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III. Erfahrungen in einzelnen Unternehmen


Systeme bzw. einzelne Instrumente des Umweltmanagements kommen in Deutschland immer häufiger zum Einsatz. Einer Umfrage der ZEIT bei den 100 größten deutschen Industriefirmen zufolge hatten im Sommer 1995 bereits 86% der großen Unternehmen ein Umweltmanagementsystem installiert und 78% an einem Öko-Audit teilgenommen bzw. eine Teilnahme bis 1996 geplant. Im Mittelstand haben demgegenüber – gemäß einer Umfrage im Auftrag des NRW-Wirtschaftsministeriums – nur 12% ein Umweltmanagementsystem eingerichtet oder vorgesehen, ca. 20% am Öko-Audit teilgenommen bzw. entsprechende Planungen und 21% ein Umwelthandbuch erstellt.

Diese Diskrepanzen können einerseits damit erklärt werden, daß der Mittelstand derzeit vorrangig mit dem Aufbau von Qualitätssicherungssystemen beschäftigt ist. Andererseits befürchten mittelständische Unternehmen kurzfristige Kostensteigerungen, obwohl konkrete Projekte zur Einführung eines Umweltmanagementsystems auch hier letztlich meistens zu massiven Kosteneinsparungen (u.a. durch Verringerung des Rohstoff- und Energieeinsatzes, geringere Nachrüstungsbedarfe und höhere Produktsicherheit) und zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition führen. Diesen allgemeinen Ergebnissen seien nun die konkreten Erfahrungen in drei Unternehmen gegenübergestellt.

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1. Umweltmanagement in der Automobilindustrie – das Beispiel BMW

Ein Automobilhersteller ist inzwischen "auf allen Ebenen" mit dem Umweltschutz konfrontiert. Er muß sich mit Energiemanagement, Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Immissionsschutz bei Luft und Lärm, mit Genehmigungsplanung und mit dem Umweltrecht beschäftigen. Das gilt auch für das BMW-Stammwerk in München, welches seit der Errichtung des olympischen Dorfes 1972 von einem Bebauungsring, d.h. von Wohngebieten umschlossen ist. Die Erfahrungen mit dieser "Crash-Situation" kamen der Gestaltung der seither gebauten Werke zugute. Ein wachsendes Unternehmen muß bei Neuerrichtungen von Betriebsstätten auf der grünen Wiese des weiteren Aspekte des Natur- und Bodenschutzes beachten. Umweltschutz macht jedenfalls nicht an den Werkstoren Halt. BMW verfügt heute an jedem Standort über ein Blockheizkraftwerk und stellt Energie auch außerhalb der Werke zur Verfügung.

Die wesentlichen Schnittstellen zwischen Ökonomie und Ökologie betreffen für Automobilhersteller derzeit aber den Komplex "Lebenszyklus" von Automobilen,

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Automobilrecycling und Produktverantwortung. Für diese Aspekte gelten bei BMW folgende Thesen:

  1. Der Lebenszyklus des Automobils hat eine erhebliche "zeitliche Tiefe":

    • Die Entwicklungszyklen werden zwar kürzer, da sonst der "Zeitgeist" nicht getroffen wird (von 10 über 7 auf demnächst im Schnitt nur noch 5 Jahre; japanische Hersteller sind z.T. schon bei unter 2 Jahren angelangt).

    • Die Produktionsdauer für ein durchschnittliches Modell liegt derzeit jedoch bei 7 bis 8 Jahren.

    • Die mittlere "Lebenserwartung im Gebrauch" schließlich erreicht etwa 12 bis 15 Jahre, wobei BMW – aus Sicherheits-, aber auch aus Umweltgründen (Abgasverhalten usw.) – eine längere Lebensdauer für nachteilig hält.

    Schon in der Konzeptphase müssen Aspekte des Umweltschutzes und der Wiederverwertung des Produkts Auto beachtet werden. Ein Marketingproblem der Automobilindustrie besteht in diesem Zusammenhang darin, daß die Öffentlichkeit aus Gründen der Geheimhaltung nicht mit den laufenden, weit fortschrittlicheren Entwicklungen, sondern mit "Produkten bzw. Projekten von gestern" konfrontiert wird. Ein Modell z.B. von 1990 kann aber heute nur so gut sein wie das, was Mitte der 80er Jahre hineingeplant wurde.

  2. Die Abfallsituation bei BMW entwickelt sich zufriedenstellend:

    • Der Einstieg in die Abfallwirtschaft erfolgte durch den Bau eines Entsorgungszentrums 1985 im Werk München. Inzwischen hat jedes neue Werk sein Entsorgungszentrum.

    • 1991 waren (in Gewichtsprozenten) 83% wiederverwertbare Reststoffe, 8% Gewerbeabfall und 9% Sonderabfall; bis 1994 stieg der Anteil der wiederverwertbaren Reststoffe auf 90% – und dies bei einem sehr komplexen Endprodukt. Die Sondermüll- und Gewerbeabfallmengen gingen dabei trotz einer Stückzahlsteigerung auch absolut (d.h. in Tonnen gerechnet) zurück.

    • Den Erfolgen im Abfallbereich steht der steigende Kunststoffeinsatz in der Automobilproduktion gegenüber. Kunststoffe verursachten zunächst große Entsorgungsprobleme. BMW sieht sich – wie die

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      gesamte Automobilindustrie – hier allerdings nicht in alleiniger Verantwortung. Der Kunststoff sei nicht "just-for-fun" ins Auto eingeführt worden. Vielmehr sei der hohe Kunststoffeinsatz u.a. die Folge einer Neuordnung des Winterdienstes (Salz oder Split). Der Übergang auf Split als Streumittel hat Beschädigungen des Autolackes zur Konsequenz. Damit werden Angriffsflächen für Salz geschaffen. Die Reaktion war der Einsatz von Zwischenlackschichten und Kunststoff in der Frontpartie der Fahrzeuge. Da zugleich großer Wert auf niedrige cw-Werte gelegt wurde, trifft der Split heute genau die Frontscheibe. Dies ist eine unerwünschte Nebenwirkung von Neuerungen, die alte Optimierungen wieder in Frage stellen.

  3. Neben einer Korrektur der reinen Abfallbilanz wird ferner eine Verbesserung der Entsorgungslogistik mit dem Ziel einer Kreislaufwirtschaft angestrebt, d.h. ein Materialkreislauf bzw. eine integrierte Ver- und Entsorgungslogistik. Die Entsorgung alter Autos und die Verwertung "alter" Autoteile wurde in Angriff genommen.

    • Seit 1988 beschäftigt sich BMW mit dem Altfahrzeugrecycling. Bis Ende 1995 ist in Deutschland ein Verwerternetz mit 100 Vertragspartnern angestrebt. In Westeuropa kooperiert BMW mit FIAT und Renault, inzwischen auch mit Rover. In jedem Zuständigkeitsbereich arbeitet jeder der Beteiligten auch für die anderen Vertragspartner.

    • Mit zunehmender Verbesserung der Entsorgungslogistik können bürokratische Regelungen zum Problem werden: Bislang ist z.B. unsicher, ob selbst die Bleigewichte zum Auswuchten von Felgen direkt von BMW einer Verwertung zugeführt werden können, oder ob sie in jedem Bundesland einer anderen Institution angeboten werden müssen. Schwierig ist aber auch die rein privat gestaltete Entsorgung. BMW hat auf die rund 1.300 assozierten privaten Händler nur begrenzten Einfluß. Selbständige Unternehmen sind sehr sensibel, wenn eine Autofirma "hineinzudirigieren" versucht. Außerdem gibt es kartellrechtliche Probleme. Ein flächendeckendes BMW-Entsorgungsnetz wird zwar angestrebt, ist bisher jedoch nur schwer realisierbar.

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    • BMW hat einen Leitfaden über Entsorger- bzw. Verwerteraudits erstellt und überprüft inzwischen sowohl Abnehmerpotentiale für eine Wiederverwertung als auch Abfallentsorger. BMW hofft, daß verschiedene Vereinigungen zu eigenen Auditierungen kommen, die dann die entsprechende Rechts- und Qualitätssicherheit im Entsorgungsbereich garantieren.

    • Fortschritte wurden bei der Demontierbarkeit einzelner Teile erzielt. So wurde z.B. das BMW-Frontziergitter – ein Verbund aus Aluminium und Kunststoff – früher genietet. Inzwischen ist es mit Klipsen versehen und kann innerhalb von Sekunden stoffrein der Verwertung zugeführt werden. Die Autos wandein sich optisch für den Laien nicht, die Demontagequalität wurde aber gesteigert. Solche ökologischen Verbesserungen sind allerdings nicht Gegenstand von besonderen Marketingoffensiven. Da der Umweltschutz bei BMW als Basisqualität bzw. als Selbstverständlichkeit (wie der Sicherheitsaspekt) angesehen wird, werden ökologische Erfolge werblich nicht gesondert herausgestellt.

    • BMW hat heute 1.500 aufbereitete Tauschteile, welche der Handelsorganisation angeboten werden und optisch von Neuteilen nicht mehr zu unterscheiden sind. Der Kunde spart dabei rund 50% gegenüber dem Neupreis und hat die gleiche Garantie wie bei Neuteilen. Ein Fahrzeug, welches 5 Jahre alt ist, muß nicht unbedingt fabrikneue Ersatzteile haben. Die Fahrzeugserie, die seit 1990 auf dem Markt ist, enthält von vornherein 50 Kunststoffteile, die aus Recyclat bestehen.

  4. Ein Auto besteht aus ca. 20.000 Einzelteilen. Daher hat das Stoffstrommanagement eine besondere Bedeutung.

    • BMW hat hier in einer herstellerübergreifenden Initiative gegenüber Zulieferern die Planung für Produkt, Transport und Entsorgung verbessert. Es werden nur noch "zugelassene" Produkte verarbeitet. Hierfür gibt es ein differenziertes Freigabesystem (Entwicklungsfreigabe, verfahrenstechnische Freigabe, chemische und gewerbehygienische Freigabe). Daß daraufhin bestimmte Stoffe gänzlich von der Verarbeitung ausgeschlossen sind, kommt BMW im übrigen auch bei der Aushandlung der Prämien im Rahmen der Umwelthaftpflicht zugute.

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    • Als Einstieg in die Kreislaufwirtschaft hat BMW ein innerbetriebliches Frühwarnsystem entwickelt. Eine "rote Liste" gibt Auskunft darüber, ab wann welche Produkte bzw. Stoffe verboten sind, und informiert über Produkte bzw. Stoffe, die BMW (aufgrund von potentiellen Nebeneffekten bzw. -produkten) für eine wiederholte Kreislaufführung als nicht geeignet einstuft. So kann z.B. Kupfer aus "Kabelbäumen" bei unsachgemäßem Recycling die Stahleigenschaften beeinträchtigen.

    • Bereits vor etwa 5 Jahren wurden bei BMW im Verpackungshandbuch auch Umweltschutzaspekte berücksichtigt. BMW ist derzeit Eigentümer an rund 3 Mio. Mehrwegverpackungen, die zwischen den Autowerken und den Zulieferern in Umlauf sind.

Beim Thema Produktverantwortung ist BMW sehr zurückhaltend. Eine Rücknahme alter Autos kostet zum einen Geld; sie kann aus Sicht des Autoherstellers daher nicht kostenlos erfolgen. Bei dem komplexen Endprodukt Auto sind zum anderen viele Industriezweige vertreten. Jeder Beteiligte sollte im Zweifel die Verantwortung für seine Bauteile übernehmen. So muß z.B. ein Klimaanlagenhersteller diesem Ansatz zufolge damit rechnen, daß er am Ende der Fahrzeugnutzung sein Produkt zurückerhält, wenn er bestimmte Recyclinganforderungen nicht erfüllt. BMW sieht also die Produktverantwortung nicht allein bei sich, sondern anteilig auch bei den Zulieferern.

Außerdem besteht nach Auffassung von BMW auch eine Verantwortung der Käufer des Produktes, allerdings nicht nur der "Erstkäufer". Derjenige, der für 2.000 DM ein Auto erwirbt, müsse künftig bei seiner Entscheidung nicht nur die Restnutzungszeit, sondern auch die Entsorgungskosten berücksichtigen. Demgegenüber sei es wenig sinnvoll, den Erstkäufer mit einem Entsorgungsbeitrag von ca. 300 bis 500 DM zu belasten, diesen "stillzulegen" und dann 15 Jahre später zu entscheiden, was damit gemacht wird bzw. werden muß. Der Zeithorizont für die Nutzung eines Automobils von 12 bis 15 Jahren sei nicht mit dem für kurzlebige Produkte zu vergleichen und spreche per se gegen eine Integration der Entsorgungskosten in den Produktpreis.

Insgesamt will BMW das Kfz-Recycling in Zukunft als einen einfachen, geschlossenen Kreislauf organisieren, wobei der gesamte Lebenszyklus von der Definitionsphase über das Design, die Produktionsplanung, die Produktion, den Verkauf und die Nutzung bis zur Wiederverwertung des Endproduktes Berücksichtigung finden soll.

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2. Umweltschutz als Teil der Unternehmenskultur – das Beispiel Henkel

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Umweltschutz hat bei Henkel eine lange Tradition. Bereits Anfang der 50er Jahre wurde – ausgelöst u.a. durch die Schaumberge, die damals auf unseren Flüssen auftraten – begonnen, das Umweltverhalten von Stoffen und Produkten zu erforschen und zu verbessern. Ursache der seinerzeit nur wenig beachteten Schaumberge war der Einsatz schwer abbaubarer synthetischer Detergentien (u.a. in Wasch- und Reinigungsmitteln) anstelle der traditionellen Seife. Die Waschmittelindustrie begann daraufhin, ökologische Risikoabschätzungen für Produkte und deren Inhaltsstoffe vorzunehmen, um im Sinne einer Vorsorge schädliche Umweltauswirkungen von vornherein zu vermeiden.

Es entstand eine neue Forschungsrichtung und bei Henkel eine Fachabteilung, die Labortests zum ökologischen Wirkungsprofil von Stoffen entwickelte. Verschiedene dieser Verfahren – z.B. zur Beurteilung der biologischen Abbaubarkeit oder der Aquatoxizität – wurden später als standardisierte Prüfmethoden national und international übernommen. 1959 begann Henkel mit regelmäßigen ökologischen Gütekontrollen bei Wasch- und Reinigungsmitteln.

Zur Absicherung der Modelle, die zu den ökologischen Risikoabschätzungen herangezogen wurden, gehörte auch ein regelmäßiges Umweltmonitoring in den Gewässern. Schon 1958 – lange vor den staatlichen Institutionen – begann Henkel, regelmäßig die Frachten wichtiger Waschmittelkomponenten in deutschen Gewässern zu bestimmen. Beispielsweise stieg die Belastung des Rheins mit anionischen Tensiden von 1958 bis 1965 erheblich an, ist seither aber klar rückläufig und liegt 1994 fast eine Größenordnung tiefer als 1958.

Diese frühe Beschäftigung mit der Umweltverträglichkeit von Produkten hat sich in einer Marketingstrategie niedergeschlagen: Henkel möchte durch leistungsfähige und zugleich umweltverträgliche Produkte und Systeme zunehmend eine technische und ökologische Vorreiterrolle übernehmen und diese am Markt in Wettbewerbsvorteile umsetzen. Dazu ein Produktbeispiel: 1969 brachte das Unternehmen den Pritt-Stift auf den Markt, ein damals neues Klebesystem für Papier und andere Materialien. Neu war sowohl die Verpackung als auch die Klebemasse. Letztere basiert auf Seife und ist lösemittelfrei; dies war zu einer Zeit, als beim Kleben am Schreibtisch üblicherweise noch Belästigungen durch den Geruch von Lösemitteldämpfen auftraten, ein deutlicher ökologischer Fortschritt, der die Grundlage des

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anhaltenden Erfolgs des Pritt-Stifts gegenüber den Mitbewerberprodukten bildet. Die Umweltverträglichkeit soll in Zukunft durch die Reduzierung der Verpackungsmenge über ein Refill-System weiter verbessert werden.

Schon frühzeitig wurde die Überzeugung, daß der Erfolg des Unternehmens am Markt auf Dauer nur durch umweltgerechte Produkte und Produktion zu sichern sei, bestimmend für die Gestaltung der Unternehmenspolitik. Besonders wichtig war hierbei ein klares Bekenntnis des obersten Managements zu dieser Strategie nach innen und nach außen. So formuliert der damalige Vorsitzende der Henkel-Geschäftsführung 1972 auf dem 2. Umweltforum der Chemie in Berlin : "Wir alle ... haben uns zu sehr auf die Regenerationskraft der Natur verlassen. Wir haben uns in unserem Fortschrittsglauben nicht genügend mit den unerwünschten Nebenwirkungen des Fortschritts befaßt. Das ... muß sich ändern."

Sozusagen im Vorgriff auf die aktuelle Umweltmanagementdiskussion wurde bei Henkel schon 1971 die Leitstelle Umwelt- und Verbraucherschutz als zentrale Koordinationsstelle für alle Fragen von Umweltschutz und Verbraucher- bzw. Produktsicherheit eingerichtet. Sie war die Keimzelle für die heutigen Strukturen der zentralen und bereichsspezifischen Organisation von Umweltschutz und Sicherheit im Unternehmen.

Zu Beginn der 80er Jahre wurde die Umweltpolitik in den Grundsätzen für Umwelt- und Verbraucherschutz in der Henkel-Gruppe weltweit verbindlich festgelegt. Diese Grundsätze wurden 1995 dem zwischenzeitlich gestiegenen Umfang und der größeren Tiefe des Umweltmanagements angepaßt. Sie sehen Managementsysteme zur Einhaltung der Umweltstandards und zur Kontrolle des Erreichungsgrades der Umwelt- und Sicherheitsziele vor. Dazu gehören auch regelmäßige Audits.

Henkel hat das Instrument des Öko-Audits erstmals 1989 genutzt. Die Geschäftsführung wollte sich einen Überblick über die Umweltsituation sämtlicher Produktionsstätten und die Umweltbelastung durch die vermarkteten Produkte verschaffen. Ziel war es, über die gesetzlichen Forderungen hinaus ökologische Schwachstellen ausfindig zu machen und zu beheben. Das Henkel-Öko-Audit war – im Unterschied zum EG-Audit – stoffbezogen. Grundlage waren Stofflisten von besonders gefährlichen Substanzen – z.B. krebserzeugende, sehr giftige oder stark wassergefährdende Chemikalien, bei deren Verarbeitung besondere Vorsichtsmaßnahmen zu beachten sind, und die nach Auffassung des Unternehmens als Rezepturbestandteile von Produkten vermieden werden sollten. Bei fast allen Produkten mit solchen Stoffbelastungen wurde durch konzernweiten Know-how-

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Transfer kurzfristig eine Substitution durch unbedenklichere Ersatzstoffe erreicht. Dies war in einem Fall aus Kostengründen nicht möglich. Das betreffende Produkt wurde vom Markt genommen. Eine Auswertung in Bezug auf die Produktionsanlagen ergab generell einen hohen Sicherheitsstandard. In einzelnen Produktionsstätten erwiesen sich aber Verbesserungen der Sicherheit als notwendig.

Ergänzend zum Öko-Audit 1993 dienen Risikopotentialstudien der Anlagensicherheit. Unabhängig von gesetzlichen Forderungen wurden diese insbesondere für Anlagen eingeleitet, in denen Risikostoffe bei erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur verarbeitet werden. Bei der Untersuchung zeigte sich im allgemeinen ein hoher Sicherheitsstandard. In Einzelfällen wurden jedoch präventive technische Maßnahmen ergriffen.

Henkel strebt einen intensiven Dialog mit Nachbarn und mit der Öffentlichkeit an. Bis Anfang der 90er Jahre waren die Informationen über umweltschutzbezogene Aktivitäten in einer Vielzahl von Veröffentlichungen, Informationsschriften und Produktbeschreibungen verstreut. Henkel hat deshalb 1992 den ersten Umweltbericht herausgegeben und diesen jährlich fortgeschrieben. Die Berichte stellen jeweils die Fortschritte beim Umweltschutz anhand ausgewählter Beispiele dar. Daneben werden in einem Grafikteil über 30 wichtige Umwelt- bzw. Emissionsparameter zumeist über einen Zeitraum von 10 Jahren offengelegt. Dabei werden nicht nur die erzielten Erfolge aufgezeigt. Vielmehr wird auch auf Bereiche hingewiesen, in denen künftig die Situation noch verbessert werden kann. Über spezielle Umweltthemen informiert das Unternehmen gesondert in Druckschriften.

Wichtig ist auch die interne Kommunikation. Umweltschutz beginnt in den Köpfen der Mitarbeiter. Deren Motivation, Kreativität und ökologisches Bewußtsein können sich besonders gut in einer Unternehmenskultur entwickeln, die von der Identifikation aller Beschäftigten mit ihrer jeweiligen Aufgabe lebt. Dies wird mit einem breitgefächerten Seminarprogramm gefördert.

1991 hat Henkel die Charta Sustainable Development unterzeichnet. Nachhaltiges Wirtschaften muß aus Sicht des Unternehmens ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Ziele gleichermaßen berücksichtigen. Nur wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen werden wirksamen Umweltschutz und sozialen Ausgleich erreichen können.

Mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft hat Henkel das strategische Ziel Öko-Leadership formuliert. Dabei geht es neben der Leistungs- und Qualitätsfüh-

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rerschaft auch um die ökologische Führerschaft. Ziel ist es, die sich wandelnden Anforderungen der Gesellschaft an das Unternehmen zu erfüllen. War zur Positionierung der Produkte früher die Balance zwischen Preis und Leistung ausreichend, muß inzwischen die Ökologie zusätzlich beachtet werden. Als weiterer wichtiger Parameter ist künftig auch soziale Verantwortung zu übernehmen.

Henkel sieht vier Voraussetzungen für den weiteren Fortschritt, die zugleich als Instrumente für die Festigung und Verbesserung der Position auf den Märkten angesehen werden:

  • Offenheit für einen steten Bewußtseinswandel,

  • Innovationskraft für neuartige Instrumente, Produkte und Verfahren,

  • Bereitschaft zur Lösung vernetzter Probleme mit organisationsübergreifenden Teamstrukturen und neuartigen Formen der Zusammenarbeit sowie

  • freiwillige Maßnahmen als Basis für Glaubwürdigkeit und Wettbewerbsvorteile.


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3. Modellhaftes Umweltmanagementsystem zur Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes – das Beispiel Multicar-Spezialfahrzeuge

Die Multicar-Spezialfahrzeuge Gesellschaft aus Waltershausen MSW ist ein mittelständisches Unternehmen aus Thüringen, dessen Produkte u.a. im Winterdienst, mit Kehrmaschinenaufbau oder als Transporter einsetzbar sind. Abnehmer gibt es z.B. in den Bereichen Kommunen, Landschafts- und Gartenbau, Industrie, Handwerk, Gewerbe und Entsorgungswirtschaft.

MSW bereitet sich zur Zeit auf die Teilnahme am Öko-Audit-Verfahren und die Zertifizierung vor. Zugleich soll ein modellhaftes Umweltmanagementsystem zur Bewertung und Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes erstellt werden, mit dessen Hilfe gerade mittelständische Unternehmen die Zertifizierung ohne großen Aufwand erreichen können.

Die Beteiligung am Öko-Audit war in der Geschäftsführung, aber auch bei den Mitarbeitern "heiß umstritten". Die Kritiker wiesen auf die Gefahr der Verzettelung hin, zumal das Unternehmen gerade erst ein Qualitätssicherungssystem aufgebaut hatte. Die Befürworter argumentierten, daß Qualitätssicherung und Umweltaudit gut zusammen passen. Die MSW habe mit ihrem Qualitätssicherungssystem eine

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solide Grundlage für das Öko-Audit. Eine frühzeitige erfolgreiche Beteiligung erhöhe zudem die Wettbewerbsfähigkeit und vermeide zugleich späteren Druck. Als Argumente für eine Teilnahme am Audit wurden schließlich die Bereitstellung von Fördermitteln und die Erwartung vorgebracht, daß in der Fahrzeugbranche die Umweltanforderungen, die in der nächsten Zeit zu bewältigen sind (u.a. mit Blick auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz), besonders schnell zunehmen.

Mit der Teilnahme am Öko-Audit will die MSW folgende interne Ziele erreichen, die zum nachhaltigen Wirtschaften beitragen:

  • kontinuierliche Entwicklung einer umweltorientierten Unternehmenskultur, Risikominimierung und Rechtssicherheit im Normalbetrieb und bei Störfällen,

  • Aufdecken und Beheben betrieblicher Schwachstellen, dadurch auch Kostensenkung,

  • Entwicklung eines Umweltmanagementsystems zur kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes,

  • Optimierung aller Verfahren und Prozesse nach ökonomischen und ökologischen Kriterien (z.B. umweltgerechtere Oberflächenvorbehandlung, lösungsmittelarme Lackierverfahren sowie Energieeinsparung durch Dezentralisierung der Wärmeversorgung).

Der Erschließung neuer Wettbewerbschancen dienen die externen Ziele

  • Förderung des Unternehmensimage durch umweltfreundliche Produktion

  • Verbesserung der Marktchancen durch produktintegrierten Umweltschutz z.B. durch Einsatz von Öko-Motor, Hybridantrieb, Biodiesel.

  • Öko-Audit-bezogene Vorbildrolle für andere mittelständische Unternehmen durch Nachvollziehbarkeit, Praxisorientierung und Darstellung konkreter Nutzeffekte.

Anders als BMW geht MSW in der Phase der Vorbereitung auf das Öko-Audit "aktiv" an die Öffentlichkeit und will dies nach erfolgreicher Teilnahme verstärkt fortsetzen. Der Kunde soll wissen, daß für MSW Umweltschutz ein wichtiger Bestandteil der praktizierten Umweltpolitik ist.

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In der Vorbereitungsphase zur Teilnahme am Öko-Audit wurden bereits erhebliche interne Aktivitäten angestoßen. Ausgangspunkt war ein Workshop, an dem insbesondere Mitarbeiter aus den "umweltrelevanten" Unternehmensbereichen teilnahmen. Hierbei präsentierte die Geschäftsführung die neuen Ziele ihrer betrieblichen Umweltpolitik, die im einzelnen das Erstellen einer Ökobilanz, die Schwachstellenanalyse, das Umweltprogramm, das Umweltmanagementsystem, die Erarbeitung eines Umweltschutzhandbuchs, die Formulierung der Umwelterklärung und den Antrag auf Auditierung betreffen. Die Mitarbeiter sollten ökologisch motiviert werden, weil dies eine unverzichtbare Voraussetzung für die Unterstützung der Unternehmensleitung im Prozeß der Auditierung darstellt.

Unter Beteiligung aller Unternehmensbereiche wurde daraufhin ein Audit-Team gegründet, über das die Mitarbeiter in die Umweltpolitik des Unternehmens einbezogen sind. Ferner werden die ökologischen Aktivitäten des Betriebs durch externe Partner unterstützt, und zwar

  • durch das Institut für betriebliche und qualitative Unternehmensführung (Hilfe bei der Vorbereitung auf das Öko-Audit),

  • durch die Bundesstiftung Umweltschutz (Fördermittel) und

  • durch das Ministerium für Landwirtschaft, Natur und Umweltschutz des Landes Thüringen (genereller Ansprechpartner).

Die Umsetzung des Umweltmanagementsystems erfolgt mit Hilfe eines Umweltteams, in welchem die Geschäftsführung, der Betriebsrat und der Umweltbeauftragte sowie die Unternehmensbereiche Vertrieb, Materialwirtschaft, Technische Planung und Entwicklung, Fertigung und Qualitätssicherung vertreten sind. Ziel ist es, die Arbeitnehmer mit der Umweltpolitik des Unternehmens vertraut zu machen, das Verantwortungsbewußtsein für die Umwelt zu erhöhen und eine ständige Verbesserung des Umweltschutzes im betrieblichen Prozeß zu erreichen. Die Teilnahme am Öko-Audit kann nach Auffassung von MSW nur dann erfolgreich sein, wenn jeder Mitarbeiter bei der Erfüllung seiner Aufgaben das betriebliche Umweltkonzept beachtet. In umweltbezogenen Leitlinien ist unter anderem festgeschrieben, daß

  • die Geschäftsleitung ihre Position zur Umweltpolitik – z.B. auf den Belegschaftsversammlungen – klar darlegt.

  • für jedes neue Produkt/Verfahren – wie schon vor dem Einstieg in die Öko-Auditierung – die Umweltwirkungen erfaßt und diskutiert werden.

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  • die Kunden über die umweltpolitischen Vorhaben des Unternehmens, insbesondere bei produktbezogenem Maßnahmen, informiert werden.

  • eine aktive Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird, auch als Vorreiter für andere mittelständische Unternehmen in Thüringen.

Im Zuge der Umsetzung des Umweltmanagementsystems wurde für 1994 eine erste Umweltbilanz erstellt. Für Maschinen und Anlagen (auch EDV-Anlagen) wurden die Bestände und Bestandsveränderungen erfaßt und nach Verantwortungsbereichen bzw. Kostenstellen aufgeschlüsselt. Die Bewertung erfolgte in Form eines einfachen Schemas: Die Kategorie "grün" bedeutet: kein Handlungsbedarf, "gelb" zeigt einen mittelfristigen Handlungsbedarf an, und rot" steht für akuten Handlungsbedarf. In einem Fall führte eine "rot"-Bewertung zur kurzfristigen Ausmusterung der entsprechenden Anlage.

Die bei MSW vorgenommenen umweltbezogenen technischen Umstellungen lassen sich an einigen konkreten Beispielen verdeutlichen:

  1. Chemische Oberflächenvorbehandlung: Vor 1990 wurden alle verarbeiteten Teile mit einem phosphorsäurehaltigen Beizmittel behandelt – mit entsprechender Umweltbelastung. Bis 1995 gelang es,

    • durch Senkung der Chemikalienkonzentration von 10% auf 3%

    • durch Absenkung der Badtemperatur von 95 Grad auf 65 Grad

    • durch Einsatz eines Separators im By-Pass-System und

    • durch Einsatz zweiseitig verzinkter Bleche für die Karosserie

    den Einsatz von Chemikalien sowie die Entsorgungskosten um jeweils 30% zu reduzieren, Be- und Entlüftung sowie Energie insgesamt einzusparen, die Standzeit der Bäder von 3 auf 4 Monate zu verlängern und den Beizaufwand stark zu verringern. Bis 1997 soll eine neue Anlage zur Oberflächenvorbehandlung angeschafft werden, die eine Kreislaufführung der Spülbäder, den Einsatz von Ultrafiltration, die Behandlung ganzer Baugruppen sowie die automatische Dosierung und Badeinstellung erlaubt und mit der Prozeßoptimierung zugleich Wärme, Wasser und Material spart.

  2. Farbgebung: Bis 1990 dominierte die Nitrofarbgebung, mit der u.a. das Problem der Brennbarkeit verbunden ist. Schon vor 1995 konnte

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    • durch Einsatz einer Farbumlaufanlage als geschlossenes System

    • durch Einsatz einer Zweikomponenten-Mischanlage

    • durch eine Spritztechnik mit hohem Auftragwirkungsgrad und

    • durch den Einsatz feststoffreicher Anstrichstoffe

    der Lösemitteleinsatz deutlich, die Materialverluste um ca. 5% und der "Overspray" von 70% auf 20 bis 30% reduziert werden. Künftig soll durch den Einsatz von Wasserlacken, durch Naß-(statt bisher Trocken-)abscheidung, durch Abluftreinigung (thermische Nachverbrennung) und Lackrecycling der Einsatz von Lösemitteln um weitere 30% gesenkt werden. Die Minderung der Luftsinkgeschwindigkeit zielt auf Verbesserungen des Energieeinsatzes. Die Neukonzeption der gesamten Farbgebungsanlage wird schließlich zu weiteren Reduzierungen des Abfallaufkommens, der Entsorgungskosten sowie beim Materialeinsatz beitragen.

  3. Produktintegrierter Umweltschutz: Entsprechend der ab Oktober 1996 gültigen Abgasemissionsrichtlinie ECE 49 zum Partikel- und NOx-Ausstoß will MSW in Zusammenarbeit mit den Zulieferern den "Euro-2-Motor" einführen. Dafür sind entsprechende Anpassungen am Kühlsystem, an der Auspuffanlage und am Luftfilter vorzunehmen. Weiter sollten durch Neuauslegung bzw. Kapselung der Auspuffanlage und des Motors die Geräuschgrenzwerte der Richtlinie ECE 51 eingehalten werden. Ferner sind folgende Umweltmaßnahmen geplant:

    • Vereinheitlichung von Baugruppen für unterschiedliche Aufbauten; dadurch werden Stahleinsparungen, eine bessere Auslastung der Kapazitäten und Einsparungen von 400.000 bis 500.000 DM p.a. erhofft.

    • Entwicklung einer neuen Achsengeneration. Durch die Substitution und Einsparung von Stahl durch Kugelgraphitguß soll eine Erhöhung der Gleichbauteile und eine Verringerung von Arbeitsgängen bzw. Arbeitszeit gelingen; hier rechnet man mit einer Senkung der Einkaufskosten um 12% bzw. ca. 1 Mio. DM.

    • Verbesserung der Demontierbarkeit der Fahrzeuge durch Einsatz von Steckverbindungen und Snaps sowie Verzicht auf Verbundwerkstoffe.

    • Reduktion des spezifischen Kraftstoffverbrauchs um 0,9 L/100km durch Einsatz einer neuen Motorengeneration.

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    • Einsatz von Rapsöl-Methyl-Ester-Motoren (RUE-Motoren). Der Einsatz von Biohydrauliköl ist bereits möglich.

    • In der "F&E-Phase" befindet sich derzeit ein Hybridantrieb (innerhalb der City Elektro-Antrieb, außerhalb der City Diesel-Antrieb).

    • Seit 1995 ist im Grundfahrzeug ein Elektroantrieb als Modul einsetzbar, bislang allerdings nur mit einer Reichweite bis 70 km. Bisher besteht in diesem Bereich noch ein Batterieproblem.

MSW hat also beim produktionsintegrierten Umweltschutz im technischen Sinne bereits erhebliche Erfolge aufzuweisen. Die Erfahrungen zeigen aber auch, daß die Implementierung eines Umweltmanagementsystems zur Erzielung eines weitergehenden "organisationsintegrierten" Umweltschutzes aufwendig ist. Die Mitarbeiter müssen für das Umweltauditing bzw. für ein erhöhtes Umweltbewußtsein gewonnen werden. Gerade für mittelständische Betriebe wäre zudem eine Rechnerunterstützung hilfreich, um den Aufwand für die Auditierung – insbesondere auch für Folgeauditierungen – in Grenzen zu halten. MSW ist bereit, die im eigenen Unternehmen entwickelten Methoden zur Bewertung und Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen.


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