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[Seite der Druckausg.: 1]



Vorbemerkung


Die deutschen Eisenbahnen befinden sich schon seit geraumer Zeit in einer Situation, die umfassende Reformen dringend erforderlich erscheinen läßt. Unbefriedigend ist einmal die Position der Bahn auf den Verkehrsmärkten. Die Deutsche Bundesbahn konnte ihre Verkehrsleistungen im Güter- und Personenverkehr in den letzten vierzig Jahren kaum erhöhen. Da gleichzeitig die Verkehrsnachfrage sehr stark expandierte, hat sich der Modal Split deutlich zu Lasten der Schiene verschoben. Zur Verringerung der Probleme hat auch nicht die Übernahme der Deutschen Reichsbahn beigetragen. Im Gegenteil: Hier sind seit der Wiedervereinigung drastische Verkehrseinbrüche erfolgt. Diese Entwicklungstrends machen auch wenig Hoffnung, daß es den beiden Deutschen Bahnen unter den gegenwärtigen Bedingungen gelingen wird, in relevantem Ausmaß an dem starken Verkehrswachstum zu partizipieren, das sich in den kommenden Jahren aus der fortschreitenden Integration Westeuropas, aus dem Zusammenwachsen beider Teile Deutschlands sowie aus der Öffnung der Grenzen nach Osteuropa ergibt.

Zum anderen hat sich auch die finanzielle Lage der Bahn permanent verschlechtert. Bei unveränderten Strukturen werden für die nächsten zehn Jahre finanzielle Belastungen des Bundes durch die Bahn in einer Größenordnung von über 500 Mrd. DM prognostiziert, und die Jahresverluste von DB und DR werden kumuliert rund 280 Mrd. DM erreichen. Anzeichen für eine Trendwende zum Positiven sind nicht zu erkennen. Eine solche Entwicklung kann haushaltspolitisch nicht auf Dauer verkraftet werden. Bei Erreichung der Finanzierungsgrenzen des Bundeshaushalts ist mit erheblichen Einschränkungen des Schienenverkehrs zu rechnen, die aus Verkehrs- und umweltpolitischen Gründen nicht akzeptabel erscheinen.

Schließlich erlaubt auch die EG-Verkehrspolitik keine Beibehaltung des Status quo. Vielmehr ist die Bundesregierung durch verschiedene EG-Rechtsakte – insbesondere die Richtlinie 91/440/EWG von 1991 über die Entwicklung der Eisenbahnunternehmen in der Gemeinschaft – zum Handeln verpflichtet.

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Insgesamt sprechen also vor allem verkehrs- und finanzpolitische, aber auch umwelt- und EG-politische Gründe für eine rasche und umfassende Strukturreform der Deutschen Eisenbahnen. Die Grundlagen für die notwendigen Reformschritte hat die Regierungskommission Bundesbahn in ihrem Abschlußbericht, der Ende 1991 vorgelegt wurde, aufgezeigt. Zu den Hauptzielen der Reform gehört einmal eine betriebswirtschaftliche Sanierung; die Haushaltsbelastungen des Bundes durch die Eisenbahnen müssen zurückgeführt und in tragbaren Grenzen gehalten werden. Zum anderen soll mit der Reform aber auch eine Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene und eine stärkere Beteiligung der Bahn am künftigen Wachstum der Verkehrsmärkte erreicht werden.

Auf dem Weg zur Verwirklichung der Bahnstrukturreform wurde in den letzten Jahren eine Reihe von wichtigen Schritten zurückgelegt. So befindet sich zur Zeit ein umfangreiches Gesetzespaket in den parlamentarischen Beratungen, das u.a. die Umgestaltung der Bahn von einer staatliche Aufgaben erfüllenden Behörde hin zu einem wirtschaftlich handelnden Unternehmen ermöglichen soll. Mit einer Änderung der Organisationsform können die bestehenden Schwierigkeiten aber nicht beseitigt werden. Notwendig ist eine Reform, die die Probleme auf Dauer löst und die auch in die umfassenden verkehrspolitischen Konzepte für Deutschland und Europa paßt. Unverzichtbar ist dabei eine Harmonisierung der Rahmenbedingungen für alle Verkehrsträger, bei der auch ökologische und volkswirtschaftliche Aspekte gebührend beachtet werden. Es kommt entscheidend darauf an, daß die Bahn endlich faire Wettbewerbschancen erhält.

Zur Durchleuchtung der vielschichtigen Probleme der Bahnstrukturreform, zur Erörterung der vorgelegten Sanierungskonzepte und zur Aufdeckung von Problemfeldern, die zur Zeit noch kontrovers diskutiert werden, führte die Friedrich-Ebert-Stiftung im Rahmen der Konferenzreihe "Wirtschaftspolitische Diskurse" Ende März in Frankfurt am Main die Fachtagung "Die Deutschen Eisenbahnen vor einem Neubeginn – gelöste Sanierungsaufgaben und notwendige Ergänzungen der Bahnstrukturreform" durch. Dabei wurden im ersten Teil der Veranstaltung einige relevante Themenfelder ausführlich in Referaten behandelt. Anschließend konnte dann im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Meinungsaustausch zu diesen und weiteren Aspekten der Bahnreform vertieft werden.

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Die vorliegende Broschüre, die von Diplom-Kauffrau Andrea Brenner/wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre I der Justus-Liebig-Universität Gießen erstellt wurde, faßt die Fachvorträge der Konferenz, die Ergebnisse der Podiumsdiskussion und die Diskussionsbeiträge aus dem Plenum thematisch gegliedert zusammen. Für die Konzeption und Durchführung der Veranstaltung war Karl-Hans Weimer vom Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung verantwortlich, der auch den Tagungsbericht redaktionell überarbeitete. Das Tagungssekretariat führte Ilona Reuter.

Bonn, Juli 1993

Dr. Jochem Langkau

[Seite der Druckausg.: 4 = Leerseite]


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