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5. Rahmenbedingungen für eine effiziente Abfallwirtschaft



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a) Zwischen Bürgernähe und Planungseffizienz: die Aufstellung von Abfallwirtschaftskonzepten

Obwohl das Abfallgesetz die Länder zur Aufstellung von Abfallbeseitigungsplänen für das ganze Landesgebiet verpflichtet, gilt der Stand der Planung für die Abfallentsorgung noch als unbefriedigend. Manche Körperschaften haben Pläne mit genauen Zielvorgaben ausgearbeitet, andere verlassen sich auf völlig unverbindliche Konzepte.

Neben der Festlegung von geeigneten Standorten für Entsorgungsanlagen hat Abfallentsorgungsplanung die Aufgabe, den Kapazitätsbedarf zu ermitteln, die für notwendig erachteten neuen Kapazitäten auszuweisen und aufzuzeigen, wie die Beseitigung des Mülls im Planungszeitraum technisch und organisatorisch zu lösen ist.

In den neuen Bundesländern erschweren die Unwägbarkeiten des Müllaufkommens, Unsicherheiten über die Verfügbarkeit des Anlagenbestands sowie die Umstrukturierungen in der Verwaltung die Aufstellung verläßlicher Pläne. Hinzu kommt, daß den Mitarbeitern in den für die Abfallentsorgung zuständigen Kommunen und Kreisen zum Teil noch die fachlichen Qualifikationen fehlen, um auf dem kapitalintensiven Markt der Abfallwirtschaft routinierte Entscheidungen bei der Vergabe von Aufträgen zu fällen.

Doch auch nach Überwindung dieser besonderen Erschwernisse wird die Abfallplanung mit großen Unwägbarkeiten fertig werden müssen, das lehren die Erfahrungen in den alten Bundesländern. So schreibt das Abfallgesetz für die Errichtung und den Betrieb von ortsfesten Anlagen für die Abfallentsorgung sowie für wesentliche Änderungen an solchen Anlagen die Planfeststellung durch die zuständige Behörde vor. Diese faßt den Planfeststellungsbeschluß nach einem Anhörungsverfahren, auf dem die Einwendungen und Stellungnahmen zuständiger Behörden sowie betroffener Gemeinden und Bürger zu erörtern sind. Da in der heutigen öffentlichen Kommunikation über Umweltbelastungen befürchtete Risiken und Beeinträchtigungen vor der eigenen Haustür kaum mehr akzeptiert werden, führen bereits Standortfestlegungen für Beseitigungsanlagen zu Abwehrreaktionen der sich betroffenen wähnenden Bürger. Einwendungen, verwaltungsgerichtliche Auseinander-

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setzungen, aber auch unzureichende Planungsdaten und ungenügende Planrechtfertigungen führen oft zu einer Verfahrensdauer von 10 und mehr Jahren zwischen ersten Planungen und der Inbetriebnahme einer Anlage. In Nordrhein-Westfalen betragen diese Zeiträume zum Beispiel 15 bis 20 Jahre für Deponien und 7-8 Jahre für Verbrennungsanlagen.

Eine insbesonders für die neuen Länder notwendige Verfahrensbeschleunigung muß die rechtsstaatlich gewollte und zur Akzeptanzsicherung notwendige Bürgerbeteiligung bei der Planung neuer Anlagen sichern. Widerstände gegen die Errichtung und die Inbetriebnahme neuer Entsorgungseinrichtungen sind nicht zu überwinden, wenn die Bürger den Eindruck bekommen, sie würden zu spät und zu lückenhaft von den Plänen informiert und hätten keine ausreichenden Möglichkeiten, ihren Einwendungen, Anliegen und Sorgen Geltung zu verschaffen.

Die Erfahrungen der Kreisverwaltung Eberswalde machen beispielhaft die Konflikte deutlich, in denen die für die Abfallentsorgung zuständigen Behörden in den neuen Bundesländern verstrickt sind. Während in der Öffentlichkeit auf der einen Seite heftig gegen Deponien und Müllver-bennungsanlagen gestritten wird, erwarten die Bürger auf der anderen Seite eine reibungslose und vor allem kostengünstige Müllbeseitigung. Zudem stehen die zum Teil sehr kleinen Kommunen in Konflikt untereinander und weichen vor Maßnahmen aus, die abfallwirtschaftlich erwünscht sind, aber dem Bürger mehr Geld kosten würden.

Bis zur Verabschiedung eines integrierten Abfallwirtschaftskonzepts arbeitet der Landkreis Eberswalde mit einem Übergangskonzept, das zunächst die unmittelbar und kurzfristig drohenden Umweltbelastungen auf ein technisch, organisatorisch und finanziell erreichbares Minimum senken soll. Der Erfolg des in Entwicklung befindlichen Konzepts für die Abfallwirtschaft ist allerdings noch so lange ungewiß, bis ein Landesabfallgesetz verbindliche Vorgaben für die Müllentsorgung festlegt. Bisher weigert sich ein Teil der Kommunen des Kreises Eberswalde, sich der Konzeption des Kreises anzuschließen, nicht zuletzt, weil viele Bürger in altvertrauter Weise lieber weiter Müllkippen nutzen als Gebühren für die Mülltonne zahlen würden. Die Kreisverwaltung hofft, durch intensive Kooperation zwischen Kreis- und Kommunalverwaltung, Kreistagsausschüssen und Vertretern von Parteien die Bedingungen zur Einlösung ihrer kurz- und mittelfristigen Planungsziele zu

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verbessern, wie zum Beispiel der Wertstofferfassung, der Einrichtung von Kompostierungsanlagen und, längerfristig, von Deponien und Behandlungsanlagen nach dem Stand der Technik. Beabsichtigt ist, die Deponie als "Herzstück der Entsorgung" im Eigentum der Körperschaft zu belassen, während der Entsorgungsbetrieb von gemischten Gesellschaften getragen wird, an der sich der Landkreis beteiligt.

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b) Abfallbehörde oder betriebswirtschaftlich geführtes Unternehmen? Die Umstrukturierung der kommunalen Abfallwirtschaft

Auch Vertreter anderer öffentlicher Körperschaften sehen den Wandel vom staatlichen Regiebetrieb zu gemischten Gesellschaften als Voraussetzung an, die Aufgaben der modernen Abfallwirtschaft mit akzeptablen Kosten und Fristen zu bewältigen. So hat zum Beispiel ein Gutachten für den Großraum Berlin, wo 2,5 Millionen Tonnen Abfälle pro Jahr anfallen, ergeben, daß die flächendeckende Einführung des Dualen Systems Investitionen von 1,1 Milliarden DM erforderlich machen wird, unter anderem für die Errichtung von 27 Sortieranlagen, in denen 2000 Menschen beschäftigt wären. Mit der Bereitstellung der Finanzmittel, der Auswahl und Beschaffung geeigneter Grundstücke sowie mit der Vermarktung der Altstoffmengen wäre ein staatlicher Betrieb überfordert.

Noch dominiert in der öffentlichen Entsorgung bundesweit der sogenannte Regiebetrieb, also das Stadtreinigungsamt. Diese behördenähnlichen Betriebe, eingebunden in die Ämterorganisation und ausgerichtet an den Arbeitsabläufen der Verwaltung, können innerhalb eines Geschäftsjahres nicht auf veränderte Rahmenbedingungen der Abfallwirtschaft reagieren. Zudem dürfen sie keine eigenen Finanzmittel aufnehmen. Daneben gibt es in der kommunalen Abfallwirtschaft den sogenannten Eigenbetrieb, der, wie zum Beispiel die Berliner Stadtreinigung, zwischen dem behördenähnlichen Regiebetrieb und einer privatrechtlichen Gesellschaft anzusiedeln ist. Diese Betriebe haben ein eigenes Kostenwesen, mit ihren Einnahmen können sie Investitionen tätigen und selbständig Mittel- und Langfristprogramme finanzieren. Allerdings sind Eigenbetriebe an die finanziellen Rahmenpläne der Kommune gebunden. Außerdem haben sie ihre Mitarbeiter nach Bundesangestelltentarif zu bezahlen, das heißt, sie können für begehrte Fachleute keine Marktpreise bieten. Eigengesellschaften, eine dritte Form der Kommunalbetriebe, sind zwar auch an Weisungen gebunden, können aber die Um-

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setzung von Vorgaben so frei gestalten wie ein privater Betrieb. Weil Eigengesellschaften private Dritte an Investitionen beteiligen können, wird zwischen Kommunalbetrieb und Privatwirtschaft eine Aufgabenverteilung möglich. in die jeder seine spezifischen Stärken einbringen kann, so zum Beispiel bei der Altstoffvermarktung, ein Gebiet, auf dem kommunale Betriebe weniger Erfahrungen besitzen als private Firmen.

Ein Gutachten, von der Stadt Dortmund in Auftrag gegeben, arbeitet heraus, wie die Überleitung von Regiebetrieben und Eigenbetriebe in Eigengesellschaften unter Beachtung von Besitzständen und unter Wahrung von ausreichenden Einflußmöglichkeiten der Kommunen gestaltet werden kann. Da auch andere Städte, zum Beispiel Essen, Duisburg und Bochum, über eine Umstrukturierung der kommunalen Abfallwirtschaft nachdenken, könnte die heute noch behördenähnlich organisierte öffentliche Müllentsorgung von einem kommunalen Unternehmertum abgelöst werden, das betriebswirtschaftlich denkt und handelt und in der Lage ist, auf sich verändernde Rahmenbedingungen rasch zu reagieren.

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c) Abfallwirtschaftsplanung im Vergleich: die Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Berlin

Mit seinen rund 17,5 Millionen Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Land in der Bundesrepublik mit der dichtesten Industrieregion Europas. In diesem Land fallen ein Viertel des Hausmülls und der hausmüllähnlichen Abfälle aus den alten Ländern, 40 Prozent der Industrie- und Gewerbeabfälle und 55 Prozent der Sonderabfälle an. Das Landesabfallgesetz weist den Kreisen und kreisfreien Städte die Abfallentsorgung zu, die Einsammlung der Abfälle obliegt den Gemeinden. Mit ihren Einwohnerzahlen von 200 000 bis über eine Million sind die Kreise und Städte in der Lage, alleine oder in Kooperation mit benachbarten Körperschaften die erforderlichen Deponien sowie Aufbereitungs- und Behandlungsanlagen zu errichten und zu betreiben. Viele Kommunen machen von der Möglichkeit Gebrauch, das Einsammeln und Befördern der Abfälle Dritten zu überlassen. Auch die Kreise übergeben die Betriebsführung von Entsorgungsanlagen oft in die Hand privater Dritter.

Da die Kreise und kreisfreien Städte aus ihren Abfallsatzungen die Einsammlung schadstoffhaltiger Kleinmengen aus Gewerbebetrieben ausschließen,

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müssen kleine und mittlere Gewerbebetriebe zur Zeit noch mit großem Aufwand eine geordnete Entsorgung für diesen Müll sicherstellen. Mit einer Novellierung des Landesabfallgesetzes sollen daher die Kommunen verpflichtet werden, neben der bereits erfolgenden flächendeckenden Sammlung von Problemabfällen aus Haushalten auch Kleinmengen vergleichbarer Abfälle aus Gewerbebetrieben zu übernehmen. Außerdem sollen die Kreise und kreisfreien Städte Abfallberater einstellen, die über Möglichkeiten zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen informieren. Für diese Aufgabe, die auch an Dritte übertragen werden kann, waren Ende 1990 bei den Kommunen des Landes bereits 150 Fachkräfte tätig.

Sind die Kreise und kreisfreien Städte schon seit der Novellierung des Abfallgesetzes im Juni 1988 verpflichtet, für ihre Gebiete Abfallwirtschaftskonzepte aufzustellen, so wird das neue Landesabfallgesetz nun detaillierte Vorgaben machen. Danach sind in die Abfallwirtschaftskonzepte Maßnahmen zur Vermeidung und zur Verwertung von Müll einzuarbeiten sowie die getrennte Erfassung und Einsammlung von Wertstoffen, Anlagen zur technischen Aufbereitung von Abfällen, derzeitige und künftige Nutzungsmöglichkeiten für Abwärme und Deponiestandorte einzuplanen. Für jede dieser Planvorgaben ist der Ist-Stand zu erfassen, der zukünftige Stand zu prognostizieren und darzulegen, wie die angestrebten Ziele zu verwirklichen sind. Das Konzept muß alle fünf Jahre vorgelegt werden und jeweils eine Entsorgungssicherheit von zehn Jahren nachweisen. Auch Betriebe, die über 500 Kilogramm Sonderabfälle pro Jahr oder Massenabfälle größeren Umfangs produzieren, sollen nach dem Entwurf des neuen Landesabfallgesetzes Abfallwirtschaftskonzepte vorlegen, in die sämtliche Möglichkeiten zur Vermeidung und Verwertung der Abfälle einzuarbeiten sind.

Um die Abfallvermeidung und -verwertung zu fördern, hat das Umweltministerium vorgegeben, bei Hausmüll in den nächsten 10 Jahren eine Vermeidungsquote von 15 Prozent und eine Verwertungsquote von 30 Prozent zu erreichen. Zur Unterstützung dieser Ziele sind in einem ersten Schritt nahezu flächendeckend die Depotcontainernetze für Papier und Glas verdichtet und das getrennte Einsammeln von Altstoffen über Zusatzbehälter ausgeweitet worden. Außerdem wird das Kompostieren im eigenen Garten gefördert und das Kompostieren von Grünabfällen in dezentralen Anlagen in Angriff genommen. Von den produktionsspezifischen Abfällen (ohne Bodenaushub, Bauschutt und Straßenaufbruch) werden in Nordrhein-

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Westfalen zur Zeit etwa 50 Prozent wiederverwertet. Diese Quote soll auf 70 Prozent steigen.

Zur weiteren Unterstützung von Wiederverwertung und Müllvermeidung fördert das Land mit dem Programm "Zukunftstechnologien" unter anderem die Entwicklung neuer umwelttechnischer Verfahren und Produkte für die Reststoffverwertung. So unterstützt Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gemeinsam mit dem Bund die Hydrierung von gemischten Kunststoffabfällen, ein Verfahren, bei dem hochwertige Kohlenwasserstoffe gewonnen und Schadstoffe abgebaut werden. Außerdem stellt das Land im Rahmen des Förderprogramms Abfall Vermeidung und -verwertung seit 1988 Mittel zur Gewährung verbilligter Kredite zur Verfügung, um kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen, kurzfristige Investitionen zur Vermeidung, Verminderung und Verwertung produktionsspezifischer Abfälle zu tätigen.

Obwohl in Nordrhein-Westfalen für Sonderabfälle an 13 Standorten Verbrennungsanlagen mit einer installierten Kapazität von 320 000 Tonnen pro Jahr zur Verfügung stehen, die zwei öffentlich betriebenen Deponien noch eine Laufzeit einmal von 6 und einmal von 10-14 Jahren haben und die 22 betriebseigenen Sondermülldeponien im Schnitt noch 20 Jahre beschickt werden können, müssen weitere Entsorgungskapazitäten geschaffen werden. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß die Menge der im Produktionsprozeß anfallenden Abfälle trotz weiteren Wirtschaftswachstums rückläufig sein wird, aber Umweltschutzmaßnahmen zur Reinhaltung der Luft und des Wasser werden diesen Rückgang im Sondermüllaufkommen der Betriebe kompensieren. Daher sieht das erstmals 1988 vorgelegte "Rahmenkonzept zur Planung von Sonderabfallentsorgungsanlagen" vor, daß in zwei der fünf Regierungsbezirke des Landes insgesamt 3 zusätzliche chemisch-physikalische Behandlungsanlagen mit einer Durchschnittsleistung von 50 000 Tonnen pro Jahr in Betrieb zu nehmen sind. Daneben werden sechs weitere Anlagen zur Verbrennung von Sonderabfall benötigt sowie Deponieflächen mit einer Kapazität von 12 Millionen Tonnen. Für eine Anlage zur Verbrennung von Sonderabfällen mit einer Jahreskapazität von 50 000 Tonnen ist im März 1991 der Planfeststellungsbeschluß ergangen, für drei weitere Anlagen läuft das Planfeststellungsverfahren, und drei Regierungsbezirke arbeiten intensiv an Plänen für die Errichtung von Sonderabfalldeponien.

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Anders als in Nordrhein-Westfalen sind die 1774 Kommunen des 2,6 Millionen Einwohner zählenden Landes Brandenburg nicht finanzkräftig genug, ihre von der Kommunalverfassung zugewiesene Entsorgungspflicht zu erfüllen, es sei denn, man würde die Bürger mit unzumutbar hohen Gebühren belasten. Die kleinste Kommune in Brandenburg hat 31, die 44 Kreise und kreisfreien Städte haben zwischen 24 000 und 140 000 Einwohner.

Um die Kommunen zu entlasten, hat das Vorschaltgesetz zum Landesabfallgesetz die Entsorgungspflicht den Kreisen übertragen, die sich zu Abfallentsorgungsverbänden zusammenschließen können. Zudem konkretisiert das Vorschaltgesetz die in der Regierungserklärung des brandenburgischen Ministerpräsidenten herausgestellte Absicht, die Vermeidung und Verwertung von Abfällen zu unterstützen. So wird bestimmt, daß in Brandenburg Wertstoffe getrennt zu sammeln und einer Wiederverwertung zuzuführen sind. Neben Weißblech, Papier, Schrott, Plaste und Textilien sollen auch Bioabfälle erfaßt und kompostiert werden. Damit der Schadstoffgehalt des zu entsorgenden Restmülls möglichst niedrig ist, werden auch die Sonderabfälle aus Haushalten und Kleingewerbebetrieben separat erfaßt und möglichst verwertet.

Um Transporte zu sparen, haben die Kreise dezentrale Sortier- und Verwertungskapazitäten zu schaffen, wobei die Landesregierung den Aufbau der Verwertungsindustrie unterstützt. In der Diskussion ist zum Beispiel der Bau eines Kunststoffrecycling-Zentrums. Weitere Schwerpunkte werden die Papierherstellung, die dezentrale Kompostierung von Bioabfällen und das Recyceln von Baurestmassen sein. Da trotz der Vermeidungsmaßnahmen die thermische Verwertung als unverzichtbar gilt, soll die im Abfall vorhandene Energie zur Erzeugung von Strom, Dampf oder Fernwärme genutzt werden.

Bis zur Realisierung neuer Entsorgungsstrukturen muß ein vorläufiger Abfallentsorgungsplan kurz- und mittelfristig die Müllbeseitigung sichern. Dieser vorläufige Plan soll mit dem Vorschaltgesetz zum Landesabfallgesetz veröffentlicht werden. Um möglichst viele der rund 2000 meist unkontrollierten und unzureichend bewirtschafteten Deponien und Müllkippen schließen zu können, will man Deponiekapazität auf einige wenige Standorte zentralisieren, die in Absprache mit den Kreisen und kreisfreien Städten festgelegt werden.

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Zur Schätzung der zukünftigen Abfallmengen geht der vorläufige Abfallentsorgungsplan mangels geeigneter Daten und einer nicht klar überschaubaren Wirtschaftsentwicklung davon aus, daß sich das Hausmüllaufkommen ähnlich wie in den alten Bundesländern entwickeln wird. Das würde für Brandenburg ein jährliches Aufkommen an Haus- und Sperrmüll von knapp 920 000 Tonnen bedeuten. Baurestmassen werden mit rund 4,6 Millionen Tonnen anfallen, nicht prognostizierbar sind Gewerbeabfälle, besonders auch diejenigen, die als überwachungsbedürftige Abfälle gelten. Der vorläufige Entsorgungsplan wird daher auch nur eine Auflistung der bereits vorhandenen Abfallentsorgungsanlagen enthalten. Aufträge an Ingenieurbüros sollen sichern, daß die notwendige Fortschreibung des vorläufigen Plans in kurzen Zeitabständen erfolgen kann.

Um geeignete Standorte für Abfallentsorgungsanlagen zu finden, erfolgt unter den zur Verfügung stehenden Flächen des Landes eine Vorauswahl. Dabei kommen als Ausschlußkriterien zum Tragen: Siedlungen, Flughäfen, Wasserschutzgebiete, Überschwemmungsgebiete, Sümpfe und Moore, Feuchtgebiete, Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Erholungs- und Kurgebiete, Natur- und Kulturdenkmäler, Bergsenkungsgebiete und Sonderflächen. Außerdem müssen im Einzelfall noch Einzelbebauung, Rohstoffschutzgebiete, Sonderkulturflächen und Militärgebiete berücksichtigt werden. Nach dieser Vorauswahl werden die potentiell geeigneten Flächen im Hinblick auf ihre geologisch-hydrologische Eignung und auf ihre Anbindbarkeit an Eisenbahnstrecken bewertet. Die dann als geeignete Standorte ausgewählten Flächen sollen noch im Frühsommer 1991, unter Berücksichtigung der räumlichen Verteilung des Abfallaufkommens und der Eigentumsverhältnisse, in eine Prioritätenliste gebracht werden. Zusammen mit den Kreisen werden dann die Standorte diskutiert, wobei das Ministerium seine Untersuchungen als Hilfe für die Entscheidungsfindung versteht. Nach heutigem Erkenntnisstand werden rund 10 Standorte für zentrale Deponien einzurichten sein, gegebenenfalls ausgerüstet mit Sortieranlagen und Anlagen zur thermischen Müllbehandlung. Über das endgültige Konzept ist allerdings erst zu befinden, wenn die geplante Kreisreform abgeschlossen ist, die nach einem Vorschlag des Innenministers zu insgesamt 13 Kreisen und kreisfreien Städten führen soll.

Für die Behandlung von Sonderabfällen ist der Aufbau eines Landesentsorgungsbetriebes angestrebt, unter Beteiligung der privaten Entsorgungs-

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wirtschaft und der bedeutenden Abfallerzeuger des Landes. Daneben werden auch spezialisierte private Entsorger tätig sein.

Brandenburg, das mit seinen Deponien rund um Berlin schon seit Jahren die Stadt vor dem Müllkollaps bewahrt, ist auch weiterhin bereit, Berliner Müll aufzunehmen, vorausgesetzt, die bis zur Wende einbahnstraßenartigen Beziehungen entwickeln sich zu einer gegenseitigen Partnerschaft, in dem Brandenburg nicht mehr als Hinterland, sondern als Umland Berlins wirkt. So könnte Berlin zum Beispiel zum Ausgleich für die Anlieferung von Hausmüll Brandenburger Sondermüll in Berliner Anlagen behandeln. Außerdem müsse Berlin versuchen, durch Vermeidung und Verwertung soviel Abfall wie möglich einzusparen. Und schließlich sei der Brandenburger Bevölkerung nicht zuzumuten, daß Berliner Abfälle weiterhin mit lärmerzeugenden und umweltbelastenden LKWs herantransportiert würden, so daß an der Erschließung von Schiene und Wasserweg zu arbeiten ist. Auch die Müllverbrennung sollte in Berlin stattfinden. Sowohl in bezug auf die anderen Bundesländer als auch auf das Ausland gilt für das Land Brandenburg, daß man weder Import- noch Exportland für Abfälle sein. Fremdleistungen auf ein Minimum beschränken und möglichst nur auf Gegenseitigkeit gewähren und in Anspruch nehmen will.

Das an einer engen Zusammenarbeit mit Brandenburg interessierte Land Berlin wird versuchen, die im Stadtgebiet anfallenden Abfälle soweit wie möglich zu vermeiden, zu verwerten und von Schadstoffen zu entfrachten. Allerdings werden die dafür zu ergreifenden Maßnahmen Zeit kosten. Im Rahmen einer Projektgruppe des Provisorischen Regionalausschusses Berlin/ Brandenburg wird an der Entwicklung eines zwischen Berlin und Brandenburg abgestimmten Abfallkonzepts gearbeitet, das unter anderem die Verlagerung des Mülltransports von der Straße auf Schiene und Wasserweg anstrebt. Eine Vorbehandlung der Abfälle ist geplant, zum Beispiel die Entfernung nicht brennbarer Bestandteile wie Aschen aus dem Hausmüll. Außerdem will Berlin über die Tarifstruktur versuchen, Einfluß auf das Müllaufkommen zu nehmen, wobei allerdings zu beachten ist, nicht ungewollt Anreize zum heimlichen Wegwerfen von Müll auf wilde Kippen zu setzen. Zudem wird das Land mit nachträglichen Anordnungen auf der Basis des Bundes-Im-missionsschutzgesetzes für schon bestehende Produktionsanlagen Maßnahmen zur Vermeidung, Verwertung und Schadstoffentfrachtung bewirken. Um die Verwertung zu fördern, schreibt die Änderung des Stadtreini-

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gungsgesetzes vor, bei der Einsammlung von Siedlungsabfällen Wertstoffe, wie Papier, Glas und zum Teil Kunststoffe, getrennt zu sammeln. Erprobt wird auch die Getrennterfassung von kompostierbaren Abfällen. Und schließlich will die Landesregierung Anreize für die Absetzbarkeit von Recyclingprodukten setzen.

Da die noch verbleibenden Abfälle von Schadstoffen möglichst zu entfrachten sind, benötigt Berlin weitere Anlagen für die Sondermüllentsorgung. Das nach Ausfall der geschlossenen Brandenburger Deponie Vorketzin eingerichtete Zwischenlager für Sondermüll in Berlin muß auch in Zukunft betrieben werden. Die im Westteil der Stadt für die Entsorgung des Mülls zuständigen Berliner Stadtreinigungsbetriebe übernehmen zur Zeit auch die Beseitigung des Sondermülls aus Ost-Berlin, denn die dort zuständige Stadtreinigung Berlin, hervorgegangen aus dem VEB Stadtwirtschaft, verfügt über keine dafür geeigneten Kapazitäten. Beide Betriebe haben bisher eine gemeinsame Geschäftsleitung, vorsehen ist eine Zusammenführung zu einem Eigenbetrieb. Es ist daran gedacht, die Sondermüllbeseitigung in Berlin einem zentralen Träger zu übertragen, an dem sich neben den Abfallerzeugern und der Wirtschaft auch die Berliner Stadtreinigungsbetriebe beteiligen sollen. Sofern Brandenburg auch einen zentralen Träger für die Sonderabfallentsorgung schafft, sieht Berlin eine gemeinsame Sonderabfall-Entsorgungsgesellschaft als sinnvolle Rationalisierungsmaßnahme an.

Sowohl Brandenburg und Berlin als auch Nordrhein-Westfalen versuchen, Vermeidung- und Verwertung in der Abfallwirtschaft zu fördern. Die dafür zur Verfügung stehenden Instrumente wie Neustrukturierung der Gebührenordnung, Förderung von abfallarmen Technologien und Unterstützung bei der Erschließung von Märkten für wiederverwertbare Stoffe werden allerdings nur dann erfolgreich wirken, wenn die Bevölkerung bereit ist, bewußte Konsumentscheidungen im Hinblick auf Abfallvermeidung zu treffen und den eigenen Müll nach Gruppen getrennt zu sammeln. Daß noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist, zeigt sich beispielhaft am Land Brandenburg, wo viele Gaststätten heute Getränke in Einwegsystemen anbieten, zum Teil herbeigeschafft aus den westlichen Bundesländern, obwohl Produkte gleicher Güte aus der Region zur Verfügung stehen würden. Noch immer beeinflussen - nicht nur in Brandenburg und in den anderen neuen Ländern, sondern überall im Bundesgebiet - Bequemlichkeit

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und Produktimage die Nachfrage mehr als die bewußte Entscheidung für Waren, die umweltfreundlich produziert und vor allem zu entsorgen sind.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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