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[Seite der Druckausgabe: 44]

7. Zusammenfassung und Ausblick: Konsensmöglichkeiten und Konfliktpotentiale in der Energiepolitik

Über die grundlegenden Ziele, die die Energiepolitik in den nächsten Jahren erreichen muß, besteht heute ein breiter gesellschaftlicher Konsens. Zusammenfassend lassen sich nennen:

  • Abbau des hohen Anteils der Braunkohle, um die Effizienz der Energiewirtschaft zu steigern und um die Belastungen der Umwelt mit Schadstoffen wie Schwefeldioxid und Kohlendioxid zu verringern sowie die ausufernden Landschaftszerstörungen aufzuhalten.

  • Steigerung der Energieeffizienz durch technische Innovationen in der energieversorgenden Industrie sowie durch eine verbesserte Energieausnutzung in Industrie, Haushalt, Gewerbe und kommunalen Einrichtungen.

  • Schaffung von Anreizen zum sparsamen Umgang mit Energie, vor allem durch den Abbau bisheriger Subventionen und durch eine Neugestaltung der Preise, sowie durch eine gezielte Aufklärung und Beratung der Verbraucher und der Öffentlichkeit.

  • Belebung und Sicherung des Wettbewerbs in der Energiewirtschaft durch Entflechtung der zentralistischen Organisationsstruktur der Energieversorgung und Schaffung einer mehrgliedrigen Versorgungsstruktur, bestehend aus Verbundunternehmen sowie regional und kommunal verantwortlichen Energieversorgern.

Über die konkreten Wege zur Realisierung dieser Ziele herrschen sowohl unter Energiewissenschaftlern und Verbandsvertretern, aber auch unter Energiepolitikern noch Meinungsunterschiede. Zu den noch nicht entschiedenen Fragen gehören zum Beispiel die mögliche Rolle einzelner Energieträger bei der Zurückdrängung der Braunkohle, das Nutzungspotential für regenerative Energieträger, die zukünftige Nutzung der Kernenergie sowie die richtige Dosierung zwischen staatlicher Rahmenplansetzung und wettbewerblicher Freiheit zur Erreichung der großen Zukunftsaufgaben Ressourcenschonung und Umwelterhaltung.

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Wie immer die offenen Fragen entschieden werden - ihre Lösung ist immer weniger allein eine Aufgabe der DDR, sondern zunehmend eine Aufgabe, die von beiden zusammenwachsenden Teilen Deutschlands gemeinsam zu bewerkstelligen ist.

Wege und Vorschläge dazu zeichnen sich ab:

DDR-Wissenschaftler schlagen vor, für die Entwicklung von zukünftigen Maßnahmen zur Reduzierung des Treibhauseffekts eine Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Volkskammer im Rahmen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zu organisieren. Gemeinsam seien die jeweils günstigsten Strategien für das Energiesparen zu erkunden sowie die Förderungsmöglichkeiten für regenerative Energieträger auszuloten. Bei der Nutzung der Kernenergie wird sich in den nächsten Jahren ein gemeinsamer Sicherheitsstandard durchsetzen. Ob auf dem Gebiet der DDR neue Standorte für Kernkraftwerke erschlossen werden, soll ohnehin erst eine gesamtdeutsche Regierung entscheiden. Bundesdeutsche Unternehmen bieten Beratungsleistungen an, stellen Know-how zur Verfügung und engagieren sich bei der Schaffung neuer Infrastrukturen, bei der Modernisierung des Kraftwerkparks und bei der Diversifizierung der heute noch von der Braunkohle dominierten Energieversorgung. Mehr als 50 Elektrizitätsversorgungs-unternehmen der Bundesrepublik kooperieren bereits mit DDR-Partner, weitere 40 Unternehmen haben nach Auskunft der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke Interesse an Kooperationen angekündigt.

Mittel- und langfristig kann und wird sich die vom Einigungsprozeß angestoßene Zusammenarbeit nicht auf die beiden deutschen Staaten beschränken. Energieexperten halten es zum Beispiel heute für machbar und für sinnvoll, nicht nur die DDR in das westeuropäische Stromversorgungsnetz aufzunehmen, sondern den Stromverbund viel weiter auszudehnen. So könnte eine Eingliederung der Tschechoslowakei, Polens und Ungarns in ein gemeinsames Stromnetz durchaus im Interesse der Sowjetunion liegen, die heute die Hauptlast des osteuropäischen Verbundnetzes trägt. Würde man über die Gleichspannungsbrücken, deren Bau heute zur Überwindung der Frequenzschwankungen noch an der deutsch-deutschen sowie an der deutsch-tschechischen Grenze geplant ist, den Zusammenschluß mit dem sowjetischen Netz ermöglichen, wäre ein Stromaustausch von Europa bis nach Asien hinein möglich. Profitieren davon würden alle: Unterschiedliche Lebensgewohnheiten

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sowie die Ost-West-Zeitverschiebung führen zu verschiedenen Spitzenlastzeiten auf dem europäisch-asiatischen Kontinent, so daß in einem weitgestreckten Stromverbund Kraftwerkskapazitäten eingespart werden können. Das entlastet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Umwelt.

Nicht zuletzt diese Perspektiven einer weit über die deutsche Vereinigung hinausreichenden Zuammenarbeit vieler Staaten und Völker zum Vorteil aller bietet den einigungswilligen Deutschen die Möglichkeit zu zeigen, daß ein geeintes Deutschland wichtige Impulse für den Bau eines gemeinsamen europäischen Hauses setzen kann, in dem man rationell und effizient, aber auch sozial ausgewogen und umweltverträglich wirtschaftet.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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