FES | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|
TEILDOKUMENT:
Seite der Druckausg.: 33
5. Privatisierung und Eigentumsbildung
Einer der Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln und insbesondere auch an Grund und Boden. Nicht nur für die ehemals volkseigenen Betriebe stellt sich somit die Frage der Privatisierung, mit der unmittelbar die Anreize zu unternehmerischem, wirtschaftlichem Handeln verbunden sind, sondern auch im Hinblick auf die Wohnungswirtschaft in Ostdeutschland kann die Privatisierung und die Nutzung privaten Kapitals Teil einer marktwirtschaftliche Lösung der anstehenden Probleme sein.
5.1 Die Bedeutung privaten Kapitals im Wohnungsbau
Die "eigenen vier Wände" stehen in der Prioritätenliste der Bundesbürger ganz oben an. 80% der Bürger in den alten Ländern möchten gern in einer eigenen Wohnung leben; in den neuen Bundesländern dürfte dies ähnlich sein. Mietfreies Wohnen, größere Unabhängigkeit, höhere Wohnqualität und Sicherheit sind Stichworte, die auf den Wert privaten Wohneigentums hinweisen, wenngleich die finanziellen Belastungen für Haus- und Wohnungseigentümer mit 35-40% des verfügbaren Einkommens wesentlich höher sind als für Mieter (20-25%). In den neuen Bundesländern befinden sich 60% des Wohneigentums in kommunalem oder genossenschaftlichem Eigentum, 40% sind Privateigentum. Die "Privateigentumsquote" reicht von 52% in Thüringen bis 24% in Ost-Berlin. In den alten Bundesländern sind etwa 80% des Wohnungsbestandes in Privateigentum. Für den Bau neuer Wohnungen bzw. für die Modernisierung und Instandsetzung werden, so der Verband der Privaten Bausparkassen, in den nächsten Jahren Mittel in einer Größenordnung von bis zu 500 Mrd. DM benötigt, die nicht nur von der öffentlichen Hand aufgebracht werden können. Allein der notwendige Wohnungsneubau in Ost und West wird in den nächsten Jahren Kosten von mehreren hundert Milliarden DM verursachen. Das heißt, ohne die Mobilisierung privaten Kapitals wird die Erweiterung und Sanierung des ostdeutschen Wohnungsbestandes kaum möglich sein. Seite der Druckausg.: 34 Privates Kapital war bisher in den alten Bundesländern der wichtigste Motor für den Wohnungsbau:
Die Bedeutung privaten Kapitals ist also nicht zu unterschätzen, auch wenn die Eigentumsquote von Haushalten und Privatpersonen am gesamten Wohneigentum in den alten Bundesländern mit etwa 40% im Vergleich zu westeuropäischen Nachbarländern relativ gering ist. Der Einsatz von privatem Kapital in der Wohnungswirtschaft hat den entscheidenden Vorteil, daß Eigentümer bereit sind, eine wesentlich höhere Belastung zu tragen als Mieter. Darüber hinaus müssen potentielle Eigentümer über eine hohe Sparquote verfügen, um den Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung überhaupt finanzieren zu können. Der durchschnittliche Eigenkapitalanteil an der Finanzierung liegt in den alten Bundesländern bei etwa 40%. Dieser auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohe Wert ist nicht zuletzt auf die staatlichen Förderungen (Bausparförderung, Vermögensbildung) und die günstigen Finanzierungskonzepte der Bausparkassen zurückzuführen. Bausparkassen haben bisher etwa 11 Mio. Wohnungen mitfinanziert und dabei mehr als 900 Mrd. DM ausgezahlt. Ca 17 Mio. Bundesbürger haben heute mehr als 27 Mio. Bausparverträge bei 34 Bausparkassen. Die staatliche Förderung des privaten Wohnungsbaus ist eines der effizientesten Instrumente der Wohnungspolitik: der soziale Mietwohnungsbau erfordert etwa viermal so hohe Aufwendungen der öffentlichen Hand pro Wohneinheit wie die Unterstützung eines privaten Erwerbers. In den neuen Bundesländern wird das Bausparen dementsprechend besonders gefördert. Die prämienbegünstigten Bausparleistungen betragen 2.000 DM für Ledige und 4.000 DM für Verheiratete und sind damit mehr als doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern. Auch die Prämie liegt mit 15% deutlich höher (Westdeutschland: 10%). Bei den Seite der Druckausg.: 35 Bausparkassen sind im letzten Jahr etwa 3 Mrd. DM aus den neuen Bundesländern eingezahlt worden. Privatem Kapital kommt somit eine entscheidende Bedeutung bei der Verbesserung der Wohnverhältnisse zu. Bund, Länder und Gemeinden sind zusammen nicht annähernd in der Lage, die notwendigen Mittel für Neubau und Sanierung aufzubringen. Für den Verband der Privaten Bausparkassen ist somit die Förderung privaten Wohneigentums eines der wichtigsten Elemente der Wohnungspolitik.
5.2 Privatisierung von Mietwohnungen
Der Einigungsvertrag sieht eine schrittweise Privatisierung kommunalen Wohnungseigentums im Hinblick auf die Bildung individuellen Wohneigentums vor, um auch im Bereich der Wohnungswirtschaft marktwirtschaftliche Prinzipien einzuführen. Auch wenn die Privatisierung von Mietwohnungen kein Allheilmittel ist, so ist sie nach Auffassung der Bausparkassen und der Wohnungswirtschaft doch ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Belastungen, die sich aus dem Wohnungsbestand für die öffentlichen Haushalte ergeben, zu verringern. Für den Gesamtverband der Wohnungswirtschaft ist die Wiedereinsetzung der Wohnungsgenossenschaften in ihre alten Rechte ein erster und wichtiger Schritt in Richtung Privatisierung. In einem zweiten Schritt sollte dann das kommunale Wohneigentum auf die Wohnungsunternehmen mit privater Rechtsform übertragen werden. Schließlich wird die Privatisierung durch Verkauf von Wohnungen an die Mieter als letzter und besonders schwieriger Schritt angesehen:
Auch für die Bausparkassen müssen vor einer Privatisierung folgende Fragen geklärt werden:
Der Preis für die Wohnungen sollte sich nach Auffassung der Bausparkassen am aktuellen Verkehrswert orientieren, auch wenn dies zur Zeit noch erhebliche Bewertungsprobleme aufwirft. Dabei kann die soziale Situation des Mieters bei der Kaufpreisfindung durchaus berücksichtigt werden. Ein symbolischer Preis Seite der Druckausg.: 37 aber oder das Verschenken der Wohnungen würde zwangsläufig zu einer Vermögensumverteilung von der Kommune auf zufällig in den Wohnungen lebende Mieter bedeuten, was wiederum zu sozialen Ungerechtigkeiten führen würde. Entscheidend für die Chancen einer Privatisierung ist dann ein gesicherter Finanzierungsplan, für den der Zentralverband des Deutschen Bauhandwerkes eine Modellrechnung vorgelegt hat: Seite der Druckausg.: 38
Seite der Druckausg.: 39 Im Hinblick auf die zu erwartenden Mietsteigerungen dürfte dies eine attraktive Alternative sein. Auch für die Kommunen ergeben sich aus der Privatisierung Vorteile: Aus den Verkaufseinnahmen können Altschulden getilgt und neue Wohnungen gebaut werden. Bei nur 1.500 Privatisierungen gemäß o.g. Modellrechnung ergibt sich ein Verkaufsvolumen von ca. 40 Mio. DM. Hinzu kommen private Investitionen zur Instandsetzung und Sanierung in Höhe von ca. 45 Mio. DM. Beträge in dieser Größenordnung haben auch eine gesamtwirtschaftliche Relevanz: Über entsprechende Multiplikatoreffekte dürfte diese Form der Privatisierung auch ein Mittel zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Ankurbelung der ostdeutschen Wirtschaft insgesamt sein. Um Erfahrungen mit entsprechenden Vorhaben zu sammeln, unterstützt das Bundesbauministerium einzelne Modellprojekte mit insgesamt 20 Mio. DM. Bisher liegen 60 Anträge aus allen Teilen der ehemaligen DDR vor. Die Privatisierung von Mietwohnungen stellt sicher kein Patentrezept zur Lösung der Wohnungsprobleme in den neuen Bundesländern dar. Allein der "verwaltungsmäßige Vollzug" der Eigentumsübertragung wird in den neuen Bundesländern noch durch personelle und organisatorische Defizite zum Beispiel im Bereich der Liegenschafts- und Grundbuchämter verzögert, Rückübertragungsansprüche sind nach wie vor ungeklärt, und in vielen Häusern sind Probleme bei den fälligen "Abgeschlossenheitsbescheinigungen" zu erwarten. Langfristig aber wird die Privatisierung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Wohnsituation in den neuen Bundesländern leisten. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung wird es auch hier zu deutlichen Einkommenserhöhungen kommen, womit sich dann auch die Möglichkeiten, Wohneigentum zu erwerben, verbessern. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999 |