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[Seite der Druckausgabe: 13 / Fortsetzung]


4. Stand der Gesetzgebung

Nach Artikel 74 Nr. 23 GG ist der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen sind, zuständig. Im Herbst 1993 hatte das Bundeskabinett die Absicht bekundet, den Transrapid zwischen Hamburg und Berlin zu bauen, und im Vorgriff auf diese Maßnahme das Magnetschwebebahnplanungsgesetz (MBPIG) in den Deutschen Bundestag eingebracht. Die wesentlichen Inhalte dieses Gesetzes lauten:

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  • Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Planung von Magnetschwebebahnstrecken,

  • Bestimmung des Eisenbahnbundesamtes als Planfeststellungsbehörde, als Anhörungs- und Bauaufsichtsbehörde,

  • Planungsrechtliche Vorschriften in Anlehnung an das Planungsvereinfachungsgesetz,

  • eine Verordnungsermächtigung für den Bau und den Betrieb einer Magnetbahn, und

  • die Anpassung sonstiger Rechtsvorschriften.

Mit den planungsrechtlichen Vorschriften ist damit auch die Abfolge der planungsrechtlichen Schritte vorgegeben: Im Anschluß an eine Linienfindung erfolgt ein Raumordnungsverfahren und anschließend ein Planfeststellungsverfahren. Auf der Grundlage eines Planfeststellungsbeschlusses besteht dann die Möglichkeit sowohl eines sofortigen Baubeginns als auch der vorzeitigen Inbesitznahme von Grundstücken.

Das zustimmungsbedürftige Magnetschwebebahnplanungsgesetz hat im Vorfeld eine Reihe von Diskussionen ausgelöst und schließlich zur Anrufung des Vermittlungsausschusses geführt. Nicht nur der parlamentarische Beratungsprozeß einschließlich der öffentlichen Anhörungen zeigte das Konfliktpotential auf, sondern auch das Gesetzgebungsverfahren selbst, vor allem im Zusammenwirken mit dem Bundesrat. Als wichtigster Diskussionspunkt entwickelte sich die Frage nach der Finanzierung eines solchen Projektes. Aber auch die Berücksichtigung von Alternativen war Gegenstand der Verhandlungen: Während in ersten Entwürfen des Magnetschwebebahnplanungsgesetzes ausdrücklich von „keinen" Alternativen die Rede war, ist in späteren Fassungen auch die mögliche Alternative der Schaffung einer Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecke enthalten.

Schließlich hat sich der Bundestag mit Mehrheit für dieses Gesetz entschieden, und es trat am 30. November 1994 in Kraft. Das reichte allerdings nicht aus, um den Betrieb einer Magnetschwebebahn sicherzustellen. Deswegen wurden am 19. September 1995 die Gesetzentwürfe für das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz (MsbG) und das Allgemeine Magnetschwebebahngesetz (AMbG) von den Fraktionen von CDU/CSU und FDP in den Deutschen Bundestag eingebracht. Damit

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wurde der Erörterungsprozeß beschleunigt, zumal beide Gesetze nach Auffassung der Bundesregierung nicht zustimmungsbedürftig sind. Insofern sind die Länder aus diesem Gesetzgebungsprozeß ausgeschlossen, doch im Einführungsblatt zu diesen Gesetzen ist immerhin sichergestellt, daß weder die Länder noch die Gemeinden durch das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz direkt mit Kosten belastet werden.

Im Allgemeinen Magnetschwebebahngesetz werden rechtliche Rahmenbedingungen für den Betrieb einer Magnetschwebebahn aufgeführt, und das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde über Magnetschwebebahnen installiert. Dieses Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig durch den Bundesrat, es beinhaltet aber u.a. die großenteils zustimmungspflichtige Änderung von 18 Verordnungen, die indirekt mit dem Betrieb solcher Bahnen zusammenhängen (z.B. Ladenschlußgesetz, Dampfkesselverordnung, Druckbehälterverordnung, Aufzugsverordnung, Getränkeschankanlagenverordnung).

Interessanter als der Entwurf zum Allgemeinen Magnetschwebebahngesetz ist der zweite Gesetzentwurf, das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz (MsbG). Dieses enthält die ausdrückliche Zuordnung und die gesetzliche Festschreibung des Bedarfs für den Neubau einer Magnetschwebebahnstrecke von Berlin nach Hamburg über Schwerin sowie die Aufteilung der Kosten zwischen dem Bund und den privaten Projektträgern nach einer noch zu schließenden Vereinbarung.

Am 12. Oktober 1995 fand die erste Lesung zum Magnetschwebebahnbedarfsgesetz und zum Allgemeinen Magnetschwebebahngesetz statt. Dabei wurde die Überweisung an den federführenden Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages beschlossen, der seinerseits am 29. November 1995 auf Antrag der SPD eine öffentliche Anhörung für den 7. Februar 1996 beschloß. Das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz soll dafür Sorge tragen, daß in Zukunft lediglich über die Art und Weise der Durchführung der Magnetschwebebahn verhandelt wird, und nicht mehr über eine notwendige Untersuchung der Folgewirkungen oder über die Kosten-Nutzen-Analyse einer Hochgeschwindigkeitsschienenverbindung zwischen Hamburg und Berlin im Vergleich zu einer Magnetschwebebahn auf derselben Strecke. Insofern haben sich die politischen Grundpositionen durch das bisher schon mit Mehrheit beschlossene Magnetschwebebahnplanungsgesetz verfestigt.

Während sich andere verkehrspolitische Gesetze wie das Bundesfernstraßengesetz nur auf die Festlegung von Prioritäten beziehen, wird mit dem Magnetschwebe-

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bahnbedarfsgesetz ein konkreter Bedarf an öffentlicher Infrastruktur durch Parlamentsbeschluß festgelegt. Diese Verfahrensweise ist ein absolutes Novum und bildet den Kernpunkt der Kritik aus den Ländern und der Bonner SPD-Oppositionsfraktion. Eine verfassungsrechtliche Prüfung von seiten der schleswig-holsteinischen Landesregierung ergab, daß die Möglichkeiten eines einzelnen Bundeslandes, das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz aus verfassungsrechtlichen Erwägungen zu Fall zu bringen, gegen Null tendieren. Deshalb werden Länder wie Schleswig-Holstein, die das Projekt Transrapid für verkehrspolitisch unsinnig und verkehrswirtschaftlich unvernünftig halten, bemüht sein, ihre Aufgaben im Rahmen des Anhörungsverfahrens korrekt abzuwickeln und lediglich in legitimer Weise Argumente in die politische Abwägung mit einzubringen.

Für das Parlament stellt sich im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 7. Februar 1996 u.a. die Frage, inwieweit sich die aus der Sicht der Bundesregierung mitverantwortlichen Unternehmen, die Deutsche Lufthansa und die Deutsche Bahn AG, endgültig finanziell an der Betriebsgesellschaft beteiligen werden. Seitens der Lufthansa liegt schon jetzt eine Erklärung vor, daß sie sich nicht mehr beteiligen, sondern lediglich das Management mittragen wolle.

Auch eine weitere Beteiligung der Deutschen Bahn AG in Höhe von 300 Mio. DM ist nicht sicher, denn um die Benutzerzahlen und die Erträge für die Magnetschwebebahn sicherzustellen, ist die Abstufung der schienenseitigen Bedienungsqualität im Raum zwischen Hamburg und Berlin beabsichtigt. Daraus entstehen der Bahn Einnahmeverluste von voraussichtlich 200 bis 300 Mio. DM. Diesen Betrag hätte der Deutsche Bundestag im Einzelplan 12 des Bundeshaushaltes beim Bundesverkehrsminister einzustellen.

Es kann derzeit vermutet werden, daß beide Gesetzentwürfe, also sowohl das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz (MsbG) als auch das Allgemeine Magnetschwebebahngesetz (AMbG), nach Ostern 1996 abschließend im Deutschen Bundestag beraten und verabschiedet werden. Den von der Verkehrswissenschaft formulierten Problematisierungen der Magnetschwebebahn als einem Verkehrsmittel im Rahmen der Bundesverkehrswegeinfrastruktur werden dabei wirtschaftspolitische Interessen entgegenstehen, da sowohl die Wirtschaft als auch die gegenwärtig die Bundesregierung tragenden Fraktionen den Wirtschaftsstandort Deutschland durch eine gesetzliche Verankerung dieses Projektes voran bringen wollen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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