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3. Öffentliche Förderung der Wohnungswirtschaft und Neuorientierung der Wohnungspolitik

Die Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern kann ohne staatliche Unterstützung ihre Aufgaben nicht erfüllen. In den neuen Bundesländern kommt der Wohnungspolitik daher eine besondere Aufgabe zu, die mit den bisherigen Förderungsinstrumenten kaum bewältigt werden kann. Denn neben der Errichtung zusätzlicher Wohnungen in ganz Deutschland, Schätzungen der Mietervereinigung gehen von bis zu drei Millionen fehlender Wohnungen in Ost und West bis Mitte der neunziger Jahre aus, müssen in den neuen Bundesländern die ökonomischen und sozialen Voraussetzungen für einen funktionierenden Wohnungsmarkt erst geschaffen werden. Dementsprechend wird vielfach eine Neuorientierung der Wohnungspolitik auf Bundes- und Landesebene gefordert.

Im folgenden werden die wohnungswirtschaftlichen Fördermaßnahmen des Landes Thüringen und die Vorstellung der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag zur Wohnungspolitik dargestellt.

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3.1 Förderungsmaßnahmen des Landes Thüringen

Das Land Thüringen muß für seine staatliche Wohnungs- und Städtebaupolitik von folgenden Daten ausgehen:

Thüringen hat etwa 2,7 Mio. Einwohner in 1.700 Gemeinden und einen Bestand an 1,1 Mio. Wohnungen; 52% befinden sich in privatem Eigentum, 48% im Eigentum von Kommunen und Wohnungsunternehmen. Thüringen hat damit die höchste "Privateigentumsquote" in den neuen Bundesländern. Mehr als die Hälfte aller Mehrfamilienhäuser sind nach 1960 entstanden und industriell gefertigt. Die in traditioneller Bauweise errichteten Mehrfamilienhäuser sind im Durchschnitt 80 Jahre alt, die Plattenbauten etwa 14 Jahre. Bei den Plattenbauten gilt nicht selten die Feststellung: je älter die Häuser sind, desto besser ist ihr Zustand, je jünger desto schlechter. Insgesamt sind die Thüringer Städte in einem desolaten Zustand, viele Seitenstraßen der Stadtkerne sind mittlerweile unbewohnbar, auch wenn die städtebauliche Substanz noch in größerem Ausmaß verbanden ist als in den alten Ländern.

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Zu den immensen Problemen, denen sich die Landesregierung im Bereich der Wohnungswirtschaft stellen muß, kommen die Defizite im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der kommunalen Administration hinzu. Denn die Umstellung auf das bundesdeutsche Rechts- und Fördersystem im Wohnungsbau, für das es in der ehemaligen DDR keine Parallele gab, wurde dadurch erschwert, daß eine funktionierende Landes- und Kreisverwaltung erst einmal geschaffen werden mußte. Zum Beispiel wurden in kurzer Zeit 56 Wohngeldstellen eingerichtet, um die Flut von etwa 270.000 Wohngeldanträgen zum 1.10.1991 überhaupt bewältigen zu können. In allen neuen Bundesländern kommen zu einer Anhäufung von Problemen noch die Defizite im Bereich der öffentlichen Verwaltung und eine generell wenig entwickelte Infrastruktur hinzu. Bei aller geäußerten Kritik an den Unzulänglichkeiten der staatlichen Wohnungspolitik müssen die bestehenden Hilfen für den Wohnungs- und Städtebau vor diesem Hintergrund bewertet werden.

Das Land Thüringen hat bisher 14 Programme mit den unterschiedlichsten Konditionen zur Förderung des Wohnungs- und Städtebaues bzw. zur Unterstützung kommunaler Planungsvorhaben aufgelegt. Die Programme haben sich angesichts fehlender Informationen und Fachleute aus Ostdeutschland in erster Linie an westdeutschen Vorlagen und Mustern orientiert. Inwieweit diese Programme die "Wirklichkeit" erfassen und den Bedürfnissen der einzelnen Investoren und der privaten, kommunalen und genossenschaftlichen Eigentümer gerecht werden, müssen zukünftige Erfahrungen erst zeigen.

Gefördert werden die Neuschaffung, Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen und von Wohnraum in selbstgenutzten Eigentumswohnungen und in Ein- und Zweifamilienhäusern. [ Fn: 3: Vgl. dazu die Informationsbroschüre der Thüringer Landesregierung: Sozialer Wohnungsbau in Thüringen, hrsg. vom Thüringer Innenministerium 1991.]
Zur Neubeschaffung zählen neben dem Neubau auch die Rekonstruktion unbewohnter und zweckentfremdeter Gebäude, die Erweiterung und der Umbau von Wohnungen und die Verbesserung der Wohnqualität. Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen umfassen die Wärmeversorgung, Fenster, Türen, sanitäre Einrichtungen, Belüftung, Beleuchtung, Raumaufteilung, Dacherneuerung Schornsteine u.a. Für alle förderungsfähigen Maßnahmen wird eine Eigenleistung des Vermieters oder Eigentümers in Höhe von 10-20% der Gesamtkosten verlangt. Als Eigenleistungen

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zählen nicht Kredite von Banken oder Sparkassen. Zu den Fördermitteln gehören Baudarlehen, Baukosten- und Aufwendungszuschüsse. Baudarlehen zum Beispiel werden bis max. 1.000 DM/qm für den Neubau von Mietwohnungen (Eigenwohnraum max. 750 DM/qm) und bis zu 600 DM/qm (450 DM/qm) für den Aus- und Umbau gewährt. Für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in Mietwohnungen können bei "desolatem" Zustand der Wohnungen Darlehen bis max. 70.000 DM und für Wohnungen in "schlechtem" Zustand bis zu 40.000 DM in Anspruch genommen werden.

Darüber hinaus hat das Land Thüringen bisher etwa 700 Mio. DM an einmaliger Bewirtschaftungshilfe sowohl für die Wohnungsunternehmen als auch für private Eigentümer zur Verfügung gestellt, auch wenn alle neuen Länderregierungen immer wieder betonen, daß es für sie keine "Stützungspflicht" gegenüber Vermietern und Wohnungsunternehmen gibt. Ein wichtiges Problem bei der Zuteilung dieser Bewirtschaftungshilfen war die Frage, nach welchen Kriterien überhaupt verteilt werden sollte bzw. wie ein entsprechender Bedarf von den Vermietern glaubhaft nachgewiesen werden konnte. Auch aufgrund der Probleme, die mit der Etablierung einer funktionierenden (Landes-)Verwaltung verbunden sind, kam es hier zu einem pauschalen Verteilungsverfahren, das im Einzelfall nicht immer bedarfsgerecht war. Ob das Land weitere Bewirtschaftungshilfen zur Verfügung stellen kann, wie von den Wohnungsunternehmen gefordert, ist bislang nicht entschieden.

Für die 14 Förderungsprogramme stehen im Thüringer Landeshaushalt fast l Mrd. DM zur Verfügung. Im Jahr 1991 wurden Bewilligungsbescheide für den Sozialwohnungsbau in Höhe von ca. 12 Mio. DM für 135 Wohnungen ausgestellt. Weitere Anträge mit einem Gesamtvolumen von 28 Mio. DM liegen vor. Im Bereich des selbstgenutzten Wohnraumes wurden insgesamt etwa 500 Anträge genehmigt. Für Modernisierungen und Instandsetzungen in 1.100 Mietwohnungen und 200 Eigenheimen wurden 140 Mio. DM eingesetzt. Anträge für weitere 3.000 Wohneinheiten liegen vor. Im Rahmen eines zusätzlichen Landesprogrammes mit insgesamt 90 Mio. DM wurden bisher 2.000 Anträge genehmigt.

An diesen Zahlen wird deutlich, daß die Programme durchaus angenommen werden - der Mittelabfluß ist vorhanden. Allerdings wird insbesondere im so-

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zialen Wohnungsbau nicht "breit und flächig" investiert, sondern es werden lediglich kleine und kleinste Einheiten ("Lückenschließungen") neu geschaffen. Ein frei finanzierter Wohnungsbau findet de facto nicht statt.

Im Bereich der Städtebauförderung, für die insgesamt etwa 300 Mio. DM zur Verfügung stehen, liegen Anträge aus 152 Gemeinden mit einem Gesamtvolumen von etwa 100 Mio. DM vor. Die Landesregierung sieht hier ihre Aufgabe darin, den Verfall der Städte auf breiter Front wenigstens aufzuhalten. In Erfurt können zum Beispiel alle vom Einsturz bedrohten Gebäude bis Anfang 1992 gesichert werden. Insgesamt aber greift die klassische Städtebauförderung aufgrund der "Drittelförderung" nicht.

Schließlich geben Bund und Land etwa 17 Mio. DM pro Jahr für die Unterstützung kommunaler Planungsleistungen aus. Die geförderten Planungsleistungen betreffen aber in der Regel die Schaffung von Gewerbeflächen und die Verbesserung der Infrastruktur, nicht den Wohnungsbau. Aufgrund des direkten Zusammenhangs zwischen Arbeitsplatzangebot und Wohnraumnachfrage ist aber eine einseitige Ausweisung von Gewerbegebieten ohne flankierende Maßnahmen im Wohnungsbau wenig sinnvoll. Entsprechende Verhandlungen mit dem Bund über eine Modifizierung dieses Programmes sollen geführt werden. Hinzu kommt, daß die kommunalen Planungen im Bereich der Gewerbeansiedlungen zwischen den Kommunen kaum abgestimmt sind, so daß es durchaus zu Konkurrenzsituationen kommen kann.

Die Wohnungspolitik der Landesregierungen in Ostdeutschland allein kann die mannigfaltigen Probleme der Wohnungswirtschaft nicht bewältigen. Nicht nur der Mangel an finanziellen Mitteln für den Wohnungsbau und für die Modernisierung bzw. Instandsetzung setzt einer aktiven Wohnungspolitik enge Grenzen, auch der Mangel an qualifizierten Verwaltungsfachleuten und das Fehlen einer entwickelten administrativen Infrastruktur schafft Probleme. Darüber hinaus sind Förderungsprogramme oft nicht auf die spezifischen Bedingungen und Beschränkungen in den neuen Ländern ausgerichtet, so daß deren Wirksamkeit begrenzt bleibt. Ohne weitere Unterstützung des Bundes und ohne die Nutzung privaten Kapitals für den Wohnungsbau, wofür die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erst noch geschaffen werden müssen, kann die Wohnungspolitik der Länder bestenfalls weiteren Verfall verhindern.

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3.2. Für eine neue Wohnungspolitik des Bundes

Der politische Handlungsbedarf im Bereich des Wohnungsbaues ergibt sich nicht nur aus dem aktuellen und dem prognostizierten Fehlbestand an Wohnungen, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die Frage, welcher Wohnraum in der Zukunft verstärkt nachgefragt wird. Denn während teure und luxuriöse Wohnungen zumindest in den alten Ländern in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, kann gerade der Fehlbestand an preisgünstigen Wohnungen in den Ballungsgebieten zu einem sozialen "Sprengsatz" werden.

In den alten Bundesländern sind nach Schätzungen 1990 ca. 250.000 und 1991 mehr als 300.000 Wohnungen neu errichtet worden, in den neuen Bundesländern ist die Fertigstellungsrate 1991 auf etwa 30.000 Wohneinheiten gesunken. Darüber hinaus ist ein nicht unerheblicher Anteil der Wohnungen in den neuen Bundesländern unbewohnbar. Die Schaffung neuen Wohnraumes durch private und öffentliche Bauherren leidet heute aber insbesondere an:

  • nicht ausreichend verfügbaren, preiswerten Grundstücken,
  • steigenden Baupreisen (1991 ca. 7%),
  • hohen Hypothekenzinsen und
  • unattraktiven Förderprogrammen zur Schaffung neuen Wohnraumes.

Insgesamt machen die geschilderten Probleme also eine Neuorientierung der staatlichen Wohnungspolitik deutlich, was bei vielfältigen Differenzen im Hinblick auf Einzelfragen bei allen Fraktionen des Deutschen Bundestages auch weitgehend konsensfähig ist. Die SPD-Bundestagsfraktion hebt dabei folgende Punkte hervor:

  1. Im Mittelpunkt der Wohnungspolitik sollte die Schaffung langfristig geltender Rahmenbedingungen für den Bau neuer Wohnungen und eine Überprüfung bisher geltender Förderprogramme im Hinblick auf die gewandelten Anforderungen stehen.

  2. Die Bundesfinanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau sollten für einen längeren Zeitraum mit 5-6 Mrd. DM festgeschrieben werden, damit preisgünstiger Wohnraum mit langen Bindungsfristen geschaffen werden kann.

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  3. Die sozial ungerechte und ineffiziente steuerliche Förderung des Eigenheimbaus, bei der die Empfänger hoher Einkommen aufgrund der Steuerprogression weit stärker profitieren als die Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen, sollte umgestellt werden. Die mit steigendem Einkommen wachsende Entlastungswirkung schafft nicht nur eine "krasse soziale Schlagseite" des heutigen Fördersystems, sondern führt auch zu Mitnahmeeffekten, die die öffentlichen Haushalte zusätzlich belasten.

  4. Die Bedingungen für eine angemessene Rentabilität privater Investitionen im Wohnungsbau müssen verbessert werden, um insbesondere auch institutionelle Anleger wie Banken und Versicherungen für Investitionen in diesem Bereich zu gewinnen.

  5. Ein Baulandprogramm sollte eine gerechte Besteuerung baureifen Baulandes und die Abschöpfung von Wertsteigerungen und Spekulationsgewinnen ermöglichen.

  6. Die Wirksamkeit der bestehenden Förderungsinstrumente muß im Rahmen eines neuen "Instrumentenberichtes" der Bundesregierung überprüft werden.

  7. Die Einkommensgrenzen im Bereich des sozialen Wohnungsbaues sollten angehoben werden. Darüber hinaus ist der kommunale Wohnungsbestand und damit die Sozialbindung in Ostdeutschland weitgehend zu erhalten.

Inwieweit diese Forderungen konsensfähig sind, soll hier offen bleiben. Aber im Hinblick auf nahezu alle Probleme der Wohnungswirtschaft, Mietenbindung, Altschuldenproblematik, zusätzliche Förderprogramme, Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen, Privatisierungsmaßnahmen u.a. kommt der Bundesregierung, die auch die Mietenhoheit in Ostdeutschland ausübt, eine Schlüsselrolle zu.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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