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2. Aufgaben und Chancen regionaler Wirtschaftpolitik

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2.1. Globale Ziele

Die Frage, ob es regionale Wirtschaftspolitik überhaupt noch geben könne angesichts der weggefallenen Grenzen in Europa und angesichts "Fernost vor der Haustür" in Polen, Ungarn, Tschechien oder der Slowakei, stellte Ernst Schwanhold, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, an den Anfang seines Referats zum Thema "Aufgaben und Chancen regionaler Wirtschaftspolitik. Er beantwortete diese Frage mit einem klaren Ja. Die Verflechtungen der Weltwirtschaft seien heute so stark, daß sich Regionen in einem immer stärkerem Maß auf den internationalen Märkten zu bewähren hätten. Regionale Wirtschaftspolitik sei also notwendiger denn je.

Die Entwicklungschancen der Region können also nicht losgelöst von der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und der Weltwirtschaft analysiert werden. Eine notwendige Bedingung für weiteres Wachstum in der Region ist zunächst einmal ein nachhaltiges gesamtwirtschaftliches Wachstum. Dennoch sollte es aber grundsätzlich möglich sein, in einer Rezession wie der gegenwärtigen nur unterdurchschnittlich zu verlieren und im anschließenden Aufschwung wieder überproportional zu wachsen, wie ja die Vergangenheit gezeigt hat. Hier gibt es Chancen und auch Aufgaben für die regionale Politik, eine solche Entwicklung durch eine weitere Verbesserung der Standortqualität zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang warnte Schwanhold aber vor allzu optimistischen Erwartungen auf schnelle Erfolge. Die Effekte regionaler Wirtschaftspolitik zeigten sich eher langfristig.

Worin besteht nun die zentrale Aufgabe regionaler Wirtschaftspolitik? Sie besteht darin, Investitionen in der Region zu fördern. Die Arbeitsplätze in den Unternehmen der Region müssen dauerhaft rentabel sein, denn nur dann sind sie für die Arbeitnehmer langfristig sicher. Dies bedeutet zum einen, daß bestehende Arbeitsplätze bei steigenden Arbeitskosten durch Investitionen wettbewerbsfähig gehalten werden. Dies bedeutet zum anderen, daß neue Arbeitsplätze geschaffen werden, sei es durch die Investitionen neu gegründeter Unternehmen oder durch Erweiterungsinvestitionen bestehender Unternehmen.

Regionale Wirtschaftspolitik bedeute also zunächst einmal, so Schwanhold, vorhandene Betriebe und Strukturen bestehen zu lassen und ihnen die Chance zu geben, sich zu entwickeln. Auch in der Region sei in der Vergangenheit das größte Potential an Beschäftigungszuwächsen in den Phasen der Hochkonjunktur immer aus den schon vorhandenen Betrieben gekommen. Neuansiedlungen könnten in der Regel zunächst einmal nur kleine Kristallisationspunkte darstellen, denn Großansiedlungen werde man in die Region wohl kaum noch landen können angesichts der aktuellen Investitionslethargie.

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Zu den Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland, die im Verlauf der Diskussion von Rolf Bockelmann, IG Metall, scharf kritisiert wurden, und ihren volkswirtschaftlichen Auswirkungen äußerte sich Dr. Jochem Langkau von der gastgebenden Friedrich-Ebert-Stiftung. Nach seiner Ansicht ist der Anteil der Unternehmen, die aus Kostengründen die Produktion oder Teile von ihr ins Ausland verlagert und damit Arbeitsplätze hier abbaut, zunehmend. [Fn 1: Vgl. hierzu auch: Industrie - und Handelskammer Osnabrück - Emsland (Hrsg.): Produktionsverlagerung ins Ausland nimmt zu. Interview mit Dr . Franz - Ludwig Herrrnann. In: Wirtschaft Osnabrück - Emsland, Nr. 10/Oktober 1993, S. 34 - 36, Osnabrück.]
Aus einschlägigen Untersuchungen sei aber auch hervorgegangen, daß mehr als die Hälfte der Firmen im Ausland investiere, um Märkte zu erschließen und Märkte zu sichern. Damit nützten sie doch ganz eindeutig der Volkswirtschaft hier.

In diesem Zusammenhang wurde im Verlauf der Diskussionsrunden immer wieder die Notwendigkeit einer stärkeren Exportorientierung der Region herausgestellt. In diesem Zusammenhang warnte Dr. Alexander Fischer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrück, besonders eindringlich. Die Exportquote liege in der Region bei ungefähr 20 vH, in Niedersachsen bei etwa 30 vH und in der Bundesrepublik bei über 30 vH. [Fn 2: Vgl. Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland (Hrsg.): Stärken- / Schwächenanalyse des IHK-Bezirks Osnabrück-Emsland. Osnabrück 1992.]
Hier bestehe Nachholbedarf, denn "wenn wir uns nicht mit unseren Unternehmen dem internationalen Wettbewerb stellen, dann wird der internationale Wettbewerb zu uns kommen". Das sei unausweichlich, und je mehr man die Grenzen abbaue, desto mehr würden andere Unternehmen die Möglichkeit nutzen.

Regionalpolitik war, fuhr Schwanhold in seinem Referat fort, in der Vergangenheit gelegentlich Subventionswettlauf um die Ansiedlung möglichst großer Unternehmen. Dies habe in der Vergangenheit häufig zu schweren Verwerfungen in der Raum- und Landschaftsplanung sowie in den öffentlichen Haushalten geführt. Auch habe es nicht immer wirklich sinnvolle Standortentscheidungen gegeben, wenn man sich z.B. den "Speckgürtel" um Hamburg anschaue. Als ein wichtiges kennzeichnendes Element sinnvoller Regionalpolitik stellte er entsprechend heraus, daß regionale Wirtschaftspolitik nur dann möglich sei, wenn es in der Region ein abgestimmtes Vorgehen mit Aufgabenzuteilung gebe. Dabei müsse natürlich das Oberzentrum, hier die Stadt Osnabrück, eine bedeutende Rolle spielen. [Fn 3: Vgl. hierzu Abschnitt 2.3.]

Zum Thema Ansiedlung in der Region führte Schwanhold aus, daß in den letzten Jahren jeder den High-Tech-Standort gewollt habe, eine Industrie möglichst ohne Emissionen, ohne Umweltbeeinträchtigung. Es sei aber klar, daß es das nicht gebe: Kein Industriestandort sei vorstellbar ohne Beeinträchtigung für die in der Nähe wohnenden Menschen, und zwar unabhängig davon, ob Rohstoffanlieferung oder Fertigwarenabtransport stattfinde, ob die Infrastruktur ausgebaut werden müsse, oder

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ob nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu diesem Betrieb hinkommen müßten oder ob Flächenversiegelung geschehe. Man dürfe nicht so tun, als könne man einen emissionsfreien Standort bekommen, mit dieser Mär habe man aufzuräumen.

Eine völlig unterentwickelte Diskussion gebe es im Rahmen der Ansiedlungspolitik, so Schwanhold weiter, über die Abschätzung von Risiken, die mit bestimmten Produkten und der Art unseres Wirtschaftens, mit Emissionen und mit Standortfragen verbunden seien. Diese Abschätzung von Risiken könne nur öffentlich mit Offenlegung und Transparenz erfolgen, die auch von Seiten der Unternehmen eingefordert werden müsse. In diesem Zusammenhang sei die Kommunikation über die Risiken von Investitionsprojekten erforderlich, die möglichst dazu führen solle, daß die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bereit sind, das zu akzeptieren, was für die Entwicklung einer Region notwendig ist. Zu einer solchen Kommunikation gehöre Risikoakzeptanz, an der es in der Bundesrepublik Deutschland in ganz besonderem Maße mangele.

Die Genehmigungsverfahren dauerten auch deshalb so lang, weil es keine Akzeptanz für Industrie und Gewerbe gebe und nicht nur, weil an jeder Stelle der Genehmigungsebene "Flaschen" oder "Faulpelze" säßen oder Menschen, die das Gesetz viel zu ernst nähmen. Es gehöre natürlich auch dazu, daß das Gesetz ernst genommen werde, denn wie solle man sonst bei den Betroffenen Akzeptanz herstellen. Schwanhold forderte zusammenfassend noch einmal die Transparenz und Akzeptanz von Risiken bei Investitionsentscheidungen. Da gebe es eine Bringschuld auf allen Seiten. Am Ende werde man auch den einen oder anderen verprellen müssen, der seine Erwartungen nicht erfüllt sehe.

Auch die Notwendigkeit, das Image der Region zu verbessern, wurde während der Konferenz mehrfach angesprochen. Die nationale Bekanntheit Osnabrücks als "Unfallhauptstadt" nannte Schwanhold in diesem Zusammenhang als störend. Für unzureichend vermarktet hält er das Theater und berühmte Osnabrücker Persönlichkeiten wie Remarque und Nussbaum. Auch Hubert Dinger, Hauptgeschäftsführer der IHK Osnabrück-Emsland, bemängelte die zu geringe Bekanntheit Osnabrücks mit seinen landschaftlichen und kulturellen Attraktionen. Die Stärken, über die die Region in beträchtlichem Maße unzweifelhaft verfüge, müßten noch besser nach außen, aber auch nach innen dargestellt werden. Eine Untersuchung habe ergeben, daß der Osnabrücker, der im Ausland im Feriengebiet gefragt wird, woher er kommt, leider allzu häufig antwortet: Osnabrück bei Münster. Das müsse nachdenklich stimmen, denn wer sonst könne ein besserer Werbeträger für eine Region sein als der, der hier lebt. Vielfach könnten, so Dinger weiter, auch vermehrte Anstrengungen auf dem Gebiet des Kreis- und des Stadtmarketings dazu beitragen, Imagedefizite abzubauen.

Als einen weiteren wichtigen Punkt für erfolgreiches Anwerben nannte Schwanhold eine vorzügliche Behördeninfrastruktur, die sich als wirklicher Dienstleister verstehe. Dazu gehöre auch eine schnelle Realisierbarkeit von Genehmigungsverfahren, denn

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die dauerhafte Blockade von Investitionen belasteten gerade in der Startphase die Erfolgsaussichten eines jeden Unternehmens.

Für die Stadt Osnabrück berichtete Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip, daß man in diesem Punkte innovativ sei und mit gutem Beispiel vorangehe. Die knappe Haushaltslage diktiere zwar, daß in der Verwaltung etwa 180 Arbeitsplätze in naher Zukunft abzubauen seien, es werde in diesem Zusammenhang aber auch eine weitere Arbeitsteilung mit der privaten Wirtschaft geben. Man trage hier Teile des Strukturwandels auch im öffentlichen Bereich mit.

Seines Erachtens ist dabei die Politik viel weiter als die Bürokratie. Bei einem Blick hinter die Kulissen werde klar, daß meist Bürokraten in der Spitze der Verwaltung Schwierigkeiten bereiteten, die für 12 Jahre unabwählbar seien. Wenn man besonders bei der interkommunalen Zusammenarbeit weiterkommen wolle, sei eine Reform der Verwaltungsspitzen dringend notwendig. Fip nannte hier die Stichworte: Kürzere Arbeitsverträge, bessere Bezahlung und größere Flexibilität.

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2.2. Gesellschaftliche Voraussetzungen

Zu einer generellen kritischen Reflexion unseres Standorts Deutschland forderte Hubert Dinger, Hauptgeschäftsführer der IHK Osnabrück-Emsland, in seinem Referat auf. Diese Reflexion könne dann nicht nur freundlich ausfallen, sondern müsse auch Kritik beinhalten, um zu neuen Ansätzen zu kommen. Der Raum Osnabrück stehe vor strukturellen Veränderungen, die die Wirtschaft, die Beschäftigten und die öffentlichen Haushalte vor neue Aufgaben stellten.

Dinger diagnostizierte einen Verfall der Gesellschaft und einen Verfall der Moral. Die Sklerose der Institutionen bringe eine Reihe von Symptomen hervor, die niedergehende Zivilisationen auszeichne. Der Staat sei immer weniger in der Lage, eine innere Ordnung durchzusetzen. Herausforderungen würden nicht mehr angenommen, statt dessen greife man zu Subventionen und Protektionismus, um den Strukturwandel zu verhindern. Ein Blick auf die EG sei hier durchaus erlaubt und erwünscht.

Die Tiger, ob das nun China sei, Malaysia, Korea, Indonesien, von Indien wolle er gar nicht reden, die würden uns das Fürchten lehren. Hier werde die Industrie interessante Investitionsbedingungen vorfinden und sie nutze sie ja längst. Wenn wir die Bilanz der Investitionssummen der deutschen Wirtschaft im Ausland und der ausländischen Wirtschaft in Deutschland betrachteten, so werde klar, daß Deutschland schon lange kein Investitionsstandort mehr sei.

Wir hätten uns zu einer Gesellschaft entwickelt, die das Bestehende bewahren wolle, jede Veränderung scheue, die Chancen des Neuen unter- und die damit verbundenen Risiken systematisch überschätze. Wir hätten gelernt , erworbene Besitzstände zu verteidigen und darüber verlernt, innovative Produkte zu entwickeln, neue Märkte zu

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erobern, aber auch private Risiken individuell abzusichern. Wir seien mehr als nur eine konservative, wir seien eine alte, erstarrte Gesellschaft geworden.

Entscheidend sei es jetzt, daß man aus der Analyse der Wettbewerbsschwächen auch die richtigen wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen ziehe. Man müsse weg davon, so Dinger, neue Probleme mit alten wohlfahrtsstaatlichen Gefälligkeitsmitteln lösen zu wollen. Das lahme die Innovationsfähigkeit, die die deutsche Gesellschaft, die deutsche Wirtschaft so dringend brauche.

Dinger weiter: "Wenn wir die Blockade im geistigen Bereich aufgeben, wenn unsere Köpfe frei sind für ein neues Denken, wenn wir veraltete Klischees aufgeben, überholte Fronten verlassen, Fakten nicht mit Moral verwechseln, wenn wir eine vernünftige Streitkultur entwickeln, die Moderne akzeptieren und Visionen entwickeln, dann werden wir uns behaupten." Seine Ausführungen zu diesem Punkt beendete er mit dem Statement, daß eine Region, die durch Bündelung ihrer Kräfte, durch hohes Engagement und Zielorientierung aller Beteiligten mit Selbstbewußtsein und Optimismus ihre Zukunft gestalte, schließlich mehr Erfolg haben werde, als wenn nur lamentiert und von den Anderen gefordert werde.

In die selbe Richtung ging auch ein Diskussionsbeitrag von Hans-Jürgen Fip, dem Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück. Er forderte die Verantwortlichen in der Region dazu auf, bei all dem, was auf uns zukomme, mit Phantasie und Optimismus ans Werk zu gehen. Jeder solle versuchen, im Rahmen seiner Verantwortung den Anforderungen gerecht zu werden. Gegenseitige Schuldzuweisungen, die in der Vergangenheit allzu häufig vorgenommen worden seien, würden überhaupt nicht weiterbringen, ein neuer Konsens sei notwendig. Dabei sei es wichtig, daß man nicht schon im Vorfeld den Standort Deutschland und auch den der Region kaputtrede. Es sei sicher notwendig, schmerzhafte Korrekturen vorzunehmen, aber man könne auch nicht alles vollständig zurückdrehen. Insofern sei es besser, wenn wir nicht nur unsere Schwächen beklagten, sondern uns in einer Vorwärtsstrategie darauf konzentrierten, wo unsere Stärken liegen und diese entsprechend stärker ausprägten.

Dr. Jochem Langkau von der Friedrich-Ebert-Stiftung verwendete in diesem Zusammenhang den Begriff einer dialogorientierten regionalen und lokalen Wirtschaftspolitik. Dieser Begriff kennzeichne eine Entwicklung, die heute in vielen Regionen Deutschlands in Gang gekommen sei. Eine solche Politik hebe sich wohltuend von den oftmals ideologiegeprägten lauten wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen in den Hauptstädten von Bund und Ländern ab.

Diese neue, praxis- und problembezogene Wirtschaftspolitik entwickele sich vor Ort in Gesprächskreisen an runden und eckigen Tischen und führe Arbeitgeber, Vertreter der Gewerkschaften und Betriebsräte, Techniker und Ökonomen, Vertreter aus Forschung und Wissenschaft sowie Verantwortliche aus der Arbeitsverwaltung und der Wirtschaftsförderung zusammen, um festzulegen, wo man in der Region in den nächsten 10 oder gar 20 Jahren stehen möchte, welche wirtschaftlichen Stärken und Schwächen festzustellen sind und was geschehen muß, um die gesetzten Ziele zu

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erreichen. Die Töne seien in diesen regionalen Zirkeln zumeist leise, die Zusammenarbeit enger und die Detailkenntnisse besser als in den Zentren. Seines Wissens gebe es in der Region Osnabrück auch solche Dialogkreise, zumindest habe er von einem auf dem Gebiet des Arbeitsmarktes und der Arbeitsmarktpolitik gehört.

Die Sozialverträglichkeit politischer Maßnahmen wurde im Verlauf der Diskussion mehrfach angesprochen. Ausgangspunkt war hier die Aufforderung Dingers, in den 90er Jahren bei allen politischen Maßnahmen die Wirtschaftsverträglichkeit zu prüfen, nachdem in den 70er Jahren Sozialverträglichkeit und in den 80er Jahren Umweltverträglichkeit das Stichwort gewesen sei. Hierauf antwortete Dr. Jutta Lange-Quassowski, Mitglied der SPD-Fraktion im Kreistag Osnabrück, daß nach ihrer Auffassung die Aufgaben Sozialverträglichkeit und Umweltverträglichkeit noch keineswegs erledigt seien. Sie schlug vor, davon auszugehen, daß noch keine der drei Aufgaben erfüllt sei. Man solle versuchen, alle Aspekte gemeinsam weiterzuentwickeln und einen Ausgleich herzustellen.

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2.3. Zusammenarbeit in der Region

Übereinstimmend wurde in mehreren Referaten und Diskussionsbeiträgen ein stärkerer Schulterschluß zwischen den verschiedenen Trägern der regionalen Wirtschaftspolitik, der Politik, den Kommunen, den Gewerkschaften und der Wirtschaft gefordert, um zu einem ersprießlichen Zusammenleben und einem strategischen Weiterentwickeln zu kommen.

In diesem Zusammenhang gab es von Hartmut Riemann, IG Metall, in der Abschlußdiskussion einen konkreten Vorschlag: Zwar gebe es bereits eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem Landkreis Osnabrück, er meine aber, daß alles das noch zu kurz greife. Trotz aller guten Ansätze gebe es immer noch ein "Kirchturmdenken" in den Kommunen, diese stünden in Konkurrenz zueinander und die Landesgrenze zu NRW sei da noch ein weiterer Diskussionspunkt. Er fordere daher die Einrichtung eines regionalen Wirtschaftsentwicklungszentrum, in dem sämtliche Aktivitäten der Kommunen koordiniert würden. Kontrolliert und eingerichtet werden sollte es von den Kommunen, es könnten aber gleichzeitig relevante gesellschaftliche Gruppen . z.B. in einem Beirat beteiligt sein. Aufgabenstellungen für ein solches regionales Wirtschaftsentwicklungszentrum sollten sein: Ansiedlungspolitik, Bestandspflege von Unternehmen, Gewerbeflächen, Verkehr, Forschung und Entwicklung, Informationsaustausch sowie Bildung, Qualifizierung und Weiterbildung.

Dr. Fischer von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrück stimmte hier grundsätzlich zu und hielt den Hinweis auf die Notwendigkeit einer Regionalisierung der Wirtschaftsförderung für sehr wichtig. Im Europa der Regionen könne man sich Kirchturmdenken nicht leisten, und mit dieser Forderung nach regional größeren Einheiten laufe man offene Türen ein. Nun könne man aber das Pferd nicht bei dem

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Schwanze aufzäumen, und man müsse sehen, daß überall Menschen handeln und es gewachsene Strukturen gebe. Diese Strukturen könnte man nun nicht über Nacht und am wenigsten mit Gewalt ändern, die Dinge müßten in vielen Fällen auch zusammenwachsen.

Für die engere Region Osnabrück habe es im letzten Jahr eine politische Übereinkunft stärkerer Zusammenarbeit zwischen Landkreis und Stadt Osnabrück gegeben, in den Bereichen der Gewerbeflächenvorsorge, aber auch in Fragen der Wirtschaftsförderung. Es werde keine größere Aktivität mehr von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Osnabrück geplant, die nicht mit den Wirtschaftsförderern im Landkreis abgestimmt sei, zumindest unterbreite man immer das Angebot, sich zu beteiligen. Er sei zuversichtlich, daß dieser Prozeß vielleicht auch in gemeinsame Strukturen münden könne.

In der Frage der Gewerbeflächen sei man ja nach vielen Jahren jetzt endlich einen gewaltigen Schritt weitergekommen, und es gebe doch schon einen regen Gedankenaustausch mit dem Landkreis über das verfügbare Flächenangebot, welches ja in der Stadt Osnabrück naturgemäß geringer sei. Dieser Austausch gehe dann auch hin bis zu Fragen: Wo kann man ein ansiedlungswilliges Unternehmen am besten unterbringen, welche Flächen haben wir? Er denke, da befinde man sich im Prozeß eines stärkeren Miteinanders.

Auf die Notwendigkeit einer ähnlichen Abstimmung im Bereich der Wohnungsbauflächen wies Schwanhold hin. Das Wohnungsdefizit der Stadt Osnabrück, welches nach einer Studie der LBS das größte innerhalb Niedersachsens ist, schlage sich auch in Form hoher Mieten nieder. [Fn 4: Vgl. Landes - Bausparkasse Hannover (Hrsg.): Das Jahrzehnt des Wohnungsmangels. Städte und Kreise Niedersachsens unter der Lupe: Stadt Osnabrück. Hannover 1991.]
Auch ein gutes Angebot an Wohnungsbauflächen sei für erfolgreiche Ansiedlungsbemühungen wichtig. In diesem Zusammenhang teilte OB Fip mit, daß es aktuell gelungen sei, noch einmal ein "großes Grundstückspaket für den Wohnungsbau zu schnüren". Mehr sei dann allerdings innerhalb der Stadt an nennenswerten Flächen nicht mehr verfügbar, aber dies werde ein wichtiger Beitrag zur Wohnungsversorgung in der Stadt Osnabrück sein. Auch auf diesem Gebiet erscheint also eine verstärkte regionale Zusammenarbeit angebracht zu sein.

Fip führte weiter aus, er sei sehr froh darüber, daß durch die Gründung von OBE die regionale Zusammenarbeit zwischen der Stadt Osnabrück als Oberzentrum, dem Landkreis Osnabrück, der Grafschaft Bentheim, dem Emsland und als kooptiertem Mitglied auch der Kreis Vechta jetzt offiziellen Charakter bekäme. Da wolle niemand dominieren, sondern hier wollten zukünftig alle an einem Tisch eruieren und zusammenarbeiten, um festzustellen, wo man gemeinsam Vorteile habe.

Die Stärke einer Region werde aus europäischer Perspektive auf besondere Weise zu formulieren sein, so Fip weiter. Es sei offenbar den politisch Verantwortlichen noch

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nicht klar, wie man europäische Dimensionen oder Regionen zu definieren habe. OBE sei in diesem Sinne sicherlich keine europäische Region, weil sie von der Größenordnung her dem nicht entspreche. OBE sei insofern der erste Schritt. OBE habe aber alle Optionen offen, denn über die Grafschaft Bentheim und das Emsland trete sie in die EUREGIO und die Zusammenhänge des Ems-Dollart-Raumes hinein. Auch das Städtedreieck Münster-Enschede-Osnabrück habe ja diese Beziehung zur EUREGIO, so daß sich im Laufe der kommenden Jahre durchaus eine geordnete, organisierte Zusammenarbeit über den OBE-Bereich hinaus ergeben könne. [Fn 5: Vgl. Forschergruppe Städtedreieck (Hrsg.): Städtedreieck Enschede/Hengelo - Münster - Osnabrück. Rahmenbedingungen, Entwicklungschancen, Gestaltungsmöglichkeiten. Band 1: Empfehlungen. Münster 1993.]
Er halte die Überschreitung der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen, die sich ja im Rahmen eines solchen Prozesses ergäbe, für unbedingt notwendig.

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2.4. Grundlagen regionaler Strukturpolitik

Nach den Fragen zur globalen Ausrichtung regionaler Wirtschaftspolitik soll nun diskutiert werden, welche Branchenstruktur für den Wirtschaftsraum erstrebenswert ist. Wir setzen dazu einmal voraus, man wäre nicht darauf angewiesen, alle Unternehmen anzusiedeln, die bereit sind zu kommen, sondern könnte frei unter interessierten Investoren aus allen Wirtschaftsbereichen wählen. Welches Leitbild sollte dann die regionale Strukturpolitik verfolgen?

Die Beurteilung der aktuellen Wirtschaftsstruktur durch die regionalen Verantwortlichen fiel recht positiv aus. Nach Einschätzung von Hans-Jürgen Fip, Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück, ist die positive Entwicklung der Region in erster Linie das Ergebnis einer soliden Industriestruktur mittelständischer Prägung, aber auch einer außerordentlich gesunden handwerklichen Struktur. Auch nach Ansicht von Hubert Dinger, Hauptgeschäftsführer der IHK Osnabrück-Emsland, biete die vielfältige Wirtschaftsstruktur der Region günstige Zukunftsperspektiven.

Es seien in der Vergangenheit von der Stahl- und Textilindustrie gewaltige Anpassungsleistungen im Strukturwandel erbracht worden, führte Fip weiter aus. Man müsse aber darauf achten, daß neues Wachstum strukturelle Unzulänglichkeiten nicht wieder überdecke und weiterbestehen lasse bis zur nächsten Krise. Als aktuellen Problembereich erwähnte er die Automobilindustrie und ihre Zulieferer, die zusammen den größten Arbeitgeber in der Region darstellten.

In welche Richtung geht aber der Strukturwandel, ist er überhaupt prognostizierbar? Steuern wir etwa auf die Dienstleistungsgesellschaft zu? Sicherlich ist es richtig, daß zusätzliche Arbeitsplätze in den vergangenen Jahren in erster Linie im

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Dienstleistungsbereich entstanden sind. [Fn 6: Vgl. Jung, H. - U./Schätzl, L. (Hrsg.): Atlas zur Wirtschaftsgeographie von Niedersachsen. Ökonomische, soziale und ökologische Aspekte räumlicher Strukturen und Entwicklungen. Braunschweig 1993, S. 90 und 96 .]
Wenn diese Tatsache aber so interpretiert wird, daß die Ansiedlung möglichst nur von Dienstleistungsbetrieben zur Leitlinie regionaler Strukturpolitik wird, so ist das eine falsche Interpretation. Die Nachfrage nach Dienstleistungen kommt zum überwiegenden Teil aus der Industrie, während die direkte Nachfrage der Konsumenten nur einen kleineren Teil ausmacht. Wir erleben heute unter dem Schlagwort "schlanke Produktion", daß Unternehmen systematisch Dienstleistungen, die nicht zum Unternehmensschwerpunkt gehören, nicht mehr selbst produzieren, sondern fremd beziehen. Insofern ist eine Region, die allein mit Dienstleistungsunternehmen besetzt ist, nur schwer vorstellbar. In den Worten von Staatssekretär Tacke aus der Abschlußdiskussion bedeutet das auf die Region bezogen, daß der Dienstleistungsstandort Stadt Osnabrück in extremer Weise von der industriellen Entwicklung im gesamten Raum abhängig ist.

Oder befinden wir uns auf dem Weg in die High-Tech-Industriegesellschaft? Im Verlauf der Konferenz wurden mehrfach die Hochtechnologiebereiche als besondere Hoffnungsträger angesprochen. High-Tech muß zunächst einmal auch in den traditionellen Industriezweigen Anwendung finden, wie Hermann Cordes, Arbeitsdirektor der Georgsmarienhütte GmbH, es für die Stahlindustrie formulierte: "Wenn wir uns im Hochlohnland Deutschland behaupten wollen, so müssen wir das auf technisch höchstem Niveau tun." Sein Statement wurde durch mehrere weitere Diskussionsbeiträge unterstützt. Es herrschte Einvernehmen darüber, daß auch in diesen Bereichen, die ja die Industrielandschaft in Deutschland dominieren, der Anschluß an die Spitzentechnologie nicht verloren gehen dürfe, denn sonst gehe ja wirklich die breitere Basis für die Beschäftigung verloren. Man müsse sich über die Notwendigkeit der Pflege der traditionellen Industrien im klaren sein und die Entwicklung der Personal-, Energie- und Umweltkosten im Auge behalten.

Als die eigentlichen Hoffnungsträger sind dann die Bereiche anzusprechen, von denen Spitzentechnologie entwickelt und verkauft wird. Hier eröffnen sich durch Forschung und Entwicklung zukunftsträchtige Möglichkeiten für die Unternehmen, neue Produkte und Serviceideen hervorzubringen, und mit ihnen neue Märkte zu schaffen und zu besetzen, die dann zumindest mittelfristig Gewinn abzuwerfen versprechen und für nachhaltige Beschäftigungseffekte sorgen können. Genannt wurden hier im Verlauf der Diskussion die Bereiche:

  • Konsumelektronik
  • Umwelttechnologie,
  • Speichertechnologie,
  • Biotechnologie,
  • Verkehrstechnologie,
  • Telekommunikation,

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  • Transportdienstleistungen der Bahn,
  • Transportlogistik und
  • Softwareentwicklung.

Als besonders wichtiges Beispiel hob Dr. Alexander Fischer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrück, den Bereich der Umwelttechnologie heraus. Nach einer aktuellen Untersuchung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie seien zwei Drittel der Innovationen der nächsten Jahre dem Bereich Umwelttechnik zuzuordnen. Aus diesem Blickwinkel könne man die im internationalen Vergleich hohen Umweltstandards in Deutschland als eine Investition interpretieren. Die Notwendigkeit, heute in diesen Bereichen forschen und entwickeln zu müssen, werde sich später, wenn auch andernorts dem Umweltschutz ein höherer gesellschaftlicher Wert beigemessen werde, in Form guter Exportchancen als Marktführer auszahlen.

Hier sei ein "Strukturwandel in den Unternehmen" hin zu einer generellen Verstärkung der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie eine höhere Innovationsbereitschaft und -tätigkeit auch der mittelständischen Unternehmen erforderlich. Fischer sagte weiter, er spüre noch nicht so den Pioniergeist, daß Firmen auch einmal sagten: "Jetzt gehe ich mal in die wohlhabenderen Länder in Fernost wie z.B. Taiwan, in denen man dem Umweltschutz ein steigendes Interesse entgegenbringt und gucke mir an, wie der Markt so ist, selbst wenn ich nicht sofort heute etwas verkaufe. Vielleicht kann ich da in 5 Jahren etwas verkaufen." Auch das sei hier gefragt.

Auf die besondere Chance für eine Profilierung der Region in diesem Bereich wies Hans-Jürgen Fip, Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück, in der Abschlußdiskussion hin. Hier sei durch die Bundesumweltstiftung eine hervorragende Ausgangsbasis vorhanden, und man müßte seines Erachtens sehr konkret daran arbeiten, den Umweltsektor in der regionalen Wirtschaft weiter voranzutreiben. Nach einer Studie des Ifo-Instituts sei ja die Region schon überdurchschnittlich stark mit Unternehmen besetzt, die Umweltschutzgüter produzieren. Mit 3,7 Umweltschutzgüteranbietern je 100 Betriebe hatte die Region Osnabrück 1988 den höchsten Anteil im Land Niedersachsen, wobei der Landesdurchschnitt bei 2,2 lag. [Fn 7: Vgl. Wackerbauer, J. u.a.: Der Umweltschutzmarkt in Niedersachsen - Eine Struktur - und Potentialanalyse. München 1990, S. 435.]
Es gebe hier, so Fip weiter, sinnvolle Überlegungen, beispielsweise auf einem bestimmten Gelände innerhalb der Stadt Osnabrück eine ständige Präsentation von Umweltschutzprodukten aus der Region zu präsentieren, damit Besucher der Stiftung diese an einer Stelle besichtigen könnten und nicht immer in die Fläche zu fahren hätten. Er sprach die Empfehlung aus, eine Profilierung der Region in diese Richtung zu forcieren.

Trotz aller Hoffnungen, die mit den Zukunftsindustrien verbunden werden, kann das Ergebnis der Diskussion über die Ausrichtung regionaler Strukturpolitik in der Zusammenfassung nur lauten, grundsätzlich eine möglichst breit gefächerte

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Branchenstruktur anzustreben, um unabhängig von der Entwicklung einzelner Wirtschaftsbereiche zu sein. Monostrukturierte Industrieschwerpunkte, das hat die Vergangenheit nicht nur in der Region Osnabrück eindrucksvoll gezeigt, stellen in jedem Falle ein Gefahrenpotential dar.

Die traditionellen Industrien dominieren im Moment noch ganz eindeutig das Bild der Region. Wenn auch bei Stahl und Textil keine akuten Warnsignale zu hören sind, bestehen hier für die Region dauerhaft Beschäftigungsrisiken. Das Gleiche gilt aktuell für die Arbeitsplätze im Fahrzeug- und Maschinenbau. Ein gezielter Ausbau der High-Tech-Bereiche im engeren Sinne ist notwendig, um mittel- bis langfristig die traditionellen Industrien als Träger der Beschäftigung entlasten zu können. Es sollten sich damit auch verstärkte Erfolge im Export einstellen.

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2.5. Aktuelle Problemebranche: Automobilzulieferindustrie

Die aktuelle Situation der Automobilindustrie in der Region wurde im Verlauf der Abschlußdiskussion breit diskutiert. Ernst Schwanhold richtete in diesem Zusammenhang an Wolfgang Honen, den Leiter des Bereichs Controlling der Wilhelm Karmann GmbH, die Frage, welche Wachstumsimpulse sein Unternehmen in der Doppelrolle als Vollhersteller und Zulieferer der Region geben könne, wenn die aktuellen wirtschaftlichen Probleme gelöst seien.

Hönen antwortete darauf zunächst, daß Karmann sich als reines Zulieferunternehmen verstehe. Man fertige zwar komplette Autos, habe aber im Prinzip als Zulieferant, und zwar in Osnabrück fast ausschließlich für VW, eigentlich nicht die Möglichkeit, im Markt eigenständig etwas in Sachen Wachstum zu unternehmen. Karmann sei daher von der Automobilindustrie, von den Herstellern abhängig. Diese Tatsache sei sicherlich eine besondere Schwierigkeit, die man im Augenblick bei Karmann habe.

Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip sprach dann eine Initiative der Stadt Osnabrück an. Man habe sich mit dem Landkreis Osnabrück beraten, die Automobilzulieferer aus der Region zu einem gemeinsamen Gespräch zusammenzuführen, um zu überlegen, wieweit man im Markt durch gemeinsames Akquirieren von Aufträgen und Anbieten von Leistungen stärker werden könne. Laut Fip würden etwa 30 Unternehmen aus der Region, darunter auch Firmen aus Nordrhein-Westfalen, schon bald an einem Tisch sitzen, um sich der Herausforderung zu stellen, die in der neuen Komponentenanfrage der Automobilindustrie begründet sei.

Im Falle der Vereinbarung einer Zusammenarbeit würde die Stadt Osnabrück ein Grundstück im Gewerbegebiet Sutthausen einbringen, und zwar das Haus Neuer Kamp. Dort könnte sich ein solches Entwicklungszentrum etablieren, in das die Firmen bestimmte Ingenieure abstellen könnten, und in das auch die Fachhochschule und die Universität eingebunden werden sollten. Dieses Zentrum sei in der aktuellen Situation für eine zukunftsorientierte Entwicklung der Region notwendig und stelle

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einen besonderen Beitrag des Oberzentrums für die Region dar. Er hoffe, daß es gelänge, ein solches Zentrum langfristig zu etablieren.

Staatssekretär Tacke bezeichnete den Ansatz des Oberbürgermeisters als hochinteressant, genau das versuche man auch im Wirtschaftsministerium zu realisieren. Bei einer besseren Auslastung der Automobilendproduzenten werde diese Branche ihre Fertigungstiefe weiter reduzieren und ganze Komponenten ausschreiben anstelle von Einzelteilen. Dabei hätten die Zulieferer nur eine Chance, wenn es ihnen gelänge, gemeinsam den Einkauf, den Vertrieb, die Logistik und auch die Komponenten anzubieten. Dann hätten sie eine Chance, am Markt durchsetzungsfähig zu sein und auf den Druck der Endproduzenten zu reagieren.

Der Erfolg eines solchen Zentrums sei aber davon abhängig, inwieweit Mittelständler sich darüber verständigen könnten, wie und in welchem Umfang man kooperiert. Tacke äußerte sich hier optimistisch, denn man wisse aus Gesprächen mit Zulieferbetrieben, daß auch in der mittelständischen Wirtschaft die Überzeugung vorherrsche, daß es außerhalb kapitalmäßiger Verflechtungen sehr wohl interessante Kooperationsgebiete in der Forschung und der Komponentenfertigung geben könne und daß dies auch zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit erhöhe.

Schwanhold brachte dann das Stichwort Recycling in diese Diskussion ein. Er befragte Hönen, ob eigentlich auch daran gedacht werde, am Ende der Nutzungsdauer eines Fahrzeugs ein Angebot zum Recycling von Teilen, Komponenten und Rohstoffen zu unterbreiten. Hönen nannte es eine ganz wichtige Voraussetzung, schon bei der Entwicklung an das Recycling zu denken. Wenn das Auto einmal konstruiert sei, und man habe vorher nicht darüber nachgedacht, sei es zweifellos zu spät. Im übrigen sei die hier angedachte Operation der einzige Weg, um die zukünftigen Tendenzen in der Automobilindustrie zu berücksichtigen, denn er glaube, daß das Modell vom Zulieferbetrieb als verlängerte Werkbank des Automobilherstellers tot sei. Man müsse die Entwicklungskompetenz zu den Zulieferern bringen, und da müsse der Wiederverwertungsgedanke von Beginn an mit berücksichtigt werden.

Schwanhold führte den Gedanken dann noch weiter, indem er auf die Perspektiven der regionalen Stahlindustrie im Rahmen einer solchen Automobilrecyclings hinwies. Möglicherweise könnte sie sich dabei durch die Wiederverwertung von Kunststoff ein zusätzliches Standbein und eine längerfristige Perspektive schaffen.

Hier sei es offenbar möglich, vorbeugenden Umweltschutz mit einem positiven Beschäftigungseffekt zu verbinden. Am Beispiel des demontagefreundlichen VW Golf 3 seien in einer Studie nicht unerhebliche Beschäftigungswirkungen durch die Demontage und Wiederverwertung von Rohstoffen aufgezeigt worden. Er könne sich ein solches Modell durchaus auch für andere Branchen vorstellen, in denen sich stoffliche Kreislaufwirtschaft lohne. Es sei sicherlich sinnvoll, in diese Richtung zu denken, er sehe hier eine zusätzliche Entwicklungschance für die Region Osnabrück.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1999

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