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TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 25]

5. Erste Erfahrungen auf kommunaler Ebene

5.1 Wohnungspolitik für Potsdam

5.1.1 Städtebauliche Situation und Wohnungsversorgung

Kennzeichnend für die städtebauliche Situation der Stadt Potsdam ist einmal eine Konzentration der Mißstände auf die historischen Kerne von Potsdam und Babelsberg. Hinzu kommt, daß trotz der durchgeführten Maßnahmen zur Bestandssicherung weitere Substanzverluste sowohl durch Leerstand als auch durch unzureichende finanzielle und rechtliche Bedingungen für die Modernisierung und Instandsetzung hingenommen werden müssen. Es konnte noch kein durchgreifender Umbruch zugunsten einer substantiellen und flächendeckenden Umsetzung der Stadterneuerung erzielt werden; vielmehr liegen bislang nur punktuelle Erfolge privater und öffentlicher Investitionen vor. Die Belastungen durch den ruhenden und fließenden Verkehr haben sich sprunghaft erhöht. Schließlich ist eine Verdrängung sozialschwacher Schichten aus den Innenstadtgebieten zu registrieren und zwar sowohl hinsichtlich der Bewohner als auch in Bezug auf die Gewerbetreibenden.

Für den Bereich der Wohnungsversorgung gilt folgendes: In der Stadt Potsdam gab es Ende 1992 ca. 64.000 Wohnungen. Davon befanden sich 52% in kommunaler Verfügung, 26% in genossenschaftlichem und 18% in privatem Eigentum. Weitere 2% der Wohnungen wurden vorläufig durch das kommunale Wohnungsunternehmen verwaltet. Etwa ein Viertel der kommunalen Wohnungen war mit Ansprüchen ehemaliger Eigentümer auf Rückübertragung belastet. Von den 23.000 Wohnungen, die letztlich im Eigentum des kommunalen Wohnungsunternehmens verbleiben, wurden fast 80% nach dem Jahre 1960 überwiegend in industrieller Plattenbauweise errichtet. Die Altersstruktur des Wohnungsbestandes der Stadt Potsdam geht aus der folgenden Übersicht hervor.


Baujahresgruppe

Anteil der Wohnungen in %

vor 1919

17

1919 bis 1945

28

1946 bis 1970

12

nach 1970

43

[Seite der Druckausgabe: 26]

Derzeit liegen der Stadt Potsdam über 7.700 Wohnberechtigungsscheine (WBS) vor, die bisher nicht abgewickelt werden konnten. Fast zwei von drei der Antragsteller gehören dabei der Altersgruppe zwischen 18 und 30 Jahren an. In 22% der Fälle besteht ein anerkannt dringender Wohnbedarf. Hierzu gehören nach den Ergebnissen einer ausführlicheren Analyse insbesondere folgende Problemgruppen:


Art der Antragsteller

Anteil in %

Familien / Alleinstehende mit 1 oder 2 Kindern ohne eigenen Wohnraum bzw. in unzureichenden Wohnverhältnissen

43

Schwerbehinderte, die eine eigene oder eine andere Wohnung benötigen

11

ältere Menschen (über 70) in unzureichenden Wohnverhältnissen

12

Räumungsbetroffene

10

Obdachlose

11

diverse Überbelegungen

10

Struktur und Größe des Wohnungsbedarfs verdeutlichen, daß es speziell für junge Menschen, die überwiegend noch in der elterlichen Wohnung leben, kaum eine Chance auf Versorgung mit einer eigenen Wohnung gibt. Bei den jungen Haushalten handelt es sich nicht nur um "Single-Haushalte", sondern weitgehend auch um junge Familien. Die enorme Nachfrage kann nicht allein aus dem vorhandenen Bestand gedeckt werden. Erforderlich ist vielmehr in erster Linie eine Erweiterung des Wohnungsbestandes durch Wohnungsneubau. Wie der nachfolgen Übersicht zu entnehmen ist, richtet sich die Nachfrage nach Wohnungen in der Stadt Potsdam insbesondere auf Wohnungen mit 1 bis 3 Räumen:


Anzahl Räume

Nachfrage in %

1

25

2

32

3

26

4

14

5

3

[Seite der Druckausgabe: 27]

Da monatlich nur einer geringen Anzahl von Antragstellern mit dringendem WBS geholfen werden kann, wachsen Unmut und Aggressivität der Bürger. Hierdurch wird die Arbeit der Mitarbeiter des Wohnungsamtes zusätzlich belastet. Oft wird mehr Zeit benötigt, um mit dem Bürger auf eine sachliche Ebene der Verhandlung zu gelangen, als für die Behandlung des eigentlichen Wohnungsproblems erforderlich ist.

Der Gesamtzahl von 7.732 Wohnungsanträgen standen in der Stadt Potsdam seit Jahresbeginn 1992 insgesamt 776 leere (nutzbare) Wohnungen gegenüber. Schwerpunktmäßig wurde dieses Wohnraumangebot den Berechtigungsgruppen "alte Menschen" und "Schwerbehinderte" sowie Obdachlosen und Familien / Alleinerziehenden mit Kind zur Verfügung gestellt.

Beeinträchtigungen der Wohnungsversorgung ergeben sich durch die Zweckentfremdung von Wohnraum. Seit Jahresbeginn 1992 wurden in Potsdam insgesamt 64 Anträge auf vollständige oder teilweise Umnutzung von Wohn- in Gewerberaum, auf Freistellung von der Wohnungsbindung bzw. auf Wohnungszusammenlegung oder bauliche Veränderung gestellt. Von diesen Anträgen wurde die Mehrzahl (53 %) genehmigt. Die Quote der Ablehnungen beläuft sich auf 22 %. Beim restlichen Viertel der Fälle steht eine Entscheidung noch aus. Um zusätzliche Wohnungsverluste durch die unkontrollierte Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum in Privathäusern zu vermeiden, wird es nach wie vor als äußerst wichtig angesehen, über eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung als rechtliches Instrument zu verfügen.

Zu beachten sind auch die Wohnungsleerstände. In der Stadt Potsdam sind insgesamt 1.733 Wohnungen aufgrund ihres Zustandes als nichtvermietbar registriert. Hierfür werden in der Regel Genehmigungen zur Nichtvermietung für ein Vierteljahr erteilt. Problematisch sind die Fälle, in denen auf einem Objekt ein vermögensrechtlicher Anspruch liegt oder der Instandsetzungsaufwand mehr als DM 30.000 ausmacht. Hier wird eine längere Frist für das Wiederbewohnbarmachen eingeräumt. Bei ungenehmigtem Leerstand kann zur Durchsetzung der Vermietung ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden.

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[Seite der Druckausgabe: 28]

5.1.2 Potentiale und Maßnahmen zur Verringerung der Wohnungsnot

Die Stadt Potsdam verfügt aufgrund ihrer Lage am Rande Berlins und der guten verkehrlichen Anbindung an Westdeutschland über eine hohe Attraktivität. Weiter tragen die historisch wertvollen Ensembles und Denkmalsbereiche sowie die Einbettung in eine reizvolle Landschaft zur Anziehungskraft der Stadt bei. Ein günstiger Standortfaktor ist auch in der guten Erschließung durch den ÖPNV zu sehen. In allen Erneuerungsgebieten besteht ein hohes Substanzpotential durch un- und untergenutzte Gebäude infolge Leerstand und akuter Bauschäden. In vielen Stadtteilen bestehen Möglichkeiten, über Neubau und Verdichtungen Wohn- und Gewerberaum zu schaffen. Hinzu kommt ein großes ökologisches Potential in Form der Stadtplätze und Quartierinnenbereiche. Schließlich besteht auch im Bildungsbereich durch das dichte Schulnetz eine günstige Ausgangslage.

Auf dieser Basis wurde in der Stadt Potsdam eine Reihe von Städte- und wohnungsbaulichen Maßnahmen realisiert. Hierzu ist einmal die Beseitigung von Wohnungsleerständen durch die Mieter zu rechnen. 278 Bürger nahmen bisher die Möglichkeit zur Instandsetzung von Wohnraum ausschließlich mit Hilfe von Eigenmitteln in Anspruch. Die Grenzen dieses Verfahrens liegen dort, wo die finanziellen Belastungen der Mieter in keinem Verhältnis zur Wohnungsgröße stehen oder wo Modernisierungsmaßnahmen - wie z.B. der Einbau eines WC's - zunächst die Schaffung technischer Voraussetzungen im Gebäude oder gar im Bereich der technischen Infrastruktur des gesamten Wohngebietes voraussetzen. Als zusätzliches Risiko derartiger, aus der Wohnungsnot geborener Maßnahmen kommt hinzu, daß die oft hohen Investitionen der Mieter in das Eigentum eines 'Alteigentümers' erfolgen, dessen Vorstellungen über die Sanierung und Nutzung des Objektes häufig noch nicht bekannt sind.

Eine relevante Rolle bei der Lösung der individuellen Wohnungsprobleme spielt auch die Förderung des Wohnungstausches. Diese Dienstleistung, die zur Sicherung einer effektiven Wohnungsbelegung beiträgt, wird nach wie vor von den Bürgern genutzt. Allein im dritten Quartal 1992 konnten auf diese Weise 376 Haushalte der Stadt Potsdam ihre Wohnsituation verbessern.

[Seite der Druckausgabe: 29]

Weitere Maßnahmen zur schrittweisen Deckung der Wohnungsnachfrage in der Stadt Potsdam sind:

  • Förderung der Leerstandsbeseitigung sowie des Dachum- und -ausbaus auf der Grundlage der städtischen Zinssubventionierungsrichtlinie
  • Privatisierung von Häusern mit einem hohen Modernisierungs- und Instandsetzungsbedarf über den Sanierungsträger
  • Wohnungsneubau / Verdichtung im Zuge innerstädtischer Entwicklungsmaßnahmen laut BauGB-Maßnahmegesetz
  • Wohnungsneubauförderung über städtische Zuschüsse für nicht förderfähige Kosten.

Neben einem möglichst flächendeckenden Einsatz der Städtebauförderung zur Behebung akuter Mißstände und zur Vermeidung von weiteren Substanzverlusten müssen die öffentlichen Mittel auf wenige modellhafte Projekte mit möglichst großer Breitenwirkung unter Berücksichtigung der sozialen Strukturen konzentriert werden. Da vorerst kaum mit einer Verbesserung der Haushaltslage der Stadt zu rechnen ist, sind alle von außen einfließenden öffentlichen und privaten Mittel vielfältig zu nutzen. Daneben gilt es, das rechtliche Instrumentarium zur Klärung der Eigentumsfragen und zur Schaffung der Investitionsvoraussetzungen auszuschöpfen. Prioritäten werden folgenden Aktivitäten zugeordnet:

  • Bestandssicherung insbesondere zur Erhaltung vorhandenen Wohn- und Gewerberaums;
  • Leerstandsbeseitigung;
  • Neubau und Modernisierung von Wohn- und Gewerberaum;
  • Sicherung des Bestandes an sozialer und kultureller Infrastruktur;
  • Umsetzung von kleinteiligen Sofortmaßnahmen zur Verkehrsberuhigung;
  • Realisierung einer 1. Etappe der umfassenden Erneuerung der technischen Infrastruktur;
  • Instandsetzung und partielle Verbesserung der öffentlichen Straßen und Plätze;
  • beschleunigte Anwendung der neuen gesetzlichen Grundlagen der Vermögens- bzw. Investitionsgesetze.

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Die Realisierung der Maßnahmen zur kurzfristigen Beseitigung akuter städtebaulicher Mißstände schafft zwangsläufig nicht sofort den Idealzustand einer sanierten Stadt mit intaktem Altstadtgebiet, hoher Funktionsvielfalt an sozialer und kultureller Infrastruktur und einem hohen Wohnstandard. Die Annäherung an das städtebauliche Leitbild macht es erforderlich, stadtplanerische Kompromisse zu schließen, die z.T. durch eine jahrzehntelange Vernachlässigung der Maßnahmen zur Bestandspflege diktiert werden. So kann es angesichts der begrenzten Mittel zur Realisierung städtebaulicher Aufgaben erforderlich werden, die Beseitigung des Wohnungsmangels vor die Sanierung von Baudenkmalen oder die Errichtung eines innerstädtischen Verbrauchermarktes vor die Sanierung der Vielzahl kleiner Einzelhandelsobjekte zu setzen. Dabei kommt den Beiträgen der einzelnen Maßnahmen zu einer sozialverträglichen Sanierung der Innenstädte eine große Bedeutung zu, die in Abhängigkeit von der örtlichen Situation jeweils zu bestimmen sind.

Die konkreten Planungen der Stadt Potsdam umfassen eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der städtebaulichen Situation sowie zur Schaffung von Wohn- und Gewerberaum. Hierzu gehören im Einzelnen:

  • Abschluß der vorbereitenden Untersuchungen für alle Sanierungsverdachtsgebiete (1992)
  • Entwicklung der Grundelemente städtebaulicher Rahmenplanung bis Mitte des Jahres 1993 bei gleichzeitiger Ableitung mittelfristiger Maßnahmepläne insbesondere für Modernisierung und Instandsetzung, Neubau, Sozialplanung und Planung der Ordnungsmaßnahmen
  • Weiterführung, inhaltliche Vertiefung und rechtliche Festsetzung der begonnenen Block- und Einzelplanungen sowie deren regionale Erweiterung im Rahmen der verfügbaren Mittel
  • flächendeckende Analyse der vorhandenen Potentiale zur Schaffung und Wiedergewinnung von Wohn- und Gewerberaum bis Ende des Jahres 1992
  • weitgehende Umsetzung der Privatisierungsrichtlinien bis Ende 1993 und privat getragene Sanierung dieser Objekte bis 1995/96
  • Sanierung der in der ersten Etappe im Treuhandvermögen verbleibenden Objekte bis zum Jahre 1996
  • angemessene Konzentration öffentlicher Mittel auf Stadterneuerungsgebiete außerhalb der Städtebauförderung mit dem Ziel, in den Bereichen der sozialen, technischen und kulturellen Infrastruktur, des Verkehrs sowie der ökologischen und funktionellen Qualität der Freiflächen eine Stabilisierung und partielle Verbesserung zu gewährleisten

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  • bürgernahe Gestaltung der Stadterneuerung durch breite Beteiligungs- und Informationsangebote, durch Einbeziehung von Betroffenenvertretern sowie ständige Mieterberatung
  • Ausarbeitung differenzierter und unkonventioneller Modelle der Kooperation zwischen Stadt, Treuhändern und privaten Investoren hinsichtlich Finanzierung und Umsetzung der Stadterneuerungskonzepte
  • Förderung von Eigentumsmodellen und Verdichtungsmodellen privater Träger, die der städtebaulichen Gesamtplanung entsprechen und gleichzeitig einen Beitrag zur Schaffung von Mietwohnungen für einkommensschwächere Haushalte leisten
  • Begrenzung der Erneuerungsmaßnahmen auf ein Niveau, das der wirtschaftlichen und sozialen Situation entspricht. Hierbei ist ein Kompromiß zwischen Erneuerungsperfektionismus und bezahlbarem Wohn- und Gewerberaum anzustreben. Denkmalpflegerische Maßnahmen sind zunächst auf Substanzschutz bzw. finanzierbare Erneuerung auszurichten; später kann dann eine Optimierung entsprechender Maßnahmen erfolgen.


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5.1.3 Mittelfristiges Entwicklungskonzept für den Wohnungsbau

Die Nachfrage nach Wohnungen in der Stadt Potsdam wird auch längerfristig das vorhandene Angebot übersteigen. Hierfür spielen u.a. folgende Faktoren eine Rolle:

  • der notwendige Freizug von Wohnungen als Vorbedingung für die Ausführung umfangreicherer Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen (die Stadt Potsdam verfügt zwar derzeit über keine aktuellen Daten zum Bauzustand der Wohngebäude, aber allein der Anteil von Wohnungen (45%), die vor 1945 gebaut wurden, deutet auf einen großen Instandsetzungsstau hin),
  • die Fortsetzung des Trends zum Ein-Personenhaushalt (in Potsdam analog den Tendenzen im gesamten Bundesgebiet),
  • die mit dem Einkommen steigende Nachfrage nach Wohnungen mit einem zeitgemäßen Wohnstandard (in Potsdam haben fast 12% der Wohnungen noch eine Außentoilette, über 12% haben weder Bad noch Dusche, und 17% der Wohnungen sind ohne modernes Heizungssystem)
  • die Zunahme des Wohnungsbedarfs im Zuge der Realisierung rechtlicher Ansprüche (vermögensrechtliche Ansprüche, Asylbewerber),

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  • zusätzliche Wohnungsnachfrage durch Probleme wie z.T. extreme Überbelegung von Wohnungen, Zusammenleben verschiedener Haushalte in einer Wohnung und unzumutbare Wohnverhältnisse,
  • die Belastung des Potsdamer Wohnungsmarktes durch Wohnungssuchende aus den expandierenden Standorten Bundeshauptstadt Berlin und Sitz der Landesregierung Brandenburg.

Hieraus folgt, daß die Beseitigung der Wohnungsengpässe einerseits eine vom politischen Willen getragene längerfristige Aufgabe ist. Andererseits sind aber auch kurzfristige Lösungsansätze und rasch spürbare Erfolge unverzichtbar.

Die wohnungspolitischen Weichen sind in der Stadt Potsdam auf den sozialen Wohnungsbau und auf die Eigentumsförderung gestellt. Dabei erfolgt eine Schwerpunktsetzung auf den 2. Förderweg. Diese resultiert aus der Einschätzung, daß der Anteil der Wohnungssuchenden, deren Einkommen innerhalb der Grenzen liegt, die nach dem II. WoBauG für Bezieher einer Sozialwohnung gesetzt sind, nur etwa 10 - 20% der Antragsteller umfaßt. Diese Einkommensgrenzen liegen mit geringen Modifizierungen für Schwerbeschädigte und junge Ehepaare derzeitig bei:

  • 1.620,-DM für Haushalte mit 1 Person,
  • 2.385,-DM für Haushalte mit 2 Personen,
  • 2.985,-DM für Haushalte mit 3 Personen,
  • 3.585,-DM für Haushalte mit 4 Personen.

Im Unterschied zum Regelfall, für den der 1. Förderungsweg konzipiert wurde, bewohnen die Mieter aus sozial schwächeren Einkommensgruppen in den neuen Bundesländern oftmals bereits Wohnungen, deren Mietpreis sich unterhalb der Mietobergrenze des Sozialwohnungsbestandes bewegt. Dem steht in Potsdam die wesentlich größere Gruppe junger Haushalte gegenüber, die einerseits aktiv im Berufsleben stehen, andererseits aber oft noch bei den Eltern oder in beengten Verhältnissen wohnen. Das Einkommen dieser Personengruppe berechtigt in der Regel zur Inanspruchnahme von Fördermitteln aus dem 2. Förderungsweg (Eigentumsprogramm des Bundes) bzw. macht die Bezahlung höherer Mieten für einen höheren Wohnstandard möglich. Hier klafft auf dem derzeitigen Wohnungsmarkt eine erhebliche Lücke, für deren Schließung allerdings auch ungünstige Bedingungen bestehen. So reichen die derzeitigen Förderbedingungen oft nicht aus, um den Wohnungsneubau im erforderlichen Maße zu entwickeln (zu geringe förderfähige Baukosten, nicht för-

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derfähige Grundstückskosten). Eine dem Bedarf entsprechende, kommunalspezifische Umverteilung der Fördermittel zugunsten des 2. oder 3. Förderungsweges wäre eine wichtige Voraussetzung, um junge Arbeitskräfte in der Stadt Potsdam zu halten oder anzusiedeln.

Die Nutzung der verschiedenen 'Förderungstöpfe' ist unter den heutigen kommunalen Entwicklungsbedingungen relativ flexibel zu gestalten. Die Effektivität unterschiedlicher Förderungswege wird in starkem Maße durch regionale Differenzen in der baulichen, wirtschaftlichen oder sozialdemographischen Ausgangslage einer Kommune geprägt, die sich selbst relativ kurzfristig ändern kann. So zeichnet sich auch für die Stadt Potsdam ab, daß mit dem Auslaufen des Wohnungsbelegungsrechtes (It. Einigungsvertrag bis 1995 für alle ehem. kommunal verwalteten Mietwohnungen) der Prozeß der sozialen Segregation in Altstadtgebieten zunehmen und die Nachfrage nach Wohnungen für Sozialwohnungsberechtigte aus dem 1. Förderungsweg u.U. sprunghaft steigen wird. Die Stadt Potsdam trägt den örtlichen Bedingungen bereits heute mit einer Reihe spezifischer Förderrichtlinien weitgehend Rechnung. [Fn.6: Eine komplette Übersicht über die kommunalspezifischen Förderrichtlinien wurde im Amtsblatt der Stadt Potsdam veröffentlicht, das über das Presseamt der Stadt bezogen werden kann. ]

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die konsequente Praktizierung einer kommunalen Bodenpolitik. Ein Vorschlag aus der Diskussion ging dahin, die z.T. erheblichen Flächen, die ehemals durch ausländische Truppen beansprucht wurden und laut Einigungsvertrag in den Besitz des Bundes wechselten (bei Potsdam ca. 300 ha), in die Verfügungsberechtigung der Kommunen zu übertragen. Damit wären Voraussetzungen gegeben, diese überwiegend brachliegenden Flächen in die Planungen der Kommunen einzubeziehen. Die Bedeutung kommunal verfügbaren Baulandes für die Belebung der Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Wohnungsteilmärkten dürfte angesichts der Stagnation im Wohnungsmarkt vieler Städte der alten Bundesländer unbestritten sein. Grundstückspreise um 900,-DM/m2 hemmen auch im Umland von Berlin bereits heute Initiativen für sozial verträglicher Lösungen im Wohnungsbau. Grundstücke, die von Investoren zu überzogenen Preisen gekauft werden müssen, treiben die Kosten für jede Wohnung hoch und erschweren Lösungen für Einkommensschwächere.

Wichtige Voraussetzung einer Kreditaufnahme durch den Bauwilligen ist die dingliche Sicherung der Baukredite durch eine Absicherung im Grundbuch. Um den Bau und Erwerb von Wohneigentum nicht wegen Verzögerungen zu behindern, die aus

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einer Überlastung der Grundbuchämter, den nicht abgeschlossenen Eigentumsübertragungen auf die Kommunen oder der ausstehenden Grundstücksvermessung resultieren, wird derzeitig der Gewährung von kommunalen Übergangsbürgschaften eine große Bedeutung zugemessen.

Zur Zeit wird in Potsdam die Erschließung innerstädtischer Standortpotentiale für

Wohnraum geprüft. Dabei konzentrieren sich die Untersuchungen auf

  • Brachen im Umland,
  • größere innerstädtische Baulücken,
  • Möglichkeiten der Aufstockung oder des Dachaus- und -aufbaus,
  • Umnutzungen und
  • die Verdichtung und Ergänzung bestehender Neubaugebiete.

Auf dieser Grundlage können die immer begrenzten Mittel den bautechnischen und bautechnologischen Möglichkeiten entsprechend jeweils effektiv und z.T. auch kurzfristig wirksam eingesetzt werden.

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5.2 Schaffung von Gewerberaum am Beispiel Teltow

5.2.1 Ausgangssituation

Die Stadt Teltow galt vor der "Wende" als ein wichtiges Industriezentrum der Region. In ihrem unmittelbaren Nahbereich lebten ca. 40.000 Menschen. Teltow wurde durch zwei Großbetriebe der Elektronik und Automatisierung geprägt, nämlich das Kombinat Elektronische Bauelemente mit ca. 4.100 Arbeitsplätzen und die Geräte- und Reglerwerke (GRW) mit ca. 5.900 Beschäftigten.

Die Treuhandanstalt verkaufte den Kernbereich der GRW mit 1.200 Arbeitsplätzen an die Firma Siemens. Die Rest-GRW und das Elektronik-Kombinat waren als Großbetriebe nicht konkurrenzfähig. Deshalb wurden die beiden verbliebenen Betriebe an einen Immobilienentwickler mit der Maßgabe veräußert, lebensfähige Teilbereiche auszugründen und gesondert zu privatisieren. Diese Zielsetzung wird für 29 Firmen mit etwa 1.500 Mitarbeitern gelingen. Für über 7.000 ehemalige Arbeitskräfte der DDR-Unternehmen - davon viele Beschäftigte aus den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Verwaltung - entstehen dagegen keine neuen Arbeitsplätze.

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5.2.2 Konzept für einen Büro- und Gewerbepark

Mit den beiden Großbetrieben erwarb der Immobilienentwickler ca. 600.000 m2 innerstädtischer Gewerbefläche, die ca. 75% der gesamten Gewerbeflächen Teltows umfaßt. Für dieses Gelände war ein Konzept für einen Büro- und Gewerbepark, das "Techno-Terrain-Teltow (TTT)" zu entwickeln, der nach seiner Realisierung der größte innerstädtische Gewerbepark im Land Brandenburg sein wird.

Das Entwicklungskonzept hatte zu berücksichtigen,

  • daß das Gelände der ehemaligen Großbetriebe vollständig bebaut war,
  • daß die Gebäude mit zufälliger Verteilung noch etwa zur Hälfte genutzt wurden,
  • o daß die Erschließung für die Ansiedlung mittelständischer Unternehmen völlig ungeeignet war,
  • daß die Immobilie großflächig insbesondere durch Kohlenwasserstoffe und Schwermetalle kontaminiert war und
  • daß ca. 2.500 Arbeitsplätze gemäß den Vereinbarungen mit der Treuhandanstalt zu erhalten bzw. innerhalb weniger Monate zu schaffen waren.

Die Planungen erfolgten in enger Zusammenarbeit mit der Kommune Teltow, mit dem Landkreis Potsdam und mit der Landesregierung Brandenburg. Ein bei Zeiten in Auftrag gegebener Flächennutzungsplan ging von Anfang an davon aus, daß die Standorte der ehemaligen Großbetriebe als innerstädtische Gewerbegebiete zu erhalten waren. Bereits im September 1991 konnte ein Gesamtkonzept vorgestellt werden, dem die folgenden Prämissen zugrunde lagen:

  1. Entwicklung der Immobilie unter Beachtung der sozialen Struktur (Qualifikationsstruktur der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter)

  2. Entwicklung des attraktiven Gewerbestandortes in enger Abstimmung mit der innerstädtischen Gesamtentwicklung Teltows

  3. Einbindung der erhaltungswürdigen Bausubstanz in das Konzept der Bebauung (von insgesamt 250.000 m2 Bruttogeschoßfläche waren nur ca. 40.000 m2 sanierungsfähig)

  4. Sanierung aller Kontaminationen entsprechend behördlicher Vorgaben

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  1. Erschließung von Grundstücken für neu anzusiedelnde mittelständische Unternehmen unter Erhaltung der aus den Großbetrieben hervorgegangenen Unternehmen und Arbeitsplätze

Aus diesen Grundlagen wurden folgende Zielsetzungen abgeleitet:

  • gewerbliche Orientierung bei 45 bis 50% der Unternehmen
  • Orientierung der restlichen Unternehmen auf Bereiche der Verwaltung, Dienstleistung, Forschung und Entwicklung
  • Neugliederung der z.T. über 200 m tiefen Hauptstandorte zur Sicherung einer baurechtlich begründeten Erschließung.

Im Endausbau sollte der Gewerbepark eine Gesamtanzahl von 8.000 bis 9.000 Arbeitsplätzen umfassen.

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5.2.3 Ansiedlungserfolge und offene Probleme

Die Realisierung des Projektes läuft sehr erfolgreich. Die bisher aufgewendeten Mittel für "Ausgründungen" und Neuansiedlungen von Unternehmen, für die Weiterführung von Lehrverhältnissen, Sozialpläne, die Altlastenbeseitigung sowie für Neuinvestitionen belaufen sich auf 124 Mio. DM. Zwischen Herbst 1992 und Ende 1994 sind weitere Investitionen von mindestens 400 Mio. DM vorgesehen. Ende 1992 waren bereits 99 Unternehmen angesiedelt. 2.500 Dauerarbeitsplätze (ohne Siemens) sowie 590 ABM-Plätze, 485 Ausbildungsplätze und 575 Plätze für Umschulungen wurden geschaffen. Im nächsten Jahr kommen mindestens 500 Dauerarbeitsplätze hinzu. Zu den vereinbarten Firmenansiedlungen gehören u.a.

  • ein Rechenzentrum der Commerzbank mit mehr als 175 Arbeitsplätzen,
  • ein Technologiezentrum des VDE/VDI-Verbandes mit ca. 200 Arbeitsplätzen,
  • ein Betrieb des israelischen Konzerns ECI, der in der ersten Ausbauphase auf 40 Arbeitsplätzen Produkte der Vermittlungstechnik herstellt sowie
  • ein Hotel (Neubau gemeinsam mit der RAMADA-Kette) mit ca. 100 Arbeitsplätzen.

Mit dem Gewerbepark Teltow wurde ein nicht mehr nutzbarer innerstädtischer Industriestandort saniert und wiederbelebt. Von Bedeutung sind zweifelsohne auch die Multiplikatoreffekte, die von einem derartigen Projekt für die Kommune insgesamt ausgehen. Durch die Möglichkeit, in Abstimmung mit der Treuhandanstalt einen Teil

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der erworbenen Flächen zu günstigen Preisen an finanzschwächere Mittelständler weiter zu veräußern, treten aber auch unmittelbare Wirkungen auf.

Nicht zu übersehen sind aber auch die Probleme und Grenzen einer derartigen standörtlichen Konzentration. So wurde im Verlauf der Diskussion darauf hingewiesen, daß sich ein sozial verträgliches Konzept der Innenstadtsanierung nicht auf die Schaffung weniger Großstandorte mit meist eingeschränkter Funktionsvielfalt beschränken darf. Konsequenzen ergeben sich im Verlauf der Sanierung auch für das Verkehrsaufkommen. Um öffentliche Flächen von der Inanspruchnahme durch den ruhenden Verkehr anreisender Besucher und Beschäftigter zu entlasten, wurden beispielsweise beim Gewerbepark Teltow 350 Stellplätze in 2-geschossigen Tiefgaragen geschaffen. Diese Verkehrsentlastungsmaßnahme macht sich allerdings wegen des hohen Erschließungsaufwandes und wegen der Kosten für umfangreiche Abbruchmaßnahmen sowie für die Bodensanierung auch spürbar in den Mietpreisen bemerkbar.

Zu bedenken ist schließlich auch, daß derart hoch verdichtete Standorte wie der Gewerbepark Teltow für eine Reihe gewachsener einheimischer Handwerksbetriebe und Mittelstandsunternehmen, die die Nähe zum Kunden und damit eine günstige innerstädtische Lage benötigen, nicht attraktiv sind. Hier muß die Kommune kleinteilige innerstädtische Flächenreserven erschließen, zu günstigen Preisen anbieten (maximal DM 250.-/m2) und mit einem entsprechenden städtebaulichen Strukturkonzept der Verdrängung des gewerblichen Mittelstandes entgegenwirken.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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