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II. Integrierter Umweltschutz durch ökologische Unternehmensführung


Daß eine ökologische Unternehmensführung insgesamt geeignet ist, die Wettbewerbsposition durch Kostensenkungen und Risikominimierung, aber zugleich auch den integrierten betrieblichen Umweltschutz zu verbessern, bestätigt auch eine Befragung, in der die 180 ASU-Umweltpreisträger der Jahre 1988, 1989 und 1992 mit allen ASU-Mitgliedern verglichen wurden. Die Umweltpreisträger beurteilten die künftige Geschäftsentwicklung signifikant besser als der Durchschnitt; 58% (gegenüber 43% im Durchschnitt) gaben ihren Erwartungen die Noten "sehr gut" oder "gut". Wodurch aber zeichnet sich eine ökologische Unternehmensführung aus, welche Methoden und Instrumente sind von Bedeutung?

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1. Umweltmanagement als zentraler Baustein der ökologischen Unternehmensführung

Das Umweltmanagement ist als Teil des gesamten Betriebsmanagements zu verstehen, welches Organisation, Zuständigkeiten, Verhaltensweisen, förmliche Verfahren und Prozeduren für die Festlegung und Durchführung von Maßnahmen umfaßt. Für seine betriebliche Nutzung gibt es gute Gründe. Hierfür sprechen neben den unternehmensinternen und gesellschaftlichen ökologischen Anforderungen allein schon die entsprechenden gesetzlichen Auflagen. Die Zahl der umweltrelevanten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften auf Bundes- und Länderebene ist von 1975 bis 1994 von fast 2.200 Regelungen auf rund 9.250 Regelungen (davon 1.850 speziell für die neuen Bundesländer) gestiegen. Diese Zunahme spiegelt sich auch in den Ausgaben des Staates und des Produzierenden Gewerbes für den Umweltschutz wider. Diese expandierten zwischen 1975 und 1994 von gut 13 Mrd. DM auf schätzungsweise 45 Mrd. DM; zur Zeit entfallen in Deutschland ca. 1,6% des BSP auf Umweltschutzausgaben.

Anstöße zu umweltverantwortlichem Handeln kommen zunehmend auch von der Nachfrageseite. Angesichts steigender ökologischer Ansprüche der Käufer ist die Umweltfreundlichkeit der Produkte – gestern noch eine kaum honorierte Nebenleistung – heute ein wichtiges Verkaufsargument; morgen könnte sie notwendige Voraussetzung für die Verkäuflichkeit eines Produktes sein.

Weitere "Anspruchsgruppen" mit ökologischen Forderungen an die Unternehmen sind z.B. die eigenen Mitarbeiter (bezogen auf das persönliche Arbeitsumfeld), die Nachbarn des Betriebes (hinsichtlich Lärm-, Geruchs- oder Emissionsbelästigungen), wichtige Geschäftspartner sowie Banken und Versicherungen; letztere wollen

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verhindern, daß Unternehmen durch Störfälle bzw. durch unterlassenen betrieblichen Umweltschutz mit weitreichenden finanziellen Belastungen konfrontiert werden.

Diesen zahlreichen ökologischen Ansprüchen kann besser über ein aktives umweltorientiertes Management entsprochen werden als durch bloßes passives Reagieren. Bei gutem Umweltmanagement

  • sinken die Kosten umweltbedingter Stör- bzw. Produktionsausfälle sowie Imageverluste und Nachrüstkosten.

  • werden Einsparpotentiale bei Material und Energie (z.B. durch Kreislaufführung von Stoffen) aufgespürt.

  • verspricht die frühzeitige Berücksichtigung gesetzlicher Anforderungen zeitliche und ökonomische Vorsprünge; dies gilt u.a. für die expandierenden Umwelttechnikmärkte und für umweltfreundliche Produkte.

  • steigen Motivation und Leistung der Mitarbeiter.

  • kann leichter qualifiziertes Personal rekrutiert werden.

  • drohen geringere zivil-, straf- oder haftungsrechtlichen Ansprüche.

  • kann sich wegen geringerer Kosten aus Haftungsverpflichtungen bzw. bei Transparenz der Umweltdaten die Kreditwürdigkeit erhöhen.

  • steigt das Ansehen in der Öffentlichkeit.

Der Anstoß zum Umweltmanagement kam in Deutschland – vor diesem Hintergrund nicht überraschend – unter anderem von der Wirtschaft selbst. Impulsgeber waren dabei einzelne "Pionierunternehmen". Vor 10 Jahren beschäftigten sich erst wenige Firmen mit der Frage der ökologischen Unternehmenspolitik. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Die Zunahme der Sensibilität für ökologische Fragen erfolgte allerdings nicht immer freiwillig. Bürgerinitiativen, Medien und andere "pressure groups" haben hier einiges bewirkt.

Das Umweltmanagement sollte freilich nicht auf die rein instrumentelle Ebene beschränkt gesehen werden. Die ökologische Unternehmenspolitik muß bei den Zielsetzungen beginnen und erfordert einen grundsätzlichen Wandel, d.h. neben die "kontinuierliche Verbesserung" umweltbezogener Betriebsdaten muß auch eine

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prinzipielle Umkehr von Verfahren und Methoden treten. Bei den Zielen sind folgende vier Grundsätze zu beachten:

  1. Prinzip des geordneten Stoffstroms: Stoffströme sollen demnach langfristig auf ein Maß zurückgeführt werden, welches ökologisch "durchhaltbar" ist. Oft liegt das Problem heute allerdings weniger in dem Stoff- bzw. Energiestrom, den die Produkte selber verursachen. Nur ein geringer Teil der Gesamtenergie für Endprodukte entfällt auf die Produktion selbst, der überwiegende Rest dagegen auf Transportleistungen. Das liegt u.a. daran, daß viele Zulieferteile in Billiglohnländern hergestellt werden. Eine Änderung dieser Situation erscheint ohne Konsumverzicht möglich. Eine abfallfreie Wirtschaft ganz ohne Stoffströme ist dagegen kein sinnvolles bzw. realistisches Ziel.

  2. Akzeptanz der ökologischen Komplexität: Die Umweltwirkungen wirtschaftlicher Tätigkeit sind vielfach noch unbekannt. Heute als ökologisch unbedenklich oder sogar als vorbildlich geltende Produkte bzw. Verfahren können sich durchaus später als umweltunverträglich herausstellen. Wer z.B. Holz als Öko-Produkt preist, muß Aspekte wie Holzeinschlag und Anbaumethode mitbedenken.

  3. Naturnahe Nutzungsmuster: Im Umgang mit Stoffen aus der Natur ist eine Nutzung "von oben herab" anzustreben. Chemische Crack- und Synthese-Prozesse sind z.B. mit hohem Energieeinsatz verbunden. Das Kunststoffrecycling in Form von Kunststoffölen ist ein Wiedereinsatz von Stoffen mehrere Stufen tiefer auf der stofflichen Nutzungskaskade. Stoffliche Strukturen, die mit Energieaufwand erstellt wurden, werden dabei wieder zerstört. Eine Wiedernutzung von Stoffen nur als Kohlenstoffprodukt oder als mineralischer Rohstoff ist zu wenig.

  4. Einbeziehen der ökologisch-sozialen Folgen: Ökologisch sinnvolle Produkte bzw. Verfahren mit unzureichender gesellschaftlicher Akzeptanz werden bzw. sollen sich nicht durchsetzen.

Bei der ökologischen Unternehmenspolitik sind unterschiedliche zeitliche Perspektiven zu beachten. Der Zeitbedarf einer ökologischen Umstellung steigt mit deren "Innovationsgehalt". Verfahrensänderungen sind einfacher und schneller zu realisieren als die Entwicklung umweltfreundlicherer Produkte; die Entwicklung anderer Formen der Bedürfnisbefriedigung ist zumeist am zeitaufwendigsten. Dazu zwei Beispiele:

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Ein Hersteller von Kunststoffverpackungen hat 1988 einen Zielplan über drei Stufen bzw. über 10 Jahre aufgestellt. Am Ende des Planungszeitraumes soll das bisherige Haupterzeugnis "Kunststoffverpackungen" durch andere Produkte ersetzt sein. Der Unternehmer begann mit Einwegverpackungen, entwickelte dann Mehrwegverpackungen aus Kunststoff und wird in absehbarer Zeit auf Kunststoffverpackungen ganz verzichten, da er chancenreiche neue Produktlinien entwickelt hat. Dazu gehören Kunststoffprodukte im Baubereich, aber auch "logistische Systeme". Es geht dabei um Großverpackungen im industriellen Bereich, wo bisher Fässer oder Containersysteme eingesetzt wurden. Das Unternehmen bietet spezielle Dienstleistungen bzw. alternative Lösungen an, die durch eine andere Gestaltung der Produkte bzw. durch eine andere Logistik bei der An- und Abfahrt von Produkten das Reinigen oder Verschrotten von Fässern ersparen.

Ein Anbieter von Enteisungsmitteln hat angesichts zunehmender Probleme bei der Entsorgung dieser Substanzen die Dienstleistung "Enteisung von Flugzeugen auf Flughäfen" entwickelt und hierbei das Enteisungsmittel in einen vollständigen Kreislauf geführt. Die Erträge für die Überwachung, rechtzeitige Anlieferung und fachgerechte Aufbringung entsprechen denjenigen des früheren Produktes.

Aus der Zeitperspektive ist das Umschwenken auf eine ökologische Unternehmenspolitik also um so einfacher, je früher die Substitution von Erzeugnissen in Angriff genommen wird, bei denen absehbar ist, daß sie sich künftig als kritisch erweisen werden. Mittelständische Unternehmen haben allerdings mangels strategischer Planung bzw. Perspektive zuweilen Probleme, sich frühzeitig mit Fragen der ökologischen Bedenklichkeit von Produkten und Verfahren auseinanderzusetzen. Hier besteht Unsicherheit zum einen hinsichtlich der erforderlichen Planungsinstrumente und zweitens hinsichtlich der Kenntnisse bzw. Erfahrungen auf dem Gebiet der Ökologie.

Entsprechenden Erfahrungen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zufolge dauert der Aufbau eines guten Umweltmanagementsystems bei einem Unternehmen mit rund 500 Beschäftigten ca. ein Jahr (ca. 200 bis 300 Personentage). Dennoch "rechnet" sich diese Entscheidung – über die ökologischen Effekte hinaus – ganz überwiegend auch ökonomisch. Wie z.B. die Erfahrungen von Unternehmen aus der Automobilindustrie verdeutlichen, gelingt es allerdings nicht immer, ökologische Verbesserungen kontinuierlich weiterzuentwickeln; hier erzwang der Marktdruck eine andere Ausrichtung der Produkt- bzw. Produktionsstrategie.

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Auch auf der "mentalen Ebene" ist die zeitliche Perspektive entscheidend. Anfangs ist die Bereitschaft für ökologische Veränderungen im Unternehmen eher gering. Es steht wenig Geld zur Verfügung; daher dürfen die Maßnahmen in dieser Phase nicht zu zusätzlichen Kosten führen. Erst später entwickeln sich weitere Handlungsspielräume, wenn nämlich die Chancen ökologischer und zugleich ökonomischer Verbesserungen, von Verbesserungen der Arbeitsbedingungen sowie von gesellschaftlicher Akzeptanz und positiver Imagebildung erkannt werden. Daher sollte nicht von Anfang an eine grundsätzliche Umgestaltung von Betriebsabläufen (ökologisches business-reengineering) angestrebt, sondern zuerst in die Bewußtseinsbildung investiert werden.

Der Aufbau einer Umweltmanagementsystems setzt insgesamt voraus, daß die ökologische Problematik im Unternehmen erkannt wird. Auf der Managementebene besteht oft eine Zurückhaltung, eine strategische Perspektive in ökologischer Dimension zu entwickeln. Auf der Mitarbeiterebene existiert vielfach die begründete Angst, daß mit einer ökologischen Optimierung auch eine Rationalisierung einhergeht, daß ökologisch kritische Arbeitsplätze eingespart werden, daß daraufhin Zulagen (z.B. für den Umgang mit Gefahrstoffen) entfallen und daß generell Veränderungen zum Nachteil einzelner Mitarbeiter erfolgen können.

Um solche Hemmnisse zu beseitigen, sollte die Arbeitnehmerseite (über den Betriebsrat) von Beginn an in die ökologische Unternehmenspolitik mit einbezogen werden. Dies steigert zumeist auch die Motivation und Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter. Für einen langfristigen Wandel muß aber insbesondere das Management davon überzeugt werden, daß eine strategische Perspektive wirklich neue Chancen eröffnet.

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2. Teilbereiche und Instrumente des Umweltmanagements

Den Unternehmen stehen zahlreiche Instrumente und Methoden zur Verfügung, durch Umweltmanagement das betriebliche Umweltverhalten zu verbessern und dadurch zugleich integrierten Umweltschutz zu verwirklichen. Einige Teilbereiche und Instrumente seien im folgenden erläutert, wobei allerdings die Abgrenzung zwischen einzelnen Verfahren und Methoden nicht immer trennscharf möglich ist.

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2.1 Umweltcontrolling

Der Controlling-Begriff stammt aus dem allgemeinen Managementbereich. Da sich in der Bilanz bzw. in der Gewinn- und Verlustrechnung erst am Jahresende zeigt, ob sich das Wirtschaften im betreffenden Jahr ausgezahlt hat, wird im Controlling-Prozeß das Jahr von Beginn an vorausschauend betrachtet, um bei Bedarf frühzeitig mit der Steuerung beginnen zu können. "Controller" analysieren regelmäßig wichtige Abweichungen (Plan-Ist-Vergleich) und können auf dieser Basis rechtzeitig das geplante Ergebnis sicherstellen. Controlling ist somit die vorbeugende Kontrolle in die Zukunft.

Auch der Begriff des Umweltcontrolling bezeichnet weniger nachträgliche Untersuchungen, als vielmehr die vorausschauende Steuerung des betrieblichen Umweltgeschehens. Umweltcontrolling soll bewirken, daß für das Unternehmen ungewollte Umweltereignisse nicht lediglich als eingetreten festgestellt, sondern im Rahmen einer Risikodiagnose antizipiert und – günstigenfalls – vermieden werden, also z.B. Störfälle gar nicht erst eintreten.

Im einzelnen beinhaltet das Umweltcontrolling die Erfassung der Stoff- und Energieströme, die Erfassung der ökologischen Belastungssituation, die Ermittlung von Optimierungspotentialen und schließlich die Planung kurz-, mittel- und langfristiger Maßnahmen. Dies ist – obgleich nur ein Teil des gesamten Umweltmanagementsystems – ein umfangreicher Aufgabenkatalog.

Für mittelständische Unternehmen, die sich – anders als z.B. BAYER oder BASF mit Umweltabteilungen von jeweils rund 1000 Mitarbeitern – kein umfassendes Umweltmanagementsystem leisten können, bietet sich daher der schrittweise Auf- oder Ausbau eines Umweltcontrollingsystems an. Dazu haben Anfang 1995 das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt das Handbuch Umweltcontrolling herausgegeben. Dieses "Kursbuch des betrieblichen Umweltschutzes" soll einen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland leisten. Deutsche Unternehmen sollen umweltbedingte Chancen und Risiken schneller erkennen können. Es soll ferner eine Informationshilfe für den Mittelstand und für Unternehmen sein, die sich am europäischen Öko-Auditsystem beteiligen wollen bzw. eine nachhaltige Wirtschaftsweise anstreben.

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Umweltcontrolling kann im Unternehmen auf sämtlichen Ebenen ansetzen:

  • bei der unteren Geschäftsebene, um konkrete umweltbezogene Projekte durchzuführen, umweltgefährdende Anlagen zu überwachen und die Mitarbeiter für Umweltfragen zu sensibilisieren.

  • bei der mittleren Geschäftsebene, um Projekte festzulegen und zu koordinieren, um das Unternehmen in Umweltfragen gegenüber zuständigen Behörden und der Öffentlichkeit zu vertreten und um eine konkrete Schwachstellenanalyse zu erarbeiten.

  • bei der Geschäftsleitung, um den Umweltschutz in die Gesamtplanung des Unternehmens und in die Unternehmensorganisation zu integrieren, um umweltbezogene Aktivitäten auf den "unteren" Ebenen zu steuern bzw. zu intensivieren und um die Umweltgefährdung durch das Unternehmen kritisch zu analysieren.

"Umweltcontroller" sollten demnach einmal umweltbedingte technische Risiken beobachten und bewerten, also z.B. Störfallrisiken hinsichtlich ihrer Kostenwirkung erfassen, tatsächliche Umweltschutzausgaben im Branchenvergleich analysieren und Kostensenkungspotentiale durch betriebliche Umweltschutzmaßnahmen sowie öffentliche Finanzierungshilfen im Umweltschutz ausloten. Sie sollen mithin in einer "kostenorientierten Strategie" eine umfassende ökologische Revision aller Funktionsbereiche des Unternehmens und aller Stufen des Materialflusses vornehmen, ökologisch überlegene Verfahren hinsichtlich ihrer längerfristigen Wirtschaftlichkeit mit bestehenden Verfahren vergleichen und ein entsprechendes ökologisches Anpassungskonzept entwickeln.

"Umweltcontroller" sollten zum anderen die laufende und absehbare Entwicklung der Umweltgesetzgebung in Deutschland und in Europa beobachten und bewerten. Sie sollen feststellen, was aus rechtlicher Sicht auf den Betrieb zukommt und rechtssicheres Handeln ermöglichen. "Umweltcontroller" sollten weiter im Rahmen einer "absatzorientierten Strategie" die in- und ausländischen Märkte für Umwelttechnik und umweltfreundliche Produkte beobachten und bewerten sowie auf entsprechende Absatzchancen hinweisen.

"Umweltcontroller" sollten schließlich ein "strategisches Frühwarnsystem" aufbauen, welches umweltbezogene Informationen und Entwicklungen aufzeigt, bevor sich diese im Betrieb niederschlagen. Es geht also darum, Chancen wie auch Risiken frühzeitig festzustellen. Wichtige Beobachtungsfelder sind u.a. "Politik und Verwal-

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tung", "Gewerkschaften, Kammern und Verbände", "Wissenschaft, Forschung, Bildung und Beratung", "Technikindikatoren", "Bürgerbefragungen und -initiativen", "Medien" und "Markt". Ein einfaches Frühwarnsystem besteht z.B. in der Auswertung einschlägiger öffentlicher oder verbandlicher Quellen. Zu den Informationshilfen des Bundesumweltministeriums (BMU) und des Umweltbundesamtes (UBA) gehören:

  • die "BMU-Umwelt", die die aktuelle umweltpolitische Diskussion in Kurzform wiedergibt (Gesetzesvorlagen, Tagungsberichte usw.),

  • das "who is who im Umweltschutz" (Hrsg. UBA),

  • die Umweltsoftware "ökobase" (Hrsg. UBA), die z.B. über 5000 relevante Adressen, ein Datenbank-Fachwissen von rund 1500 Stichworten, zahlreiche Umweltliteraturangaben und eine Übersicht über alle Gesetze, Verordnungen und Vorschriften des Bundes mit über 1200 Fundstellen – allerdings noch ohne Interpretationshilfen – enthält.

Das Umweltbundesamt stellt auf Anfrage auch eine Übersicht von Unternehmen mit gutem Umweltmanagement sowie weitere Unterlagen – wie Leitfäden, Software und Softwareliteratur – zur Verfügung. Ergänzend wollen Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt 1996 eine Dokumentation herausgeben, die einen Leitfaden "Systematik umweltrelevanter Kosten" sowie eine Dokumentation von Fällen eines profitablen Umweltschutzes enthält. Mit Hilfe nachvollziehbarer Amortisationsrechnungen soll insbesondere der mittelständischen Wirtschaft gezeigt werden, daß Kostensenkung durch Umweltschutz möglich ist.

2.2 Umweltaudits

Umweltaudits (bzw. Umweltbetriebsprüfungen) sind als Kontrolle der Einhaltung rechtlicher Vorschriften und als Kontrolle der Übereinstimmung betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen mit den Unternehmensleitlinien ein wichtiges Werkzeug des Umweltcontrolling. Das Audit-Konzept stammt aus dem Bereich der Wirtschaftsprüfung. Um falsche Darstellungen der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens aufzudecken, übernehmen externe Wirtschaftsprüfer seit Jahrzehnten die jährlich vorgeschriebene Revision des Finanzbereichs (financial audits). Inzwischen wurde das Konzept auf weitere Unternehmensbereiche übertragen. Um z.B. Verletzungsursachen und Lebensgefahren systematisch aufzuspüren, wird heute mit Arbeitssicherheitsaudits in vielen Unternehmen die Wirksamkeit des Schutzes von Beschäftigten vor Arbeitsunfällen überprüft. Hohe Ansprüche der Kunden an die

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Produktqualität haben ferner die Einführung von Qualitätsaudits vorangetrieben, die regelmäßige und systematische Überprüfung von Organisationsstrukturen und Verfahrensabläufen zur Qualitätssicherung und von Personalqualifikationen in den Betrieben beinhalten.

Seit Ende der 70er Jahre wird das Auditingkonzept auch im Umweltbereich angewandt, u.a. zur effektiveren Haftungsminimierung und zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit. Umweltaudits helfen den Betrieben, ihr Umweltverhalten zu beobachten, zu bewerten und kontinuierlich zu verbessern. Sie verdeutlichen, ob die selbst gesteckten Umweltschutzstandards und die umweltrechtlichen Vorschriften erfüllt werden, und tragen vorbeugend zur Verminderung bzw. zur Vermeidung von Risiken bei. Aus ökologischer Sicht lohnen sich Ökoaudits schon dann, wenn sie Vollzugsdefizite an den Standorten des Unternehmens beseitigen helfen. Eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Störfällen harmoniert in besonderer Weise mit den Zielen einer "nachhaltigen" Wirtschaftsweise.

Aus unternehmerischer Perspektive sind Umweltaudits aufwendig und teuer. Heute kalkulieren Beratungsgesellschaften für eine Umweltbetriebsprüfung bei Unternehmen mit ca. 100 Mitarbeitern 3 bis 4 Tage bei Tagessätzen zwischen 1700 und 2500 DM. Außerdem werden bei der Durchführung eines Umweltaudits zunächst beträchtliche betriebliche Ressourcen gebunden. Neben Personalkosten und Reisekosten (bei Betriebsstättenbesichtigungen) fallen dabei in hohem Maße auch Kosten an, die sich einer exakten Erfassung entziehen (vor allem: Arbeitsunterbrechungen, wenn das Personal den Auditoren für Besprechungen und Interviews zur Verfügung stehen muß).

Die Tatsache, daß heute bereits viele Unternehmen Ökoaudits auf freiwilliger Basis durchführen, weist jedoch darauf hin, daß den betrieblichen Aufwendungen für Ökoaudits ein erheblicher Nutzen gegenübersteht – auch wenn sich dieser nicht immer exakt quantifizieren läßt. Hierzu zählen neben Imageverbesserungen und Informationsgewinnen die Aufdeckung von Schwachstellen und Einsparungspotentialen, aber auch eine größere Sensibilisierung und Motivation der Mitarbeiter. Weiter reduziert die Einschränkung von Umweltrisiken die Kosten plötzlich eintretender Störfälle bzw. die Kosten des unterlassenen betrieblichen Umweltschutzes (z.B. die Kosten von Produktionsausfällen oder von Schadensbeseitigungen). Kaum rechenbar ist schließlich die Verringerung von "Imagekosten", welche z.B. nach einem Störfall anfallen, wenn die Öffentlichkeit und die Kundschaft durch kostenträchtige Werbemaßnahmen davon zu überzeugen ist, daß das vorhandene Negativurteil nicht zutrifft.

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2.3 Ökobilanzierung

Eine Ökobilanz stellt – als Teilinstrument des Umweltcontrolling – die stofflichen Inputs der betrieblichen Aktivitäten (z.B. Energie, Rohstoffe, Wasser) den erwünschten und besonders den unerwünschten Outputs (u.a. Luftemissionen, Abwasser, Abfall) gegenüber. Mit ihrer Hilfe lassen sich ökologische Schwachstellen aufdecken, daraufhin umweltbezogene Ziele festlegen und schließlich (unter Beachtung ökonomischer Aspekte) betriebliche Umweltschutzmaßnahmen ableiten. Ökobilanzen können auf der Ebene eines Betriebes oder eines bestimmten Standortes, aber auch auf der Ebene einzelner Produkte bzw. Prozesse sowie – über die Grenzen des Betriebes hinaus – über den gesamten Lebensweg eines Produktes (d.h. Rohstoffgewinnung und -aufbereitung, Produktherstellung, Konsum, Entsorgung) erstellt werden. Komplexere Verfahren ordnen die Stoff- und Energieströme sowohl dem Betrieb als ganzem, als auch einzelnen Prozessen bzw. Produkten zu und sind dementsprechend zuweilen unübersichtlich. Zur Verwirrung trägt auch der Begriff "Bilanz" bei, denn eine Bilanzierung im finanzwirtschaftlichen Sinne – etwa auf Basis von Währungseinheiten, Äquivalenzziffern oder Skalenwerten – findet in der Ökobilanzierung nicht statt.

Unternehmen werden zumeist mit ökologischen Informationen überhäuft und müssen die wesentlichen Informationen "herausfiltern". Bei der Erfassung der Stoff- und Energieströme kommt es daher darauf an, Informationen zu erzeugen, die innerhalb der Unternehmung "handlungsleitend" gebraucht werden (z.B. für bedeutende Strategieänderungen bzw. zur internen Kommunikation und Diskussion über Zielsetzungen). Da allerdings die Informations- und Kommunikationslandschaft im Unternehmen mehr auf Geldgrößen und weniger auf mengenmäßige Stoffströme ausgerichtet ist, kann die Erfassung der Stoff- und Energieströme durchaus sehr zeit- und kostenaufwendig sein. Dieser Aufwand lohnt sich allerdings. Sofern die Umweltkosten bisher den Gemeinkosten zugerechnet und dadurch weniger klar erkennbar waren, werden allein durch die richtige Zuordnung der Stoff- und Energieströme (z.B. mit Hilfe von Kostenstellen-, Kostenarten- und Kostenträgerrechnungen) oft erhebliche Einsparpotentiale aufgezeigt. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht:

Ein Farben- und Lackehersteller hat bestimmte ökologisch bedenkliche Produkte (einige schwermetallhaltige hochgiftige Farben) aus dem Programm genommen, als sich bei "richtiger" Kostenzurechnung einzelner Farbpartikel zeigte, daß der Aufwand für das innerbetriebliche Handling dieser Stoffe so groß war, daß der Verkauf

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dieser Produkte sich eigentlich gar nicht lohnte. Daraufhin konnte ein Hersteller von Badewannen seine Produkte nicht mehr in den entsprechenden Farben anbieten. Dieser Schritt konnte auch ökologisch vermarktet werden.

Die richtige Zuordnung der Stoff- und Energieströme ist im übrigen wichtiger als die stark diskutierte Frage der ökologischen Bewertung bzw. Beurteilung von Stoff- und Energieströmen, über die sich relativ schnell Einigkeit erzielen läßt. Bei der Anwendung von sieben unterschiedlich anspruchsvollen Bewertungsverfahren auf einen Testbetrieb kamen alle Verfahren zum gleichen Ergebnis. Die Wahl der Beurteilungskriterien bzw. der Bewertungsverfahren erscheint mithin auf Unternehmensebene sekundär. Primär kommt es vielmehr darauf an, daß aus den Stoff- und Energieströmen ein Kennzahlensystem entsteht, mit dessen Hilfe der Stoffeinsatz steuerbar und Optimierungspotentiale auf der Produkt- und Prozessebene erkennbar werden. Ein solches Kennzahlensystem ist u.a. für die Ebenen Beschaffung und Absatz (jeweils für die Bereiche "Objekte" und "Logistik") sowie Produktion (für die Bereiche Input, gewollter und ungewollter Output sowie Produktionslogistik) einzuführen. Über ein solches Kennzahlensystem konnte z.B. ein Büromöbelhersteller eine neue Produktlinie entwickeln, die bei gleicher Funktionalität und bei gleichem Preis nur ca. ein Drittel des Stoffstroms der alten Produktlinie aufweist. Konsequenz der geringeren Materialkosten war eine Zunahme des Gewinns.

2.4 Umwelt-Benchmarking

Ein neuartiges Instrument des Umweltcontrolling ist die Analyse von "Umwelt"-Leistungslücken, das umweltorientierte Benchmarking. Darunter ist der gezielte Vergleich des eigenen Betriebs mit dem (oder den) jeweils besten Unternehmen zu verstehen. Die bereits dargestellten Auswertungen der im Rahmen des ASU-Umweltpreises eingegangenen Betriebsunterlagen sind ein praktisches Anwendungsbeispiel. Mit Hilfe solcher Vergleiche lassen sich am Wettbewerb orientierte Zielvorgaben entwickeln und teilweise auch Möglichkeiten zu deren Erreichung aufzeigen. Benchmarking läßt sich auf einzelne Produkte, aber auch auf Dienstleistungen und die verschiedenen betrieblichen Funktionsbereiche anwenden. Von den Vergleichspartnern – Konkurrenten, aber auch Nicht-Konkurrenten aus anderen Branchen – will man nicht nur wissen, um wieviel sie besser sind, sondern auch wie sie es schaffen, in bestimmten Bereichen einen Vorsprung zu haben. Als Meßlatte orientiert man sich z.B. an Kosten oder an Faktoren wie Zeit, Qualität und Kundenzufriedenheit.

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Bei der Einführung eines "umweltorientierten Benchmarking" im Betrieb sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:

  • Das Instrument sollte nicht nur von den Umweltspezialisten genutzt werden, sondern auch von anderen Mitarbeitern, die z.B. in den Funktionsbereichen Organisation, Produktentwicklung, Produktion, Materialwirtschaft, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit tätig sind. Nach einer Definition des Vergleichsgegenstands (Umweltprodukte, Methoden der umweltorientierten Unternehmensführung, ökologische Prozesse usw.) sind die Beurteilungsgrößen des Vergleiches (Kosten, Qualität, Kundennutzen, Zeit) sowie ein Vergleichsunternehmen festzulegen, welches mit Hilfe von Sekundärinformationen (z.B. aus Firmenpublikationen, Fachzeitschriften, Tagungen, Unternehmensberatungen) und gegebenenfalls von Primärinformationen (z.B. durch eine Firmenbesichtigung) zu analysieren ist. Unter Umständen kann es auch sinnvoll sein, mehrere Unternehmen als Vergleichsmaßstab heranzuziehen.

  • Es genügt nicht, die ökologischen Leistungsdefizite nur zu quantifizieren. Das Potential des umweltorientierten Benchmarking wird erst dann voll ausgeschöpft, wenn es gelingt, auch die Gründe für betriebliche Umweltlücken aufzuspüren.

  • Die Ergebnisse des Analyseprozesses sollen allen betroffenen Mitarbeitern, insbesondere aber der Geschäftsleitung zur Kenntnis gebracht werden, da die ökologischen Vorteile und Mängel als Hinweise auf sinnvolle und notwendige Veränderungen der Unternehmenspolitik genutzt werden können. Danach sind Aktionspläne aufzustellen und zu implementieren. Wegen der ständigen Positionsverschiebungen im Vergleichsspektrum sollten das Benchmarking öfters wiederholt und die eingeleiteten Maßnahmen einer dauerhaften Kontrolle unterzogen werden.


2.5 Umweltberichte

Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Umweltberichte veröffentlicht. Diese Berichte sind ein Kommunikationsinstrument – gerichtet z.B. an Mitarbeiter, Kunden und Konsumenten, an Lieferanten, Anteilseigner, Banken und Versicherungen, an Behörden, Nachbarn und/oder Umweltverbände. Sie enthalten zumeist allgemeine Angaben zum Unternehmen, Hinweise zu unternehmensbezogenen Umweltschutzleitlinien, Ökobilanzen und zu eingeleiteten Umweltschutzmaßnahmen.

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Umweltberichten fehlen bislang Standards, die eine Beurteilung des relativen Unternehmensstandortes erleichtern. Es gibt allerdings erste Bemühungen um Verbesserungen der Vergleichbarkeit. Eine im Auftrag des NRW-Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom Förderkreis Umwelt future unter wissenschaftlicher Leitung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) durchgeführte Untersuchung zum Thema "Umweltberichterstattung" enthält unter anderem die Auswertung einer Unternehmensbefragung und Kriterien für gute Umweltberichte. Bei Erfüllung gewisser Anforderungen kann beispielsweise ein Umweltbericht zugleich als Umwelterklärung im Rahmen des Öko-Audit-Prozesses genutzt werden.

2.6 Technische Voraussetzungen für das Umweltmanagement

Eine Verbesserung des Umweltmanagements ist nicht nur auf organisatorischem Weg möglich, d.h. durch den Einsatz von entsprechenden Instrumenten. Derzeit verbessern sich auch die technischen Voraussetzungen. Der PC kann z.B. künftig ein wichtiges Hilfsmittel sein, das betriebliche Umweltentscheidungen erleichtert. Die zu diesem Themenbereich bereits existierende Software ist allerdings zumeist noch kompliziert, teuer und schwerfällig. Hinzu kommt, daß sie sich besonders für kleine und mittlere Unternehmen noch nicht gut eignet.

Bei Gesetzesrecherchen gibt es schon beachtliche Hilfsmittel der EDV. Aber Fundstellen bzw. Titelnennungen allein nützen wenig. Auch ein mittelständischer Unternehmer muß die für ihn relevanten Gesetze schnell finden können. Er braucht weiter Hinweise darauf, wie die gesetzlichen Vorschriften zu interpretieren sind, und weiterführende Hilfestellungen (z.B. auf Auskünfte- und Beratungsstellen). Ziel sollte es daher sein, in Zusammenarbeit mit allen interessierten Institutionen in ca. 3 bis 4 Jahren einen Datenträger zu erstellen, der umfassend, übersichtlich und zugleich einfach zu handhaben ist. Wünschenswert ist ferner, daß ein sofort greifbares ökosoziales Frühwarnsystem für Betriebe "online" (z.B. über Internet) entwickelt wird, bei dem z.B. die BMU-Umwelt nicht mehr umständlich bestellt werden muß, sondern sofort am Bildschirm abrufbar ist.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2002

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