FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 34]

6. Ordnungspolitische Rahmenbedingungen einer modernen Energiewirtschaft

Um die prinzipiell vorhandenen technischen Möglichkeiten für eine effiziente Energiebereitstellung und für eine rationelle Energieanwendung in der Industrie sowie beim einzelnen Endverbraucher wirksam werden zu lassen, müssen energiepolitische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die beim Energieanbieter die Motivation zur zuverlässigen und kostengünstigen Energiebereitstellung und beim Energieverbraucher die Bereitschaft zum sparsamen Umgang mit Energie aufbauen. Dies setzt in der DDR vor allem voraus

  • den Abbau bisheriger Preissubventionen

  • die Schaffung einer Wettbewerbsstruktur zwischen verschiedenen Energieanbietern

  • ein an den Bedürfnissen des Endverbrauchers nach Licht, Kraft und Wärme orientiertes kostengünstiges Energieangebot

  • die Entflechtung der zentral gelenkten und quasi-monopolistischen Organisationsstruktur der Energieversorgung durch ein System miteinander konkurrierender Wettbewerber auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene.


Page Top

a) Abbau von Preissubventionen

Solange staatliche Preisstützen die Weitergabe hoher Bereitstellungskosten für Energie an den Endverbraucher blockieren, lassen sich keine wirksamen Anreize für den sparsamen Umgang mit Energie setzen. Energieexperten der DDR und der Bundesrepublik sind sich in dieser Einschätzung ebenso einig wie die Parteien der DDR-Regierungskoalition, die in ihrer Koalitionsvereinbarung die schrittweise Einführung aufwandsbezogener Preise für Energie festgeschrieben hat. Bisher zahlt der private Endverbraucher in der DDR zum Beispiel nur 8 Pfennig für die Kilowattstunde Elektrizität, und damit nur ein Bruchteil der Gestehungskosten von etwa 25 Pfennig. Eine Angleichung der Verbraucherpreise an die tatsächlichen Kosten der Elektrizitätsversorgung ist ebenso notwendig wie die Ablösung der dominierenden Warmmieten mit einer pauschalen Beteiligung an den Energiekosten durch ein Mischsystem von Kaltmiete plus getrennt

[Seite der Druckausgabe: 35]

abzurechnenden Energieverbrauchs-Nebenkosten

Der Abbau staatlicher Subventionen muß allerdings von sozialen Ausgleichsmaßnahmen und von einer wirksamen Verbraucheraufklärung begleitet werden. So sind soziale Härten, die für die Bezieher niedriger Einkommen nach Aufhebung oder Abbau der staatlichen Preisstützen auftreten, durch einen finanziellen Ausgleich für die Betroffenen zu mildern. Während von der bisherigen Subventionspraxis auch die Bezieher höherer Einkommen profitieren, kann eine direkte Transferzahlung gezielt wirklich Bedürftige begünstigen. Des weiteren sind die Endverbraucher auf ihre bisher ungewohnte Rolle eines kritischen Energiekonsumenten vorzubereiten. Die zu erwartende hohe Nachfrage nach Elektrogeräten macht eine gute Verbraucherberatung notwendig, die über Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der angebotenen Produkte ebenso informiert wie über den Energiebedarf und damit über die langfristigen Anwendungskosten. Um den Informationsbedarf zu befriedigen, sollte der Ausbau eines flächendeckenden Beratungswesens vorangetrieben werden. Zumindest auf der Seite der Energieanbieter sind bereits Fortbildungsmaßnahmen initiiert. So haben zum Beispiel der Bundesverband Gas- und Wasserwirtschaft und die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsverband Energie der DDR deutsch-deutsche Fortbildungsveranstaltungen geplant und durchgeführt, zum Beispiel über Management-Methoden, kaufmännisches Rechnungswesen und Öffentlichkeitsarbeit.

Wenn die Endverbraucher tatsächlich auf ihren Energieverbrauch, aber auch auf die dafür zu zahlenden Preise Einfluß nehmen sollen, dann muß zwischen den Energieanbietern ein Wettbewerb existieren, der den Verbrauchern Wahlmöglichkeiten eröffnet und den Anbietern Leistungsanreize setzt. Zudem läßt sich der "richtige" Preis für die Energie-Bereitstellung nicht aus Plandaten "errechnen", er muß sich im Wettbewerb miteinander konkurrierender Anbieter bilden.

Page Top

b) Aufbau einer wirksamen Wettbewerbsstruktur

Nach Ansicht eines leitenden Beamten aus dem Bundesministerium für Wirtschaft unterstreicht die Entwicklung der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik die entscheidende Rolle des Wettbewerbs für die Sicherung einer effizienten, zuverlässigen und leistungsfähigen Energieversorgung. Seit 1973 ist

[Seite der Druckausgabe: 36]

der Primärenergiebedarf in der Bundesrepublik um 2-3 Prozent angestiegen, der Produktionswert liegt aber heute um mehr als ein Drittel über dem damaligen Stand. Die darin zum Ausdruck kommenden Rationalisierungen beim Energieeinsatz sind von der Wirtschaft und der Industrie erarbeitet worden, wobei die Politik mit ihrer Entscheidung, die Preiserhöhungen der siebziger Jahre auf dem Rohölmarkt voll auf den einheimischen Markt durchschlagen zu lassen, den Rahmen für die Effizienzsteigerungen im Energiesektor gesetzt hat. Gerade weil Prognosen über den zukünftigen Energiebedarf schwierig und in der Vergangenheit oft sehr fehlerhaft gewesen sind, ist ein flexibles Versorgungsystem nötig. Dem Staat kommt dabei vor allem die Aufgabe zu, die nötigen Rahmenbedingungen zu sichern: Wettbewerb, Verbraucherfreiheit, die Durchsetzung von Umweltbelangen sowie die Möglichkeit zur Bildung von Wettbewerbspreisen. Die heute oft gehörte Forderung nach "kostenorientierten Preisen" ist in diesem Zusammenhang mißverständlich: Da niemand wirklich erfassen kann, welcher Endpreis unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten, der Kapitalverzinsung und schließlich der Zumutbarkeiten an den Verbraucher kostenorientiert ein "richtiger" Preis ist, müssen die Preise sich unter den Bedingungen von Wettbewerb und Wahlfreiheit real finden. Ausnahmen sind notwendig, wenn, wie bei der Stromversorgung, der einzelne Verbraucher nicht genügend Handlungsspielraum hat, um auf die Preisgestaltung einzuwirken, so daß staatliche Aufsicht in diesen Sektoren die Preisbildung kontrollieren muß. Gerade die dauernden Debatten über die Höhe der Strompreise zeigen aber auch, daß ein "richtiger" Preis, der alle zufriedenstellt, nicht administrativ gesetzt werden kann.

Auch die Elektrizitätswirtschaft hebt die günstige Wirkung des Wettbewerbs für die Leistungsfähigkeit der Energiewirtschaft hervor. Das Prinzip, soviel Wettbewerb wie möglich, aber soviel staatliche Regelungen wie nötig, findet gerade in der Elektrizitätswirtschaft ein gutes Anwendungsfeld. So wird in der Bundesrepublik alle zwanzig Jahre von Seiten der Kommunen über die Konzessionsvergabe für ein Versorgungsgebiet neu entschieden. Damit bleibt auch der bisherige Konzessionär unter dem Druck der Konkurrenz, denn sein Leistungsangebot muß nach Ablauf der Vertragsfrist als attraktive Alternative gegenüber anderen Anbietern bestehen. Zweitens stehen die Energieversorgungsunternehmen im Wettbewerb mit dem von der Industrie in Eigenerzeugung produzierten Strom, so daß ein permanenter Kostendruck zu einem günstigen Angebot zwingt. Auf dem Wärmemarkt, vor allem bei der Warmwasseraufbereitung, müssen sich die Elektrizitätsanbieter gegen die Energieträger Gas und Öl

[Seite der Druckausgabe: 37]

behaupten. Und nicht zuletzt sorgt der Verband der Energieabnehmer, ein Zusammenschluß mittlerer und kleinerer Industrieunternehmen, für einen wirksamen, indirekten Vergleich im Leistungswettbewerb. Jedes halbe Jahr legt der Verband einen Preisvergleich vor, der eine Orientierung über die relative Leistungsstärke des jeweiligen Energieversorgungs-Unternehmens ermöglicht.

Auch nach Ansicht des Mineralölwirtschaftsverbands der Bundesrepublik muß in der DDR der Aufbau eines Leistungswettbewerbs in der Energiewirtschaft durch ein Wettbewerbsrecht ordnungspolitisch gesichert werden. Um die in der Bundesrepublik als bewährt angesehenen Markt- und Wettbewerbswirkungen zu erreichen, bedarf es des Abbaus bisheriger Monopolstellungen, eines freien Marktzugangs für alle Anbieter sowie der Wahlfreiheit des Verbrauchers bei der Sicherung seines Wärmeenergie-Bedarfs. Im Rahmen einer möglichst raschen Entwicklung der gesamten DDR-Wirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft mit freier Preisbildung und einer entsprechenden Wirtschaftsgesetzgebung sollte rasch die Mineralölbesteuerung eingeführt werden, wobei Steuersätze und Steuerstruktur zur Vermeidung von Strukturverzerrungen mit der Bundesrepublik zu harmonisieren sind. Die Mineralölsteuer ist dabei in ein Konzept für eine wettbewerbsneutrale Energiebesteuerung einzubinden. Zusätzlich wäre mit einem System direkter Steuern den Anforderungen an die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer modernen Volkswirtschaft Rechnung zu tragen.

Um den raschen Ausbau eines bedarfsgerechten Tankstellennetzes zu gewährleisten, sind nach Ansicht des Mineralölverbands folgende ordnungspolitische Maßnahmen zu ergreifen:

  • Eine Neugestaltung der Eigentumsordnung muß den Erwerb, die Pacht oder die Miete von Grundstücken absichern.

  • Die Einführung der Vertragsfreiheit soll Unternehmen erlauben. Vertragsinhalte frei auszuhandeln und zu gestalten.

  • Einführung der Niederlassungsfreiheit und Angleichung des Gesellschaftsrechts an bundesdeutsches und an das EG-Recht.

  • Eine zügige und unbürokratische Genehmigungspraxis für den Bau von Tankstellen sowie für die Schaffung der erforderliche Infrastruktur.

[Seite der Druckausgabe: 38]

Schließlich seien den langfristigen Lieferverträgen über Rohöl aus der Sowjetunion Maßnahmen entgegenzusetzen, die es anderen Anbietern ermöglichen, mit Rohöl und Rohölprodukten auf dem Markt zu konkurrieren. Nur durch Marktöffnungen und Diversifizierung der Lieferquellen ist die notwendige Versorgungssicherheit für eine leistungsfähige und konkurrenzfähige Mineralölwirtschaft zu sichern.

In den Koalitionsvereinbarungen für die jetzige DDR-Regierung sind Weichenstellungen für die Anregung des Wettbewerbs auf dem Energiesektor vorgenommen worden, zum Beispiel mit der Erklärung zur Schaffung eines Kartellgesetzes, das auch die Korrektur von wettbewerbswidrigen Unternehmenszusammenschlüssen, die möglicherweise in der Übergangszeit entstanden sind, vorsieht.

Allerdings ist der Wettbewerb zwar eine notwendige Bedingung zur langfristigen Sicherung einer leistungsfähigen Energiewirtschaft, doch kann er alleine keine ausreichenden Impulse für wünschenswerte Entwicklungen auf dem Energiesektor schaffen. Wie ein Vertreter der SPD der Bundesrepublik anmerkt, bestehen zumindest auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energien, also vor allem bei Strom und Gas, auch in der Bundesrepublik keine offenen Marktstrukturen, sondern weitgehend regulierte Märkte. Wenn man sich in der DDR ähnlich wie in der Bundesrepublik für abgegrenzte Versorgungsgebiete entscheiden wird, dann ist zu klären, wie die dann entstehenden Monopole bzw. Oligopole durch staatliche Maßnahmen in eine Energiestrukturpolitik einzubinden sind. Zudem stellt sich bei einer Privatisierung der Energieversorgungs-Unternehmen in der DDR die Frage, ob die Leitungsnetze in öffentlicher Hand bleiben können oder ob sie aus markttechnischen Gründen verkauft werden müssen.

Auch von Seiten der IG Bergbau und Energie wird die Notwendigkeit zur Absicherung des Wettbewerbs durch staatliche Rahmensetzungen betont. So sei zum Beispiel in der Bundesrepublik der Wärmeschutz für Gebäude allein über den Markt nicht zu garantieren gewesen. Private Wohnungsbaugesellschaften und Hauseigentümer hätten sich bemüht, ihren Kunden Wohnungen zu möglichst niedrigen Kaltmieten anzubieten und dabei den Wärmeschutz der Wohnungen vernachlässigt. Der Mieter hingegen hatte keine Möglichkeit, die auf ihn zukommenden Heizkosten langfristig zu kalkulieren. Da der Markt nicht

[Seite der Druckausgabe: 39]

ausreichend Impulse für wärmedämmende Maßnahmen an Gebäuden setzen konnte, mußten staatliche Verordnungen zur Absicherung des Wärmeschutzes erlassen werden. Auch die Durchsetzung der Heizkosten-Abrechnung in Mehrfamilienhäusern nach tatsächlichem Verbrauch statt nach Wohnungsgröße ließ sich erst durch staatliche Eingriffe sichern.

Eine Möglichkeit, den Energieverbrauch trotz monopolartiger Angebotsstrukturen in einem Versorgungsgebiet zu drosseln und kundengünstig zu befriedigen, wird von einigen Energieexperten in dem Konzept der Energiedienstleistungen auf der Basis des "Least-cost Planning" gesehen. Unter Hinweis auf politische Richtungsentscheidungen, die in den fünfziger Jahren die Kernenergie-Nutzung angestoßen haben, heben die Verfechter des "Least-cost Planning" hervor, daß eine politische Richtungsentscheidung für Energieeffizienz auch in der DDR möglich und notwendig ist.

Page Top

c) Energiedienstleistungen und "Least-cost Planning" als Instrumente eines verbraucherorientierten Energieangebots

Least-cost Planning ist ein in den siebziger Jahren von einigen Stromversorgern in den USA eingeführtes Planungskonzept, das zum Ziel hat, den Energiebedarf in einem Versorgungsgebiet durch sorgfältige Abstimmung von Stromerzeugung und -Verwendung möglichst niedrig zu halten. Der Grundgedanke dieses Konzepts ist, daß durch einen Vergleich sämtlicher verfügbarer Optionen auf der Angebotsseite mit den Möglichkeiten der Energieeinsparung die kostengünstigste Versorgungsstrategie, gegebenenfalls als Sparstrategie, gefunden wird. Dabei sollen die Energieversorgungs-Unternehmen durch eine kundennahe Beratung und durch ein auf Energieeinsparung zielendes Dienstleistungsangebot bei der Erschließung von Einsparpotentialen helfen. Die für die Einsparmaßnahmen aufzubringenden Kosten erweisen sich langfristig als niedriger als die Kosten für den Kauf zusätzlicher Energie. Damit würden Fehlentwicklungen abgebaut, die aufgrund von Marktunvollkommenheiten zwischen den Energieanbietern und den Energieverbrauchern immer wieder zu einer Ausweitung des Energieangebots statt zum Energiesparen geführt haben. Die Stromnachfrage wird im Konzept des "Least-cost Planning" vom Versorger also nicht mehr als eine externe Vorgabe angesehen, sondern als ein Größe, die es im Interesse einer ressourcen- und umweltschonenden Energieversorgung nach unten zu korrigieren gilt.

Da der Verbraucher im Grunde nicht Energie als solche nachfragt, sondern ganz

[Seite der Druckausgabe: 40]

spezifische Bedürfnisse befriedigt sehen will, zum Beispiel nach heißem Wasser, einer komfortabel zu heizenden Wohnung, guter Beleuchtung, sicherem Geräteantrieb, müssen sich Energiedienstleistungen nicht nur auf die Bereitstellung von Energie beschränken, sie können auch beim Einsparen von Energie helfen. So läßt sich das Bedürfnis nach einer warmen Wohnung einerseits durch die Lieferung ausreichender Wärmemengen befriedigen, man kann aber den gleichen Wohnkomfort durch verringerten Energieverbrauch erreichen, wenn wärmedämmende Maßnahmen ergriffen werden. Wie ein Wissenschaftler der Fachhochschule Darmstadt darlegt, seien zum Beispiel 80 bis 90 Prozent des Raumwärmebedarfs und 10 bis 50 Prozent des Energiebedarfs bei der Warmwasseraufbereitung durch technische Maßnahmen einzusparen. Auch bei Elektrogeräten wie Geschirrspülern, Waschmaschinen, Trocknern und Kühlschränken könnte man den Energieverbrauch um 30 bis 70 Prozent senken. Allerdings schöpft der Verbraucher in Eigeninitiative die technisch möglichen Sparpotentiale nicht voll aus: Weil die Investitionen, zum Beispiel für wärmedämmende Maßnahmen im Eigenheim oder für den Kauf neuer Elektrogeräte, sich erst über längere Zeiträumen durch Energieeinsparung auszahlen, schrecken viele kurzfristig kalkulierende Konsumenten vor den Ausgaben zurück. Daher muß das EVU aktiv an der Nutzung von Einsparpotentialen mitwirken. Durch gezielte Informationen, Beratungen, Geräteverkauf und -leasing sowie Installation sollen EVU neben der Lieferung von Elektrizität Dienstleistungspakete schnüren, die im Endeffekt einen effektiveren Energieeinsatz im Versorgungsgebiet ermöglichen. Als Bestandteile dieser Dienstleistungen lassen sich zum Beispiel anbieten: die Einführung effizienter Haushaltsgeräte, die Installation von Warmwasseranschlüssen für Wasch- und Geschirrspülmaschinen und die wärmetechnische Sanierung von Wohnhäusern. Nicht zuletzt sichern sich die EVU mit der Erweiterung ihrer Dienstleistungen neue Geschäftsbereiche neben der Deckung des in Zukunft kaum mehr expandierenden Energieverbrauchs.

Zur Zeit arbeitet ein kanadisches Energieversorgungs-Unternehmen daran, durch gezielte Einflußnahme auf den Energiebedarf im Versorgungsgebiet die Spitzenlast bis zum Jahre 2000 um 6 bis 14 Prozent zu reduzieren. Energie-Szenarien für das Versorgungsgebiet Bremen, die sich vor allem auf den Ausbau der Fernwärme und wärmedämmender Maßnahmen stützen, gehen davon aus, daß das dortige kommunale EVU, die Stadtwerke Bremen, bis zum Jahre 2010 mit einem etwas niedrigeren Gewinn rechnen muß, daß aber das Steueraufkommen durch die zusätzlich geschaffenen Arbeitsplätze die geringeren

[Seite der Druckausgabe: 41]

Überschüsse der Stadtwerke für den kommunalen Haushalt mehr als ausgleichen. Zudem würde die Senkung der Umweltbelastungen der Volkswirtschaft langfristig hohe Kosten ersparen.

Unter Energieexperten ist allerdings umstritten, ob die in Amerika angewandten Konzepte tatsächlich innovativ gegenüber der bisherigen Elektrizitätsversorgung in der Bundesrepublik sind. So ist das Hauptziel des Least-Cost Planning, die Einsparung von notwendigen Kraftwerkskapazitäten, in der Bundesrepublik durch den Nachweis einer rationellen Betriebsführung bei Preisgenehmigungen wirksam. Kundeninformation sowie der Versuch, auf die Lastkurve Einfluß zu nehmen, gibt es auch von bundesrepublikanischen Energieversorgungsunternehmen. Hinzu kommt, daß mit dem Konzept der integrierten Dienstleistung durch das Versorgungsunternehmen die Abhängigkeit des Kunden von dem Unternehmen und damit die Marktmacht des Unternehmens wächst. Wenn das EVU neben Energie und Beratungskapazität auch noch Geräte anbietet und Kredite zur Finanzierung des Kaufs dieser Geräte, dann ist die Abhängigkeit des Verbrauchers von einem Unternehmen größer als bei einer Zusammenarbeit von EVU mit dem unabhängigen mittelständischen Handwerk und dem Handel. Zudem liegt in der Formulierung eines festgeschriebenen Einsparrahmens die Gefahr eines bürokratischen Strebens nach Planerfüllung, das zu kurzfristigen Maßnahmen verleiten kann, die sich langfristig als wenig effizient erweisen.

Wie immer Dienstleistungen von Seiten der EVU erweitert und bereitgestellt werden, um den Wettbewerb und eine verbrauchernahe Versorgung zu gewährleisten, die Gründung kommunaler EVU, das heißt von Stadtwerken, wird als wichtiger Beitrag für die Entwicklung eines modernen Energieversorgungssystems in der DDR angesehen.

Page Top

d) Gründung kommunaler Energieversorgungs-Unternehmen

Nach Ansicht des Deutschen Städte- und Gemeindebunds kommt den Städten und Gemeinden der DDR eine wichtige Aufgabe bei der ökologischen Modernisierung der Energieversorgung zu. Damit die Kommunen diese Aufgabe auch erfüllen können, muß in der DDR in den nächsten Jahren eine effektive kommunale Selbstverwaltung aufgebaut werden. Als Grundvoraussetzung einer sicheren und preiswerten Versorgung der Energieverbraucher mit leitungsgebundenen Energien hat sich die in allen westeuropäischen Staaten prak-

[Seite der Druckausgabe: 42]

tizierte Einteilung von Versorgungsgebieten bewährt. Versorgungssicherheit habe dabei überall Vorrang vor Wettbewerb gehabt. In der Bundesrepublik hat sich auf dieser Grundlage eine Struktur der Elektrizitätsversorgung herausgebildet, bei der die Erzeugung der elektrischen Energie vor allem in den Händen von acht Verbundunternehmen liegt, während die mehr als 50 regionalen Unternehmen und die 539 kommunalen Elektrizitätsversorgungs-Unternehmen vorwiegend die Verteilung der Energie übernommen haben. Die Kommunen stellen, gerade unter Wettbewerbsgesichtspunkten, ein wichtiges Korrektiv gegenüber dem monopolistisch aufgebauten Wirtschaftsbereich Energie dar, zum Beispiel bei der Festlegung von Versorgungsgebieten, beim Abschluß von Konzessionsverträgen und bei der Aufstellung von Energiekonzepten.

Die in der Bundesrepublik vorhandene pluralistische Struktur der Energieversorgung läßt sich in der DDR nicht allein durch eine Umwandlung der bestehenden 15 territorialen Energiekombinate in Aktiengesellschaften erreichen. Weil der Wechsel der Unternehmensform noch keine Strukturveränderungen bewirkt, muß in der DDR die Gründung von Stadtwerken gefördert werden, auch gegen den zu erwartenden Widerstand der Leitungsspitzen der bisherigen Energiekombinate. Dabei ist zu bedenken, daß bei der Bildung der heutigen Kombinate zahlreiche Stadtwerke einbezogen worden sind, so daß man zum Teil an frühere Versorgungsstrukturen anknüpfen könnte. Die Stadtwerke Dresden zum Beispiel waren in den zwanziger Jahren führend auf dem Gebiet der kommunalen Energieversorgung.

Notwendig ist, daß die Gemeinden das Recht wahrnehmen, die Energieversorgung der Bürger entweder in eigener Verantwortung zu sichern oder diese Aufgabe geeigneten Unternehmen zu übertragen, zum Beispiel durch Abschluß von Verträgen über die Lieferung von Energie in das Gemeindegebiet. Mit gleichzeitiger Festlegung des kaufmännischen Prinzips der Eigenerwirtschaftung auf dem Energiesektor entfallen auch die jährlich rund 8 Milliarden Mark umfassenden Subventionen, da ein kostendeckender Preis für Energie zu erheben ist.

Nicht zuletzt fördert der verstärkte Einfluß der Kommunen auf die Energieversorgung den sparsamen und umweltschonenden Umgang mit Energie. In der Bundesrepublik haben Ölpreissteigerungen und Umweltprobleme zahlreiche Gemeinden dazu bewogen, Energieversorgungskonzepte zu erstellen, die den Kommunalverwaltungen und -Vertretungen Anhaltspunkte für den

[Seite der Druckausgabe: 43]

optimalen Einsatz der leitungsgebundenen Energieträger gegeben haben. Gerade weil in der DDR die Kommunen im Bereich der Wohnungsversorgung eine entscheidende Rolle spielen, können Aufgaben der Energieversorgung hinzukommen. Und schließlich bieten Stadtwerke über die Aufsichtsgremien, die starker öffentlicher Kontrolle unterliegen, den Bürgern Einfluß auf die Gestaltung der Energieversorgung. Der Verband kommunaler Unternehmen der Bundesrepublik hält die Entwicklung solcher Unternehmen auch in der DDR für unumgänglich, wenn gewährleistet werden soll, daß die Städte ihre Versorgungs- und Entsorgungsaufgaben wirtschaftlich und technisch bewältigen können, ohne zu Subventionsempfängern übergeordneter staatlicher Instanzen zu werden. Daher sei es voreilig, wenn westdeutsche EVU den DDR-Städten heute Verträge vorlegen, mit denen die zukünftige Energieversorgungsstruktur festgeschrieben wird. Das Interesse in der DDR an der Gründung von Stadtwerken ist jedenfalls groß, wie die Beschlüsse der Stadtverordneten-Versammlungen der Städte Weimar, Görlitz, Sonneberg und Suhl über die Gründung kommunaler Unternehmen zeigen. Auch das Braunkohlenkombinat Bitterfeld versucht, mit Konzepten für die lokale Energieversorgung die Gründung von Stadtwerken zu unterstützen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

Previous Page TOC Next Page