Punkt im gesamten großen Stadtraum konzentriert. Auch die praktische Erfahrung hat ergeben, daß sich diese „Vor-Haltepunkte" gut bewähren.

Neben den Haltepunkten in den Ballungsräumen Hamburg und Berlin soll ein weiterer Bedarfshaltepunkt im Raum Schwerin eingerichtet werden. Dabei kommen vier mögliche Standorte in Frage: Parchim, Holthusen, Lüblow und Ludwigslust. Insgesamt wird die Transrapidstrecke Hamburg - Berlin also maximal 5 Haltepunkte be-

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kommen einen oder zwei in Berlin, einen in Hamburg, einen im Hamburger Umland und schließlich einen in der Region Schwerin.

In dem Bestreben, die komparativen Zeitvorteile des Transrapid zu wahren, muß ein Balanceakt vollzogen werden: Auf der einen Seite ist es notwendig, den Transrapid tatsächlich zentral in die Städte einzuführen, auf der anderen Seite muß die Zahl zusätzlicher Haltepunkte trotz des hervorragenden Beschleunigungs- und Abbremsvermögens des Magnetschwebezuges beschränkt bleiben.

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5.3 Einführung in die Ballungsräume

Ein bisher noch nicht endgültig gelöstes Problem ist auch die Einführung des Transrapid in die Ballungsgebiete hin zu den anvisierten Zielpunkten.

Grundsätzliche Erwägungen hinsichtlich der Einführung

Generell gilt für alle diskutierten Einführungen in den Bereich der Ballungsgebiete, daß das neue System nicht versteckt werden soll. Deshalb ist beabsichtigt, Tunnellösungen soweit möglich zu vermeiden und sie gegebenenfalls nur auf wenige kritische Stellen zu beschränken. Eine Tunnellösung wird nicht näher diskutiert, weil sie weder unter ökologischen Aspekten noch in Anbetracht der immensen Kosten ein Optimum darstellt, und weil angesichts der Umweltfreundlichkeit des Systems Transrapid (keine Schadstoffbelastungen entlang der Trasse, verhältnismäßig geringe Lärmentwicklung bei Tempo 200) keine Schwierigkeiten mit Emissionsgrenzwerten auftreten.

Ideal sind an sich ebenerdige Führungen in einer Höhe von 2 bis 3 Metern. Hieraus würden sich allerdings an mehreren Punkten Kreuzungsprobleme mit anderen Verkehrswegen ergeben. Eine durchgängige Führung auf Stelzen hätte dagegen Beeinträchtigungen des ästhetischen Empfindens und des Wohnwertes benachbarter Wohnungen auch in höhergelegenen Stockwerken zur Folge. Ein beliebig häufiger Wechsel der Höhenlage der Trasse ist jedoch trotz der im Grundsatz vorteilhaften flexiblen Trassierungsmöglichkeiten nicht sinnvoll, da sonst der beabsichtigte Geschwindigkeitsbereich von 200 km/h in den Städten nicht verwirklicht werden kann.

Unabhängig von den Problemen der Höhenlage ist bei der Einführung des Transrapid eine weitgehende Anlehnung an bestehende Infrastrukturen angestrebt. Im Falle

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Berlins kommen dabei ausschließlich bestehende Bahnlinien in Betracht. Selbst eine Einführung entlang von Autobahnen ergibt sich nur in Verbindung mit vorhandenen Bahnlinien. Andere Wege würden dagegen wesentlich größere Eingriffe in die Stadtstruktur und in den Baubestand und damit größere Kosten erfordern. Sinnvoll wären solche Eingriffe nur dann, wenn sie Gebiete betreffen, in denen eine wesentliche Umgestaltung zur Lösung anderer Probleme unerläßlich erscheint. Dies ist im Berliner Stadtgebiet derzeit nicht gegeben.

Bei der Einführung entlang von Bahnanlagen muß aber beachtet werden, daß Bahnlinien und vor allem das S-Bahn-Netz nicht Abfallprodukte der Stadtentwicklung sind, sondern historische Werte darstellen, die beachtet und bewahrt werden sollten. Dies gilt nicht zuletzt für das gesamte Berliner S-Bahn-Netz, das nicht nur im einzelnen Detail der Bahnhöfe, sondern als Gesamtheit einen Denkmalwert darstellt. Und diese Ganzheitswerte erweisen sich immer wieder als besonders empfindlich gegenüber Eingriffen. Es ist deshalb eine ausgesprochen schwierige Aufgabe, auf so vorgegebenen Linien ein neues System hinzuzufügen, zumal gerade an den kritischen Punkten auch eine Konzentration von Gestaltwerten vorliegt. Dies ist insbesondere an den Bahnhöfen der Fall.

Theoretisch könnten Verkehrsmittel wie der Transrapid auch auf Straßenzügen eingebracht werden. Eine Gestaltung, die sowohl Gestalt- als auch Umweltgesichtspunkte voll berücksichtigt, wäre jedoch in die heutige Stadtstruktur nur an sehr wenigen Stellen einfügbar. Sie müßte sich auf Neubaugebiete beschränken.

Für die Einführung in die Berliner Stadtgestalt wäre eine Reihe von - auch allgemeingültigen - Bedingungen zu erfüllen: Es sollten die vorhandenen Gestaltwerte bewahrt und nicht zerstört werden; darüber hinaus sollte durch das neue System möglichst eine Gestaltverbesserung erreicht werden. Das neue System muß sich sowohl in das Stadtbild als auch in Funktionen und Strukturen wie etwa bezüglich der Netzbildung und der Verflechtung mit anderen Verkehrssystemen integrieren. Die Einführung des neuen Systems darf keinesfalls auf Kosten schwacher Glieder der Stadtstruktur, wie etwa Grünzügen, alten Baubeständen und anderen Gestalt- und Ökosystemelementen geschehen, die keine unmittelbare ökonomische Bedeutung haben.

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Die Auswahl der Trassenkorridore

Unter Berücksichtigung solcher Gestaltaspekte ergeben sich bei der Einführung in die beiden Ballungsgebiete folgende Möglichkeiten für die konkreten Trassenkorridore:

Die Trassenführung nach Hamburg hinein ist ähnlich unproblematisch wie die Auswahl des Hauptbahnhofes als Zielpunkt. Zunächst waren die grundsätzlichen Möglichkeiten durch bestehende Infrastrukturen festgelegt. Daraus ergaben sich 12 Varianten, die ab 1994 von einschlägigen Ingenieurbüros untersucht wurden. Im aktuellen Stand sind nur noch 4 der ursprünglichen Varianten in der Diskussion. Es handelt sich um Korridore, die parallel zur A 24 und zum Autobahnring oder entlang der A 25 nach Billwerder-Moorfleeth geführt und von dort entweder nördlich oder südlich der Norderelbe (einschließlich Billwerder Bucht und Holzhafen) zum Hauptbahnhof weitergeführt werden. An eine Fortführung in Richtung Kiel oder Bremen wird nicht gedacht.

Eine komplexere Situation ergibt sich in Berlin: Hier wurden mit der Senatsverwaltung und dem Land Brandenburg zunächst 16 Möglichkeiten ausgehandelt, wie man von Westen bzw. Norden kommend die Achse des Pilzkonzeptes erreichen kann. Diese 16 Varianten wurden nach von der Magnetbahn-Planungsgesellschaft vorgeschlagenen Kriterien (Städtebau, Umwelt, Verkehr) in den Maßstäben 1:25.000 und 1:10.000 untersucht. An den besonders kritischen Punkten wird inzwischen sogar im Maßstab 1:4.000 untersucht.

Für eine Einführung von Norden gibt es insgesamt fünf bis sechs Varianten, die miteinander einen Fächer bilden. Der längste Weg, dessen Umweg aber bezogen auf die Gesamtstrecke von 300 km nicht relevant ist, müßte bei der Realisierung der sogenannten N 1-Variante zurückgelegt werden. Diese Trasse beschreibt fast einen Bogen um Berlin und gelangt aus nordöstlicher Richtung zum Bahnhof Gesundbrunnen. Ein möglicher Vorteil dieser Strecke wäre, daß sie fast durchgängig ebenerdig geführt werden könnte. Lediglich im Vorfeld von Gesundbrunnen und am Lehrter Bahnhof gäbe es kurze Abschnitte, in denen eine Führung in der 1. oder 2. Ebene erforderlich würde, da bestehende Bahnanlagen, deren Nutzung seit der Grenzöffnung wieder zunimmt, nicht beeinträchtigt werden dürfen.

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Denkbar wäre auch eine Erschließung über die von Norden kommende Trassenvariante N 5 über Veiten und Hennigsdorf westlich am Tegeler See entlang, die schließlich südlich des Siemensgeländes am Westend in den sogenannten Gelenkpunkt mündet, von dem aus sie entweder an den Hafenanlagen entlang zum Lehrter Bahnhof oder via Südring zum Bahnhof an der Papestraße weitergebaut werden kann. Nach dem gegenwärtigen Stand der Untersuchung hat aber die von Westen kommende Trasse W 1, die Berlin von Wustermark her erreicht, die größten Realisierungschancen. Diese Trasse soll die Havel bei Spandau überqueren und ebenfalls an den o.g. Gelenkpunkt anknüpfen.

Eine Entscheidung, welche der 16 geprüften Trassenvarianten tatsächlich realisiert werden kann, ist bisher nicht getroffen worden. Bei der endgültigen Entscheidung werden sicher auch die Schnittstellen zwischen allen beteiligten Anrainerländern eine Rolle spielen. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Fragen, inwieweit die Interessen der Länder hinsichtlich Trassenführung, Haltepunkte und Schnittstellen zueinanderpassen und welches Bundesland die Wartungs- und Instandhaltungsbetriebe und damit die Arbeitsplätze erhält.

Fehlende Synchronisation bei der Planung im Berliner Bereich

Insgesamt scheint die Transrapid-Planung auf der Berliner Ebene in einem ähnlichen Dilemma zu stecken wie auf Bundesebene. Die Inkompatibilität auf der einen Seite und nicht abgestimmte Entwicklungen bei der Planung auf der anderen Seite erweisen sich zunehmend als großes Handicap. Die nicht integrierte, zeitliche Abgestimmtheit der Planungen könnte sich auch auf der lokalen Berliner Ebene noch als ein großes Problem herausstellen. Es steht zu befürchten, daß deshalb im Falle einer Realisierung des Transrapid viele Entscheidungen nicht sorgfältig abgewogen fallen werden.

Während die unabhängig vom Transrapid durchgeführten Planfeststellungsverfahren für den „Zentralen Bereich" Berlins bis auf einige anhängige Klagen weitgehend abgeschlossen sind, und am Lehrter Bahnhof und an der Papestraße bereits gebaut wird, sind für das Raumordnungsverfahren zum Magnetbahnprojekt nicht einmal die vorbereitenden Untersuchungen abgeschlossen. Unter der Voraussetzung, daß alles plangemäß verläuft, wird das Raumordnungsverfahren 1996 und das Planfeststellungsverfahren 1997 durchgeführt bzw. abgeschlossen sein. Erst dann könnte mit dem Bau und der Integration des Transrapid in einen der bestehenden Bahnhöfe

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begonnen werden. Es ist zu bezweifeln, daß die gegebenenfalls erforderlichen Kapazitäten für den Transrapid (z.B. Bahnsteige) bereits jetzt überall eingeplant werden.

Auch die Folgewirkungen des prognostizierten Verkehrsaufkommens von 40.000 bis 45.000 Reisenden täglich sind bisher kaum berücksichtigt worden. Es ist weder anzunehmen, daß alle mit dem ICE, der Regional-, S- oder U-Bahn an- bzw. abreisen, noch daß alle Benutzer von eigenen Kraftfahrzeugen von vornherein den peripheren Haltepunkt ansteuern. Vermutlich sind die im zentralen Bereich von Berlin zu erwartenden Mengen an privaten Personenwagen weder Straßen- noch parkplatzseitig in der Verkehrsplanung berücksichtigt. Es entsteht der Eindruck, daß der Transrapid an keiner Stelle integriert bzw. vernetzt mitgeplant wurde, obwohl seit der Veröffentlichung des Bundesverkehrswegeplanes von 1992 (BVWP '92) bekannt ist, daß der Transrapid nach Berlin kommen soll.

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5.4 Zukünftige Weiterführung nach Süden

Während von Hamburg aus keine Weiterführung des Transrapid angedacht ist, besteht von seiten des Berliner Senats die eindeutige Forderung, die Trassen des Transrapid so zu planen, daß eine Weiterführung in Richtung Süden möglich ist. Dabei wird sowohl eine Fortführung bis zum künftigen Berliner Großflughafen als auch eine überregionale Weiterführung z.B. bis Dresden erwogen.

Für den Lehrter Bahnhof ergeben sich damit beispielsweise mehrere planerische Varianten, wie eine Weiterführung nach Süden gewährleistet werden könnte:

  • Zurückführung über den Innenring der S-Bahn und ab Westkreuz Richtung Schöneberg/Neukölln. Hierbei wären 2 Doppelspuren nötig.

  • Eine eigene Tunnellösung für den Transrapid. Hiermit wären erhebliche Kosten und auch politische Durchsetzungsschwierigkeiten verbunden.

  • Eine Führung auf Stelzen durch die Regierungsgebäude und durch den Tiergarten.

Die Magnetbahn-Planungsgesellschaft hat zugesagt, eine Weiterführung nach Süden in jedem Fall planerisch sicherzustellen. Eine Realisierung entspricht aber einem eigenen Projekt, für das wiederum Finanziers gefunden werden müssen. Neben einer nationalen Weiterführung nach Süden wird für die Zukunft auch eine in-

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ternationale Fortsetzung der Magnetschwebebahn in Richtung Osten (Warschau, Moskau) diskutiert.


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