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1. Die Spezifik des wohnungspolitischen Handlungsbedarfs bei der Entwicklung des Wohnungsmarktes in den neuen Bundesländern

1.1 Abbau regionaler Disparitäten in den Wohnbedingungen

Die Wohnungsprobleme der alten und neuen Bundesländer sind in gleichem Maße schwerwiegend. Wohnungsnot in den Ballungszentren, Mietenexplosion und Obdachlosigkeit bestimmen ein Stück gesellschaftlicher Realität auch im Westen Deutschlands. Vier Jahrzehnte staatlicher Wohnungsbaupolitik im Osten stellen die Kommunen der neuen Bundesländer heute vor wohnungswirtschaftliche Probleme, wie sie in den alten Ländern zum Teil nie bekannt waren. Trotz der grundlegend unterschiedlichen Ausgangslage ist es an der Zeit, die Wohnungsteilmärkte in Ost und West nicht weiter getrennt, sondern in ihren gegenseitigen Wechselbeziehungen zu betrachten. So werden z.B. gesellschaftliche Prozesse, wie die anhaltende Abwanderung von Facharbeitern in Schwerpunktregionen der Wirtschaft nicht ohne weitreichende Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft der alten Bundesländer bleiben. Ein fortdauerndes Gefälle in den Wohnbedingungen zwischen Ost und West fördert diesen Prozeß und wirkt sich aus der Sicht von Investoren negativ auf die Attraktivität des Standortes neue Bundesländer aus.

Die Spezifik des wohnungspolitschen Handlungsbedarfs für die neuen Bundesländer wird erst aus der vergleichenden Betrachtung der Wohnbedingungen der Bewohner in den alten und neuen Bundesländern ersichtlich. Ein exakter und umfassender Vergleich wird derzeitig allerdings durch das Fehlen einer aktuellen statistischen Gebäude- und Wohnraumzählung erschwert. Oft sagt ein Gang durch die Wohngebiete der Gründerzeit oder der Altstadtkerne in Leipzig, Berlin-Prenzlauer-Berg, Quedlinburg oder vieler anderer Städte in den neuen Bundesländern mehr, als die 'geschönte' Tabelle einer ehemaligen Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik.

Auf der Grundlage des Raumordnungsgesetzes der Bundesrepublik, fand erstmalig mit Stand von 1990 die Darstellung der Wohnbedingungen im wiedervereinigten Deutschland, differenziert nach neuen und alten Bundesländern Eingang in den Raumordnungsbericht der Bundesregierung. In diesem Vergleich werden die Ursachen und die Dimension

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der zentralen wohnungspolitischen Aufgabe für die neuen Bundesländer deutlich, die sich vor allem auf einen schrittweisen Abbau der regionalen Disparitäten in den Wohnbedingungen hin orientieren muß, wenn die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte von Ost nach West - wie sie sich auch in den Städten des Landes Mecklenburg-Vorpommern abzeichnet - zum Stillstand kommen soll.

Die Ausmaße dieses, für die Wirtschaft eines Landes oder einer Kommune bedenklichen Abwanderungsprozesses, wurden durch den Senator für Wohnungswesen der Hansestadt Rostock an Hand der Entwicklung in der Zahl der Anmeldungen eines dringlichen Wohnungsbedarfs verdeutlicht: Obwohl in der Stadt Rostock seit dem Jahre 1990 kein nennenswerter Zuwachs an Wohnraum durch Wohnungsneubau mehr zu verzeichnen war, konnten in dieser Zeit dennoch ca. 7.000 Anträge auf Wohnraum realisiert werden, was allein durch das Freiwerden von ca. 7.000 Wohnungen auf Grund von Wegzügen möglich wurde. Weitere 2.000 Anträge mit Dringlichkeit wurden nach Ablauf ihrer einjährigen Gültigkeitsdauer nicht wieder neu gestellt !

Das Bestreben der Baupolitik der ehemaligen DDR, mit geringstem Aufwand einen möglichst hohen quantitativen Zuwachs an Wohnungen zu erzielen, ging mit einem vergleichsweise zur Bundesrepublik deutlich geringeren Anteil an Wohnungsneubau für den Ersatz überalterter und verschlissener Wohngebäude einher. Diese 'Strategie' äußert sich heute in einem relativ hohen Anteil von Wohnungen in Gebäuden, die vor dem Krieg gebaut wurden, (siehe Abb. 1) Er beträgt im Durchschnitt der neuen Länder 43%, wobei es große regionale Unterschiede gibt. So schneidet Rostock mit einem Anteil von Wohnungen in Gebäuden aus der Vorkriegszeit von "nur" 30% und einem dementsprechend hohen

Siehe auch Grundsätze der Raumordnung, Raumordnungsgesetz §2, Abs. 3: "In Gebieten, in denen die Lebensbedingungen in ihrer Gesamtheit im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder ein solches Zurückbleiben zu befürchten ist, sollen die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sowie die kulturellen Einrichtungen verbessert werden."

"In den Gemeinden dieser Gebiete sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung, insbesondere die Wohnverhältnisse sowie die Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen allgemein verbessert werden. In einer für ihre Bewohner zumutbaren Entfernung sollen Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung einschließlich der zugehörigen Bildungs-, Kultur- und Verwaltungseinrichtungen gefördert werden ('Harmonisierungsgrundsatz'). "

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Anteil von 70% an Wohnungen in Gebäuden nach 1945 überdurchschnittlich günstig ab.



Die Vernachlässigung einer kontinuierlichen Bestandspflege führte dazu, daß heute in den neuen Bundesländern mehr als die Hälfte aller Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, die vor dem Jahre 1945 gebaut worden waren, schwerwiegende bauliche Schäden aufweisen oder in ihrer Funktion bereits unbrauchbar geworden sind. Es wird geschätzt, daß von den insgesamt ca. 7 Mio. Wohnungen in den neuen Bundesländern rd. 1 Mio. unbewohnbar und praktisch abbruchreif sind.

Unzureichende Erneuerungsinvestitionen im Bestand führten gleichzeitig zu einem Zurückbleiben des Wohnstandards in den neuen Bundesländern. (siehe Abb. 2)

Pfeiffer, U., Gillhaus, V.: "Der Wohnungsmarkt in Ostdeutschland", Teil C der Veröffentlichung der Wohnungspolitischen Kommission des Deutschen Volksheimstättenwerks e.V. zum Thema "Strategien zur Wohnungspolitik der 90er Jahre", Bonn, 1991, S. 5

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Der heute zwischen alten und neuen Bundesländern bestehende zeitliche Abstand im durchschnittlichen Wohnstandard wurde von einer Tagungsteilnehmerin auf ca. 30 Jahre geschätzt.



Da nach dem Jahre 1949 in der ehemaligen DDR keine privaten Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern neu gebaut wurden, kann davon ausgegangen werden, daß gerade die ältesten und am schlechtesten ausgestatteten Wohnungen, die sich in Mehrfamilienhäusern mit schlechtem baulichen Zustand befinden, dem privaten Eigentum zuzurechnen sind. Der Privatanteil an diesen Wohnungen wird sich nach vollzogener Rückübertragung von bisher kommunal verwalteten Wohngebäuden weiter erhöhen.

In Rostock weicht der Wohnungsstandard aufgrund der relativ günstigen Altersstruktur des Wohnungsbestandes positiv vom Durchschnitt für die neuen Länder ab: Nur 6% der Wohnungen verfügen nicht über ein Innen-WC, nur 10% haben weder Bad noch Dusche und nur 19%, also weniger als im Schnitt der alten Länder, sind nicht mit einem modernen Heizsystem ausgerüstet.

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Es ist zu befürchten, daß sich in der Phase ungeklärter Eigentumsverhältnisse auch der Verfall von Wohngebäuden fortsetzen wird. Oft wird heute übersehen, daß in der Vergangenheit nicht selten ausschließlich Selbsthilfe-Aktionen der Mieter zur Verbesserung der Wohnsituation im vermieteten Altbau beitrugen. Ohne Kenntnis der Absichten eines potentiellen Alteigentümers wird mit derartigen Aktivitäten kaum noch zu rechnen sein.

Private Eigentümer von Mehrfamilien- Miethäusern, die in der Vergangenheit auf Grund fehlender Mietsubventionen kaum in ihre Wohnobjekte investieren konnten, bilden unter den derzeitigen Bewirtschaftungsbedingungen eine Problemgruppe, deren besonderen Schwierigkeiten nach den Erfahrungen eines Vertreters des Verbandes der Haus- und Grundstückseigentümer durch die Wohnungspolitik der Bundesregierung bisher zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Der durchschnittliche Anteil privaten Wohneigentums liegt in den neuen Bundesländern derzeitig mit 40,4% deutlich unter dem Anteil in den alten Bundesländern der mit durchschnittlich 79,5% angegeben wird (siehe Abb. 3). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß in dem Anteil von 79,5% für die alten Bundesländer auch die institutionellen Anleger (Versicherungen etc.) enthalten sind. Größere regionale Differenzierungen zwischen den Ländern sind hier vor allem auf unterschiedliche Anteile in den Ein- und Zweifamilienhäusern zurückzuführen. Dieser umfaßt 32% des gesamten Wohnungsbestandes der neuen Bundesländer. Der verbleibende Anteil macht deutlich, in welchem Umfang private Eigentümer von Mehrfamilien-Mietshäusern durch die Mietenpolitik der DDR genötigt waren, ihr Eigentum in kommunale Verwaltung zu übergeben.

Quelle: Berechnungen aus der Laufenden Raumbeobachtung der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung und der Gebäude- und Wohnungszählung 1987

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Trotz ähnlicher Anteile in den Wohnungsgrößen nach der Anzahl der Wohnräume, sind die Wohnungen im Angebot der neuen Bundesländer durchschnittlich um 10 m2 kleiner als in den alten Bundesländern. Zurückzuführen ist der Größenunterschied im wesentlichen auf weniger Wohnungen mit 5 und mehr Räumen bzw. mit mehr als 80 m2 Wohnfläche. (siehe Abb. 4)

Während sich der statistische Durchschnitt der Indikatoren zur Bewertung der Wohnbedingungen (Ausstattung und Größe der Wohnung) nach einzelnen Ländern im Osten Deutschlands noch relativ wenig unterscheidet (siehe Abb. 5), bestehen in Zustand und Ausstattung der Wohnungen zwischen städtischen und ländlichen Regionen hohe regionale Disparitäten (siehe Abb. 6), wie sie auch zwischen den Großwohnsiedlungen am Rande vieler Städte und ihren Altstadtkernen bestehen.

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Die Wohnungen des industriellen Plattenbaus in den Großwohnsiedlungen am Rande der Städte sind zwar klein erfüllen aber bestimmte Mindestanforderungen an Ausstattung und Besonnung, so daß sie trotz der unzureichenden infrastrukturellen Ausstattung im Wohnumfeld und schlechter städtebaulicher Einbindung in das Gefüge der Gesamtstadt für die Mehrzahl der Bewohner in den neuen Bundesländern die bevorzugte Wohnform darstellten.

Der Mangel an sozialer und kultureller Infrastruktur wird heute besonders von der inzwischen herangewachsenen jungen Generation negativ registriert. Das Wohnumfeld hat für diese soziale Gruppe eine besondere Bedeutung und prägt die Entwicklung persönlicher Beziehungen, die Entwicklung von Umgangsformen mit Mitbewohnern oder den Umgang mit der Umwelt.



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1.2 Die Übertragung des Eigentums an Grundstücken und Wohngebäuden

Mit Artikel 22 Abs. 4 des "Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands" (Einigungsvertrag), dem ergänzenden Protokoll und den Ausführungsbestimmungen wurden hinsichtlich des zur Wohnungsversorgung genutzten volkseigenen Vermögens besondere Regelungen getroffen. Danach wurden für die rd. 2,8 Mio. Wohnungen, die sich in Rechtsträgerschaft der volkseigenen Betriebe der kommunalen Wohnungswirtschaft befanden, im Interesse der Mieter, der Wohnungsunternehmen und -genossenschaften sowie der Kommunen klare Rechtsverhältnisse geschaffen, von denen sofort nach Wirksamwerden des Beitritts auszugehen war. Durch diese Bestimmungen wurde festgelegt, daß der durch die bezeichneten Wohnungsbestände beanspruchte Grund und Boden einschließlich der aufstehenden Wohngebäude und der Flächen, die durch Objekte der sozialen und kulturellen Infrastruktur des Wohngebietes beansprucht werden, in das Eigentum der Kommunen übertragen wird. In diese Regelung einbezogen wurde auch das Grundvermögen, für das bereits konkrete Ausführungsplanungen vorlagen. In einer Protokollnotiz zu Artikel 22 des Einigungsvertrages wird weiterhin erläutert, daß auch der volkseigene Grund und Boden, der von den Wohnungsgenossenschaften für die Wohnungsversorgung genutzt wird, mit Wirksamwerden des Beitritts Eigentum der Kommune wird und diese das Eigentum an den Grundstükken an die Wohnungsgenossenschaften unter Beibehaltung der Zweckbindung zu überführen haben.

Die Eintragung von Eigentumsrechten an Grund und Boden im Grundbuch sind für die Wohnungsunternehmen wie für jeden anderen Investor eine notwendige Voraussetzung, um von den Kreditinstituten Kredite für die Sanierung der Wohnungsbestände zu erhalten und um zusätzliche Fördermittel des Bundes und der Länder in Anspruch nehmen zu können. Der Nachweis von Eigentumsrechten an Grund und Boden ist folglich eine der Vorleistungen, wenn der dringend notwendige Prozeß der Instandhaltung und Modernisierung in den neuen Bundesländern in großem Umfang in Gang kommen soll.

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Mehr als zwei Jahre nach der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands mußten die auf der Rostocker Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung anwesenden Vertreter des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft und des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen in ihren Tagungsbeiträgen jedoch feststellen, daß es in vielen Fällen bis heute im Vollzug der Eigentumsübertragung des wohnungswirtschaftlichen Vermögens mangelt.

Nach Feststellung des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW) bestehen auch nach dem Inkrafttreten des 2. VermRÄndG am 22. Juli 1992 immer noch bürokratische Hürden und Hemmnisse bei der Eintragung des Eigentumsnachweises in den Grundbüchern, die die Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften daran hindern können, ihre Aufgaben voll wahrzunehmen.

Als häufige Ursachen wurden in der Diskussion hervorgehoben:

  • die personelle Situation in den zuständigen Verwaltungsstellen, die an wichtigen Schlüsselpositionen, über die die kommunale Verwaltung ihre Wirkung nach außen entfaltet (wie in den Grundbuchämtern), unterbesetzt sind;
  • die Verkomplizierung der Verwaltungsgänge durch Kompetenzenvielfalt bei der Regelung von Vermögensfragen.

So sind z.B. in der Landesordnung Mecklenburg-Vorpommerns die Unterstellungsverhältnisse wie folgt geregelt:

  • das Amt für offene Vermögensfragen untersteht dem Wirtschaftsministerium,
  • das Grundbuchamt dem Justizministerium,
  • das Vermessungs- und Katasteramt dem Innenministerium und
  • letztlich ist die Zustimmung der Oberfinanzdirektion (und bei Ansprüchen von Alteigentümern auch der Treuhand) erforderlich.

Der Verkauf von kommunalem Grund und Boden an Genossenschaften sollte nach Ansicht eines Vertreters des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen weniger unter dem Aspekt der Deckung kom-

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munaler Haushaltsdefizite erfolgen, sondern statt dessen die wichtige Funktion der Genossenschaften in der kommunalen Wohnungswirtschaft berücksichtigen. Ein Kauf zu Preisen, die im Vergleichswertverfahren ermittelt wurden, ist den Genossenschaften in der Regel ohnehin nicht möglich. Mit diesen Forderungen würde letztlich ein Teil der Mieter unangemessen belastet, und die Genossenschaft könnte ihre Aufgaben nur eingeschränkt wahrnehmen.

In der Diskussion wurde deutlich, daß die Folgen einer wenig flexiblen Personalpolitik in den Verwaltungen in keinem Verhältnis zu einer relativ geringen Stellenaufstockung an Schlüsselpositionen des Verwaltungsvollzugs stehen. Nach Information der Rostocker Senatsverwaltung zeichnen sich auf Grund der Vielzahl nicht geklärter Eigentumssituationen für Gebäude und Grundstücke folgende bedenkliche Tendenzen ab:

  • Der Verfall der Wohngebäude nimmt insbesondere bei den durch Restitutionsansprüche belasteten Wohngebäuden der ältesten Baujahresgruppen zu. Sanierungsmaßnahmen sind an diesen Objekten besonders dringlich, da an diesen kommunal verwalteten Gebäuden in der Vergangenheit nur die allernötigsten Maßnahmen zur Bestandspflege durchgeführt wurden.
  • Die Klärung der Eigentumsverhältnisse privater Einzeleigentümer steht auf Grund der geringeren Anzahl an Wohnobjekten oft hintenan.
  • Die Unsicherheit der Mieter in Wohnungen, auf deren Gebäude Restitutionsansprüche angemeldet wurden, nimmt zu und vergrößert in nicht unerheblichen Maße die Anzahl derjenigen, die eine andere Wohnung suchen. Betroffen ist hiervon insbesondere der Kreis der älteren Bürger.

Mit dem Prozeß der Rückübertragung des Eigentums an Grundstücken und Wohngebäuden wird sich die derzeitige Eigentumsstruktur am Wohnungsmarkt regional differenziert verändern. Der Prozeß der Rückübertragung beeinflußt nicht zuletzt auch den Anteil an Wohnungen, über den die Kommunen nach Auslaufen der Belegungsbindung (gemäß Einigungsvertrag) nach dem Jahre 1995 zur Lösung sozialer Aufgaben

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noch verfügen können. Dieser Anteil wird nach 1995 eine hohe regionale Differenzierung aufweisen.

Während die Wohnungswirtschaft den Kommunen eine oft zögerliche Haltung bei der Übertragung von Grund und Boden an die Wohnungsunternehmen vorwirft, haben die Kommunen nach Einschätzung von anderer Seite bereits viel zu viel von ihren Handlungsspielräumen aufgegeben: Nach Auffassung einer Vertreterin der SPD-Bundestagsfraktion ist hier die einmalige Chance , den Kommunen in den neuen Bundesländern vor der Rückkehr zu den alten Eigentumsverhältnissen einen ausreichenden Bestand an preiswerten Mietwohnungen oder Belegungsrechten für zukünftige Wohnungsnotfälle zu sichern, bereits vertan worden. So hätte es sich zum Beispiel auch angeboten, einen Teil des Grund und Bodens nur in Erbpacht zu vergeben.

Die heutige Eigentümerstruktur in unterschiedlichen Regionen spiegelt im wesentlichen die Bau- und Standortpolitik der ehemaligen DDR wider. Diese entsprach in erster Linie wirtschaftspolitischen Strategien, deren Schwerpunktsetzung sich heute in einzelnen Kommunen geradezu umzukehren scheint. So beginnen in Städten mit ehemals starker Neubauförderung, wie in der Stadt Guben, erste Wohnungen des Neubaubestandes auf Grund der wirtschaftlichen und demographischen Situation bereits leerzustehen. Bei Städten wie Rostock, Schwedt oder Eisenhüttenstadt kann auf Grund des hohen Anteils neugebauten und kommunalen Wohneigentums bei gleichzeitig geringem Anteil an privaten Miet-Wohngebäuden kaum von einem Wohnungsmarkt gesprochen werden. Mit ihrem überdurchschnittlichen Anteil an Wohnungen, die nach dem Jahre 1949 gebaut wurden (siehe Abb. 7), verfügen diese Städte über hohe Privatisierungspotentiale und Chancen zur Aufbesserung des kommunalen Haushaltes.

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Deutlich anders stellt sich die Situation in den meist kleineren, durch Wohnungsneubau weniger begünstigten Städten wie Wismar, Plauen etc. dar, bei denen z.T. mehr als die Hälfte des Mehrfamilienhausbestandes aus Baujahren von vor 1949 stammt und die Frage der Rückübertragung eine für die kommunalen Verhältnisse hohe Bedeutung erlangt.

Die regional differenzierten Ausgangslagen in den Eigentumsstrukturen im Wohnungsbestand machen deutlich, daß an gleiche kommunale Verwaltungsbereiche regional sehr differenzierte Anforderungen gestellt werden, auf die mit der personellen Besetzung der Ämter flexibel reagiert werden muß.

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1.3 Die "Altschulden-Frage'

Die Übertragung des Eigentums an Grundstücken und Wohngebäuden erfolgt laut Einigungsvertrag bei gleichzeitiger Übernahme der anteiligen Schulden aus dem ehemaligen DDR-Vermögen.

Hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Schuldenrückzahlung in Höhe von derzeitig rd. 52 Milliarden DM ( dav. 5,5 Mrd. DM nach Ablauf des

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Moratoriums allein in Mecklenburg-Vorpommern) an die Deutsche Kreditbank vertreten Bund, Kommunen und Wohnungswirtschaft derzeitig unterschiedliche Rechtspositionen . Während der Bund die wohnungspolitischen Altschulden als Kredite zu Marktzinsen betrachtet, bestreitet die Wohnungswirtschaft gemeinsam mit den Landesregierungen der neuen Länder und dem Deutschen Städtetag - und gestützt auf ein Gutachten von Professor Dr. Ruprecht Scholz -, daß es sich um Kredite im Sinne der bundesdeutschen Rechtsordnung handelt.

Die strittige Altschuldenfrage hat sich derweil zu einem ernsten Investitionshemmnis für die Wohnungswirtschaft der neuen Bundesländer entwickelt und erfordert nach übereinstimmender Auffassung der Tagungsteilnehmer eine kurzfristige politische Lösung, zu der eine Reihe konstruktiver Vorschläge unterbreitet wurden.

Wichtiger Ausgangspunkt der Diskussion um die Zuordnung der Altschulden ist das Verständnis über die Art ihres Zustandekommens. In diesem Zusammenhang ist zu sehen, daß der Wohnungsbau unter den Bedingungen der zentralisierten DDR-Planwirtschaft entsprechend den Vorgaben und Konzeptionen der Staatlichen Plankommission auf Städte und Kreise verteilt wurde. Dabei standen - wie am Zustand der Städte leicht ablesbar - weniger die Belange der Wohnungswirtschaft, als vielmehr Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung unterschiedlicher Regionen im Vordergrund der Standortentscheidungen. Die Zuteilung der neugebauten Wohnungen auf kommunale und genossenschaftliche Wohnungs-Verwaltungen konnte durch diese kaum beeinflußt werden. Damit unterscheidet sich die Situation der heutigen kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen deutlich von der eines vergleichbaren Unternehmens in den alten Bundesländern, das über die Aufnahme eines Kredites eigenständig und erst nach sorgfältiger Prüfung der Marktlage entscheidet.

In den neuen Bundesländern haben die neu gebildeten Wohnungsunternehmen aber weder über eine Kreditaufnahme entschieden, noch gewährleisten die Marktlage und der Zustand der übertragenen Immobilien, eine Tilgung von Schulden des ehemaligen DDR-Haushaltes mit Hilfe von Mitteln aus der Bewirtschaftung des Wohnungsbestandes in der aufgelaufenen Höhe. (Gleiche Bedingungen träfen u.a. auch für den

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Bestand an Wohnungen der ehemaligen Nationalen Volksarmee zu, enn für diese nicht entschieden worden wäre, daß sie schuldenfrei durch den Bund übernommen werden.)

Völlig unverständlich erscheinen in diesem Zusammenhang Überlegungen, letztlich die Mieter an der Tilgung der Altschulden zu beteiligen. Wenig bewußt ist dabei offenbar, daß die Mieter der neuen Bundesländer in den zurückliegenden Jahrzehnten über Verzichte an Nettolohn, an Wohnqualität und Lebensstandard bereits an den Ausgaben im DDR-Haushalt, einschließlich an den Ausgaben im Wohnungsbau und der Subventionierung der nur scheinbar niedrigen Mieten beteiligt waren.

Aus sozialpolitischer Sicht unseriös wurde von einer Vertreterin der SPD-Bundestagsfraktion der Vorschlag des Bundesministeriums der Finanzen kritisiert, die Schuldenfrage durch den Verkauf von Wohnungen zu regeln. Die Übernahme von durchschnittlich 20.000 DM Schulden je Wohnung durch den Mieter/Käufer würde eine Umverteilung zu Lasten der Schwächeren bedeuten und als Folge eher einen Rückgang der Verkäufe mit sich bringen. Mittel aus Verkäufen und Mieteinnahmen reichen derzeit aber kaum für die dringend erforderlichen Maßnahmen der Sanierung im Bestand.

Durch den GdW wurden folgende grundsätzliche Überlegungen zur Lösung der Altschuldenfrage formuliert:

Alle in den nächsten Jahren nur denkbaren Mieteinnahmen und Mieterhöhungsspielräume müssen aus sozialen und gesamtwirtschaftlichen Erwägungen heraus für die dringend erforderlichen Investitionen in den Bestand genutzt werden. Dies schließt nicht aus, daß Finanzbeiträge zur Tilgung von Altschulden zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt werden.

Die Ausweisung der Altschulden in den Bilanzen der Unternehmen, die im Status einer offenen Rechtssituation aus Vorsichtsgründen erfolgt, darf nicht dazu führen, daß im Einzelfall eine Überschuldung von Unternehmen eintritt. Benötigt wird daher auch eine bilanzielle Lösung der Altschuldenfrage bei der Gefahren dieser Art ausgeschlossen werden. Sicherzustellen ist in diesem Zusammenhang

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auch, daß die erstrangigen Beleihungsspielräume nicht durch die wohnungswirtschaftlichen Altschulden blockiert werden. Für die erforderlichen Modernisierungs- und Bestandsinvestitionen brauchen die Unternehmen neue Finanzmittel, d.h. Kredite.

Generell sollten die Erlöse aus der Privatisierung für Investitionen in den Bestand genutzt werden und keinesfalls zur Ablösung der Altschulden. Kommunen und Wohnungsunternehmen werden nur bedingt zu einer Privatisierung von Wohnungen bereit sein, solange sie nicht im geringsten an den Erlösen partizipieren. Das tatsächlich verfügbare Privatisierungspotential und die Kaufbereitschaft der Bürger sollten in diesem Zusammenhang nicht überschätzt werden.

Der jüngste Vorschlag des Bundesfinanzministers anläßlich seiner Rede zum Haushalt 1993 enthielt im wesentlichen zwei Bestandteile:

Die Altschulden sollen unternehmensbezogen auf 350 DM/m2 Wohnfläche gekappt werden. Diese gekappten Schulden sollen auf einen Fonds übertragen werden, für den Bund und Länder auf Dauer die Zinsen übernehmen. Die Tilgung soll durch die Wohnungswirtschaft aus Erlösen der Privatisierung erfolgen.

Die restlichen Schulden in Höhe von 44 Mrd. DM sollen von der Wohnungswirtschaft übernommen werden, wobei Bund, Länder und Gemeinden zunächst eine Zinsüberbrückungshilfe leisten. Diese soll bis zum Jahre 1997 auslaufen und entsprechend den steigenden Mieteinnahmen degressiv ausgestaltet werden.

Der GdW bezog zu diesem Vorschlag folgende Position:

Der Vorschlag des Bundesfinanzministers wird - gemessen an der bisherigen Haltung des Bundes - als eine Verbesserung angesehen. Er ist jedoch nach wie vor weit entfernt von einem wirklich tragfähigen politischen Kompromiß. Bei dem Vorschlag dominieren nach Einschätzung des GdW offensichtlich haushaltspolitische Aspekte, während konjunktur-, arbeitsmarkt- und wohnungspolitische Elemente dabei zwangsläufig entschieden zu kurz kommen. Gerade diese aber sollten Priorität haben, da eine angemessene Lösung der Altschuldenfrage Dreh- und Angelpunkt für die Frage sein wird, ob die umfassenden Be-

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standsinvestitionen in den nächsten 5 - 8 Jahren von den Wohnungsunternehmen auch tatsächlich mobilisiert und an den Markt gebracht werden können. Nur wenn es zu diesem Investitionsschub kommt, wird sich der dringend erforderliche Multiplikatoreffekt der Bau- und Wohnungswirtschaft einstellen und nur dann werden die erforderlichen positiven Effekte für den Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern eintreten. Ob der Aufschwung Ost bald im erforderlichen Umfang realisiert wird, ist also u.a. maßgeblich von der Lösung der Altschuldenfrage abhängig.

Aus dieser Sicht gab der GdW folgende Empfehlungen:

"Die politische Lösung der Altschuldenproblematik muß so erfolgen, daß die Austragung des Rechtsstreites, ob es sich bei den wohnungswirtschaftlichen Altschulden um Kredite handelt oder nicht, sich erübrigt: Ansonsten würden bis zur abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage notwendige Investitionen blockiert.

Die während des Moratoriums aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 15 Mrd. DM, die abgesehen von ihrer kurzfristigen Finanzierung gemessen am Kapitalmarkt viel zu teuer sind, dürfen nicht den Mietern in den neuen Bundesländern zugerechnet werden, sondern sie müssen der Finanzierung im Solidarausgleich unterliegen, also nicht in die zukünftige Schuldenlast der Unternehmen einbezogen werden. Im Grundsatz sollte ein System angesteuert werden, bei dem ein Teil der Altschulden, insbesondere die seit dem 1.7.1990 aufgelaufenen Kapitalkosten, nach dem 1.7.1990 von allen Bürgern in ganz Deutschland im Wege des Solidarausgleiches über Steuern finanziert wird.

Die Kappungsgrenze ist entsprechend den Vorschlägen der Bauminister der neuen Bundesländer auf 250 DM/m2 abzusenken, um die Belastungen für die Mieter sozial verträglich zu halten und die Unternehmen kurzfristig auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen.

Die Kappung der wohnungswirtschaftlichen Altschulden darf nicht unternehmensbezogen erfolgen, sondern muß objektkonkret vorgenommen werden. Durch eine solche Regelung würden nicht nur die bei den Wohnungsunternehmen verbleibenden Altschulden weiter reduziert, sondern auch negative Folgen für die künftige Mietenstruktur verhindert werden. Alternativ hierzu wäre auch denkbar, daß für die

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verbleibenden Schulden ein Umverteilungsmechanismus gewählt wird, der zu einer gleichmäßigen Belastung aller Mieter in den neuen Bundesländern führt.

Bei der bilanziellen Behandlung der Altschulden, zu der im Vorschlag des Bundesfinanzministers nichts gesagt wird, muß gesichert werden, daß keine Überschuldung einzelner Wohnungsunternehmen eintritt und die bei den Wohnungsunternehmen verbleibenden Altschulden als nachrangige Verbindlichkeiten behandelt werden.

Für die nach der Kappung verbleibenden Schulden, die den Kommunen und Wohnungsunternehmen zugeordnet werden sollen ist sicherzustellen, daß der dafür erforderliche Kapitaldienst in keinem Fall aus den Mieteinnahmen nach der Ersten und Zweiten Grundmietenverordnung erfolgt. Im Gegenteil - die künftigen Mieteinnahmen der kommenden Jahre müssen uneingeschränkt für Investitionen der Unternehmen im Bestand zur Verfügung stehen. Mit der Zinszahlung kann, wenn die Einkommensentwicklung und die Möglichkeiten zur Mietanhebung dieses überhaupt zulassen, frühestens ab 1997 begonnen werden, wobei das Tempo der schrittweisen Übernahme der Zinszahlungen durch die Wohnungsunternehmen dem Tempo der Steigerung der erforderlichen Investitionen anzupassen ist. Die Höhe der Zinszahlungen muß also so ausgestaltet werden, daß sie aus der Sicht der Mieter bezahlbar sind und aus der Sicht der Unternehmen sichergestellt ist, daß sie zuvor die wichtigsten Investitionen realisieren und finanzieren konnten."

Die Teilnehmer der Tagung waren sich darin einig, daß sich die Problematik der Altschulden nicht zu einem jahrelangen Rechtsstreit ausweiten darf, sondern wie bereits betont, eine kurzfristige politische Lösung erforderlich wird.

Werden die Kommunen und ihre Wohnungsunternehmen nicht kurzfristig von den Altschulden freigestellt, wird der rasch fortschreitende Verfall insbesondere des älteren Wohnungsbestandes einen gewaltigen Neubaubedarf auslösen, der möglicherweise einen höheren Subventionsbedarf mit sich bringt, als er erforderlich wird, wenn die Altschulden analog der Förderung des sozialen Wohnungsbaus in den alten Bundesländern behandelt werden. Dies würde bedeuten, die Altschulden -

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in akzeptabler Höhe - als öffentliche Fördermittel mit niedriger Verzinsung und Tilgung bei langer Laufzeit auszuweisen. Dieser von der SPD-Bundestagsfraktion unterstützte Vorschlag wurde in ähnlicher Weise durch den thüringischen Ministerpräsidenten Vogel unterbreitet.

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1.4 Finanzierung des Sanierungsstaus

Das für die Instandsetzung und Modernisierung des Wohnungsbestandes der neuen Bundesländer erforderliche Investitionsvolumen läßt sich derzeitig nur grob schätzen. Das Ministerium des Inneren des Landes Mecklenburg-Vorpommern beziffert den Kapitalbedarf für die Sanierung und Bestandssicherung unter Bezugnahme auf Untersuchungen des DIW auf insgesamt rd. 550 Mrd. DM. Dabei entfällt auf den Mietwohnungsbereich ein Anteil in Höhe von 300 Mrd. DM. Diese Schätzungen basieren auf technischen Prüfungen und ersten Ausführungserfahrungen die gezeigt haben, daß der durchschnittliche Aufwand einer zu sanierenden Wohnung je nach Baualter und Zustand zwischen 40.000 und 80.000 DM liegt. Nach Einschätzungen des zuständigen Landesministeriums, muß bei den ca. 22.000 Wohnungen, die im Land Mecklenburg-Vorpommern in den 70er und 80er Jahren in industrieller Plattenbauweise errichtet wurden, eher von der Obergrenze ausgegangen werden, die im Einzelfall noch überschritten werden kann.

Allein für das Land Mecklenburg-Vorpommern, dessen Anteil am gesamten ostdeutschen Wohnungsbestand etwa 10% beträgt, ergibt sich damit unter Zugrundelegung obiger Berechnungsansätze ein Investitionsbedarf in Höhe von 30 - 35 Mrd. DM.

Schätzungen des GdW beziffern den durchschnittlichen Modernisierungsaufwand auf 80.000 DM pro Wohnung, so daß sich bezogen auf den Wohnungsbestand des GdW ein Investitionsvolumen von 280 Mrd. DM ergibt. Bei einem angenommenen Multiplikator von 2 errechnet sich ein Investitionsvolumen von 500 - 600 Mrd. DM. Legt man einen Investitionszeitraum von 8 - 10 Jahren zugrunde, so sind dies pro Jahr zwischen 50 bis 70 Mrd. DM.

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1991 wurden jedoch nur 3,5 Mrd. und 1992 ca. 7 Mrd. DM investiert; zwischen dem notwendigen und dem bisher tatsächlich realisierten Investitionsvolumen besteht also eine erhebliche Diskrepanz, (vgl. auch Abschnitt 2.1.).

Angesichts des zur Sanierung des ostdeutschen Wohnungsbestandes erforderlichen Finanzierungsbedarfs wird klar, daß die Angleichung der Lebensbedingungen der Bewohner im Osten Deutschlands an den Standard der alten Bundesländer keine kurzfristige, in 2 - 3 Jahren zu lösende Aufgabe ist. Die Angleichung des Wohnstandards in Ost und West kann auch nicht bei einem Vergleich des Mindeststandards, dem Zustand der Dächer, der Fassaden oder der Anzahl eingebauten WC's und Duschen stehenbleiben, d.h. bei Merkmalen, die lediglich als Indikatoren herangezogen werden, um auf das regionale Niveau der Wohnbedingungen in ihrer Komplexität zu schließen.

Die Angleichung des Wohnstandards wird erst gegeben sein, wenn auch die Bedingungen im engeren und weiteren Wohnumfeld vergleichbare Bedingungen aufweisen. Diese verändern sich nur über lange Zeiträume, mitunter durch die Arbeit von Generationen.

Das für die Bewältigung der Sanierungsaufgaben erforderliche Investitionsvolumen kann nicht allein aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden. Der Einfluß der Wohnbedingungen auf die Wanderungsbewegung der Bevölkerung machen diese allerdings zu einem der regionalen Standortpotentiale, an deren Entwicklung auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht maßgebliches Interesse besteht. Die Bedeutung, die der Einzelne und die Gesellschaft dem Wohnungsbau beimessen, widerspiegelt sich in der Bundesrepublik Deutschland - wie auch in anderen Industriestaaten - nicht zuletzt in seinem Anteil an den gesamten Anlageinvestitionen, der sich durchschnittlich auf mehr als ein Viertel beläuft und knapp die Hälfte aller Bauinvestitionen umfaßt. Hinzu kommt, daß jede in den Wohnungsbau investierte Mark schätzungsweise mindestens eine weitere Mark in den vor- und nachgelagerten Produktionsbereichen auslöst. ( Multiplikatoreffekt )

Zielgerichtete Investitionen zur Entwicklung der Wohnbedingungen tragen nicht unerheblich dazu bei, inwieweit der "Standort neue Bundes-

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länder" auch aus der Sicht qualifizierter Facharbeiter und Angestellter attraktiv bleibt oder nicht.

Die bei der Finanzierung des Sanierungsstaus in den neuen Bundesländern zu berücksichtigenden Aspekte wurden aus der Sicht eines Vertreter der Landesbausparkassen wie folgt zusammengefaßt:

  • Um die knappen Mittel der öffentlichen Hand konkurrieren neben dem Wohnungssektor u.a. die Bereiche, in deren Verantwortung die Entwicklung der Infrastruktur, des Umweltschutzes sowie des gewerblichen Sektors liegt. Angesichts begrenzter staatlicher Mittel müssen diese verschiedenen Investitions- und Fördermöglichkeiten und ihre gesamtwirtschaftlichen Effekte gegeneinander abgewogen werden, wobei nach Auffassung des Vertreters der Landesbausparkassen viele Gründe dafür sprechen, vorrangig Arbeitsplätze im gewerblichen Sektor zu schaffen, da auf diese Weise Einkommen geschaffen wird und somit die private Investitionstätigkeit im Wohnungsbau ausgeweitet werden kann. Da allerdings die Investitionsmöglichkeiten im gewerblichen Sektor derzeit mangels entsprechender Nachfrage begrenzt sind, bilden Wohnungsbauinvestitionen - vor allem Modernisierungsmaßnahmen - derzeit zumindest aus kurzfristiger Sicht ein wichtiges und umfangreiches Feld, um die Situation auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt zu entschärfen.

  • Regionen konkurrieren um qualifizierte Arbeitskräfte; die Wohnungsversorgung spielt bei der Arbeitsplatzwahl eine nicht unwesentliche Rolle.

  • Die Wohnungsversorgungsziele können in unterschiedlichen Zeitdimensionen und mit unterschiedlich hohen Subventionsmitteln erreicht werden. Rasche Mietsteigerungen und rasche Freigabe der Mieten im Rahmen eines sozial orientierten Mietrechts mit Kündigungsschutz und Vergleichsmietensystem würden es möglich machen, höhere Wohnungsbauinvestitionen auch aus den Mieterträgen zu finanzieren. Eine längerfristige Preisbindung bei niedrigen Mieten würde automatisch den Subventionsbedarf steigern und die Verbesserung der Wohnungsversorgung weiter in die Zukunft verschieben.

  • Eine Strategie der 'billigen Mieten' ruft Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten hervor. So erhielten Haushalte mit höheren Einkommen

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    in subventionierten Wohnungen ungerechtfertigte Vorteile, das Angebot an neuen Wohnungen bliebe gering, da die Mietregulierungen und die zurückbleibende einkommensgetragene Nachfrage, keine auskömmlichen Mieten erlauben würden.

  • Mietsteigerungen müssen durch ausreichende Wohngeldzahlungen flankiert werden. Ein solcher Weg hat den Vorteil, daß die Wohnungsinvestitionen schneller vorankommen und die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Haushalte Gradmesser für die Mietzahlungen ist.

Als Fazit läßt sich feststellen, daß die Lösung der wohnungspolitischen Aufgaben angesichts des hohen Kapitalbedarfs nicht ohne Rücksicht auf die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprobleme und Rahmenbedingungen in den neuen Bundesländern erfolgen kann.

Wohnungspolitische Entscheidungen über den Förderumfang und über die weitere Mietenentwicklung sollten folglich nicht getroffen werden, ohne die Konsequenzen für die übrigen Sektoren der Wirtschaft im Auge zu behalten.

In der Diskussion um die Finanzierung des ostdeutschen Sanierungsbedarfs wurde aus der Sicht einer Rostocker Wohnungsgesellschaft darauf aufmerksam gemacht, daß die Realisierung des geplanten Umfangs an Investitionen im Bestand derzeitig weniger an der Bereitstellung von Finanzmitteln scheitert, als vielmehr an der Verfügbarkeit erforderlicher Baukapazitäten. - Eine Feststellung, die sich auch im Ergebnis einer Befragung bei Kreditnehmern im KfW-Wohnraum-Modernisierungs-Programm durch die Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung bestätigte. Danach verwiesen immerhin rd. ein Drittel aller Kreditnehmer auf Probleme bei der Realisierung ihrer Investitionsabsichten, als deren Ursache sie fehlende Baukapazitäten am Ort ihres geplanten Bauvorhabens benannten ; ein Problem, das angesichts der über Jahrzehnte zentral geleiteten Bauwirtschaft und der zunehmenden Orientierung auf industrielle Verfertigung der 'Erzeugnisse des Wohnungsbaus' in wenigen, standörtlich konzentrierten Plattenwerken nicht Wunder nimmt.

Vgl. Dr. Reinhard Malik, "Wirkungen des KfW-Wohnraummodernisierungsprogramms auf die Verbesserung der Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt der neuen Bundesländer", in: Materialien zur Raumentwicklung Heft 45, Seite 17, Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung, Bonn 1992

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Die fortgesetzte Diskrepanz zwischen Fördermittelbereitstellung und Baukapazitäten wirkt sich negativ auf das Sanierungstempo in den neuen Bundesländern aus und steht aus der Sicht des Deutschen Mieterbundes der Erwartungshaltung vieler Mieter entgegen, die sich aus den verschiedenen Mietanhebungen - die sie bisher voller Verständnis hinnahmen - auch positive Wirkungen auf die Verbesserung ihrer Wohnsituation erhoffen.

Als Fazit aus der aufgezeigten Problematik wurde seitens einer Rostocker Wohnungsgesellschaft empfohlen,

Fördermittel die vom Land an die Kommune gehen, nicht stoßweise und en bloc zu bewilligen, sondern dabei stärker auch die Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Baugewerbes und der Beschäftigten-situation zu berücksichtigen,

bei der Aufstellung von Förderprogrammen die Langfristigkeit vieler Bauaufgaben zu beachten und

einen Anteil der Fördermittel des Landes den Kommunen zur Selbstverwaltung und für den eigenverantwortlichen Einsatz nach kommunalen Schwerpunkten an die Hand zu geben, da nur so die beste Anpassung an den regional differenzierten Neubau- und Sanierungsbedarf zu sichern ist und kommunale Bauaufgabe und Leistungsfähigkeit des Baugewerbes besser koordiniert werden können.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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