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TEILDOKUMENT:
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Die Deutschen Bahnen bewegen sich im harten wettbewerblichen Umfeld. Sowohl Politik als auch Gesellschaft fordern gleichzeitig: möglichst sofort mehr Verkehr auf die Schiene, Entlastung der Straße, Flexibilität am Markt sowie wettbewerbsfähige Preise und das alles bei einer hohen Angebotsqualität. Sicherlich gehen die Erwartungen dahin, mehr Verkehr auf die umweltfreundliche Bahn zu verlagern, doch ist eine Veränderung des Modal Split mit vielen Problemen behaftet. So verhindern im Personenverkehr subjektive Gründe und fehlende Orientierung an übergeordneten Rationalitäten eine Abkehr vom Motorisierten Individualverkehr. Und im Güterverkehr spielen die mit den Schlagworten Güterstruktureffekt und Logistikeffekt zu umschreibenden Aspekte eine Rolle, die bislang eine Modal Split-Veränderung zugunsten der Bahn verhinderten. Hinzu kommt, daß die heutige Organisationsstruktur der Bahn als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes flexible und effiziente Reaktionen auf sich ändernde Marktgegebenheiten erschwert; manche Anpassung wird aus politischen Gründen ganz unterlassen. Ein Blick auf die Marktanteile der deutschen Eisenbahnen verdeutlicht die kritischen Entwicklungen: Von 1960 bis 1992 schrumpfte der DB-Güterverkehr von 44 % auf 22 %, und der DB-Personenverkehr verringerte sich von 16 % auf 7 %. In beiden Bereichen konnte die DB ihre Verkehrsleistungen gegenüber dem Jahr 1960 nur geringfügig erhöhen, obwohl sich der gesamte Güterverkehr bis 1992 mehr als verdoppelte und im Personenverkehr fast eine Verdreifachung zu verzeichnen ist. Bei der Deutschen Reichsbahn gab es allein von 1989 bis 1991 sowohl im Personenverkehr als auch im Güterverkehr Einbußen um über 55 % eine Tendenz, die sich inzwischen weiter fortgesetzt hat. [Seite der Druckausg.: 6] Zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der DB trug auch die jüngste konjunkturelle Entwicklung bei. Zwar erwirtschaftete die DB im Personenverkehr 1992 einen Umsatzzuwachs von ca. 10%, basierend auf dem erfolgreichen Einsatz neuer Produkte, insbesondere des ICE. Im Güterverkehr sah sich die DB im gleichen Zeitraum aber einem Umsatzeinbruch von rd. 10% gegenübergestellt. Die Wagenstellzahlen ein wichtiger Frühindikator für die Aufkommensentwicklung liegen kumuliert bis Mitte März 1993 rd. 20% unter denen des Vorjahres. Zudem konnte der Kombinierte Ladungsverkehr nicht an die erfolgreiche Entwicklung der letzten Jahre anknüpfen: Im 2. Halbjahr 1992 kam es zu Einbußen von fast 25%. Dies ist weitgehend auf einen immer stärker werdenden Preiswettbewerb mit dem Straßengüterverkehr zurückzuführen die Preise liegen dort heute teilweise 30% unter denen des letzten Halbjahres. Trotz dieser Entwicklungstrends gibt es zur Zeit Engpässe auf den Hauptstrecken und gleichzeitig viele freie Kapazitäten in den Zügen und im System. Mit der Bahnstrukturreform soll auf der Basis privatwirtschaftlicher Unternehmensmechanismen in Zukunft für den Verkehrsträger Eisenbahn eine positive verkehrliche und wirtschaftliche Entwicklung sichergestellt werden. Dabei liegen die Schwerpunkte des Reformbedarfs in den Bereichen Verkehrspolitik, Umweltpolitik und Finanzpolitik:
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des Verkehrsaufkommens beitragen. Auch hier gibt es ein großes Wachstumspotential für eine erneuerte Bahn. Innerhalb der EG sind in den letzten Jahren die Anstrengungen zur Schaffung eines integrierten und leistungsfähigen Schienennetzes verstärkt worden. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung für ein europäisches Schienenverkehrssystem [Seite der Druckausg.: 8]
Bahnen nach Einschätzung ihres Managements im gewollten Wettbewerb auch behaupten können. 1.2 Ziele der Bahnstrukturreform In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Bahnstrukturreform werden die wesentliche Ziele der Reform wie folgt definiert: Die Strukturreform der Bundeseisenbahnen muß insbesondere an zwei Voraussetzungen und Zielen ausgerichtet werden: Zum einen muß sie die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen erhöhen und diese in die Lage versetzen, an dem erwarteten Verkehrswachstum zukünftig stärker als bisher teilzuhaben. Zum anderen muß die durch die Eisenbahnen dem Bund erwachsende Haushaltsbelastung zurückgeführt und in tragbaren Grenzen gehalten werden. [Seite der Druckausg.: 9] Aus den oben formulierten Oberzielen lassen sich folgende Teilziele ableiten:
Diese Ziele sollen durch organisatorische Umstrukturierungen erreicht werden. Vorgesehen ist die Schaffung von drei selbständigen Aktiengesellschaften für Fahrweg, Personen- und Güterverkehr. Unverzichtbarer Bestandteil der Bahnstrukturreform ist die Schaffung einer soliden finanziellen Basis für die Bahn. Hierzu enthält das Reformkonzept der Bundesregierung die folgenden finanziellen Sanierungsmaßnahmen:
Das Bundesverkehrsministerium erwartet, daß eine von Altschulden und Altlasten befreite Bahn AG im Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten ein positives Jahresergebnis erwirtschaftet. Es sollen also finanzielle [Seite der Druckausg.: 10] Verbesserungen der gegenwärtigen Situation und keine zusätzlichen Belastungen entstehen. Infolge der Bahnstrukturreform rechnet man langfristig mit Einsparungsmöglichkeiten von bis zu 140 Mrd DM im Vergleich zur Situation der Bahn unter Status quo-Bedingungen. Dabei sollen Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage u.a. durch Nachfragegewinne sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr zustande kommen. Ein wichtiges Element der Reform ist auch, daß im Sektor Technik der große Nachholbedarf der Bahnen erfüllt und die großen vorhandenen Reserven genutzt werden. Ziele sind in diesem Zusammenhang nach Angaben des Vorstandes der Deutschen Eisenbahnen:
Nur wenn diese Ziele erreicht werden, kann es nach Auffassung des Bahn-Managements gelingen, die Position der Deutschen Bahnen im wachsenden Verkehrsmarkt auszubauen.
1.3 Zeitlicher Ablauf der Bahnstrukturreform
Nach dem Beschluß des Bundeskabinetts ist in einem ersten Schritt geplant bereits zum 1. Januar 1994 die Bahn von einem Staatsunternehmen mit Behördenstruktur in ein Wirtschaftsunternehmen zu transformieren. Dabei werden die zusammengeführten Sondervermögen DB und DR in die privatrechtliche Organisationsform einer Aktiengesellschaft DBAG übergeleitet. Innerhalb dieser Gesellschaft sind die Sparten Fahrweg, Personenverkehr und Güterverkehr rechnerisch und organisatorisch zu trennen. Nach einer für die weitere Umstrukturierung notwendigen Übergangszeit von drei Jahren sind diese Geschäftsbereiche in selbständige Aktienge- Seite der Druckausg.: 11] sellschaften umzuwandeln, die der gemeinsamen Führung einer Holding unterliegen. Diese Holding ist nach ca. fünf Jahren in einem letzten Schritt aufzulösen. Innerhalb des gesamten Umstellungszeitraumes von acht Jahren müssen folgende Maßnahmen realisiert werden:
1.4 Stand des Gesetzgebungsverfahrens Zur Umwandlung der beiden Sondervermögen in ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen sind umfangreiche Gesetzesänderungen notwendig. Grundvoraussetzung ist eine Änderung des Artikels 87 GG, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat erfordert. [Seite der Druckausg.: 12] Das für die Bahnstrukturreform notwendige Gesetzgebungsverfahren ist bereits eingeleitet: Am 17. Februar 1993 hat die Bundesregierung die ihr vorgelegten Gesetzentwürfe zur Bahnstrukturreform gebilligt. Die Entwürfe betreffen die Änderung des Grundgesetzes sowie das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens. Das Eisenbahnneuordnungsgesetz beinhaltet folgende sieben Artikel, welche neue Gesetze formulieren bzw. bereits bestehende Gesetze und Verordnungen ändern:
Derzeit ist dieses Gesetzespaket dem Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt. Am 7. Mai 1993 sollte diese Stellungnahme vorliegen. Nach einer Gegenäußerung kann die Bundesregierung nach einer erneuten Abstimmung im Kabinett die Gesetzentwürfe dem Deutschen Bundestag zuleiten. Um schon vor Vorliegen der Bundesratsstellungnahme insbesondere mit den Beratungen der Bundestagsausschüsse beginnen zu können, wurde aus den Reihen der Koalition ein gleichlautender Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag vorgelegt. Dessen 1. Lesung hat am 25. März stattgefunden. Aus Ländersicht bestehen insbesondere hinsichtlich der Regionalisierung von den Vorschlägen der Bundesregierung abweichende Vorstellungen. Nach den vom Länderarbeitskreis "Bahnpolitik" vorbereiteten Beschlüssen der Verkehrs- und Finanzministerkonferenz sowie der Konferenz der Ministerpräsidenten gilt eine Reihe von Eckpunkten, die die Bundesregierung berücksichtigen muß, wenn die Bahnstrukturreform nicht gefährdet werden [Seite der Druckausg.: 13] soll. Weiter haben inzwischen auch einige Bundesländer durch Kabinettsbeschluß (in Hessen z.B. am 2. März 1993) erklärt, daß für ihre Zustimmung zur Umstrukturierung der Bahn eine Vielzahl von Bedingungen insbesondere hinsichtlich der Finanzierungsregelungen im Rahmen der Regionalisierung erfüllt sein muß. Alle Beteiligten sind sich inzwischen darüber klar, daß es eine endgültige Beschlußfassung erst dann geben kann, wenn die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung dazu vorliegen. Wie diese Stellungnahme der Bundesländer ausfallen wird, ist nach der Solidarpakt-Einigung von Mitte März 1993 wieder offen. Die künftige Finanzierung des Nahverkehrs wurde aus dem Finanzierungspaket Ost herausgelöst. Der Bund bleibt weiter für die Ausgleichszahlungen im Bereich SPNV verantwortlich und das Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz als Instrument zur zweckgebundenen Zuweisung von Investitionsmitteln wird erhalten. Strittig ist in beiden Bereichen aber nach wie vor die Höhe der notwendigen Mittelzuweisungen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2002 |