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TEILDOKUMENT:
6. Konzepte der Bahn für einen arbeitsteiligen, umwelt- und ressourcenschonenden Güterverkehr [Seite der Druckausg.: 30 (Fortsetzung)]
5.1 Mängel des Ausbauplanes für das Verkehrssystem
Der Bundesverkehrswegeplan enthält die Verkehrsprojekte unterteilt nach vordringlichem und weiterem Bedarf , in die der Bund in den nächsten 20 Jahren investieren will. In finanzieller Hinsicht handelt es sich hierbei um ein Wunschprogramm, denn die im Bundeshaushalt bereit stehenden Mittel reichen bei weitem nicht aus, um die vorgesehenen Maßnahmen zu realisieren. Kritisch ist nach Auffassung des Verkehrsclubs der Bundesrepublik Deutschland (VCD) vor allem die Dominanz des kurzfristigen und des sektoralen Denkens zu sehen. Kurzfristiges Denken orientiert sich an der Vergangenheit. Insoweit ist der Bundesverkehrswegeplan eine Trendfortschreibung. Dabei wird nicht hinterfragt, ob diese Strukturen auch den künftigen Anforderungen noch gerecht werden. Verkehrsinvestitionen werden aber auf lange Sicht festgelegt; so kann man bei Bahntunneln und Autobahnen von 100 Jahren Lebensdauer ausgehen. Es besteht also eine Diskrepanz zwischen den kurzfristig orientierten Verkehrskonzepten und den langfristig prägenden Wirkungen von installierten Verkehrsnetzen. Der Bundesverkehrswegeplan geht von den in Kapitel 1.1 genannten Zuwachsraten aus. Aufgrund dieser Prognosen wird der Eindruck vermittelt, daß zur Befriedigung der offensichtlich vorhandenen Verkehrsbedürfnisse, die in den Wachstumsraten zum Ausdruck kommen, ein massives Ausbauprogramm bei der Infrastruktur zwingend notwendig ist. Nicht näher untersucht wurden dagegen andere ordnungspolitische Szenarien, die auf [Seite der Druckausg.: 31] eine drastische Trendwende in der Verkehrsentwicklung, auf Verkehrsvermeidung und/oder auf eine ökologisch orientierte Arbeitsteilung zwischen den Verkehrsträgern setzen. Weiter wird festgestellt, daß der Verkehr in den letzten 30 Jahren immer billiger geworden ist. Die Mineralölsteuer ist heute in realer Kaufkraft gemessen geringer als Anfang der 50er Jahre. Der VCD kritisiert, daß beim Szenario "F" zum Bundesverkehrswegeplan diese Entwicklungstendenz beibehalten wird. Und das Szenario "H" unterstellt zwar eine Erhöhung der Mineralölsteuer; deren Wirkung ist aber nur sehr begrenzt. Fortgeschrieben werden im Grunde also die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, die den Verkehr billiger machen, als er vor 30 bis 40 Jahren war. Unter diesen Prämissen muß man sich aber nicht über die riesigen Wachstumsraten wundern, die auch für den Güterverkehr prognostiziert werden. Ein nächster Kritikpunkt ist, daß nur sektoral und nicht intersektoral gedacht wird. Umweltaspekte werden im Verkehrswegeplan kaum berücksichtigt. Wichtige Entwicklungen im umweltpolitischen Bereich wie das Waldsterben und das Klimaproblem werden gar nicht zur Kenntnis genommen. Genauso wenig beachtet werden die Verkehrsengpässe in den Städten und Ballungsgebieten. Ursache hierfür ist, daß der Bundesverkehrswegeplan lediglich die Verkehrswege des Bundes berücksichtigt, und das sind nur die Fernverkehrswege. Aber gerade in den Städten, in denen die Mehrzahl der Fernverkehrsfahrten Quelle und/oder Ziel hat, werden die Verkehrsprobleme noch weiter zunehmen. Die Prioritäten werden also unzutreffend beim Fernverkehr gesetzt, obwohl die Hauptprobleme im Nahbereich bestehen. Für den Nahverkehr sind jedoch keine Lösungskonzepte in Sicht, weder im Güter- noch im Personenverkehr. Jedenfalls sind durch den Bau zusätzlicher Straßen, die aufgrund der Prognosen notwendig erscheinen, keine Problemlösungen zu erwarten. Die Hoffnung, die Verkehrsprobleme durch technische Änderungen an den bestehenden Fahrzeugen lösen zu können, ist eine Illusion. So hat z.B. der Einbau von Katalysatoren die Erwartungen bei weitem nicht erfüllt. Der überbordende Verkehr macht die vom Bundestag beschlossene Verringerung des CO2-Ausstoßes um 25 % bis zum Jahr 2005 sowie die im Abkommen von Sofia vertraglich vereinbarte spürbare Senkung der Stickoxid-Emissionen unmöglich. Im Gegenteil: Es ist sogar mit einer weiteren Zunahme der Luftverschmutzungen zu rechnen. Die Belastungsverringerungen, die in den letzten 20 Jahren durch technischen Fortschritt bei den einzelnen Fahrzeugen erzielt werden konnten, werden mehr als kompensiert durch die massive Zunahme der Motorisierung. [Seite der Druckausg.: 32] Bei den Pkw besteht durch stärkere Motoren heute derselbe Kraftstoffverbrauch je Fahrzeug wie in den siebziger Jahren; bei den Lkw ist der spezifische Kraftstoffverbrauch dagegen in den letzten Jahren zurückgegangen. Die Fortsetzung der jetzigen Steuer- und Investitionspolitik im Verkehrsbereich führt schon heute die Prognosen von einer Verdoppelung des Lkw-Verkehrs bis zum Jahr 2010 ad absurdum. Allein in den drei Jahren von 1988 bis 1991 lag die Zunahme des Lkw-Fernverkehrs schon bei einem Drittel. Bei Fortsetzung dieser Entwicklung ist deshalb eher mit einer Verdreifachung des Straßengüterverkehrs zu rechnen. Im Schienenverkehr muß dagegen bei unveränderter Politik die prognostizierte Verkehrszunahme schon heute als utopisch bezeichnet werden. Hier ist in den letzten Jahren ein massiver Einbruch anstelle von Wachstum zu registrieren. In diesem Zusammenhang spielen auch die Strukturveränderungen in den neuen Bundesländern eine wichtige Rolle. So sind bei der Deutschen Reichsbahn die Transporte in den letzten drei Jahren auf ein Viertel geschrumpft. Der Straßengüterverkehr hat dagegen von 1988 bis 1991 um 40 Mrd. Tonnenkilometer und damit in dem Ausmaß zugenommen, in dem sich der Schienengüterverkehr verringert hat. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklungstrends rechnet das DIW beim Straßengüterverkehr bis zum Jahr 2010 mit einem deutlich höheren Wachstum als der Bundesverkehrswegeplan; umgekehrt ergeben sich für die Bahn und auch für die Binnenschiffahrt wesentlich geringere Prognosewerte. Die aus dem Bundesverkehrswegeplan abgeleitete Investitionsplanung geht davon aus, daß der Personen- und Güterverkehr auch weiterhin massiv subventioniert werden. Trotz aller anders lautenden Erklärungen soll auch in zehn Jahren der Verkehr die von ihm verursachten Kosten nicht in vollem Umfang selbst tragen. Derartige Subventionierungen sind aber auf Dauer weder finanziell noch umweltpolitisch zu verkraften und führen zu weiterem Verkehrswachstum. Hierdurch wiederum entstehen zusätzliche externe Kosten, deren Aufrechnung gegen den entstehenden Nutzen nach Auffassung des VCD und der Umweltverbände nicht zulässig ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß zusätzliche Infrastruktur auch zusätzlichen Verkehr erzeugt. Dies gilt primär für den Personenverkehr, aber auch für den Güterverkehr. Verkürzungen der Reisezeit durch den Neubau und Ausbau von Straßen machen entsprechende Fahrten attraktiver, und der Verkehr verliert bei den Standortentscheidungen für Wohnungen und Betriebe an negativer Bedeutung. Bei schlechteren Verkehrsverbindungen wäre dagegen aufgrund einer langen Transport- bzw. Fahrtdauer und entsprechend hoher Kosten mit Standortverlagerungen zu rechnen. [Seite der Druckausg.: 33] Außerdem zerschneiden und zerstören weitere Fernstraßenprojekte die letzten in Deutschland noch vorhandenen Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Dies gilt für die geplanten Autobahnen durch das Rothaargebirge, durch den Südharz, durch den Thüringer Wald und für die Ostseeautobahn. In diesen Gebieten besteht die Gefahr, daß der aufkeimende Tourismus zunächst durch den Bau und später dann durch den Betrieb der Bundesfernstraßen wieder zunichte gemacht wird.
5.2 Ansatzpunkte für eine alternative Verkehrspolitik
Die Kritik am Bundesverkehrswegeplan macht deutlich, daß der Versuch, hinter der angeblich zwangsläufigen Verkehrsentwicklung hinterherzubauen, falsch und auch vergeblich ist. Sowohl in der Investitions- als auch in der Ordnungspolitik des Verkehrs muß grundlegend umgesteuert werden. Notwendig ist ein den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, des Umwelt-, Natur- und Klimaschutzes Rechnung tragender Gesamtentwurf. Dieses alternative Konzept umfaßt verschiedene Elemente. Hierzu gehört einmal die Verringerung des Verkehrswachstums auf ein menschlich und ökologisch verträgliches Maß. Der größte Engpaß ist in diesem Zusammenhang der Mangel an Einsicht, die eigene Mobilität auf ein gesamtwirtschaftlich sinnvolles Maß zu reduzieren; dies gilt sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr. Als Instrument zur Verkehrsreduzierung sind steuerpolitische Maßnahmen besonders wirkungsvoll. Weitere wichtige Elemente stellen ein überwachtes Tempolimit, eine auf Verkehrsreduzierung und Verkehrsvermeidung abzielende Raumordnungs- und Städtebaupolitik, zeitlich und örtlich begrenzte Fahrverbote und eine bewußte Parkraumbewirtschaftung dar. Der Straßenverkehr ist zu billig. Angesichts der hohen externen Effekte (Unfall-, Ge-sundheits- und Umweltkosten) stellt das jetzige Abgabensystem eine massive Subventionierung des Personen- und Güterverkehrs dar. Sowohl dem Staat als auch unbeteiligten Dritten werden Kosten aufgebürdet, die vom Verkehr verursacht sind. Auch im Verkehrsbereich muß das Verursacherprinzip endlich durchgesetzt werden. Hierzu würde z.B. die Einführung einer Lkw-Vignette beitragen, deren Preis nicht für alle Fahrzeuge gleich, sondern differenziert nach Faktoren wie Fahrzeuggröße und Fahrleistung gestaffelt wird. Eine entsprechende Petition hat der VCD im Bundestag eingebracht. Die Bundesrepublik verfügt bereits heute über ein dichtes Fernstraßennetz. Deshalb kann nicht zuletzt aus Umweltgründen auf jeden weiteren Autobahnneubau verzichtet werden. [Seite der Druckausg.: 34] Beim Straßenbau ist darüber hinaus zu beachten, daß die negativen Umwelteffekte eines Neubaus von Autobahnen erheblich stärker ausfallen als die eines Ausbaus vorhandener Straßen. So sind der Flächenverbrauch, die durch Abgase, Staub und Salz belasteten Bodenflächen rechts und links der Straße sowie das Band der spürbaren Verlärmung bei einer neuen 4-spurigen Autobahn rund 10 mal größer als beim Ausbau einer vorhandenen Autobahn von 4 auf 6 Fahrspuren. In den neuen Bundesländern entspricht die Dichte des Fernstraßen- und des Autobahnnetzes in etwa dem Wert der westlichen Bundesländer. Deshalb besteht hier nach Auffassung des VCD auch kein "Nachholbedarf". Vordringlich ist in Ostdeutschland dagegen die Sanierung und Modernisierung der vorhandenen Schienen-, Straßen- und Wasserwege. Allein dieser Sanierungsbedarf wird vom DIW auf rd. 200 Milliarden DM geschätzt und übersteigt damit deutlich die bisher im Verkehrsetat des Bundes eingeplanten Mittel. Auch aus Haushaltsgründen verbietet sich daher ein großangelegtes Autobahnneubauprogramm in den Beitrittsländern. Als Alternative muß der öffentliche Verkehr stärker berücksichtigt werden. Bekenntnisse zur Bahn und zum öffentlichen Nahverkehr gibt es seit langem in allen politischen Lagern. Aber Reden und Handeln klaffen hier noch weit auseinander. Das von der Bundesbahn bewältigte Transportaufkommen stagniert sowohl im Personen- wie im Güterverkehr seit langem. Es unterscheidet sich kaum von den Verkehrsmengen des Jahres 1960. Ähnlich ist es im Bereich des ÖPNVs. Hier haben die Ausbaumaßnahmen in den großen Ballungsgebieten zwar zu Verkehrszuwächsen geführt. Diesem Wachstum stehen jedoch deutliche Nachfrageverluste insbesondere im jahrelang vernachlässigten ländlichen Bereich gegenüber. Zu größter Sorge gibt die Entwicklung in Ostdeutschland Anlaß. Hier ist das Aufkommen der Bahn in den letzten drei Jahren im Personenverkehr um zwei Drittel und im Güterverkehr sogar um drei Viertel zurückgegangen. Sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern ist daher eine nachhaltige Stärkung der öffentlichen Verkehrsmittel notwendig. Nicht nur punktuell, sondern flächendeckend müssen Busse und Bahnen ausgebaut und preislich attraktiver werden. Hierzu können u.a.
[Seite der Druckausg.: 35] beitragen. Auf diese und weitere Möglichkeiten zur Erhöhung der Attraktivität der öffentlichen Verkehre, durch die auch eine Trendwende im Güterverkehr eingeleitet werden kann, wird im folgenden Kapitel näher eingegangen.
6. Konzepte der Bahn für einen arbeitsteiligen, umwelt- und ressourcenschonenden Güterverkehr
6.1 Rahmenbedingungen für die Angebotsstrategien der Bahn
Die Deutschen Bahnen sind der umwelt- und damit ressourcenschonendste Verkehrsträger, wenn sie sich auf ihre Systemstärken konzentrieren und mit gut ausgelasteten Kapazitäten operieren können. Das stellen z.B. die EG-Kommission in ihrem Grünbuch zu den "Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt" und die Enquete-Kommission zur "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" des 11. Deutschen Bundestages fest. Konzepte für die Nutzung dieser komparativen Systemvorteile müssen von der Politik vorgegeben werden. Unter den gesetzten Prämissen hat das Unternehmen Bahn dann Strategien zu entwickeln. Dabei sind Produkte und Angebote so zu gestalten, daß sie auch von der verladenden Wirtschaft in Anspruch genommen werden. Die Deutschen Bahnen müssen also versuchen, im Rahmen ihrer betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsprämissen und des wettbewerblichen Umfelds die politischen Konzepte eines arbeitsteiligen, umwelt- und ressourcenschonenden Güterverkehrs zu ihrem eigenwirtschaftlichen Nutzen umzusetzen. Das schließt aber nicht aus, daß auch alternative Strategien unter veränderten Prämissen gefahren werden können. Entsprechende verkehrspolitische Konzepte hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in seinem Wochenbericht 40/92 zum Thema "Güterverkehr bis zum Jahr 2010" aufgezeigt. Dabei wird festgestellt, daß eine Politik, die darauf abzielt, in einem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen die Luftschadstoff- und Geräuschemissionen zu vermindern, im wesentlichen auf drei Ebenen ansetzen kann:
Im Bereich der Ordnungspolitik werden Maßnahmen wie allgemeine Marktzugangsvorschriften (Konzessionen für Lkw nur bei Einhaltung entsprechender Umweltstandards), Geschwindigkeitsbegrenzungen, Sozialvorschriften (Lenk-, Ruhezeiten) sowie Verbote (Gefahrgüter) für den Straßengüterverkehr untersucht. Im Rahmen der preispolitischen Maßnahmen werden vom DIW u.a. eine weitere Erhöhung der Mineralölsteuer, Neugestaltung der Kfz-Steuer (Bemessungsgrundlage: Schadstoffemission bzw. Energieverbrauch) sowie die Einführung von Straßenbenutzungsgebühren berücksichtigt. Die Investitionspolitik umfaßt Maßnahmen, die die Bahn- und Binnenschiffahrtsnetze sowie Umschlagseinrichtungen für den kombinierten Verkehrs ausweiten bzw. verbessern und zwar wesentlich stärker, als im Bundesverkehrswegeplan 1992 vorgesehen. Dieses theoretische Konzept gilt es für die Bahn umzusetzen. Dabei ist festzustellen, daß in der gegenwärtigen Wettbewerbssituation die Vorteile der Bahn bezüglich Umweltverträglichkeit und günstige Energiebilanz nicht wirksam werden, weil die Umwelt immer noch ein "öffentliches Gut" ist, dessen Verbrauch den Einzelnen zunächst nichts kostet, und der günstige Energieverbrauch der Bahn durch die geringen Energiekosten des Wettbewerbers konterkariert wird. Daher müssen Problemlösungen gefunden werden, die verantwortungsbewußter mit den Ressourcen Landschaft, Luft und Energie umgehen. Dies wird jedoch nicht ohne Veränderungen in den Verkehrs- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen zu erreichen sein, selbst wenn man bei allen Beteiligten die Bereitschaft zu einem "umweltbewußten Transportmanagement" unterstellt. Wegen des "Öko-Bonus" werden jedoch keine Güter auf die Bahn verladen. Auch Preis und Leistung müssen stimmen. Nur eine leistungsstarke, flexibel am Markt operierende Bahn ist in der Lage, eine tragende Rolle in einem integrierten Verkehrssystem zu spielen. Deshalb ist die jetzt eingeleitete Strukturreform der Bahn so wichtig nicht nur für die Bahn selbst, sondern auch für eine Gesellschaft, in der Mobilität einen besonderen Stellenwert hat. [Seite der Druckausg.: 37]
6.2 Beeinträchtigungen der Wettbewerbsposition
Die Bahn muß sich dabei auf einen Güterverkehrsmarkt einrichten, der sich grob gesehen in zwei Segmente gliedern läßt: in preissensible und terminsensible Transportgüter. Dementsprechend muß die Strategie der Bahn darauf abzielen, die auf diesen unterschiedlichen Teilmärkten vorhandenen Kundenwünsche mindestens genausogut zu erfüllen wie der Lkw. Hieran wird die Bahn gegenwärtig vor allem durch die ungleichen Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Straßengüterverkehr gehindert. Dabei ist einmal eine völlige Vernachlässigung bei den Infrastrukturmaßnahmen zu registrieren. Während das Autobahn-Netz von 1950 bis 1990 um 300 % und das gesamte Straßennetz von 155.000 km auf 500.000 km wuchs, wurden in diesem Zeitraum lediglich 140 km neue Schienenstrecken erstellt. Eine weitere Wettbewerbsverzerrung besteht in der fehlenden Kostenwahrheit vor allem im Straßengüterverkehr. Solange die Konkurrenten ihre Leistungen zu Preisen anbieten können, die nicht die vollen Kosten decken, da sie die verursachten Umweltschäden und sozialen Lasten auf die Allgemeinheit abwälzen, kann die Bahn nicht im Wettbewerb bestehen. Die Bahn braucht daher politischen Flankenschutz vor allem bei der Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen, und zwar sowohl innerhalb als auch zwischen den Verkehrsträgern. Dies verdeutlichen folgende Beispiele: Die Europäische Gemeinschaft sorgt sich derzeit in ihrer Richtlinie 91/440 "Zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen in der Gemeinschaft" primär darum, daß Dritte d.h. andere schon vorhandene und neu gegründete Eisenbahnen bei der Nutzung der nationalen Schienennetze und bei den Benutzungsgebühren für die Trassen nicht diskriminiert werden. Diskriminierungen müssen aber auch bei den bisherigen Bahnen abgebaut werden, wenn sie z.B. ihre Sozialverpflichtungen, Personalbestände oder Organisationsstrukturen nicht schnell genug an veränderte Marktbedingungen anpassen können. Die Wettbewerbsposition der Bahnen wird weiter durch den Vorwurf einer Kartellbildung bei der internationalen Zusammenarbeit beeinträchtigt, den die EG-Kommission/Generaldirektion Wettbewerb erhebt. Ein Indiz hierfür wird in den Bemühungen der verschiedenen Bahnunternehmen gesehen, für die Kunden den grenzüberschreitenden [Seite der Druckausg.: 38] Verkehr durchlässiger zu machen und dazu zwangsläufig Absprachen auch zur einheitlichen Preisbildung treffen müssen. Bei der Wettbewerbsverzerrung zwischen den Verkehrsträgern geht es vor allem um die Kostenwahrheit, also um die Anlastung auch der externen, bisher auf die Allgemeinheit abgewälzten Kosten. Wenn die Umweltnutzung so der bereits erwähnte DIW-Wochenbericht 40/1992 weder als Kostenfaktor, noch als Erlöskomponente im Marktgeschehen Berücksichtigung findet, kann nicht erwartet werden, daß sich die gewünschte Erhaltung von Umweltressourcen als Ergebnis individueller Planungen einstellt. Vielmehr ist mit einem verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen zu rechnen, der durch andere Subventionstatbestände noch intensiviert werden kann. Ob sich die Bundesregierung ernsthaft um die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen bemüht, wird sich nach Auffassung der DB bei den Auseinandersetzungen über die Vorschläge der EG-Kommission für eine "kostengerechtere Nutzung der Verkehrswege im Straßengüterverkehr", also über das Konzept zur Einführung von nationalen Straßenbenutzungsgebühren zeigen. Die entsprechende Richtlinie der EG-Kommission bedarf der einstimmigen Verabschiedung durch alle zwölf nationale Regierungen, und diese gilt zumindest in den EG-Randstaaten heute als wenig wahrscheinlich. Kann sich die Bundesregierung hier nicht durchsetzen, dann hat dies eine Konservierung von Wettbewerbsnachteilen der Bahn zur Konsequenz. Gewinnt jedoch die ökologische Vernunft die Oberhand, dann kommen die Strategien der Bahn zum Tragen.
6.3 Ausbau der kombinierten Verkehre
Beim Aufbau eines integrierten Verkehrssystems hat die Zusammenarbeit zwischen Schiene und Straße eine besondere Bedeutung. Verbunden werden die Umweltfreundlichkeit und Leistungsfähigkeit der Bahn mit der Flexibilität des Lkw bei der Bedienung der Fläche. Eine entsprechende Arbeitsteilung ist in den Güterverkehrszentren (GVZ) zu sehen. Die zentrale Einheit ist dabei die Umschlaganlage für den kombinierten Verkehr. Durch die Bündelungs- und Verteilfunktion schaffen die GVZ die Basis für den wirtschaftlichen Betrieb des kombinierten Verkehrs. Darüber hinaus kann mit der Bündelung des Fernverkehrs und seiner Verlagerung aus den Städten in Umschlagterminals eine spürbare Umweltentlastung erfolgen. Dies gilt in gleicher Weise für den Zubringerverkehr in die Innenstädte (City Logistik). Auch in den neuen Bundesländern sollen die [Seite der Druckausg.: 39] Chancen für die Schaffung moderner Verkehrsstrukturen genutzt werden. Hierfür hat die DB kürzlich ein flächendeckendes GVZ-Konzept vorgelegt. Bei der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplans 1992 wurde die bestehende Standortkonzeption der DB für den kombinierten Ladeverkehr (KLV) grundlegend überarbeitet. Unter Einbeziehung der fünf neuen Länder ergeben sich 46 Standorte in Deutschland. Die Verkehrsprognose für den Bundesverkehrswegeplan rechnet im Jahr 2010 mit einer Verkehrsmenge von rund 90 Mio. Tonnen im speziellen Netz von KLV-Zügen. Hinzu kommen noch 25 Mio. Tonnen, die sich aus Transitverkehren, begleitenden kombinierten Verkehren und Verkehren außerhalb des speziellen KLV-Netzes zusammensetzen. Gegenüber 1991 würde dies eine Vervierfachung des Aufkommens bedeuten 5,6 Mio. gegenüber 1,6 Mio. Lkw-Ladungen, die über weite Entfernungen (450 bis 500 km) auf der Schiene und nur kurze Wegen bei der Zu- und Abfuhr auf der Straße befördert werden. Grundvoraussetzung für den geplanten Ausbau des kombinierten Verkehrs sind erhebliche Infrastrukturmaßnahmen, vor allem an den Schnittstellen Schiene-Straße. Zum Neu- und Ausbau der 46 Terminals sind Investitionen von über 4 Mrd. DM vorgesehen. So unbestritten die Entlastungseffekte für die Umwelt bei der Beförderung auf der langen Strecke sind, so kritisch wird vor Ort die zusätzliche Belastung durch Zu- und Abbringerverkehre an den Terminalstandorten gesehen. Die Bundesbahn versucht, bereits bei der Standortwahl diese Belastungen zu minimieren. Auf Arbeitsteilung und Umweltschutz ist auch das neue Konzept "Bahntrans" für den Teilladungsmarkt ausgerichtet. Vorrangiges Ziel ist es dabei, im expandierenden Teilladungsmarkt mit einem qualitativ hochwertigen, zuverlässigen und umweltfreundlichen Angebot Marktanteile für die Schiene zurückzugewinnen. Dabei kommen anstelle der heutigen Güterwagen nur noch Wechselbehälter im Kleingutverkehr zum Einsatz. Diese werden sowohl im bereits praktizierten kombinierten Verkehr der Bahnen, als auch über ein neues Zugsystem zwischen den Gleisanschlüssen der Frachtzentren und speziellen Umstellbahnhöfen gefahren ("Nabe-Speiche-System"). Zur Verwirklichung dieses Konzepts sind über 1 Mrd. DM vorgesehen. Auch im Wagenladungs- und Massengüterverkehr soll eine attraktive Alternative zum Straßenverkehr angeboten werden. Dabei konzentrieren sich die Bemühungen der DB auf die Optimierung insbesondere der hochwertigen Produkte "InterCargo" und "EurailCargo", mit denen termingarantierte Übernachttransporte zwischen elf west- und sieben ostdeutschen Wirtschaftszentren erfolgen. [Seite der Druckausg.: 40] Mit Dritten vor allem mit den Nichtbundeseigenen Eisenbahnen strebt die DB neue Kooperationsformen bei der zeit- und kostenaufwendigen Sammlung und Verteilung der Güterwagen in der Fläche an. Unter dem Stichwort "Regionalisierung" wird eine kostengünstige und kundengerechte Bedienung angestrebt. Generell sollen viele der heute noch zentral wahrgenommenen Aufgaben künftig vor Ort und damit kundennäher erfüllt werden.
6.4 Technologische Systemverbesserungen
Ein arbeitsteiliger, umwelt- und ressourcenschonender Güterverkehr erfordert nach Auffassung der Bahn weiter die vernetzte Anwendung umfassender Informationstechnologien. Dabei sollen die im Unternehmen vorhandenen Kommunikations- und Informationstechnologien sowie die Leit- und Computertechniken in einem integrierten System zum "Computer Integrated Railroading (CIR)" gebündelt werden. Große Erwartungen setzt die DB in die "Erhöhung der Leistungsfähigkeit im Kernnetz" (ELKE). Ziel ist es, die bereits vorhandenen Betriebsleittechniken so weiterzuentwickeln, daß die Zugfolge auf den viel befahrenen Hauptstrecken wesentlich dichter werden kann als heute. Die Leistungsfähigkeit kann auf diese Weise um bis zu 20 % gesteigert werden. Zusammen mit einer besseren, gleichfalls elektronisch unterstützten Auslastung der Kapazitäten strebt die Bahn eine 40 %ige Leistungssteigerung an. Bis 1995/96 werden die ersten Engpaßstrecken mit der neuen Leittechnik ausgerüstet sein. Für die entsprechende Modernisierung eines 4.500 km umfassenden Streckennetzes sind Investitionen in Höhe von 5,7 Mrd. DM (Preisstand 1988) erforderlich. Besondere Bedeutung misst die DB auch der Information des Kunden sowie der Überwachung, Sicherung und Verbesserung der Leistungsqualität bei. Hierbei wird eine Vernetzung der unterschiedlichen EDV-Systeme aller am Transportvorgang Beteiligter zu einer logistischen Informationskette angestrebt, in die beim Güterverkehr auch technologische Innovationen einbezogen werden. Beispiele für derartige Systemverbesserungen sind:
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7. Zusammenfassung und Ausblick: Faire Wettbewerbsbedingungen und Wertewandel in der Verkehrspolitik als Voraussetzungen für eine dauerhafte Lösung der Güterverkehrsprobleme Die Betrachtung der Prognosen über die Verkehrsentwicklung macht deutlich, daß alleine der Versuch, das Wachstum im Güterverkehr mit den traditionellen verkehrspolitischen Konzepten zu bewältigen, die Probleme nicht zu lösen vermag. Die unbegrenzte Vermehrung des Straßenverkehrs und der Verkehrsflächen als Ausdruck individueller und wirtschaftlicher Freiheit kann nicht länger Handlungsmaxime der Verkehrspolitik sein. Erforderlich sind neue verkehrspolitische Wege, die u.a. auf eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Verkehrswachstum setzen. Gefragt sind weiter Lösungsansätze, mit denen unnötige Leerfahrten vermieden werden können. Und auch die Verlagerung der Gütererzeugung in die Nähe der Konsumenten kann zur Verkehrsreduzierung und Verkehrsvermeidung beitragen. Der zunehmende Verkehr ist zu einer erstrangigen Belastung für Mensch und Umwelt geworden. Insbesondere der Straßenverkehr ist ein Unfallrisiko und eine Krankheitsursache von hohem Gewicht. Lärm, Luftverschmutzung und Flächenverbrauch schränken die Lebensqualität an vielen Orten ein. Der Widerstand gegen neue Verkehrsprojekte wächst. Insbesondere der Straßengüterverkehr verliert in der Bevölkerung an Akzeptanz. Zugleich verursacht Verkehr Umweltkosten u.a. in Form von Luft- und Lärmbelastung, Energie- und Flächenverbrauch. Diesen Kosten stehen keine entsprechenden Preise gegenüber. Der Verkehr ist zu billig, er ist nicht kostendeckend. Außerdem "decken" die gezahlten Preise bei den verschiedenen Verkehrsträgern die Kosten für Wege und externe Lasten in unterschiedlichem Maße. Hinzu kommt die jahrzehntelange direkte und indirekte Subventionierung des Straßenverkehrs, die dazu geführt hat, daß die konkurrierenden Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße praktisch chancenlos gemacht worden sind. Der Europäische Binnenmarkt wird die Verkehrsprobleme zu Lasten von Mensch, Umwelt und deutscher Wirtschaft noch weiter verschärfen. Mit der Verdrängung der vergleichsweise hoch besteuerten Verkehrswirtschaft in Deutschland durch noch stärker subventionierte Unternehmen aus anderen Staaten im Zuge der Liberalisierung, Deregu- [Seite der Druckausg.: 42] lierung und Harmonisierung der EG-Verkehrsmärkte entsteht neues Konfliktpotential. Von einer Wettbewerbsgleichheit der verschiedenen Verkehrsträger kann bislang jedenfalls keine Rede sein. Hier besteht sowohl national als auch international ein großer Handlungsbedarf. Die Kapazitäten des Straßennetzes werden sich in den kommenden Jahren zunehmend ausschöpfen. Damit verliert der Straßengüterverkehr in weiten Bereichen seine Vorteile und die alternativen Verkehrsträger gewinnen an Attraktivität. Die bundeseigenen Eisenbahnen vertreten die Auffassung, daß sie aufgrund der noch ungenutzten Entwicklungspotentiale und massiver Investitionen in die Erhöhung der Leistungsfähigkeit in der Lage sind, einen Großteil des bis zum Jahr 2010 prognostizierten Verkehrswachstums zu übernehmen. Dies wird aber nur gelingen, wenn die Marktchancen im nationalen und EG-Rahmen unter fairen Wettbewerbsbedingungen und im Rahmen integrierter Verkehrssysteme zugunsten der Umwelt und der nicht erneuerbaren Ressourcen genutzt werden können. Hierfür sind neue politische Weichenstellungen erforderlich. Werden die notwendigen Entscheidungen nicht getroffen, dann wird die Bahn zu einer Schrumpfbahn und zum Nischenanbieter degradiert. Und aus den schon heute mit hohem unternehmerischen Risiko von der Bahn getätigten Zukunftsinvestitionen werden wegen falscher verkehrspolitischer Weichenstellungen enorme Fehlinvestitionen. Die ökologisch erwünschten Verkehrsverlagerungen sind weitgehend über den Preis steuerbar. In diesem Zusammenhang bestehen akute politische Handlungsdefizite, die umgehend beseitigt werden müssen. Angesichts verschiedener Indikatoren für eine rezessive konjunkturelle Entwicklung sind aber überzogene Mehrbelastungen, die auch gravierende Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland haben, zu vermeiden. Im Rahmen eines langfristigen verkehrspolitischen Gesamtkonzeptes sind vielmehr maßvolle und frühzeitig angekündigte Kostenerhöhungen vorzunehmen, auf die sich die verladende Wirtschaft und die Transporteure ebenso wie die Autofahrer und die Automobilindustrie einstellen können. Die auf diese Weise erzielten finanziellen Mittel sollten ausschließlich für den Ausbau der umweltfreundlichen Verkehrsträger unter Einbeziehung des kombinierten Verkehrs verwendet werden. Solange der Standard der von der Gesellschaft und der Wirtschaft eingeforderten Leistungs- und Versorgungsqualität des Güterverkehrssystem unverändert bleibt, wird man allein durch eine optimale Vernetzung aller Verkehrsträger national und EG-weit sowie unter Einbeziehung der absehbaren Probleme aus und mit Osteuropa keine schlüssige Antwort auf die Frage nach der Beherrschbarkeit der Infrastruktur- und Umweltbelastun- [Seite der Druckausg.: 43] gen finden. Unbefriedigend ist weiter, daß bisher überwiegend nur aus eindimensionalen Blickwinkeln argumentiert und wenn überhaupt auch agiert wurde. Partielle, d.h. Sektorargumentationen schaffen aber nur Konflikte und keine Lösungen. Deshalb muß das Konzept für eine erweiterte Arbeitsteilung und bessere Vernetzung im Verkehr eingeordnet werden in ein neues Grundverständnis. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Klaus Daubertshäuser hat dies mit "Wertewandel in der Verkehrspolitik" eingängig beschrieben. Notwendig ist, daß die Probleme der optimalen Mobilität von Gütern in einem Gesamtzusammenhang aller relevanten Einflußfaktoren betrachtet werden. Die Verknüpfung des steigenden Mobilitätsbedarfs bei Gütern zu einem unauflösbaren Gesamtkomplex von Markt, Infrastruktur und Umwelt wird dann zu einem Dokument Verkehrs- und gesellschaftspolitischer Weitsicht. [Seite der Druckausg.: 44]
Tagungsleitung und Referenten
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