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2. Einzelelemente der Bahnstrukturreform




2.1 Institutionelle Trennung von Fahrweg und Betrieb

In einem ersten Schritt wird das Bundeseisenbahnvermögen – entstanden durch die Zusammenführung der Sondervermögen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn – intern in einen unternehmerischen Bereich und einen Verwaltungsbereich gesplittet. Beide Bereiche unterliegen eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung.

Aus dem Bundeseisenbahnvermögen wird der unternehmerische Bereich in Form der Deutsche Bahn AG (DBAG) ausgegliedert. Spätestens drei Jahre nach der Eintragung im Handelsregister – so ist es vorgesehen – werden die Geschäftssparten "Personenverkehr", "Güterverkehr" und "Fahrweg" unter dem Dach der Holding DBAG als selbständige Aktiengesellschaften ausgegliedert. Nach weiteren fünf Jahren soll die Holding aufgelöst und die institutionelle Trennung damit faktisch vollzogen werden.

Ein zu errichtendes Eisenbahnbundesamt erfüllt als Bundesoberbehörde hoheitliche Aufgaben, so beispielsweise die Planfeststellung für die Schienenwege, die Eisenbahnaufsicht und die Erteilung von Betriebsgenehmigungen. Der andere Teil des Verwaltungsbereiches umfaßt das Restsondervermögen. Hier erfolgen die Verwaltung des Personals und der Verbindlichkeiten des Bundeseisenbahnvermögens, die Grundstücksverwertung sowie die Finanzierungsabwicklung (Fahrweg).

Der Vorstand der Deutschen Bahnen erwartet, durch neue Unternehmens- und Führungsstrukturen sowie durch Aktivierung von Produktivitätspotentialen zukünftig Gewinne erwirtschaften zu können. Es wird davon ausgegangen, daß es ohne öffentliches Dienstrecht und ohne Einbindung in das Haushaltsrecht bei gleichzeitig verbesserter Markt- und Kundenorientierung zu einer stärkeren Teilnahme am Verkehrswachstum und zu einem ökonomischeren Einsatz von Betriebsmitteln und Produktionsfaktoren kommt.

Die Neuorganisation der Bahn umfaßt neben der Divisionalisierung auch eine Dezentralisierung und Reduktion der Entscheidungsstufen. Nie-

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derlassungen sollen dezentrale Ergebnisverantwortung in den Sparten Fahrweg, Personen- und Güterverkehr erhalten. Stellen mit örtlichen Leistungsschwerpunkten erhalten Kompetenz vor Ort und sind im Rahmen vereinbarter Budgets für die Planung und den Einsatz ihrer Ressourcen verantwortlich.

Bild 1: Institutionelle Trennung von Fahrweg und Betrieb



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2.2 Faktische Trennung von Fahrweg und Betrieb – diskriminierungsfreier Netzzugang für Dritte

Die faktische Trennung von Fahrweg und Betrieb schafft letztlich ein System vollkommen selbständiger, eigenverantwortlicher und rechtlich voneinander getrennter Bereiche für Infrastruktur und Transportbetrieb. Das Schienennetz wird für neue Anbieter geöffnet.

Bild 2: Marktkonstellation nach vollzogener faktischer Trennung von Fahrweg und Betrieb



Im Rahmen der faktischen Trennung von Netz und Betrieb sind insbesondere drei Sachkomplexe zu klären:

  1. Der Markt zur Erbringung von Schienenverkehrsleistungen muß wettbewerbsneutral geregelt sein; dies setzt voraus, daß ein diskriminierungsfreier Zugang zur Eisenbahninfrastruktur für Dritte gewährleistet ist.

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  2. Die zu bestimmende Trennungslinie zwischen den traditionell integrierten Bereichen Infrastruktur und Eisenbahnbetrieb ist exakt zu definieren.

  3. Für die Inanspruchnahme einer Trasse muß das Eisenbahnunternehmen dem Fahrwegbereich ein Benutzungsentgelt entrichten. Diesbezüglich sind Bemessungsgrundlagen zu bestimmen.

In der Öffnung des Schienenverkehrs für den Wettbewerb sieht der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) das wichtigste Ziel der Bahnstrukturreform. Es gehe darum, den Schienenverkehr als solchen nachhaltig zu fördern. Dafür seien nicht ständig ausufernde Subventionen oder staatliche Eingriffe in den Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern, sondern die Ausweitung des Wettbewerbs der adäquate Weg. Durch den diskriminierungsfreien Netzzugang können sich nach Auffassung des DIHT private unternehmerische Initiativen entfalten, und private Investitions- und Risikobereitschaft erhalten wieder einen größeren Stellenwert.

Zu den potentiellen Anbietern von Schienentransportleistungen zählen neben den etablierten Bahnen – den zukünftigen DBAG-Sparten Personen- und Güterverkehr – ausländische Bahnen, Schienenwerkverkehre, Nahverkehrsverbände, neue private Eisenbahnen und die NE-Bahnen (Nichtbundeseigene Eisenbahnen). Letztere sind im Güterverkehr Quelle und Ziel von über 75% der Transporte der Bundeseisenbahn.

Nach der Öffnung der Schieneninfrastruktur für Dritte sollen gemäß den Vorstellungen der Bundesregierung vor allem die Unternehmen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen VDV im SPNV einen Leistungsaustausch mit den Bundeseisenbahnen praktizieren. Zur Qualitätsverbesserung und Kostensenkung streben die NE-Bahnen eine intensivere Kooperation mit den etablierten Eisenbahnunternehmen an. Der VDV fordert zur Umsetzung dieser Ziele:

  • diskriminierungsfreie Zugangsregelungen zur Eisenbahninfrastruktur zu konkretisieren,

  • Regelungen für Konfliktfälle beim Zugang zu schaffen,

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  • Grundzüge der Bemessung des Benutzungsentgeltes für die Eisenbahninfrastruktur festzulegen,

  • zu klären, wer die nicht durch Wegeabgaben gedeckten Fahrwegkosten trägt,

  • zu vermeiden, daß überhöhte Standards den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur verteuern oder gar verhindern und

  • für den im Interesse des Gemeinwohls zu erbringenden ÖPNV (hier: SPNV) einen Vorrang zu schaffen, wie dies auch die EG-Kommission vorschlägt, zumindest aber den Status quo zu erhalten.

Die Realisation der Trennung von Infrastruktur und Eisenbahntransportbetrieb setzt voraus, daß eine exakte Schnittstelle, die sogenannte Trennungslinie, definiert wird. Zwischen den Bereichen, die bislang integriert waren, existiert keine generelle Trennungslinie. Vielmehr sind mehrere Trennungsalternativen denkbar. Grundsätzlich lassen sich folgende Verfahren zur Bestimmung der Schnittstelle unterscheiden:

  • institutionelle Trennungslinie

    Abgrenzungskriterium ist die Mobilität der Anlagen: Ortsfeste Anlagen werden dem Infrastrukturbereich, bewegliche Anlagen dem Betriebsbereich zugeordnet.

  • funktionelle Trennungslinie

    Alle Anlagen, die als Voraussetzung für das Funktionieren des Transportbetriebes erforderlich sind, zählen zum Betriebsbereich. Der Infrastrukturbereich ergibt sich dann als Residualgröße.

  • gemischt institutionell/funktionelle Trennungslinie

    Die Abgrenzung wird nicht nach einem eindeutigen Kriterium vollzogen. Für die einzelnen Komponenten des Schienenverkehrssystems ist eine sinnvolle Zuordnung zu treffen.

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  • Ausgliederung von Teilbereichen

    Es ist durchaus denkbar, daß einige Bereiche weder dem Infrastrukturbereich noch dem Betriebsbereich zugeteilt, sondern daß sie ganz ausgegliedert werden und beispielsweise private Anbieter ihre Funktionen übernehmen. Dabei ist u.a. an private Umschlagterminals zu denken.

Der Gesetzentwurf sieht eine gemischt institutionell/funktionelle Trennungslinie vor. Dementsprechend sind zur Infrastruktur der Schienenunter- und -oberbau, Sicherungs-, Signal- und Fernmeldeanlagen, Anlagen der Stromzuführung und Grundstücke zu zählen. Der Infrastruktur nicht zugehörig sind Empfangsgebäude, Fahrkartenausgaben und Güterabfertigungen. Das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur umfaßt den Bau und die Unterhaltung von Schienenwegen sowie die Führung von Betriebsleit- und Sicherheitssystemen.

Für einige Detailbereiche wurde jedoch bislang noch keine exakte Schnittstelle bestimmt. Insbesondere bezüglich der Bahnhöfe und Terminals herrscht keine einhellige Meinung. Dies erweist sich als besonders problematisch, da zuerst definiert werden muß, welche Streckenabschnitte noch zum Bahnhof bzw. Terminal gehören, und welche zum übrigen Netz.

Auch hinsichtlich einer Zuordnung der Betriebsleit- und Sicherheitstechnik sind noch Teilprobleme zu lösen. Beispielsweise stellt sich das Projekt CIR-ELKE (Computer Integrated Railroading – Erhöhung der Leistungsfähigkeit im Kernnetz) mit den wesentlichen Bestandteilen Linienzugbeeinflussung (LZB) und Rechnergestützte Zugüberwachung (RZÜ) als ein komplexes und kompaktes System dar, welches nur als Einheit, d.h. in Abstimmung von Fahrweg- und Betriebsbereich funktionieren kann. Da sowohl lokseitige als auch infrastrukturelle Einrichtungen erforderlich sind, wird hier eine ganzheitliche Zuweisung zum Infrastrukturbereich schwierig umzusetzen sein.

Die Themenkomplexe Bau und Unterhaltung der Schienenwege sowie Entgeltlichkeit und Finanzierung des Fahrweges werden in Kapitel 3.1 detailliert herausgearbeitet.

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2.3 Finanzielle Sanierung

Die heutige Lage der Bahnen ist nicht – wie häufig behauptet – das Resultat einer 30-jährigen verfehlten Finanzpolitik. Sie kommt vielmehr durch eine verkehrsstrukturelle Entwicklung zustande, zu deren Bewältigung die Bahn selbst mit grundlegenden Weichenstellungen einen Beitrag hätte leisten müssen. Die Bahn hatte nie zu wenig Geld. Im Gegenteil: Nach Einschätzung des Bundesministeriums der Finanzen hat sie eher zu viel investiert in Leistungen, die so nicht nachgefragt wurden. Große Teile dieser Investitionen müssen nun – da wertlos – abgeschrieben werden. Die bisherige Entwicklung orientierte sich zu sehr am Technisch-Machbaren, zu wenig am Ökonomisch-Sinnvollen.

Trotz enormer jährlicher Zuschüsse in zweistelliger Milliardenhöhe aus dem Bundeshaushalt hat sich die finanzielle Lage der Deutschen Bundesbahn in den letzten Jahren weiter verschlechtert. Diese Entwicklung konnten reine Schuldenübernahmen durch den Bund – wie z.B. in Höhe von fast 13 Mrd DM im Jahr 1991 – nicht stoppen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands kamen die Aufgaben der Konsolidierung und Modernisierung der Deutschen Reichsbahn hinzu.

Die Strukturreform der Bahn ist die wohl größte Sanierungsaktion in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Die Finanzierungsaufgaben des Bundes betreffen dabei vor allem die Übernahme der Mehrbelastung bei Personal und Material sowie der ökologischen Altlasten der Deutschen Reichsbahn und die Finanzierung der Investitionen für den Fahrweg. Hinzu kommen muß die Entschuldung von DB und DR, für die nach den Vorstellungen der SPD ein seriöses und tragfähiges Konzept entwickelt werden muß. Erst durch die Umsetzung dieses Konzepts wird die Bahn in die Lage versetzt, sich mit gleichen Chancen wie die anderen Wettbewerber am Verkehrsmarkt zu betätigen.

Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen sind die für die Reform notwendigen Finanzierungsleistungen des Bundes nur dann gerechtfertigt, wenn es nicht nur für die zukünftige Bahn-AG, sondern auch für das verbleibende Rest-Sondervermögen erfolgversprechende Perspektiven gibt. Das nach Ausgliederung der DBAG verbleibende Rest-Sondervermögen übernimmt die bestehenden Altlasten (Altschulden von bis zu

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70 Mrd DM Ende 1993, Personallasten aus dem bisherigen öffentlichen Dienstrecht und aus dem Personalüberhang bei der DR, die ökologischen Altlasten sowie die Finanzierung der Modernisierung der DR).

Das Bundesministerium der Finanzen rechnet mit jährlichen Deckungslücken von 12 bis 14 Mrd DM in den nächsten 10 Jahren, wobei diese Zahlen die Tilgung einschließen. Aus finanzpolitischer Sicht ist für die Bahnreform auch eine Finanzreform notwendig, denn sonst besteht die Gefahr, daß sich das Rest-Sondervermögen zu einem neuen Schuldenturm entwickelt, der ohne eigene Einnahmen Schulden aufbaut.

Das Bundesministerium für Verkehr vertritt hingegen die Auffassung, daß die Bahnreform nicht finanziert zu werden braucht. Es wird damit gerechnet, daß es nicht zu weiteren Belastungen des Bundeshaushaltes, sondern aufgrund realisierter Einsparungspotentiale zu einer Entlastung kommt. Aber selbst wenn sich in den nächsten 10 Jahren Einsparungen von über 100 Mrd DM realisieren lassen, löst sich hierdurch nach Meinung des Bundesministeriums der Finanzen nicht das Problem der Defizitabdeckung im Sondervermögen.

Sollen die aufgelaufenen finanziellen Belastungen (Altlasten, Schulden, Finanzierung des Nachholbedarfs der DR) aber in kurzer Zeit beseitigt werden, so sind für den zusätzlichen Mittelbedarf weitere Finanzierungsquellen zu erschließen. In diesem Zusammenhang wird über eine Erhöhung der Mineralölsteuer bzw. über die Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr diskutiert. Zum einen bleibt jedoch zweifelhaft, ob sich eine Straßenbenutzungsgebühr EG-politisch überhaupt durchsetzen läßt. Zum anderen ist eine Finanzierung der Bahnreform durch eine Gebührenerhebung im Straßenverkehr problematisch, da sie nicht dem Äquivalenzprinzip entspricht.

Hinzu kommen die noch ungeklärten Fragen hinsichtlich der Finanzierung einer Regionalisierung des SPNV. Bund und Länder haben bisher noch keinen Konsens über die Höhe der Ausgleichszahlungen und die Verteilung der finanziellen Belastungen erzielt.

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2.4 Personalüberleitung

Zwangsläufig führt die Bahnstrukturreform auch zu Konsequenzen für die Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweiges. Dabei ist die Frage "Was geschieht mit den Eisenbahnern?" für die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) von zentraler Bedeutung. Nach deren Einschätzung kann die Reform nur gelingen, wenn sie sozialverträglich durchgeführt wird. In diesem Zusammenhang spielt u.a. eine Rolle, wie die Veränderungen der arbeitsrechtlichen Stellung der Eisenbahner, die aus dem Wandel der Deutschen Bahnen zu einem privatrechtlichen Unternehmen resultieren, gestaltet werden. Bisher war geplant, daß alle Beschäftigten der heutigen Deutschen Bahnen in den Zuständigkeitsbereich des Bundeseisenbahnvermögens übernommen werden und dann der DBAG zugewiesen werden können. Die Personalüberleitung zur DBAG bereitet aber einige Probleme. Diese sind bei Angestellten und Arbeitern einerseits und Beamten andererseits unterschiedlich strukturiert.

Für den Personalblock Beamte gilt folgendes: Die DBAG besitzt keine Dienstherrenfähigkeit und kann damit keine Beamten beschäftigen. Die Rechtsstellung der bisherigen Beamten muß aber auch nach der Bahnstrukturreform beibehalten werden können. Aus diesem Grunde werden die Beamten zunächst vom Bundeseisenbahnvermögen übernommen. Nach den neuesten Gesetzentwürfen ist vorgesehen, daß sich die einzelnen Beamten dann freiwillig zur DBAG beurlauben lassen können. Einen entsprechenden Antrag werden die Beamten aber nur stellen, wenn ihnen die Bahn AG bessere Arbeitsbedingungen bietet. Die Bundesregierung hat deshalb eine Grundgesetzänderung mit dem Zusatz vorgeschlagen, daß die Beamten gegebenenfalls auch gegen ihren Willen zu Arbeitsleistungen bei der DBAG verpflichtet werden können. Weiter ist vorgesehen, daß Beamte vorübergehend auf Dienstposten mit geringerer Bewertung unter Beibehaltung von Amtsbezeichnung und Dienstbezügen eingesetzt werden können, wenn dienstliche Gründe beim Bundeseisenbahnvermögen oder der DBAG dies erfordern.

Als problematisch erweist sich die Ausgestaltung der Beurlaubungsregelung. Die ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehene freiwillige Beurlaubung auf Dauer wurde aufgegeben und durch eine neue Regelung mit zeitlicher Befristung ersetzt. Die GdED sieht in dieser zeitlichen Be-

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fristung eine nicht zu akzeptierende Regelung, weil bei nicht eindeutig geregelten Gehaltszuweisungen für einen Beamten finanzielle Nachteile aus der zwangsweisen Zuweisung zur Bahn AG nach Ablauf seiner Beurlaubung entstehen können. Die Gewerkschaft verlangt aus diesem Grunde die Zulassung einer unbefristeten Beurlaubung.

Angestellte und Arbeiter, die mit ihren Arbeitsverhältnissen auf die DBAG übergehen sollen, werden bereits vor Gründung der Aktiengesellschaft erfaßt. Die übrigen Angestellten und Arbeiter verbleiben beim

Bild 3: Personalsystem



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Bundeseisenbahnvermögen. Dabei sollen nach den Gesetzentwürfen die zum Zeitpunkt des Übergangs vom Bundeseisenbahnvermögen auf die Bahn AG geltenden Tarifverträge über Vergütungen, Löhne und Arbeitsbedingungen der Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden solange weiter gelten, bis neue Tarifverträge ausgehandelt sind. Die GdED beabsichtigt aber, bereits vor der Bildung der Bahn AG in den Tarifverhandlungen, die ab Mai 1993 geführt werden, mit dem Vorstand der Deutschen Bahnen zu einem Tarifabschluß zu kommen. Dieser Tarif soll für Angestellte und Arbeiter gleichermaßen gelten und möglichst viele Beschäftigte erfassen, d.h. es wird wenig AT-Kräfte geben.

Die Tarifverhandlungen bei den Bahnen stehen derzeit unter dem in § 14 Bundesbahngesetz formulierten Vorbehalt. Entsprechend dieser Rechtsnorm müssen der Bundesminister für Verkehr, der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister des Inneren die ausgehandelten Tarifverträge genehmigen. Künftige Tarifverhandlungen werden nicht mehr dieser politischen Einflußnahme unterliegen. Die GdED rechnet deshalb einerseits damit, daß dann auch eher eisenbahnspezifische Regelungen durchgesetzt werden können. Andererseits bezweifelt sie aber, daß die Bahn AG wesentlich niedrigere Löhne und Gehälter als die DB und die DR durchsetzen kann, und daß es dementsprechend zu den von verschiedenen Seiten erwarteten erheblichen Einsparungen bei den Personalkosten kommen wird.

Der bis Mai 1993 amtierende Bundesverkehrsminister und der Vorstandsvorsitzende beider Bahnen haben zugesichert, daß es aus Anlaß der Bahnreform keine Entlassungen geben werde. Nach Auffassung der GdED wird das heute vorhandene Personal bei der Bahn AG aber auch für die Aufrechterhaltung des Betriebes benötigt. Dies gilt auch im Bereich der Deutschen Reichsbahn, die zur Zeit noch nicht den technischen Stand der Deutschen Bundesbahn hat und deshalb auch relativ mehr Beschäftigte einsetzen muß. Modernisierungen der Deutschen Bahnen sind möglich und nötig. Sie führen allerdings unweigerlich auch zu einem Abbau von Arbeitsplätzen. Es bleibt zweifelhaft, ob die damit verbundene Personalreduzierung über den natürlichen Abgang (Fluktuation und Ausscheiden aus Altersgründen) gesteuert werden kann. In diesem Zusam-

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menhang ist für die SPD die Vermeidung von Massenentlassungen eine unabdingbare Voraussetzung für die Zustimmung zur Bahnstrukturreform.

Für das zugewiesene Personal muß die DBAG an das Bundeseisenbahnvermögen Zahlungen in einer Höhe abführen, die dem Entgelt (einschließlich Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung sowie der betrieblichen Altersversorgung) entsprechen, mit dem sie die Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag direkt mit der DBAG haben, vergütet. Diese Regelung gilt nur für zugewiesenes Personal, das bedarfsbedingt von der DBAG eingesetzt wird. Personalkosten der Mitarbeiter, die aus anderen Gründen bei der DBAG tätig sind, hat das Bundeseisenbahnvermögen zu tragen. Für die beurlaubten Beamten zahlt die DBAG an das Bundeseisenbahnvermögen einen Zuschlag zu den Versorgungskosten, durch den die Belastungen durch Kosten der fortbestehenden Versorgungsanwartschaften der Beamten teilweise ausgeglichen werden.

Mit diesen Regelungen sollen ein effizienterer Einsatz, Verbesserung der Produktivität und leistungsgerechte Entlohnung des Personals sowie eine gezielte und erfolgsorientierte Förderung von Mitarbeitern der DBAG gewährleistet werden. Die Bundesregierung sieht laut Gesetzbegründung in der Lösung der bisherigen Bundeseisenbahnen aus dem öffentlichen Dienstrecht und dem Haushaltsrecht eine wichtige Erfolgskomponente, da weitgehende Beschränkungen entfallen. Hier sind beispielsweise Stellenplan, Stellenkegel, Tarif- und Besoldungsstruktur, Beförderungssystematik und fehlende erfolgsorientierte Anreizsysteme zu nennen.

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2.5 Gemeinwirtschaftliche Leistungen und Regionalisierung

Da die DBAG auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein wird, müssen einzelwirtschaftlich unattraktive Strecken nicht mehr von ihr bedient werden. Insbesondere von Relationen im SPNV in der Fläche ist zu erwarten, daß sie nicht mehr dem unternehmerischen Interesse der DBAG entsprechen.

Die Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben als Ausdruck des Sozialstaatprinzips der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist eine elementare staatliche Aufgabe und obliegt Bund, Ländern und Kommunen. Die

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Anbindung von Standorten, welche für die DBAG aus einzelwirtschaftlichen Effizienzüberlegungen heraus nicht lohnend ist, kann jedoch aus Gründen der Daseinsvorsorge sowie der Regional- und Distributionspolitik im Interesse des Staates liegen. Da die DBAG nicht mehr verpflichtet sein wird, unrentable Relationen zu bedienen, muß der Staat für die Erbringung entsprechender Leistungen Sorge tragen.

Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur. Bahnstrukturreform sehen daher eine Neuorganisation und -finanzierung vor. Die Verantwortung für den SPNV der DB und DR geht vom Bund auf die Länder und die Gemeinden über. In der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes wird diese "Regionalisierung" definiert als die Übertragung von Aufgaben- und Finanzverantwortung für den gesamten ÖPNV – nach Maßgabe des Landesrechts – auf kommunale Gebietskörperschaften.

Die nach der Regionalisierung zuständigen Behörden können Leistungen bei der DBAG bestellen (Bestellprinzip), müssen diese jedoch vergüten. Was die Bestellung einer Zugleistung im künftigen System kosten wird, kann jetzt noch nicht abgeschätzt werden, da die Kosten- und Erlösstrukturen derzeit noch wenig transparent sind. Wahrscheinlich ist, daß zum vorgesehenen Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetze zur Strukturreform der Eisenbahnen nicht alle Länder in der Lage sind, die bislang bundesstaatlichen Aufgaben im Bereich des SPNV von DB bzw. DR zu übernehmen und zu erfüllen. In fast allen Ländern ist eine Vielzahl von rechtlichen und organisatorischen Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen. Das Angebot des SPNV soll allerdings uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Die Bundesregierung hält aus diesen Gründen eine Übergangsregelung für erforderlich, welche die Aufgabenwahrnehmung für einen befristeten Zeitraum noch beim Bund beläßt.

Die Regionalisierung des SPNV, d.h. die Verlagerung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortlichkeiten auf die zuständigen Behörden vor Ort, wird weitgehend begrüßt. Dabei ist für die Länder die Sicherung und Weiterentwicklung des SPNV wichtig. Problemzonen stellen die Mischverkehrsstrecken in den Ballungsräumen mit ihren baulichen und tageszeitlichen Engpässen dar. Strittiger Punkt zwischen Bund einerseits und Ländern sowie kommunalen Spitzenverbänden andererseits ist die Finanzierung der Regionalisierung. Die zuständigen Behörden – beispielsweise die Ge-

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bietskörperschaften – können nur in dem Umfang Leistungen bestellen, wie sie hierzu finanziell in die Lage versetzt werden. Zugleich soll aber ein massiver Abbau von Schienenverkehrsleistungen in ländlichen Regionen durch den Rückzug des Bundes aus der Finanzverantwortung für die Schieneninfrastruktur vermieden werden.

Der Bund wird den Ländern einen finanziellen Ausgleich für die durch die Regionalisierung entstehende Mehrbelastung zahlen. Die Frage nach Höhe und Struktur des geänderten Finanzausgleichs bleibt in den Gesetzentwürfen allerdings offen und wird insbesondere seit Vorlage des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKP) im Januar 1993 mit dem Bundesminister der Finanzen diskutiert. Die SPD fordert in diesem Zusammenhang, daß durch eine Änderung des Finanzausgleichs zweckgebundene Mittel im nötigen Umfang bereitgestellt werden.

Auf die spezielle Problematik der Finanzierung einer Regionalisierung des SPNV wird in Kapitel 3.2.2 ausführlich eingegangen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2002

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