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[Seite der Druckausgabe: 10 / Fortsetzung] 3. Die Finanzierung In bezug auf staatliches Engagement bzw. staatliche Investitionen in den Wohnungsbau - die für die Zukunft verstärkt und kontinuierlich gefordert werden - wird davon ausgegangen, daß der Rückgang der Wohnungsbautätigkeit wie der Rückgang anderer großer Investitionsbereiche zunehmender Staatsverschuldung immanent ist. Da, entgegen ihrer ökonomischen Bedeutung, Investitionen in Staatshaushalten disponibel sind, muß eine Haushaltsentwicklung mit steigendem Zinsanteil automatisch zu einer Reduktion der Investitionen führen. Die Unstetigkeit der öffentlichen Haushalte während bestimmter Konjunktursituationen hat verheerende Auswirkungen auf die Versorgungslage gehabt; heutige Wohnungsnot [Seite der Druckausgabe: 11] oder -engpässe resultieren zu einem wesentlichen Teil aus dieser Unstetigkeit. Zur umfassenden und kontinuierlichen Erfüllung des sozialstaatlichen Wohnungsbedarfs folgt daraus allgemein, daß relativ autonome, von den jährlichen Haushalten unabhängige Finanzierungsinstrumente gestaltet werden müssen, z. B. in regionalen, sinnvollerweise bundesweit verbundenen Sondervermögen organisiert. In bezug auf privates Engagement bzw. private Investitionen wird davon ausgegangen, daß es einen großen Anteil an einkommensstärkeren Haushalten gibt, der bereit ist, in den Neubau von Eigentumswohnungen zu investieren, jedoch durch das bisherige Fördersystem von der Eigentumsbildung ausgeschlossen wird. Durch mögliche steuerliche Vergünstigungen könnte so ein zusätzliches privates Investitionspotential für den Wohnungsneubau aktiviert und zur Verminderung der Wohnungsnot mobilisiert werden. Und da diese Haushalte mit ihrer gehobenen Nachfrage nach ihrer Wohneigentumsbildung nicht weiter auf den Wohnungsmärkten als "Verdränger" wirken, wäre ein nachlassender Druck auf dem Mietwohnungsmarkt möglich. Ob jedoch der ein entsprechender Sickereffekt in dem erwarteten Ausmaß eintreten wird, ist fraglich, zumal sich der Fehlbestand an Wohnungen nicht mehr und nicht nur auf niedrige Einkommensgruppen konzentriert. Die Subventionierung des Wohneigentums kann angesichts der zeitlichen, sozialen und zahlenmäßigen Wohnungsnot sicher nicht das zentrale Gestaltungsinstrument staatlicher Wohnungspolitik sein. 3.1 Der soziale Wohnungsbau Der festgestellte Neubau-Bedarf von insgesamt 530.000 WE p. a. kann insbesondere bei den derzeit hohen Kosten und Zinsen auch nicht annähernd durch den freifinanzierten Wohnungsbau - trotz erheblich verbesserter steuerlicher Rahmenbedingungen - erfüllt werden. Deshalb ist der staatlich finanzierte Wohnungsbau als Daueraufgabe der Wohnungspolitik gefordert. Der soziale Wohnungsbau ist durch drei substantielle Komponenten definiert:
[Seite der Druckausgabe: 12]
Wesentliche Veränderungen oder Wegfall einer dieser Komponenten ist ein wohnungspolitisches Alarmsignal, zumal die neue Studie "Armut im Wohlstand", herausgegeben vom Deutschen Gewerkschaftsbund und Wohlfahrtsverbänden, feststellt, daß sich der in den 80er Jahren entwickelte Trend zur "gespaltenen Zweidrittel-Gesellschaft" (zwei Drittel Wohlhabende, ein Drittel Arme) zukünftig noch verschärfen wird. Unterversorgung in dem zentralen Lebensbereich Wohnen gilt hier ebenso wie geringes Einkommen als Armutskriterium. Entgegen dem so definierten und lange praktizierten sozialen Wohnungsbau ist die derzeitige Entwicklung in den alten Bundesländern durch folgende Tendenzen gekennzeichnet:
[Seite der Druckausgabe: 13]
die der Bund mit seinem Engagement den Ländern für 1991 eröffnet. In bezug auf die Notwendigkeit sozialen Wohnungsbaus und dessen Anteil am festgestellten Neubau-Bedarf lauten daher die Forderungen: [Seite der Druckausgabe: 14]
Angesichts der Wohnungsnot-Situation müßte der soziale Wohnungsbau längst eine Renaissance erlebt haben. Es gibt zu viele Obdachlose, weil es zu wenig Sozialwohnungen gibt. Und vielen der lange erfolglos Wohnungssuchenden droht die Gefahr der Obdachlosigkeit, auch infolge eines dauerhaft zu geringen Mietwohnungsangebots. Zwar kommt der soziale Wohnungsbau dem Staat und dem Steuerzahler teuer zu stehen, doch angesichts der konkreten Wohnungsnot bestimmter Nachfragergruppen ist er vielerorts verstärkt und kontinuierlich vonnöten. Die fast überall vorhandenen Fehlbelegungen können per Bundesgesetz von den Ländern nach eigener Gestaltung - die den regionalen Erfordernissen entsprechen sollte - mit Fehlbelegungsabgaben versehen werden, die voll in den Wohnungsbau investiert werden könnten. Überschläglich würde sich hieraus für das Bundesgebiet - orientiert an der Fehlbelegungsabgabe in Nordrhein-Westfalen - ein Finanzierungsvolumen von ca. 1/2 Mrd. DM ergeben. Die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus stellt sich in den neuen Bundesländern insofern anders als in den alten Bundesländern dar, als Bevölkerungsentwicklung und Wohnungsbestand sich extrem unterscheiden:
[Seite der Druckausgabe: 15] Daraus leiten sich auch Anforderungen an den zukünftigen sozialen Wohnungsbau in den neuen Bundesländern ab. Dort stellt sich primär die Frage, welche Belegungsrechte an dem Wohnungsbestand die Kommunen zukünftig haben werden, denn nach Übernahme der ehemals volkseigenen Wohnungsbestände durch kommunale Unternehmen steht nun der Auftrag der Privatisierung - so der Einigungsvertrag - an. Privatisierbar sind in erster Linie jene Bestände, die nicht "Platte" sind. Bei falscher Weichenstellung werden die Kommunen tendenziell auf den nicht ausfinanzierten Plattenbauten sitzenbleiben. Damit ist eine Grundlage für ein extremes sozialpolitisches "Gemisch" gelegt. Die städtebaulich zum Teil unerträglichen Plattenbauweisen werden mittelfristig immer stärker mit Problemmietern belegt werden. Die Kommunen werden keine andere Möglichkeit haben, zumal sie weder finanziell in der Lage sind, die Annuitäten der Altschulden zu bedienen, noch Mittel für Instandsetzung aufzubringen - von Maßnahmen im Sinne der Nachbesserung von Wohnungsanlagen ganz zu schweigen. Deshalb müssen die Kommunen in den neuen Bundesländern umgehend in die Lage versetzt werden, trotz des Privatisierungsauftrages Belegungsrechte auch in den besseren Beständen zu erwerben. Die den Kommunen zugefallenen Wohnungen in Plattenbauweise sind mit hohen Verbindlichkeiten belastet, die bei den genossenschaftlichen und ehemals volkseigenen Wohnungen auf 86 Mrd. DM geschätzt werden. Sollen die Kommunen je eine Chance erhalten, diese Bestände wirtschaftlich zu vermieten, dann muß die Altlast der Verbindlichkeiten deutlich abgebaut werden. Notwendig ist zudem die Umwandlung eines Teils dieser Verbindlichkeiten in quasi öffentliche Mittel mit den Folgen, die im Wohnungsbindungsgesetz verankert sind. Außerdem muß auf einen erheblichen Teil der Altlasten verzichtet werden. So können Chancen auch für einen sozialen Wohnungsbestand in den neuen Bundesländern eröffnet werden. 3.2 Das Wohneigentum Ursache für den hohen Wohnungsbedarf ist auch die sogenannte wohlstandsbedingte Nachfrage, die in den städtischen Wohnungsmärkten intensiv mit den Unterbringungserfordernissen der sozial schwächeren Haushalte konkurriert. In diesem Zusammenhang es stellt sich die Frage, ob nicht die einkommensstärkeren Haushalte durch Eigentumsförderung als zusätzliche private Investoren gewonnen werden sollen. Hierdurch [Seite der Druckausgabe: 16] könnte zugleich die wohlstandsbedingte Verdrängungswirkung auf den Mietwohnungsmarkt vermindert werden. Der mögliche Anteil des Eigentumswohnungsbaus an der Erfüllung des festgestellten Neubau-Bedarfs von jährlich 530.000 WE wird auf ungefähr 1/3 geschätzt. Es wird davon ausgegangen, daß ein beträchtlicher Teil der Haushalte, die heute 15 oder mehr DM Miete für eine Wohnung zahlen, gegebenenfalls auch bereit wäre. Wohneigentum zu bilden und dafür eventuell sogar eine Zeitlang Belastungen von 25 DM/qm in Kauf zu nehmen. Vielfach handelt es sich um Haushalte, die trotz der hohen Mieten auch große Wohnflächen realisieren. Das gilt insbesondere für kinderlose Ein- und Zweipersonenhaushalte, viele doppeltverdienende Haushalte in den Städten. Soweit sie über Arbeitsplätze verfügen, die wenigstens auf 5 bis 6 Jahre sicher sind, macht die Wohneigentumsbildung für diese Haushalte durchaus Sinn, auch im Hinblick auf die Alterssicherung. Vom bisherigen Fördersystem sind diese Haushalte bei der Eigentumsbildung de facto weitgehend ausgegrenzt. Ihre Einkommen sind zu hoch, um noch in den Genuß einer Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu kommen, abgesehen davon, daß hier kinderlose Haushalte generell ausgeschlossen sind. Andererseits sind ihre Einkommen nicht hoch genug, um bei den derzeitigen Preisen eine freifinanzierte Eigentumswohnung bezahlen zu können, denn dabei ergeben sich - wenn man die Verzinsung des Eigenkapitals mit berücksichtigt - Monatsbelastungen von mehr als 35 DM/qm. So viel können und wollen auch gutverdienende Haushalte zur Zeit nicht für das Wohnen in der Stadt ausgeben, auch nicht um den Preis der Wohneigentumsbildung. Sie bevorzugen dann eine Mietwohnung und treten dadurch als "Verdränger" auf. Hinzu kommt, daß ein beträchtlicher Teil der Mietwohnungsnachfrager mit gutem Einkommen bereits Objektverbrauch nach § 7 b bzw. 10 e hat, weil er früher schon einmal Eigentümer oder Miteigentümer eines Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung war, die inzwischen wegen einer Scheidung oder berufsbedingten Ortswechsels verkauft ist. Diese Haushalte erhalten nach geltendem Recht für die erneute Schaffung von selbstgenutztem Wohneigentum - gemeint ist keine Zweitwohnung - keine Erleichterungen mehr, so daß sich für sie Wohneigentum im Vergleich zur Mietwohnung überhaupt nicht rechnet. Bei diesen Haushalten liegt Investitionspotential für den Wohnungsneubau brach. Zur Nutzung dieser Reserven könnte es kommen, wenn den betreffenden Personen im Falle der Eigennutzung die gleiche steuerliche Ver [Seite der Druckausgabe: 17] günstigung, die dem institutionellen Investor für die Errichtung einer Mietwohnung geboten werden muß, gewährt würde. Die traditionelle Eigentumsförderung ist noch zu sehr von der Vorstellung geprägt, daß die Wohneigentumsbildung ein im Leben einmaliger Vorgang sei und bleiben könne. Das entspricht aber nicht mehr der heutigen Lebenswirklichkeit, zumindest nicht mehr in den Städten und bei der geforderten beruflichen Mobilität. Die Objektbeschränkung machte objektiv auch nur so lange einen Sinn, wie die Eigentumsförderung günstiger war als die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus. Das ist jedoch zur Zeit bei weitem nicht mehr der Fall. Die Objektbeschränkung sollte deshalb aus der Eigentumsförderung gestrichen werden und allenfalls für das Baukindergeld weiter gelten. Eine kommunale Wohnungspolitik, die der gehobenen Nachfrage keine ausreichenden Möglichkeiten zur Wohneigentumsbildung bietet, ist weitgehend selbst verantwortlich für die Explosion der Mieten und schafft sich ihren Bedarf an Sozialwohnungen zum Teil selbst, wenn es ihr nicht gelingt, die vorhandene Kaufkraft für den Neubau zu aktivieren. Die Konkurrenz um den Mietwohnungsbestand in den Städten ist nicht einseitig durch Neubau von Sozialmietwohnungen zu entschärfen. Vielmehr muß zusätzlich die wohlstandsbedingte Nachfrage mit entsprechenden Anreizen in den Neubau von Eigentumswohnungen gesteuert und damit vom Mietwohnungsmarkt abgelenkt werden. Die staatliche Förderung von privater Initiative zur Wohneigentumsbildung muß somit als wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Wohnungsengpässen bewertet werden. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001 |