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3. Mit Vorschriften und Anreizen den Müllberg bezwingen - die Instrumente der Abfallwirtschaft

Nach Artikel 74 des Grundgesetzes unterliegt die Abfallbeseitigung der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und Ländern. Danach bestimmt die Landesgesetzgebung die für die Entsorgung von Abfällen zuständigen Körperschaften, also Gemeinden. Kreise und kreisfreien Städte. Die öffentlichen Körperschaften können sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen. In ihren Abfallsatzungen schließen die Kreise und Kommunen in der Regel den im Gewerbe anfallenden umweltschädlichen Müll sowie andere Abfälle, die nach Art und Menge nicht mit dem Hausmüll vergleichbar sind, von der öffentlichen Entsorgung aus. Dann trägt der Besitzer dieser Abfälle die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Beseitigung dieser Reststoffe.

Zwar hatte die Bundesregierung sich bereits mit dem Abfallwirtschaftsprogramm von 1975 die Reduzierung der Abfälle sowie die Steigerung der Abfallverwertung zum Ziel gesetzt. Aber erst das am l. November 1986 in Kraft getretene "Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen", kurz Abfallgesetz., hat dem Bund rechtliche Instrumente für die zielgerichtete Umsetzung von Maßnahmen zur Abfallvermeidung und -verwertung an die Hand gegeben.

Das auch in den neuen Ländern geltende Abfallgesetz schreibt vor, Abfälle zu vermeiden und ermächtigt die Bundesregierung, nach Anhörung beteiligter Kreise und nach Zustimmung des Bundesrates, mit Rechtsverordnungen gezielt auf den Anfall und auf die Entsorgung schadstoffhaltiger Abfälle sowie auf Massenabfälle Einfluß zu nehmen. Zum Beispiel können Waren mit Kennzeichnungs-, Rücknahme- und Pfandpflichten belegt werden. Auch das Inverkehrbringen von Produkten kann der Bund verbieten, wenn bei der Entsorgung dieser Güter nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu vermeiden ist, daß Schadstoffe an die Umwelt gelangen. Beispiele für solche Verordnungen sind die Altölverordnung, die unter anderem festlegt, welche Altöle überhaupt aufbereitet werden dürfen, sowie eine Verordnung, die bestimmt, daß Getränkeverpackungen aus Kunststoffen zurückzunehmen und mit einem Pfand zu belegen sind.

Um Industrie, Handel und Gewerbe die Möglichkeit zu geben, die politisch für notwendig gehaltenen Maßnahmen in eigener Initiative und möglichst gut

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angepaßt an branchenspezifische Umsetzungsbedingungen zu ergreifen, setzt das Abfallgesetz zunächst auf das Kooperationsprinzip: Mit Zielfestlegungen, die im Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind, kündigt der Bund geplante Maßnahmen für die Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen an. Solche Zielfestlegungen geben zum Beispiel vor,

  • Bauschutt ab 1992 zu 60 Prozent wiederzuverwerten,
  • kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke ab Juli 1991 zu 80 Prozent in Mehrwegflaschen abzufüllen,
  • den Anteil an Altpapier bei der Papierproduktion zu steigern.

Mit Selbstverpflichtungen bemühen sich Industrie und Handel, gesetzlichen Regelungen zuvorzukommen. Zum Beispiel haben sich Batteriehersteller und Handel bereit erklärt, Batterien, deren Schadstoffgehalt festgelegte Grenzen übersteigt, nach Gebrauch zurückzunehmen. Eine andere Selbstverpflichtung sieht die Rücknahme von Kältemitteln und die mit Nachdruck betriebene Entwicklung von unschädlichen Kältemitteln und Isoliermaterialien für Kühlgeräte vor.

Mit der Technischen Anleitung Abfall (TA Abfall) erläßt die Bundesregierung Vorschriften für die Beseitigung von Abfällen, so zum Beispiel die Bestimmung, daß vorwiegend mit organischen Schadstoffen belasteter Müll zu verbrennen ist, während Abfälle mit überwiegend anorganischen Schadstoffen chemisch/physikalisch behandelt werden müssen. Die Technische Anleitung Besonders überwachungsbedürftige Abfälle (TA Sonderabfall) legt technische Anforderungen an die Einrichtung, den Betrieb und an die Nachsorge für Anlagen zur Behandlung von Sonderabfällen fest und bestimmt Qualifikationsanforderungen für das Betriebspersonal. Außerdem listet diese Verwaltungsvorschrift die verschiedenen Abfallarten in einem Katalog auf und weist ihnen jeweils bestimmte Entsorgungswege zu.

Weitere Einflußmöglichkeiten auf die Qualität der Abfallentsorgung bieten das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die dazu von der Bundesregierung verordneten Vorschriften. Für genehmigungsbedürftige Anlagen, zu denen auch Einrichtungen für die Müllverbrennung zählen, werden Anforderungen an die Feuerung und an die Behandlung von Reststoffen wie Schlacken. Filter- und Kesselstäube gestellt. Es werden Höchstwerte für Emissionen und Regelungen für die Verwertung der in diesen Anlagen entstehenden Wärme

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festgelegt. Zudem schreibt das Bundes-Immissionsschutzgesetz vor, neu zu errichtende Produktionsanlagen so zu konstruieren und zu betreiben, daß Reststoffe, die weder verwertbar noch schadlos zu entsorgen sind, vermieden werden.

Noch in dieser Legislaturperiode soll eine Novellierung des Abfallgesetzes die Abfallvermeidung unterstützen und dem Produzenten und dem Handel die Verantwortung für die Entsorgung der hergestellten und vertriebenen Produkte auferlegen. Darüber hinaus ist ein Verbot von Produkten vorgesehen, für die keine als umweltverträglich angesehene Entsorgung nachgewiesen werden kann. Schließlich sollen Betriebe verpflichtet werden, alle umweltrelevanten Daten offenzulegen. Außerdem ist eine Verordnung über die umweltverträgliche Entsorgung von Kraftfahrzeugen geplant. Diese Verordnung wird Verkäufer von Kraftfahrzeugen verpflichten, Altautos kostenlos zurückzunehmen und die Entsorgung zu gewährleisten. Weil dabei die stoffliche Verwertung der Kraftfahrzeuge im Vordergrund stehen soll, stellt die geplante Verordnung auch Ansprüche an den Hersteller, der Neufahrzeuge verwertungsfreundlich konstruieren muß. Und schließlich ist vorgesehen, mit einer Verordnung über die Entsorgung von Elektronikschrott Verkäufer von elektrischen Geräten und Bauteilen zur kostenlosen Rücknahme von Altgeräten und -bauteilen zu verpflichten.

Eine einschneidende Verringerung des Verpackungsmülls, der heute rund 50 Prozent des Volumens und 30 Prozent des Gewichts des Hausmülls in den alten Ländern ausmacht, soll die von der Bundesregierung vorgelegte und inzwischen vom Bundesrat genehmigte Verpackungsverordnung bringen. Danach müssen Erzeuger und Vertreiber von Transportverpackungen diese ab Dezember 1991 zurücknehmen. Umverpackungen, also zusätzliche Verpackungen, die wie Blister, Folien und Kartonagen dem Handel zur Einschränkung von Ladendiebstahl, zur Werbung oder zur Ermöglichung von Selbstbedienung dienen, können ab April 1992 vom Käufer im Laden zurückgelassen werden. Ab Januar 1993 muß der Handel für gebrauchte Verkaufsverpackungen im Laden oder in der unmittelbaren Nähe Rücknahmemöglichkeiten schaffen. Die zurückgenommenen Verpackungen sind zu verwerten.

Um einen Anreiz zu setzen, daß der Verbraucher Verpackungen zurückgibt, ist ab Januar 1993 auf Getränkeeinwegverpackungen, auf Verpackungen für

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Wasch- und Reinigungsmittel mit Ausnahme von Nachfüllverpackungen und auf Verpackungen für Dispersionsfarben ein Pflichtpfand zu erheben, je nach Art und Größe der Verpackung zwischen von 0,50 DM und 2 DM.

Die Verordnung räumt der Wirtschaft ein, die Rücknahme- und Pfandpflicht durch verbraucherfreundliche Erfassungssysteme für Verpackungen zu ersetzen. Damit die Ziele der Verordnung erfüllt werden, sind folgende Anforderungen gestellt: Von Januar 1993 bis 30 Juni 1995 müssen, gemessen am Gewicht, mindestens die Hälfte aller im Einzugsgebiet anfallenden Verpackungen durch ein solches System erfaßt sein, ab Juli 1995 sogar 80 Prozent. Für die erfaßten Verpackungen sind Sortierquoten festgelegt, die zum Beispiel bestimmen, daß ab Juli 1995 im jährlichen Durchschnitt 90 Prozent des Glases, des Weißblechs und des Aluminiums in stofflich verwertbarer Form aussortiert werden. Außerdem muß im Einzugsgebiet der Anteil an Mehrwegverpackungen für Getränke wie Bier, Wasser, Säfte, Wein und Erfrischungsgetränke bei mindestens 72 Prozent liegen.

Der Handel, die abpackende Industrie, Verpackungsmaterialhersteller und Lieferanten von Vormaterial haben auf die Verpackungsverordnung mit der Gründung der Gesellschaft Duales System Deutschland GmbH reagiert. Diese, mittlerweile an die 400 Mitgliedsunternehmen umfassende Gesellschaft setzt sich zum Ziel, Verpackungen von der Erzeugung bis zur Verwertung so zu behandeln, daß eine möglichst große Verpackungsmenge in möglichst gut verwertbarer Qualität erfaßt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, vergibt die Gesellschaft gegen ein Nutzungsentgelt den "Grünen Punkt" für Verpackungen, die so beschaffen sind, daß eine stoffliche Verwertung außerhalb der öffentlichen Entsorgung möglich und für die eingesammelten Verpackungen die Abnahme und Verwertung sichergestellt ist. Angestrebt wird, zusammen mit den entsorgungspflichtigen Körperschaften, privaten Entsorgern und Unternehmen der Recyclingwirtschaft ein flächendeckendes und haushaltsnahes Sammel- und Verwertungssystems für Verpackungen aufzubauen. In wenigen Jahren soll jeder Haushalt in der Bundesrepublik an das Verwertungssystem angeschlossen sein, das schwerpunktmäßig zunächst in den neuen Ländern aufgebaut wird.

Die bisher in der Abfallwirtschaft angewandten Instrumente haben eher ordnungsrechtlichen Charakter; sie setzen der Wirtschaft rechtliche Rahmen-

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bedingungen für die Produktion und für den Umgang mit Abfällen. Ökonomische Anreize zur Abfallvermeidung beschränken sich bisher im wesentlichen auf Pfandregelungen. Weitere Anreize erwartet man vom Abfall-Abgaben-Gesetz. das Anfang 1992 in Kraft treten soll und die Erhebung einer Abgabe auf alle Abfälle wie Sonderabfälle, Massenabfälle, Bauschutt, Straßenaushub, Erdaushub und Hausmüll festlegt, mit Ausnahme der stofflich verwertbaren Abfälle und derjenigen Abfälle, die bei der Sanierung von Altlasten anfallen. So ist zum Beispiel als Grundbetrag eine Abgabe von 20 DM pro Tonne Hausmüll und 100 DM pro Tonne Sondermüll geplant. Ein Schadstoffzuschlag soll weitere Anreize zur Entfrachtung des Mülls von Schadstoffen setzen. Vorgesehen ist. daß sich im Laufe von zehn Jahren die Abgabensätze verdoppeln. Damit den neuen Ländern Zeit für die Schaffung der nötigen Infrastrukturen zur Abfallvermeidung bleibt, werden dort die Abgaben mit zeitlicher Verzögerung erhoben. Das Abgabenaufkommen soll zur Finanzierung von Maßnahmen der Abfallvermeidung-, verwertung - und entsorgung sowie zur Altlastensanierung eingesetzt werden. Investitionen, die im Sinne des angestrebten Lenkungseffekts wirken, können gegen die Zahlung der Abgabe verrechnet werden. Ein Teil der in den alten Bundesländern erhobenen Abgaben soll in die neuen Bundesländer fließen.

Sowohl mit den Aufkommen aus der Abfallabgabe als auch mit den Leistungen des Dualen Systems wird nur ein Teil der umfassenden Aufgaben beim Aufbau einer wirtschaftlichen und umweltgerechten Abfallentsorgung in den neuen Ländern zu finanzieren sein. Allerdings ist eine zuverlässige Abschätzung der dafür nötigen Investitionen heute noch nicht möglich. Es fehlen nicht nur gesicherte Daten über das zu erwartende Abfallaufkommen, vor allem im gewerblichen und industriellen Bereich. Auch die Bewertung, ob bestehende Anlagen weitergeführt werden können und welche Investitionen dabei erforderlich sind, ist ebensowenig abgeschlossen wie die Beurteilung des Sanierungsbedarfs bei Altlasten, wilden Müllkippen und ungenügend gesicherten Deponien. Finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung dieser Aufgaben bietet die öffentliche Hand mit zahlreichen, zum Teil speziell auf die neuen Länder zugeschnittenen Fördermaßnahmen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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